@HeyeBodo@rollenspiel.social fragte letzthin, ob Gesinnung weg kann. Kann weg, meiner Meinung nach.
In Hellebarden & Helme habe ich ja die drei Gesinnungen, welche viele von uns wegen Elric von Melniboné kennen: Ordnung, Chaos, und die Neutralität. Dazu hat's eine Seite im Regelbuch, die mir immer noch gefällt. Die Passage hatte ich schon 2011…
Wähle eine Gesinnung: Ordnung, Chaos oder Neutralität.
Die *Priester der Ordnung* sagen: „Alleine sind wir schwach und
das Leben ein Jammertal. Gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam
bauen wir unsere Häuser. Gemeinsam bestellen wir unsere Felder.
Gemeinsam verteidigen wir unsere Städte und Dörfer. Nur
gemeinsam sind wir stark. Wir bauen Dämme gegen die Flut. Wir
bauen Aquädukte gegen die Dürre. Wir bauen Kanäle gegen die
Seuchen. Wir legen die Sümpfe trocken und drängen das Fieber
zurück. Wir füllen die Kornspeicher und besiegen den Hunger. Wir
bestrafen den Verrat und belohnen die Treue. Wir sorgen für Recht
und Gerechtigkeit. Selbst wenn das korrumpierende Chaos und
die Anarchie um sich greifen, bleibt uns immer noch die himmlische
Ordnung von den höchsten Göttern im Himmel bis hin zu den
schlimmsten Teufeln in der Hölle. Sie sorgen dafür, dass Strafe und
Belohnung nicht vergessen gehen – jetzt nicht und bis in alle
Ewigkeit nicht. In unserer Welt hat jeder seinen Platz und es hat einen
Platz für jeden – auch für dich. Sieh diese Bücher: das Wissen der
Altvorderen, die Gesetze und Tafeln unserer Ahnen. Es ist unser
Erbe. Lerne soviel du kannst, arbeite hart und erhebe dein Haupt.
Steige auf! Werde ein echtes Mitglied unserer stolzen Gesellschaft!“
Die *Chaos Priester* sagen: „Das Leben ist Chaos. Unkraut wächst
im Feld. Der Obstgarten verwaldet. Die Küste wird ins Meer gespült.
Das Chaos sind die tiefen Muster dieser Welt. Die Wolken
gleiten jede für sich im stillen Tanz über den Himmel. Der Fluss
fliesst in tausend Windungen zum Meer. Die Elfen leben in den
Bäumen, ohne sie zu fällen und zu töten, sie in Bretter zu zersägen
und diese dann morsch werden und faulen sehen zu lassen. Nein,
die Elfen beobachten die Muster, nach denen die Bäume wachsen,
formen sie langsam, leben mit ihnen. Der Baum lebt. Der Elf lebt.
Die Ordnung ist die Hybris zu glauben, dass man der Welt seinen
Willen aufzwingen kann. Sie verdammt Mann, Frau und Kind zum
Joch. Chaos ist nicht das Niederbrennen der Städte, sondern die
Einsicht, dass es eine Dummheit war, sie überhaupt zu bauen. Chaos
ist nicht Gesetzlosigkeit, sondern die Einsicht, dass Menschen,
wie Bäume, eine eigene Art zu leben haben. Wer Gesetze aufstellt,
ohne dies zu bedenken, heisst Menschen töten und sie in Bretterkisten
begraben. Komm mit! Ich weiss nicht wohin wir gehen, aber wir
werden auf dem Weg so manches lernen.“
Wer sich aus diesem kosmischen Kampf heraushalten will, bekennt
sich zur *Neutralität*. Es gibt keine Priester der Neutralität.
Dazu hat es noch folgende Liste, welche natürlich einen Zusammenhang mit der gestern diskutierten Kosmologie hat.
Charaktere können sich einen auch
einen Schutzpatron aussuchen.
*Orcus*, Herr über die Untoten, lässt Tote wieder auferstehen*Ishtar*, Eifersucht und amour fou, Krieg, Abstieg in die Unterwelt auf der
Suche nach dem Liebsten*Nergal*, Rache, Ungeziefer, Ratten und Seuchen, Herr der Unterwelt*Freya*, Ernte, Kreislauf des Lebens, Wölfe, Wildnis und freie Liebe*Marduk*, Kampf gegen die Monster, Kriegsfürst, Herrschaft*Mitra*, Feuer, Ehrlichkeit, Verträge und Schwüre*Set*, Schläue, Heimlichkeit und Mörder*Hekate*, Magie, Hexen, Wegkreuzungen
Wie man auch sieht, ist die Liste nicht immer gleich. 😁
Aber *eigentlich* kann die Gesinnung weg. Wenn auf dem Charakterblatt steht: "chaotisch", dann frage ich mich, was das bedeutet. Und wenn ich darauf eine Antwort habe, dann frage ich mich, warum das nicht gleich da stand.
Wenn es nur darum geht, zwei Seiten in einem grossen Spiel zu benennen, ist man besser spezifisch. Man könnte Gondor, Mordor oder Angmar schreiben. Oder Orks, Elfen, Zwerge und Menschen. Oder Ostblock, Westblock und Unabhängige. So könnte man sich die ganze Amateurethik sparen. Was heisst rechtschaffen gut? Rechtschaffen böse? Ja was genau? Eine ernste Diskussion dazu ist mir am Spieltisch zu langweilig. Nennt es Militärdiktatur. Nennt es Stasi. Nennt es Geheimpolizei. K&K unter den Habsburgern oder Nordkorea heute, all diese Alternativen sind bessere Worte, viel reicher, vielschichtiger, bildungswürdiger.
Selbst die Planescapephilosophen mit Knüppeln sind cooler als die Neunfeldergesinnung! Andere Worte sind gefragt, angepasst an die Spielwelt. Wie heissen denn die kosmischen Seiten? Oder wie heissen die Allianzen im grossen Krieg? Was gibt es für Zwischentöne? Wie steht es mit Diplomatie und Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Polen? All dies und vieles mehr ist cool. Ich schimpfe nur auf die flache Wortwahl der Neunfeldergesinnung.
Was meiner Meinung ebenfalls keinen Wert hat, sind Gesinnungen, die einmal gewählt werden und dann einen Einfluss auf Schutzzauber haben, oder auf die Verwendungsmöglichkeit dieser oder jener magischen Waffe. Wie viel davon verlangt interessante Entscheidungen? Falls es keine Entscheidungen abverlangt, dann bleiben mir nur die spezifischen Regeln der Welt, die Klassen, die Reaktionswürfen, die Sprachen der heiligen Texte, die Dialekte des Untergrunds, und so weiter. Doch das gibt es ja alles auch ohne Gesinnung!
Wenn man sich die Liste der magischen Waffen anschaut, sieht man sofort Beispiele, die ein wenig in diese Richtung gehen: "*Mörderbolzen*, eine goblinische Armbrust +1 aus schwarzem Stahl, gesegnet von Set". Wenn jemand sich daran reiben will, nur zu! Die Armbrust zischt wie eine Schlange, wenn der Bolzen aufgelegt wird. Die kleinen Augen der dekorativen Schlange schauen gierig nach vorne. Der Abzug ist ganz nah an einem stilisierten Giftzahn. Das kann man ja einreiben oder aufbauschen, bis die Spielfiguren sich für oder gegen Set entscheiden. Sets Gesinnung brauche ich nicht zu wissen. Sets Ausblick, Dekoration oder Stimmungslage wird auch nicht gleich sein wie die von Hekate, obwohl beide im Neungesinnungsschema wohl nahe bei einander liegen würden.
Von dem her: Gesinnung bietet keinen Mehrwert.
Nur das Gesäusel der Priester der Ordnung und der Priester des Chaos gefällt mir, als eine Beschreibung der Konflikte, die ich gerne anspiele: Zeit für Unsterbliche, Bauwerke und die Natur, Freiheit und Kooperation, das sind die Themen, die ich selber aus Ordnung und Chaos herauslese. Und dieses mehr an Worten macht für mich den Unterschied aus. Wenn die Gesinnung nur ein oder zwei Worte sind, dann ist das langweilig. Mehr Worte braucht das Land.
#RSP #Hellebarden und Helme