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In einer Diskussion zum Thema Erzählspiele vs. Labyrinth Lord kam die Frage auf, warum ich im Rollenspiel *Kämpfen für einen besseren Garant für Unterhaltung halte als die Bedrohung der Liebsten und ähnlicher Charakterziele*. Dabei orientiere ich mich ungefähr an On Skill Deconstruction: Why Roll for Resolution von Courtney, wo er Zak zitiert und kommentiert.
Diskussion zum Thema Erzählspiele vs. Labyrinth Lord
On Skill Deconstruction: Why Roll for Resolution
Weil der Spieler über seinen Charakter mit der Spielwelt interagiert, ist *die Bedrohung des Charakters* die grösste Gefahr. Diese existenzielle Angst um den Charakter macht das Spiel für mich erst spannend. Wenn die Freunde und Geliebten meines Charakters, wenn die Errungenschaften meines Charakters bedroht werden, bin ich zwar auch etwas nervös, aber nicht so sehr wie wenn mein Charakter selber bedroht ist.
Im Gegenteil, oft sucht mein Charakter sich Leute als *comic relief* oder *romantic interest*, weil ich Persönlichkeitsaspekte meines Charakters ausspielen will. Um so mühsamer, wenn der Spielleiter sich dann dazu berufen fühlt, diese Personen statt meinen Charakter direkt zu bedrohen. So werden sie aus den *von mir zugedachten Rollen herausgerissen und als Erpressungsmittel gegen mich* verwendet. Das mag ich nicht.
Im Kampf stehen die Spieler *im klaren Wettbewerb mit jemandem am Tisch*. Meistens handelt es sich um den Spielleiter. Wenn in einem Erzählspiel dieser antagonistische Spielelleiter fehlt, drifte ich schnell in ein Spieler-gegen-Spieler Muster, weil ich im abgesteckten Rahmen des Spiels diesen Wettbewerb durchaus immer wieder mal geniesse. Ich will mich nicht ständig messen, aber ich muss trotzdem immer vor Freude lachen, wenn ein Mitspieler meinem Charakter *en passant* eins auswischt. Das stachelt mich an!
Der Dauerbrenner *player agency* ist im Kampf absolut gegeben. Klar, ich rede nicht vom plumpen Würfeln oder den taktischen Mikroentscheidungen ohne wirklicher Konsequenz (/five foot step/ ja oder nein ist keine wirkliche Frage) sondern vom Drumherum: Soll ich kämpfen, verhandeln oder fliehen? Lasse ich meine Freunde im Stich? Soll ich den Verlierer töten oder begnadigen? Wegen den klaren Konsequenzen, die durch das Regelsystem gegeben sind, haben alle meine Entscheide rund um den Kampf ebenfalls klare Konsequenzen. *Hier fallen die wichtigsten Entscheidungen* für meinen Charakter.
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Das Zitat von Zak ist sehr einsichtsvoll und scharf analysiert. Aber was Zak sagt ist im wesentlichen, dass Kämpfe so spannend sind wegen vier Punkten:
Es fehlen IMO aber noch Punkte: es geht zB über mehrere Runden mit Möglichkeiten zu Aktionen und Reaktionen. Und es gibt in den Hitpoints einen expliziten Count-Down. Und man kann sich ohne Weiteres gegenseitig helfen und verschiedene Stärken und Schwächen kombinieren.
Hier ist meine These: Der Grund, warum diese Aspekte bei Kämpfen zusammenkommen und bei anderen Konflikten nicht ist *die Tradition*. Wir haben es schlicht so gelernt und die Spielregeln lehren es uns weiterhin so. Ich denke aber, dass es sich lohnen würde auch bei gewaltfreien Szenen diese Aspekte einzubringen. Vielleicht könnte man sogar von den aufgelisteten Punkten eine Vorgehensweise für das Konstruieren von solchen Szenen herleiten...
Was deinen zweiten Punkt angeht: Leider sind nicht alle Spieler willens dem Spielleiter zu sagen: “das ist mir wichtig, dafür will ich kämpfen”. Nun ist aber Rollenspiel ein gemeinschaftliches Unterfangen, ein gegenseitiges geben und nehmen. Wenn ich mir als SL mühe gebe, für den Spieler interessante Herausforderungen auszudenken und der Spieler darauf kaum reagiert, und wenn er auch auf explizites Nachfragen kaum etwas brauchbares liefert, dann finde ich schon dass ich als SL berechtigt bin, das, was ich weiss ihm wichtig ist, anzugreifen. Damit er einen Grund zum Kämpfen bekommt.
Ich persönlich will das übrigens auch als Spieler. Wenn ich dem SL sage, dass mir die Aufrechterhaltung des guten Namens des Klosters wichtig ist, dann erwarte ich, dass der SL das Kloster gründlich durch den Kakao zieht mit Korruptions-, Unzuchts- und allerlei anderen Skandalen. Oder dass er es zumindest versucht.
Klar soll das geschickt gemacht sein, interessant und nicht stupid. Wenn ich also angebe, dass ich mich in die Tochter des Schmiedes verguckt habe, dann ist “Na so ein Zufall, sie ist seit gestern nicht mehr gesehen worden. Dafür aber hat man Orkspuren an ihrem Lieblingsplatz im Wald gefunden” die schwächste mögliche Ausnutzung dieser Beziehung. Viel besser wäre: “Sie schleicht sich im Markt neben dich und will, dass du für sie ihren Vater ermordest”... Also: mit meinen Kontakten in die Spielwelt *soll* der SL spielen, dafür sind sie da.
Was meinst du Alex, sind unsere Standpunkte vereinbar oder haben wir unterschiedliche Bedürfnisse?
– lior 2011-12-24 23:32 UTC
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Egal was wir online diskutieren, ich sehe es als erwiesen an, dass sich unsere Bedürfnisse *am Tisch* genug decken. 😄
Deine Vorstellungen bezüglich Dingen, die meinem Charakter am Herzen liegen und die der Spielleiter bedroht, teile ich vollkommen – aber nur, wenn wir uns vorher auf eine Sorte von Indie Spielablauf geeinigt haben. Wenn ich aber selber wählen darf, dann ist mir ein traditioneller Spielablauf lieber. Die Charaktere haben eine zivilisierte Welt, wo sie ab und zu eine Beziehungen knüpfen, die Abenteuer erleben sie aber ausserhalb, in der Wildniss, in der Unterwelt.
Was ich hierzu auch spannend fand, ist der Beitrag Helden vs. Abenteurer von Stefan, wo nach ich mich klar auf der Seite der Abenteurer sehe:
Der Held wird gezwungen abenteuerliche Dinge zu tun, weil sein normales Leben bedroht ist. Sollte er sich weigern zu handeln werden entweder seine Liebsten und/oder er selber sterben. […]
Der Abenteurer dagegen begiebt sich freiwillig in Gefahr. […] Heim und Familie dienen hier als Gegenstück und Rahmen zum abenteuerlichen Tun. Die Heimat dient als Entspannungsphase und dient dem Zuschauer/Spieler als Anker.
Ebenfalls zum Thema, aber für mich nicht ganz so interessant, weil ich die Bücher von Norbert Bischof und Joseph Campbell nicht kenne, war der Tanelorn Thread Fantasy Rollenspiel - keine Heldenreise, sondern Tricksterabenteuer.
Fantasy Rollenspiel - keine Heldenreise, sondern Tricksterabenteuer
Aus dieser “Helden vs. Abenteurer” Perspektive, wo ich mich als Abenteurer sehe und Heim und Familie dazu dienen, mich als Spieler in der Fantasiewelt zu verankern, bin ich nicht daran interessiert, diese vom Spielleiter bedrohen zu lassen.
Das funktioniert natürlich besser, wenn Spieler und Spielleiter sich kennen oder über den Spieltyp geredet haben.
Unabhängig von all dem meintest du, dass es möglich sein müsste, gewaltlose, spannende Szenen zu konstruieren, wenn man hierbei Zaks Kriterien und deine zusätzlichen Elemente verwenden würde. Das könnte sehr wohl sein. Selber bin ich daran aber nicht wirklich interessiert. “Ich will das Würfelspiel und die Schauspielerei. Das Spiel passiert bei mir im Kampf, die Schauspielerei im Gespräch.” (2011-05-09 Ich habe lieber keine sozialen Fertigkeiten im Spiel) Meine erste Reaktion ist auf alle Fälle, das Problem als gelöst zu betrachten. Ich habe nicht genug Spieldesignerehrgeiz, um ein neues Spiel zu entwickeln, wo es keine Kämpfe gibt sondern andere Konflikte ohne physischer Gewalt, die nach ähnlichen Regeln aufgelöst werden, wie wir im Moment Kämpfe auflösen. Vielleicht müsste man sich mal Luke Cranes *Free Market* anschauen?
2011-05-09 Ich habe lieber keine sozialen Fertigkeiten im Spiel
– Alex Schroeder 2011-12-26 11:36 UTC
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Abenteurer vs Helden, das ist eine interessante Trennung. Ich würde es noch etwas mehr aufdröseln und zwischen zwei Achsen unterscheiden:
Erstens, aktive vs passive Motivation:
Zweitens, äussere vs innere Handlung:
Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr sehe ich mich primär als passiv-innerlich, sekundär als passiv-äusserlich. Ich schätze dich aber vor allem als aktiv-* ein, mit Vorzug auf aktiv-äusserlich. Was meinsch?
Das soll natürlich alles nicht heissen, dass wir nicht auch mal anders können, wenn die Gruppe und oder das System es so will.
Mir gefällt dieses kleine Schema, ich glaube es hat Relevanz. ZB das Beispiel von meinem letzten Kommentar, das mit der Geliebten: einem wie mir würde es gefallen, wenn der SL meine Geliebte als mordlustigen Intrigantin darstellt, denn das birgt interessante Spannungen zu meinem PC (Annahme: mein PC ist rechtschaffen). Einem Spieler, der aber auf äussere Handlung steht und innere nicht schätzt könnte das sehr sauer aufstossen: “Was tut SL da mit *meinem* NPC, was hat er da überhaupt verloren?”
– lior 2011-12-27 13:37 UTC