2012-05-21 Intensives Spielerlebnis

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Vor kurzem schrieb ich über die *Immunisierung* einer Kampagne gegen unregelmässige Spieler. Aus meiner Sicht drehte sich der ursprüngliche Google+ Beitrag um folgendes Problem: Spieler fehlen oft, deswegen fällt der Spielabend oft aus, denn nur wenn alle da sind, kommen wir in den Genuss der charakterbezogene Plots. Mein stark vereinfachter Umkehrschluss war: Wenn die Spieler oft fehlen, ich den Spielabend aber nicht ausfallen lassen will, muss ich zwingend auf charakterbezogene Plots verzichten.

unregelmässige Spieler

Das heisst aber nicht, dass ich auf ein intensives Spielerlebnis verzichten möchte! Natürlich versuche ich *auf andere Art und Weise, ein intensives Spielerlebnis herbei zu beschwören*. Es basiert nur nicht auf charakterbezogenen Plots.

Ich sprach bereits an, dass ich eine Dungeon oder Sandbox Kampagnenstruktur bevorzuge, in der die Spieler selber wählen oder zu erraten versuchen, welchen Gefahren sie sich aussetzen wollen. Ich erwähnte auch, dass es mir lieb ist, wenn Charaktere nur langsam besser werden, weil dann von mir platzierte Probleme länger aktuell bleiben. Diese Punkte versuche ich auch einzusetzen, um die Intensität zu steigern.

Meine Grundannahme ist, dass ein intensives Spielerlebnis darauf basiert, die *Handlungsfähigkeit* der Spieler zu steigern (player agency). Was für mich ganz gut funktioniert:

player agency

Ich generiere *Information* zu Themen, an denen die Charaktere *im Spiel* Interesse gezeigt haben. Mir ist wichtig, dass es nicht ausreicht, wenn die *Spieler* Interesse an gewissen Themen anmelden. Reden ist in diesem Sinne zu billig. Erst wenn der Charakter die elfischen Ruinen auch wirklich ein oder zwei mal durchsucht, werde ich mir zum Thema mehr ausdenken. Diese Information wird dann nach und nach zu finden sein und es dem Spielern erlauben, informierte Entscheidungen zu treffen (wo findet man die Nachfahren dieser Elfen, beispielsweise).

Ich gebe den Charakteren viel *Handlungsfreiraum*. Das bedeutet aber auch, dass es kaum Zeitdruck gibt, der Spielabende überdauert. Den negativen Effekt vom Zeitdruck habe ich in den Paizo Abenteuerpfaden erlebt. Das Material mag oft keinen expliziten Zeitdruck aufbauen, aber implizit erlebte ich es so, dass Spieler und Spielleiter gerne *weiter* machen, die verbleibenden Bücher durchspielen wollen und sich deswegen hetzen.

Meine Kampagnen laufen wenn möglich in der gleichen Welt, so dass ehemalige Charaktere die Nicht Spieler Charaktere der späteren Gruppen werden. Was man in dieser Kampagne erreicht, das bleibt dem Charakter als NSC in einer späteren Kampagne erhalten. Wer einen grosszügigen Charakter spielt, erlebt in der nächsten Kampagne einen Gönner. Wer eine kompetente Stadtwache spielt, erlebt, wie in der nächsten Kampagne die Stadtwache kompetent agiert. Umsiedeln von Personen, das Gründen von Dörfern, das Bauen von Burgen, all diese Dinge gehören in die Kategorie *langfristige Änderungen der Spielwelt*. Das sind Konsequenzen, die dem Spiel eine gewisse Tiefe geben.

Diese Intensität des Erlebnisses entsteht auch durch die erlebte *Dynamik* der Welt. Für eine gewisse Zeit hatte ich es sogar geschafft, zwei Gruppen parallel in der gleichen Region spielen zu lassen. Diese *Kontinuität* führt ebenfalls zu einer Spannung (und sei es nur die Frage nach den Ereignissen in der Welt seit dem letzten Spieltermin). Hier ist wichtig, dass es sich nicht nur um die Erlebnisse der mitspielenden Charaktere geht, sondern um die *langfristigen Änderungen der Spielwelt*. Die Welt wird selber Objekt der Spannung. Siehe auch Rob Conleys The Majestic Wilderlands as a persistant campaign Teil 1, Teil 2.

Teil 1

Teil 2

Das wiederum führt zu einem weiteren Effekt: Ich kann *im Spiel Belohnungen vergeben*, welche nicht an die mechanische Verbesserungen auf dem Charakterblatt gekoppelt sind. Wenn Varna einen Turm erobert und ein Bordell einrichtet, dann hat dies Konsequenzen, auch wenn Varna keine Stufe gestiegen ist. In einer alten D&D 3.5 Runden missglückte dies ein wenig: Die Spieler hatten geholfen, ein Tal zu befrieden. Keiner der Spieler war daran interessiert, seinen Charakter im Tal verbleiben zu lassen, denn der Abenteuerpfad ging wo anders hin. Selbst die Einnahmen waren innert kürzester Zeit wertlos, weil die höhere Stufe dazu führte, dass ein Vielfaches an Geld vorhanden war. Dies gilt es zu vermeiden.

Um nochmal zusammen zu fassen, was ich anstrebe:

1. informiertes Handeln ermöglichen

2. Handlungsfreiraum bieten, langfristigen Zeitdruck nehmen

3. Änderungen der Spielwelt erlauben, alte Charaktere als NSC wieder auftauchen lassen

4. Kontinuität der Welt, keine kurzen Kampagnen mit immer wechselnder Welt

5. Belohnung der Charaktere im Spiel statt auf dem Charakterblatt

​#RSP