Let's face it together - gegen stupide Spalterei fürs nachhaltige Zusammenleben

Kleiner Disclaimer vorweg: Ich habe gerade kaum und nicht lange Internet, ich bitte also, die fehlenden Quellenangaben zu entschuldigen. Ich kümmere mich darum, sobald ich etwas Zeit und Netz finde.

Eine kleine Reaktion auf den aus dem englischen übersetzten Text "Fuck your Red Revolution - gegen den Ökozid, für die Anarchie", der kürzlich von SchwarzerPfeil veröffentlicht wurde.

Fuck your red revolution - Gegen den Ökozid, für die Anarchie

Dass der Text aus den USA stammt spielt insofern eine Rolle, als dass er sich ausgiebig bei unbegründetem und westlich-kapitalistisch geprägtem Antikommunismus bedient.

Der Text ist extrem lang und es scheint, als ob durch Wiederholung Wahrheit geschaffen werden soll. Der Text setzt sich kaum mit theoretischen Fragen auseinander, es fühlt sich mehr nach einem puren "Kommunisten-Bashing" an, das dort betrieben wird. Und das (leider) nichtmal gut. Auf der Metaebene sehe ich im Text hauptsächlich zwei Defizite:

Der Aufhänger des Texts beruht auf einem Missverständnis. Wenn ich sage, dass es "keinen ethischen Konsum im Kapitalismus gibt", dann meine ich damit, dass man sich nicht damit zufrieden geben darf, statt der Kunststoffzahnbürste eine Bambuszahnbürste zu kaufen, die weniger lange hält, ebenfalls Kunststoff enthält und teurer ist (und sich auch schlecht Recyclen lässt).

Ich lebe selbst etwas, das als alternativer Lebensstil bezeichnet werden könnte. Mir ist es aber wichtig, Sinn und Zweck meiner Entscheidungen im Auge zu behalten und Effektivität mit dem Aufwand aufzurechnen. Ist es ein Widerspruch, dass ich kein Fleisch esse, aber Kerzen benutze? Vielleicht, aber ist es mir das wert? Nein.

Beschäme ich andere Menschen dafür, keine Kerzen zu benutzen? Auch das verneine ich, aber eine Belehrungshaltung und den Ausdruck einer wahrgenommenen moralischen Überlegenheit verurteile ich.

Wisst ihr, wie das genannt wird? Selbstreflexion. Das, wozu ich eurer Ansicht nach nicht fähig bin. Der Text "zwingt" mich tatsächlich zur Selbstreflexion, nur komme ich regelmäßig zu einem anderen Schluss als ihr. Bestimmt habe ich einfach nur falsch reflektiert, ich bin schließlich ein "aufgeblasener Roter".

Und was auch Selbstreflexion ist: Ich weiß, dass der Hauptgrund (und oft der einzige) warum ich als Mensch der Mittelschicht im kapitalistischen Westen individualistische ((Nicht-)Konsum-)entscheidungen treffe, ist, dass ich mich damit besser fühle.

Ich esse kein Fleisch. Wegen Klima. Was passiert mit der Wurst, die ich nicht esse? Sie wird einen Cent billiger und von dem Menschen gekauft, der sie sich vorher nicht leisten konnte. Sie wird trotzdem produziert.

Während also meine Wurst exportiert wird und in einem postkolonialistischen Land die Wirtschaft kaputtmacht, kann ich mich hier gut fühlen, weil für mich kein Tier getötet und kein CO2 emittiert wurde, während ich mein Chili Sin Carne mit klimaschädlichem, importierten Reis esse.

Noch besser kann ich mich fühlen, wenn ich anderen Menschen davon erzähle, wie viel besser ich bin als sie, weil sie das ja noch nicht verstanden haben. Was das in der anderen Person macht ist mir egal, Hauptsache, ich bin reflektiert. (Das ist tatsächlich Selbstkritik)

Die Idee, dass wir mit individuellen Kaufentscheidungen die Wirtschaft zum Guten beeinflussen könnten, gibt es noch gar nicht so lange. Sie kommt aus den 1990ern und wurde in den frühen 2000ern primär von der Ölindustrie und ihren rechten Thinktanks propagiert, um den moralischen Buhmensch zu verschieben und hat sich seither als unvollständig und oft schädlich herausgestellt.

Footprint Fantasy - Is it time to forget about your carbon footprint?

Der Fehler liegt im System, im Kapitalismus, der diesen Firmen die Produktion ermöglicht. Was wären jetzt mögliche Antworten auf dieses Problem?

Verschiedene Ansätze? Ja. Brauchen wir alle davon? Ja. Sollten wir sie gegeneinander ausspielen? Nein. Können diese Ansätze, falsch angewendet, auch Schaden anrichten? Ja. Und ich hoffe, dass wir uns in diesen Punkten alle einig sind.

Letztlich gibt es einige Differenzen, die theoretisch interessant sind und von verschiedenen Positionen beleuchtet werden können. Einige dieser Punkte, bei denen wir uns diametral gegenüber zu stehen scheinen, sind die folgenden:

Diese Punkte sind selbstverständlich nicht alle zusammen in einem kurzen Text zu beleuchten, darum versuche ich das garnicht erst. Aber das wäre die inhaltliche Beschäftigung, die das Thema verdient hätte.

Vielleicht sollten wir anfangen, miteinander zu sprechen, statt uns zu beleidigen. Ich bin angepisst, ihr seid angepisst, das Kapital freut sich. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.

Langer Rede kurzer Sinn: Natürlich ist es nicht falsch, auf die ethische Vertretbarkeit der eigenen Entscheidungen zu achten, sich, wenn man die Möglichkeit zum Konsum hat zu fragen, ob man das jetzt wirklich braucht und Alternativen auszuprobieren und ein Modell zu leben. Oder auch, um herauszufinden, was vielleicht keine Alternative sein kann. Das alles bringt aber kaum etwas ohne den Blick aufs System.

Weiter werde ich hier nicht auf den Text eingehen. Ich habe nicht die mentale Ausdauer, die immergleichen antikommunistischen Vorwürfe zu entkräften. Ich habe keine Lust, mich immer wieder von Unterstellungen distanzieren zu müssen. Ich möchte lieber eine faire, produktive Diskussion führen. Damit ist dem Thema mehr geholfen, als wenn ich jetzt eine angepisste Antwort auf den Text schreiben würde.

Eine Position zum Thema Staat und Demokratie

Industrie oder Primitivismus?