Flo hat mich und andere Mitspieler 2010 gebeten, kurz nieder zu schreiben, was wir uns vom Rollenspiel erhoffen. Das Thema ist und bleibt schwierig.
Im Vergleich mit den anderen mir bekannten Spielleitern mag ich *Action*. Das hat natürlich mehrere Aspekte.
Ich mag es nicht, wenn wir vorher lang labern und die Preise von Stereoanlagen beim Discounter vergleichen. Ich bin gekommen um zu spielen. Ich wäre nämlich lieber daheim auf dem Sofa und würde ein Buch lesen anstatt über Stereoanlagen zu reden. Ich mag es, wenn zur abgemachten Zeit die meisten Spielerinnen und Spieler schon am Tisch sitzen und *los legen* wollen. “Es ist zwei nach acht, los geht’s!!” Wenn dann nur noch einer oder zwei fehlen, dann fangen wir an. Die Begeisterung steckt an!
Ich spiele gerne *intensiv*. Die Stunden sollen wie im Flug vergehen. Entwickeln sich separate Diskussionen am Tisch, schmökert einer im Regelbuch oder steht gar auf und geht rüber zum Büchergestell, dann fehlt der Druck. Ich wünsche mir *mehr Schweiss und Tränen* in einer Barrage von Geschrei und Würfelknattern und einem grossen Knall, so dass wir erstaunt aus dem Traum aufschrecken, die Sonne untergegangen ist, der Kaffee kalt geworden ist, das Zimmer gelüftet werden muss, und wir uns wundern, warum wir alle so heiser sind.
Ich liebe *Entscheidungen* – und zwar viele davon! Wenn es für Spielerinnen und Spieler nichts zu entscheiden hat, spule ich gerne vor. “Als ihr nach langer Wanderung...” Das versuche ich auch mit entsprechenden Fragen einzuleiten. “Will sonst noch jemand etwas machen? Ansonsten spulen wir vor zum Tor mit dem goldenen Löwen.” Die Umkehr davon finde ich sehr frustrierend. “Ihr seid in Elwher angekommen.” Wir schauen uns an. “Uh... Ok?” Keine Info, keine Motivation und trotzdem entscheiden? Vorspulen!
Kämpfen sollte man nicht mit Action verwechseln. Ein *kurzer Kampf* ist ideal. Ich hasse Kämpfe, die zwei Stunden dauern. Charakterentwicklung und neue Geheimnisse der Flora und Fauna kann man auch in kurzen Kämpfen erleben. Meistens muss man in langen Kämpfen vor allem lange warten. Wenn man dann endlich dran ist, gibt es auch kaum etwas zu entscheiden. Meistens gibt es eine oder zwei sinnvolle Entscheidungen, alles andere ist ein Fehler.
Zum Thema *Railroad* bin ich zweigeteilter Meinung. Wenn es gut gemacht ist, habe ich keine Mühe mit einem Adventure Path, wo alle Kämpfe schwierig aber machbar sind. Alles ist immer “genau richtig”. Noch lieber habe ich allerdings eine *Sandbox*, wo die Spielerinnen und Spieler selber entscheiden, mit wem Händel gesucht wird. Mehr Entscheidungen! Mit wem lege ich mich an, wo lohnt sich das, was will ich mit meinem Charakter in dieser Kampagne erleben? Als Spielleiter muss ich dann zwar mehr Optionen vorbereiten, aber ansonsten bin ich freier: Den Schwierigkeitsgrad muss ich nicht nachregulieren, weil die Spielerschaft den selber gewählt haben. Die Endbösewichte muss ich nicht von Anfang an festlegen, weil die Spielerschaft erst durch Taten zeigen, was sie interessiert.
Wenn ich die *Schwierigkeit* bestimmen kann, liebe ich die Gefahr im Spiel. Natürlich wollen meine Charaktere nicht sterben, aber vor die Wahl gestellt, will ich nicht von einer gnädigen Spielleitung gerettet werden. Die Gefahr verleiht dem Risiko seine Bedeutung. Wenn ich ein Ziel erreiche, und es war unglaublich einfach, dann kann ich nicht wirklich stolz darauf sein. Wenn es nie einen Grund zu fliehen gibt, ist bleiben und kämpfen keine wichtige Entscheidung.
nicht wirklich stolz darauf sein
Da ich ein gefährliches Spiel liebe, hänge ich auch nicht so recht an den einzelnen Charakteren. Zeit abgelaufen, kein Problem, wird gleich ein neuer gemacht. Deswegen hasse ich Spiele, wo die *Charaktererschaffung* lang und mühsam ist. Am Schluss habe ich Angst vor gefährlichen Abenteuern, weil mein Charakter sterben könnte und ich stundenlang einen neuen machen müsste. Charaktererschaffung ist ein Minispiel, welches man daheim alleine spielt. Mir macht dies keinen Spass. Was ich am Rollenspiel mag, findet am Tisch statt. Deswegen will ich sofort wieder einsteigen können.
Weil ich vor allem gerne am Tisch spiele, haben meine Charaktere auch selten mehr als zwei oder drei Sätze *Hintergrundgeschichte*. Der Rest wird nach und nach am Tisch dazu improvisiert und dann im Nachhinein niedergeschrieben. Ewig lange Hintegrundgeschichten anderer Charaktere lese ich nicht gerne, da die meisten von uns nicht mit den Autoren konkurrieren können, die bei mir im Bücherregal stehen. Wenn andere Spielerinnen und Spieler das brauchen, um gut spielen zu können, kein Problem. Ich fürchte dann allerdings, dass diese Leute auch tendenziell ungefährlich spielen wollen, weil sonst ja im Ernstfall alle ihre Geheimnisse und die gesamte Hintergrundgeschichte umsonst gewesen wären.
Genau so halte ich es mit den Spielberichten. Die mag ich kurz und knackig. Gerade gut genug, um denjenigen auf die Sprünge zu helfen, die einen Spielabend verpasst haben. Ich mag keine Romane, weil wir fast alle wie gesagt so schlechte Romanautoren sind. Aller Anfang ist kurz. Einen *Spielbericht* und etwas Material auf dem Kampagnenwiki veröffentlichen ist eine tolle Sache. Diese Seiten gegenseitig kommentieren, loben und weiter spinnen finde ich auch toll. Es darf einfach nicht zur Hausaufgabe werden. Wie gesagt, gespielt wird am Tisch. Ansonsten könnte ich nämlich in beliebig vielen *Play By Post* (PBP) oder *Chat* Spielen teilnehmen.
Weil ich kein Freund von komplizierten Regeln bin, die Charaktererschaffung schnell über die Bühne gehen soll, und mir sowieso die gefällten Entscheide wichtiger als die Zahlen auf dem Charakterblatt sind, brauche ich *keine grossen mechanischen Unterschiede* zwischen allen Charakteren. Von mir aus können wir vier Kämpfer und zwei Magier sein, und los geht’s. Ob der eine Kämpfer vor allem die Orks hasst, oder so gläubig ist, dass er um Wunder beten kann, oder vor allem gut aus dem Hinterhalt zuschlagen kann, ist mir eigentlich egal. Ich sehe das als schlichte rollenspielerische Herausforderung. Wer so was gerne spielt, soll es einfach sagen, so wie auch viele anderen Dinge einfach nur gesagt werden.
Klar, so klar ist die Linie auch wieder nicht. Beispielsweise mag ich es, wenn Magier sich auf ein Gebiet spezialisieren und ihnen nicht allen die gleichen Sprüche zur Verfügung stehen.
Nichts soll mir geschenkt werden. Meine Charaktere sollen gefährlich leben und an ihrem Aufstieg will ich *hart arbeiten*. Charaktere sollen auf der ersten Stufe anfangen und sich nur langsam hoch arbeiten.
Ich mag es, wenn wir am Tisch etwas über die Charaktere erfahren, ohne dass es zu einem Monolog kommt. Kleine *Eigenheiten* der Charaktere scheinen mir hierfür besonders geeignet. Wenn mein Charakter leichtsinnig, religiös, oder dreckig ist, dann kann die Umwelt darauf reagieren und es kann sich eine interessante Dynamik entwickeln. Wird mein Charakter am Ende konvertieren? Sich zivilisieren? Weise werden? Schnell ergibt sich daraus ein unterhaltsamer Spannungsbogen.
Ich bin allergisch auf Charaktere, die andere Spielerinnen und Spieler am Tisch nerven. Die Charaktere sind zu unserer Unterhaltung da, nicht umgekehrt. Die Entschuldigung, dass dies etwas sei, was der Charakter halt machen würde, interessiert mich nicht. Die Charaktere haben keine Rechte, wir Menschen am Tisch hingegen schon. Ich will auf keinen Fall mit Leuten zusammen spielen, denen es Spass macht, die anderen am Tisch zu nerven oder die Grenzen des Erträglichen zu erkunden.
Was mich nervt, ist *Grausamkeit* im Spiel. So will ich meine Freizeit nicht verbringen. Solche Filme schaue ich nicht, solche Bücher lese ich nicht und solche Spiele spiele ich nicht. Folter, Quälerei, Leute kaltherzig in den Tod laufen lassen, über das Leid anderer lachen – ich will meine Freizeit nicht in einer grimmigen und dunklen Fantasiewelt verbringen, ich will mit habgierigen, kaltherzigen, fiesen und gemeinen Charakteren keine Abenteuer erleben.
Was ich nicht mag, ist *Reibung* zwischen den Personen am Tisch. Das kann schnell heikel werden. Ich bin da ziemlich Konflikt-scheu. Ich tendiere dazu, mich einfach zu verabschieden. Wenn wir das aber alle machen, bleiben diejenigen, die nerven, und es gehen diejenigen, mit denen ich gerne weiter spielen würde. Eine fürchterliche Dynamik. Deswegen will ich mich bemühen, solche Konflikte durch zu stehen, aber meine Stärke ist das nicht.
Im Spiel will ich diese Konflikte auch nicht lösen. Dann ist es schon zu spät. Es reicht mir also nicht, wenn die arroganten Charaktere mit ihrer unsäglichen Art im Spiel bestraft werden oder wenn sich die Gewalt nur gegen Nicht-Spieler Charaktere richtet. Mir macht das Spiel schon lange vorher keinen Spass mehr.
Die Struktur der Rollenspiele verlangt *Kooperation* unter der Spielerschaft. Das liebe ich! Aber ich will das auch nicht übertreiben. Wenn einer von uns krank ist, muss das Spiel weitergehen. Und wenn einer von uns sich heimlich mit der Spielleitung abspricht und die Gruppe an den Feind verrät, dann finde ich das eine geniale Wendung! Klar, das mag nicht jeder. Aber ich mag das! Ich gehe natürlich davon aus, dass wir uns dann entweder aus den Klauen der Bösewichte befreien können, oder die Charaktere eine Rettungsmission mit anderen Charakteren spielen.
Ich sagte schon, dass ich mich gerne auf einen sehr kurzen Hintergrund beschränke. Was ich allerdings sehr gerne habe, sind Verbindungen unter den Charakteren. Kleriker und Paladin, den er selber konvertiert hat. Ritter und Knappe. Geschwister. Da kann man auch mit jedem Spiel mehr Hintergrund zusammen dazuimprovisieren. Dieses gegenseitige Hochschaukeln gefällt mir sehr.
Was ich langweilig finde, sind *lange Selbstbeschreibungen*: Mein Charakter hat langes braunes Haar, leichte Locken fallen locker über die Schultern. Eine Strähne hängt ihm beim Essen immer wieder ins Gesicht, so dass er sich angewöhnt hat, diese immer weg zu streichen. Gerne kämmt er sich die Haare auch nach hinten und bindet sie zum Zopf. Dann weiss man, gleich wird er sich den Helm aufsetzen und mir wird das Gesicht einschlafen. Was soll ich mit diesen Details der anderen Charaktere? *Ein oder zwei Tupfer*, das muss reichen. Den Rest habe ich mir tausendmal schneller vorgestellt als man mir das am Tisch erklären könnte.
Weil ich gerne Entscheidungen habe, und ein grosser Freund der wenigen Worte bin, folgt daraus, dass man möglichst mit jedem Wort den Mitspielern eine Reibungsfläche gibt, Entscheidungen ermöglicht. Bist du mein Knappe, gebe ich dir einen Befehl. Willst du dich nun einschleimen, unterwerfen, auf Rache sinnen, treu mir sein? Durch mein Verhalten will ich Taten ermöglichen und unsere Geschichte und Entwicklung vorantreiben. Das Gegenteil davon ist ein Monolog über meinen Charakter. Ich bin gross. Ich bin stark. Ich schleife mein Schwert. Am Abend esse ich einen Hasen. Wie soll man da reagieren?
Früher mal war ich Freund der Gleichbehandlung von Kampf und Diskussion. Beides sind doch nur Konflikte, dachte ich mir. Mit der Zeit hat sich das bei mir wieder geändert. Jetzt freue ich mich, wenn eine Diskussion (kurz!) ausgespielt wird und niemand würfeln muss. Dieser *Wechsel vom Spieltempo* empfinde ich mittlerweile als wohltuende Abwechslung. Normalerweise wird gerne eingewendet, dass so eine scheue Person kein gesalbter Diplomaten sein kann. Dann halt nicht, ist doch kein Problem?
Was ich meistens auf der Metaebene sehr störend finde, ist *Widerspruch*. Das mag seltsam klingen. Was ich damit meine, basiert auf Ideen zum Improvisationstheater. Wenn am Tisch etwas gesagt wird, ist die beste Antwort *Ja, und* (integriert die Aussage des Gegenübers und baut darauf auf); die zweit-beste Antwort ist *Ja, aber* (es gibt ein Hindernis); nicht ganz so schlechte Antwort ist *Nein, aber* (es gibt eine Alternative); die schlechteste Antwort ist *Nein* (was du sagst ist Quatsch und wird ignoriert). Auch mag ich es nicht, wenn zur Diskussion auf der Metaebene verleitet wird (zum Beispiel über die Regeln, über Sinn und Unsinn, über die Realitätsnähe). Da muss ich auch selber noch an mir arbeiten. Wenn man sich gegenseitig kreativ empor schaukelt, die eigene Idee aufgenommen und das ganze nochmal übertroffen wird, das liebe ich.
#RSP
Früher stand hier auch: “*Unterschiedliche Spielertypen* machen die Metaebene des Spiels spannender.” Das mag sein. Im Moment finde ich es eher anstrengend.
Bin mir nicht so sicher, was ich davon halten soll:
We also have data that suggests that most groups are made up of people who segment differently (that is, monolithic segmentation within a gaming group is rare), and in fact, having different kinds of players tends to make the RPG experience work better over the long haul. – WotC Market Research Summary, Sean K. Reynolds website, no longer online – haakon1 zitiert vom Wizards of the Coast Market Research Summary, der nicht mehr online ist, auf E.N. World, einem englischsprachigen Rollenspielforum
Früher stand hier auch, dass ich die "Mitsprache" liebe. Das hat sich mit der Zeit auch gelegt. Wenn wir ein Indie Game spielen, wo alle etwas Verantwortung übernehmen, dann bin ich dabei. Bei traditionellen Spielen ist es mir lieber, wenn wir etwas erforschen, es uns also unbekannt ist. Wenn wir dann mitimprovisieren und mitentscheiden, verfliegt dieses Erforschungsgefühl allerdings.