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Wir thematisieren die wichtigen Fragestellungen rund um Internet, Gesellschaft und Politik und zeigen Wege auf, wie man sich auch selbst mit Hilfe des Netzes fĂŒr digitale Freiheiten und Offenheit engagieren kann. Mit netzpolitik.org beschreiben wir, wie die Politik das Internet durch Regulierung verĂ€ndert und wie das Netz Politik, Ăffentlichkeiten und alles andere verĂ€ndert.
Zuletzt aktualisiert: Mon, 08 Jul 2024 17:14:58 +0200
Mon, 08 Jul 2024 17:13:22 +0000
Markus Reuter
Liest man die heutigen Schlagzeilen ĂŒber den Anstieg von Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen, kann einem angst und bange werden. Doch was sagen die Zahlen wirklich aus? Wir geben Kontext zu einer Debatte, bei der mal wieder mehr Ăberwachung gefordert wird.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat heute das |Bundeslagebild âSexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichenâ (PDF)| vorgestellt. Aus diesem geht hervor, dass die Zahl erfasster Straftaten bei sexualisierter Gewalt an Kindern sowie die Verbreitung so genannter kinderpornografischer Inhalte gestiegen ist. Sowohl das Bundeskriminalamt sowie die |Innenministerin Nancy Faeser nutzten die Vorstellung des Berichts ein weiteres Mal um eine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen zu fordern|.
TatsĂ€chlich ist die Anzahl der polizeilich erfassten FĂ€lle im Deliktfeld ĂŒber mehrere Jahre hinweg nun ein weiteres Mal angestiegen. So stieg der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im letzten Jahr um etwa fĂŒnf Prozent. Die Zahl der FĂ€lle von Besitz oder Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten stieg um etwa sieben Prozent, bei jugendpornografischen Inhalten gar um mehr als 30 Prozent.
Der Anstieg der erfassten Straftaten muss nicht heiĂen, dass diese Delikte insgesamt mehr werden, sondern es ist wahrscheinlicher, dass immer mehr FĂ€lle aufgeklĂ€rt werden und der Fahndungs- und Ermittlungsdruck auf die TĂ€ter:innen steigt. Das BKA sagt selbst im Lagebild:
GrundsĂ€tzlich ist zu berĂŒcksichtigen, dass die Anzahl aufgedeckter FĂ€lle stark mit polizeilicher KontrolltĂ€tigkeit und dem Anzeigeverhalten korreliert. Insofern dĂŒrfte es auch aufgrund intensivierter polizeilicher TĂ€tigkeiten im Deliktsbereich in den letzten Jahren zu einer Aufhellung des Dunkelfelds gekommen sein.
Das Bundeskriminalamt war in den letzten Jahren dafĂŒr kritisiert worden, dass es in Pressemitteilungen gestiegene Fallzahlen kommunizierte, |ohne auf diesen Zusammenhang hinzuweisen|. Bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik im April |hatte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz diese Zahlen erneut kontextlos prĂ€sentiert|, um fĂŒr die Vorratsdatenspeicherung zu werben.
Hinzu kommt, dass bei kinderpornografischen Inhalten knapp 40 Prozent der TatverdĂ€chtigen selbst MinderjĂ€hrige sind, bei jugendpornografischen Inhalten ist es sogar die HĂ€lfte. Es dĂŒrfte sich vornehmlich um selbst erstelltes Bildmaterial handeln, das sie dann wiederum hĂ€ufig an andere MinderjĂ€hrige schicken.
Diese sexuelle Praxis von MinderjĂ€hrigen wird Sexting genannt, dabei schicken sich Menschen einvernehmlich sexuelle Bilder. 14-JĂ€hrige, die etwa einvernehmliches Sexting mit Gleichaltrigen betreiben, machen sich in Deutschland derzeit strafbar. Fachleute |kritisieren das seit langem als Fehlentwicklung|. âMinderjĂ€hrige im Rahmen ihrer gleichberechtigten sexuellen Entwicklung untereinander sollten nicht vom Strafrecht erfasst werdenâ, fordert etwa der Kriminologe| Thomas-Gabriel RĂŒdiger.|
Das PhĂ€nomen nennt das BKA âSelbstfilmerâ. Hierbei nehmen MinderjĂ€hrige pornografische Aufnahmen von sich auf, was legal ist â und verbreiten diese in sozialen Medien und ĂŒber Messenger, was illegal ist. Das BKA stellt dazu fest: âDer Trend der âSelbstfilmerâ dĂŒrfte fĂŒr den sprunghaften Anstieg der Fallzahlen in den letzten Jahren mitursĂ€chlich sein.â
Viele der Hinweise, die zu einer Strafverfolgung fĂŒhren, erhĂ€lt das Bundeskriminalamt ĂŒber die US-Organisation NCMEC, |welche gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder arbeitet|. Unter anderem pruÌft NCMEC auch Hinweise von Internetanbietern und Serviceprovidern auf kinder- und jugendpornografische Inhalte â und leitet diese an die jeweils zustaÌndigen polizeilichen Zentralstellen der Staaten weiter, in denen die Straftaten mutmaĂlich stattgefunden haben sollen.
Aus dem Lagebild geht hervor, dass mehr als die HÀlfte der etwa 180.000 Hinweise, die das Bundeskriminalamt durch die US-Organisation NCMEC erhÀlt, nicht strafrechtlich relevant sind. Diese Zahlen waren schon |im Juni bekannt geworden|.
Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer kritisiert diese Praxis. Er macht dafĂŒr eine âRekord-UnzuverlĂ€ssigkeitâ von Plattformen wie Meta verantwortlich, die angefangen hĂ€tten, Textchats nach SchlĂŒsselwörtern zu scannen. âDie Zerstörung unseres Briefgeheimnisses nimmt immer dramatischere AusmaĂe anâ, kritisiert der Europaabgeordenete der Piratenpartei.
Trotz der vielen Fehlalarme sind fĂŒr das BKA die Hinweise des NCMEC auĂerordentlich wichtig: âDie starke Zunahme polizeilich abgeschlossener FĂ€lle von Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- sowie jugendpornografischer Inhalte dĂŒrfte im Wesentlichen auf das in den letzten Jahren stetig gestiegene Hinweisaufkommen durch das NCMEC zurĂŒckzufĂŒhren seinâ, heiĂt es im Lagebericht.
In seiner Bewertung der Lage macht das BKA die Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung dafĂŒr verantwortlich, dass es nicht noch mehr FĂ€lle und Tatorte aufklĂ€ren könne. Doch auch fĂŒr die Polizist:innen in Wiesbaden ist klar, dass Strafverfolgung nur ein Element eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes beziehungsweise einer ganzheitlichen BekĂ€mpfungsstrategie sein kann. âEine kompetente Medienerziehung und fachkundige Begleitung von Kindern sowie adressatengerechte PrĂ€ventionsmaĂnahmen, die aktuelle Entwicklungen und TĂ€terstrategien berĂŒcksichtigen, bilden neben der Einbeziehung verantwortlicher Internet-Dienstanbieter weitere wichtige Bausteineâ, resĂŒmiert das BKA.
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|Bundeslagebild âSexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichenâ (PDF)|
|ohne auf diesen Zusammenhang hinzuweisen|
|hatte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz diese Zahlen erneut kontextlos prÀsentiert|
|kritisieren das seit langem als Fehlentwicklung|
|welche gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder arbeitet|
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Mon, 08 Jul 2024 13:15:47 +0000
Anna Biselli
Das Landgericht DĂŒsseldorf hat geurteilt, dass eine Facebook-Sperre der Filmwerkstatt DĂŒsseldorf nicht in Ordnung war. Das Unternehmen Meta habe seine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt. Es ging â wie bereits oft â auch um dargestellte Nacktheit.
2021 sperrte Facebook die dortige Seite der Filmwerkstatt DĂŒsseldorf. Der Social-Media-Dienst von Meta störte sich |mutmaĂlich an sichtbaren Brustwarzen| und die waren auf einer Abbildung zum Film âDer Schamane und die Schlangeâ zu sehen. Die Filmwerkstatt nahm das nicht hin, beschwerte sich gegen die Sperrung und zog mit UnterstĂŒtzung der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte (GFF) und der Kanzlei Hausfeld vor Gericht â erfolgreich.
Das Landgericht DĂŒsseldorf fĂ€llte nun ein Urteil: Meta habe in dem Fall seine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt und die Kulturschaffenden behindert â noch dazu ohne direkt konkret zu begrĂŒnden, weshalb die Sperrung erfolgte. Facebook hatte die Sperrung zwar schon vorher wieder aufgehoben, sich dafĂŒr aber anderthalb Jahre Zeit gelassen. âNach eigenen Angaben kann der Konzern heute nicht mehr nachvollziehen, wie es zu der Sperrung kamâ, heiĂt es in der |Pressemitteilung der GFF|.
Dass Meta zum Zeitpunkt der Sperrung keinen Grund fĂŒr die MaĂnahme nannte, machte es besonders schwer dagegen vorzugehen. Auch ob die Entscheidung aufgrund von automatisierten Filtern und Verfahren erfolgte, war unklar. Was hingegen klar ist: Bei einer vollstĂ€ndigen Sperrung gibt es hohe HĂŒrden, wie das Oberlandesgericht Hamburg 2022 urteilte. Zudem erlegt der Digital Services Act groĂen Plattformen wie Facebook mittlerweile besondere Pflichten auf, auch was Informationspflichten und Widerspruchsrechte bei Moderationsentscheidungen betrifft.
Im Filmwerkstatt-Fall lag die Vermutung nahe, dass die Sperr-Entscheidung aufgrund der entblöĂten Brustwarzen fiel. Meta ging schon hĂ€ufig sehr restriktiv mit Nacktheit um: Sei es mit Bildern von stillenden MĂŒttern, aber auch mit Darstellungen in historischen oder kĂŒnstlerischen Kontexten â etwa |beim Steinzeit-Kunstwerk| âVenus von Willendorfâ. Diese als Nippelverbot bezeichnete Praxis wurde in der Vergangenheit |wiederholt kritisiert|.
Da es im Filmwerkstatt-Fall um Kartellrecht geht, ist das Urteil besonders wichtig fĂŒr Vereine wie die Filmwerkstatt und andere juristische Personen, die keine klassischen Verbraucher:innen sind. Andernfalls hĂ€tte die Filmwerkstatt vor ein irisches Gericht ziehen mĂŒssen, um sich gegen die Moderationsentscheidung zu wehren. Dies sollte nun geklĂ€rt sein.
âDas Urteil ist nicht nur ein Erfolg fĂŒr die Kunstfreiheit. Es zeigt, dass Nutzer*innenrechte gegenĂŒber internationalen Digitalkonzernen auch an deutschen Gerichten durchgesetzt werden könnenâ, sagt dazu JĂŒrgen Bering von der GFF.
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|mutmaĂlich an sichtbaren Brustwarzen|
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Mon, 08 Jul 2024 11:45:36 +0000
Constanze
Wir sprechen mit Svea Windwehr von der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte ĂŒber die neuen Rechte durch den Digital Services Act. Wie wehrt man sich gegen regelwidrige MaĂnahmen der Plattformen? Wo könnte der DSA auch missbraucht werden? Und Svea ruft euch dazu auf, sich bei der GFF zu melden, wenn Plattformen eure Inhalte oder euer Konto sperren.
Der Digital Services Act (DSA) verfolgt im Kern das Ziel, Online-Plattformen und Anbieter digitaler Dienste wie etwa Suchmaschinen dazu zu bringen, mehr gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen, die Grundrechte der Nutzer besser zu schĂŒtzen und den Schutz von MinderjĂ€hrigen höher zu priorisieren. Seit der DSA |in Kraft ist|, hat die Zivilgesellschaft RĂŒckenwind: Denn sie kann und soll bei der Durchsetzung der EU-Verordnung mitwirken und den Online-Plattformen auf die Finger schauen.
Beschwerden ĂŒber VerstöĂe gegen den DSA können bei der nationalen Koordinierungsbehörde eingereicht werden. Die |deutsche Koordinierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur|, die bei systematischen und regelmĂ€Ăigen VerstöĂen gegen den DSA tĂ€tig werden soll.
Das Center for User Rights der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte (GFF) will die neuen Rechte aus dem DSA aktiv einfordern und durchsetzen. Wir sprachen mit Svea Windwehr darĂŒber, was die Zivilgesellschaft nun konkret tun kann und wer sich wo beschweren kann.
|Svea Windwehr| ist Leiterin des |Centers for User Rights|, einem Projekt der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte. Zuvor hat Svea bei Google Deutschland gearbeitet und dort Themen rund um die Regulierung von Plattformen und Inhalten sowie KĂŒnstlicher Intelligenz betreut. FrĂŒhere Stationen beinhalten die Electronic Frontier Foundation, das Bundesministerium fĂŒr Arbeit und Soziales sowie der Generaldirektion CONNECT der EuropĂ€ischen Kommission. Sie studierte Politikwissenschaft und internationale Beziehungen in Maastricht und Berkeley und erwarb einen Masterabschluss am Internet Institute der University of Oxford. Svea Windwehr ist |Co-Vorsitzende von D64|.
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Elina EickstĂ€dt: Wir sprechen heute darĂŒber, was passiert, wenn ein EU-Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist, und wie ein Gesetz umgesetzt wird.
Constanze Kurz: Als Beispiel dient uns dafĂŒr der Digital Services Act (DSA). Und um die Durchsetzung von Nutzerrechten unter genau diesem DSA geht es dem Projekt Center for User Rights bei der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte, das Svea Windwehr leitet. Was ist das Ziel des GFF-Projekts?
Svea Windwehr: Das Center for User Rights bĂŒndelt auf der einen Seite Projekte, welche die GFF im Bereich Plattform-Regulierung und Durchsetzung von Rechten schon lĂ€nger am Laufen hatte. Ein neuer strategischer Fokus ist dabei die Durchsetzung von Nutzer:innen-Rechten unter dem Digital Services Act, dem groĂen neuen Rechtsrahmen fĂŒr Online-Plattformen in der EuropĂ€ischen Union, der vergangenes Jahr in Kraft getreten ist. Er hat die grundlegenden Haftungsregeln fĂŒr Online-Plattformen upgedatet und vor allem viele neue Rechte fĂŒr Nutzer:innen geschaffen. Und die möchten wir jetzt einfordern und durchsetzen.
Constanze Kurz: Die Durchsetzung von Rechten ist in vielen Bereichen eine Art Achillesferse des Gesetzgebers. Man hat vielleicht ein gut gemeintes Gesetz, egal ob auf der EU-Ebene oder in Deutschland. Aber nach ein paar Jahren stellt sich heraus: Die Durchsetzung der Rechte klappt nicht allzu doll. Man entdeckt Schwierigkeiten oder vielleicht auch PhĂ€nomene, die man vorher nicht antizipiert hat: Die Betroffenen, die bestimmte neue Pflichten haben, können sich vielleicht herauswinden oder LĂŒcken ausnutzen. Was ist der Hauptfokus des Centers for User Rights beim Digital Services Act?
Svea Windwehr: Der Hauptfokus ist die Aufsichtsarbeit, die eigentlich die Aufsichtsbehörden erbringen mĂŒssten, also die EuropĂ€ische Kommission und die nationalen Aufsichtsbehörden. Wir wollen die Fragen beantworten: Machen sie die Arbeit, die sie tun sollten? Ziehen sie groĂe Tech-Unternehmen in die Verantwortung, die neuen Regeln, die es jetzt gibt, umzusetzen? Wir finden auch nicht alles am DSA im Detail positiv, aber wollen vor allem diese Aufsicht begleiten. Wir wollen dafĂŒr sorgen, dass die groĂen Unternehmen die neuen Rechte einhalten und Nutzer:innen in den Vordergrund stellen. Das ist natĂŒrlich eine Sisyphos-Aufgabe.
Elina EickstĂ€dt: Was passiert beim DSA, vielleicht auch beispielhaft fĂŒr andere EU-Gesetze, wenn das Gesetz in Kraft tritt?
Svea Windwehr: EU-Verordnungen wie der DSA gelten in der Theorie sofort, aber tatsĂ€chlich nur in der Theorie. Denn es mĂŒssen Strukturen auf nationaler Ebene geschaffen werden, um sie ĂŒberhaupt umsetzbar zu machen. Etwa die Frage: Wer ist denn die nationale Aufsichtsbehörde? Sie muss benannt werden. DafĂŒr braucht es ein deutsches Gesetz. Das war in Deutschland das |Digitale-Dienste-Gesetz|, das mit ziemlich viel VerspĂ€tung in Kraft getreten ist. In diesen drei Monaten gab es keine Aufsichtsbehörde in Deutschland, niemand wusste, an wen man sich wenden konnte.
Constanze Kurz: Es geht beim DSA im Wesentlichen um Pflichten fĂŒr Online-Plattformen und um neue Transparenzregeln. Es geht auch um Moderationsentscheidungen dieser Plattformen und die WidersprĂŒche, die man dagegen einlegen kann. FĂŒr wie sinnvoll hĂ€ltst du die Regelungen der Verordnung? Ist das ein gelungenes Gesetz? Und wo sind SchwĂ€chen, die du schon siehst, bevor ihr ĂŒberhaupt die Arbeit richtig anfangen könnt?
Svea Windwehr: In den vergangenen Jahren gab es in den EU-Mitgliedstaaten relativ viele neue Gesetze, die versucht haben, damit umzugehen, dass Online-Plattform so wahnsinnig viel Macht entfaltet haben und auch so viel Einfluss auf Grundrechte wie die Meinungsfreiheit ausĂŒben, zum Beispiel das deutsche NetzDG. Ein Ă€hnliches Gesetz gab es in Frankreich, und es gab solche Gesetze in Ăsterreich. In DĂ€nemark wurde ebenfalls darĂŒber nachgedacht. All diese Gesetze waren nicht ideal, es gab sehr viel Kritik daran aus verschiedenen Perspektiven. Aber es war klar: Hier muss was passieren.
Es ist besser, wenn das auf europĂ€ischer Ebene passiert und harmonisiert wird, als wenn die EU-Mitgliedstaaten ihre eigenen SĂŒppchen kochen. Das war die Hauptmotivation fĂŒr den DSA. Das Gesetz besteht aus vier Teilen.
Der erste Teil sind grundlegende Haftungsregeln. Zum Beispiel: Wann ist eine Plattform verantwortlich fĂŒr Inhalte, die gepostet werden und die vielleicht illegal sind? Der zweite Teil sind grundlegende Sorgfaltspflichten, die alle erfĂŒllen mĂŒssen. Das heiĂt zum Beispiel, dass Online-Plattformen oder Hosting-Anbieter Notice-and-Action-Verfahren anbieten mĂŒssen â also Meldeverfahren â, aber auch grundlegenden Transparenzvorschriften nachkommen mĂŒssen.
Der dritte Teil beschreibt besondere Pflichten fĂŒr die allergröĂten Plattformen, die am meisten Macht haben. Das sind sehr groĂe Plattformen, die erheblichen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben, auf unser Zusammenleben, auf demokratische Prozesse, aber eben auch auf Grundrechte oder Wahlen und so weiter. Der vierte Teil ist dann die Durchsetzung, die Aufsicht sozusagen.
Aus meiner Perspektive ist der DSA im GroĂen und Ganzen gut gelungen. Ich habe Kritik, was einige Artikel angeht: Das betrifft einige der ErmĂ€chtigungen fĂŒr die EuropĂ€ische Kommission oder die Aufsicht, insbesondere in Krisensituationen. Es gibt einen Krisenmechanismus, wo die EuropĂ€ische Kommission recht stark eingreifen kann. Es ist klar, dass diese ErmĂ€chtigungen unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine und den Erfahrungen der Corona-Pandemie geschaffen wurden. Aber ich denke, da gibt es viel Missbrauchspotential.
Eine andere Sache, die sehr problematisch ist, kennen wir schon aus dem deutschen NetzDG: die Verpflichtung fĂŒr Online-Plattformen, Nutzer:innen-Daten und -Inhalte proaktiv an Strafverfolgungsbehörden auszuleiten, wenn diese der Meinung sind, dass die Inhalte bestimmte StraftatbestĂ€nde erfĂŒllen könnten, also illegal sind. Aber es ist ĂŒberhaupt nicht definiert, um was fĂŒr Straftaten es geht.
Das sind Elemente, wo ich sagen wĂŒrde, dass der DSA missbraucht werden kann und zum Teil eine Ăberwachungsgesetzgebung ist. Aber der GroĂteil des DSA, also vor allem die Nutzer:innen-Rechte, halte ich fĂŒr sehr gelungen. Jetzt mĂŒssen wir natĂŒrlich ausprobieren, ob es in der Praxis funktioniert.
Elina EickstÀdt: Du hast schon mehrfach die EU-Kommission erwÀhnt. Welche Rolle spielt die EU-Kommission in der Umsetzung von einem solchen Gesetz, speziell vom DSA?
Svea Windwehr: Die EU-Kommission ist die Aufsichtsbehörde fĂŒr die allergröĂten Plattformen, die am meisten Macht ĂŒber unsere Leben haben. Das war aber so gar nicht vorgesehen. UrsprĂŒnglich sollten die EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Plattformen gemeldet sind, die Aufsicht ĂŒbernehmen. Das sollte Ă€hnlich wie bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geregelt werden. Bekanntlich sind die meisten der Plattformen in Irland gemeldet. Es gab dann den Gedanken: Moment mal, das war vielleicht nicht die beste Idee. Denn Irland ist im Kontext der DSGVO nicht so wahnsinnig viel tĂ€tig geworden, im Gegenteil.
Constanze Kurz: Das war die Untertreibung des Jahrzehnts. Die Iren gelten als Nullnummer bei ihren DSGVO-Aufsichtsbehörden.
Elina EickstĂ€dt: Man sieht das immer wieder an den Klagen von noyb und Max Schrems, nĂ€mlich wie die Aufsicht der Iren einfach ĂŒberhaupt nicht funktioniert. Anscheinend wurde daraus gelernt bei der Umsetzungsidee des DSA.
Svea Windwehr: Es war klar: Was bei der DSGVO passiert ist, sollte sich auf keinen Fall wiederholen. Es ist aber auch klar, dass es wahrscheinlich nicht die allerbeste Idee ist, wenn jetzt alle 27 EU-Staaten damit anfangen, die gröĂten Plattformen, die in all diesen MĂ€rkten unterwegs sind, selbst zu beaufsichtigen. Deswegen war die Idee: Wir geben diese Aufgabe der Kommission. Das ist auf jeden Fall eine spannende Rolle, mit der die EU-Kommission â so glaube ich â ebenfalls nicht gerechnet hat.
Elina EickstÀdt: Was ist die EU-Kommission als Institution eigentlich? Und warum ist das vielleicht eine gute Idee, nicht alle LÀnder die Aufsicht allein machen zu lassen, sondern durch die Kommission?
Svea Windwehr: Die EU-Kommission beschreibt sich selbst als die HĂŒterin der VertrĂ€ge, als eine angeblich objektive Exekutive, die GesetzesvorschlĂ€ge macht und sie dann auch beaufsichtigt oder zum Teil umsetzt. Ich wĂŒrde sagen, die Kommission ist eine zutiefst politische Institution, weit entfernt davon, objektiv zu sein. Sie ist sehr stark beeinflusst von der Agenda der gröĂten EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Frankreich und Deutschland.
Die Hoffnung ist, dass die EU-Kommission in der Lage sein wird, die nötige Expertise fĂŒr den DSA aufzubauen, diese zu bĂŒndeln und durchschlagskrĂ€ftiger zu sein als nationale Aufsichtsbehörden.
Constanze Kurz: Es gibt eine Trennung zwischen Online-Plattformen auf der einen Seite und |sehr groĂen Online-Plattformen| auf der anderen. Welche sehr groĂen Plattformen sind das? Wie sind sie definiert? Und wie unterscheiden sich die Pflichten?
Svea Windwehr: Sehr groĂe Online-Plattformen oder sehr groĂe Suchmaschinen, die auch dazugehören, sind als Plattformen definiert, die mehr als 45 Millionen Nutzer:innen in der EuropĂ€ischen Union haben. Das ist schon eine hohe Schwelle, die ĂŒberschreitet man nicht zufĂ€llig. Das sind inzwischen knapp ĂŒber zwanzig.
Dazu zĂ€hlen zum Beispiel Google mit seinen verschiedenen Diensten oder die Meta-Plattform, also Instagram und Facebook, aber auch Twitter oder TikTok. Es sind aber auch Online-MarktplĂ€tze darunter wie etwa Amazon, Alibaba, Shein oder Temu. Recht neu sind auch die |groĂen Porno-Plattformen|, so ist etwa xHamster dazugekommen. Und auch Suchmaschinen wie die Google-Suche oder Bing sind dabei. LinkedIn fĂ€llt auch darunter, das zu Microsoft gehört.
Constanze Kurz: Was ist mit dem Unternehmen OpenAI, bekannt fĂŒr ChatGPT, die sich ja mit mehr als 90 Millionen Usern brĂŒsten. Sind die dabei?
Svea Windwehr: Es ist nicht ganz klar, was das eigentlich fĂŒr eine Form von Dienst ist: Hosting-Anbieter oder Online-Plattform oder eine Mischform.
Elina EickstĂ€dt: Was muss die EU-Kommission jetzt leisten? Macht sie auch was oder redet sie nur viel darĂŒber?
Svea Windwehr: Die EU-Kommission hat jetzt die Aufgabe, diese ganz groĂen Unternehmen zu beaufsichtigen. DafĂŒr stehen ihr eine Reihe von Möglichkeiten und Werkzeugen zur VerfĂŒgung. Zum Beispiel mĂŒssen die Unternehmen bestimmte Berichte abliefern, wie sie zum Beispiel systemische Risiken bekĂ€mpfen. Das heiĂt, die Kommission bekommt eine bessere Informationslage.
Sie kann aber auch Informationen anfragen. Es geht sogar so weit, dass sie Durchsuchungen durchfĂŒhren oder spezifische Informationen sicherstellen könnte.
Die EU-Kommission ist auch sehr schnell aktiv geworden. Man könnte vielleicht auch sagen: Sie ist aktivistisch unterwegs gewesen in den ersten Monaten. Nicht alles davon wurde sehr positiv gesehen.
Zum Beispiel gab es im Kontext des 7. Oktober Briefe des zustĂ€ndigen EU-Kommissars Thierry Breton, die er ĂŒber Twitter verteilt hat. Darin forderte er die groĂen Plattformen auf, den DSA durchzusetzen. Dabei hat er auf eine relativ problematische Art und Weise vermischt, um was es eigentlich geht. Geht es um illegale Inhalte oder geht es um Desinformation? Das ist ein recht frĂŒhes Beispiel, wo man das GefĂŒhl hatte, dass hier auch politisch Einfluss genommen wird.
Abgesehen davon hat die EU-Kommission vor allem drei groĂe PrioritĂ€ten festgelegt. Es geht einmal um das Thema illegale Inhalte: Wie gehen die Plattformen mit illegalen Inhalten um, was sind die Meldewege, wie gut funktioniert die Transparenz? Der zweite Bereich ist Kinder- und Jugendschutz, der fĂŒr die Kommission sehr wichtig ist. Der dritte Bereich ist die IntegritĂ€t von Wahlen und Desinformation.
Elina EickstĂ€dt: Stellt die EU-Kommission fĂŒr diese Arbeit ein neues Team oder eine neue Abteilung zusammen, die dann auch bestĂ€ndig arbeiten â im Gegensatz zu den Kommissarinnen und Kommissaren, die ja jetzt nach den Wahlen wechseln werden?
Svea Windwehr: Ja, es wurde eine Abteilung umstrukturiert und umgebaut, und zwar die Abteilung, in der das Team sitzt, das den DSA geschrieben und verhandelt hat. Da ist sehr viel Expertise im Bereich Online-Plattformen. Sie haben schon recht viel Leute eingestellt, zwischen 70 und 100 Menschen.
Es sind auch |gerade noch Stellen offen|. Die EU-Kommission hat recht lange gebraucht, um diese Stellen zu fĂŒllen und das Team aufzubauen. Die Kommission hat mit dem Team schon einige Untersuchungen losgetreten, ich glaube, ĂŒber zehn Untersuchungen und noch einige Nachfragen, sogenannte Requests for Information. Als wir als GFF |im Februar eine Beschwerde gegenĂŒber LinkedIn eingereicht haben|, hat die EuropĂ€ische Kommission als ersten Schritt nach mehr Informationen bei LinkedIn gefragt.
Elina EickstÀdt: Was können wir als Zivilgesellschaft machen? Wie lÀuft eine Beschwerde an die Kommission? Kann ich das als Einzelperson auch tun? Kann sich einfach jeder beschweren oder muss man sich im eigenen Land an die Beschwerdestellen richten?
Svea Windwehr: Das ist eine der LĂŒcken im DSA. Es gibt kein Beschwerderecht gegenĂŒber der EuropĂ€ischen Kommission. Theoretisch mĂŒssten wir uns alle an unsere nationale Aufsichtsbehörde wenden, der Digital-Services-Koordinator, also die deutsche Koordinierungsstelle. Da kann man quasi Beschwerden einreichen, wozu man möchte. Und wenn es sich dabei um sehr groĂe Online-Plattformen handelt, dann hat diese nationale Aufsichtsbehörde die Verpflichtung, das an die EU-Kommission weiterzugeben.
Da es in Deutschland bis vor kurzem noch keine Aufsichtsbehörde gab, haben wir als GFF zum Beispiel unsere Beschwerde direkt bei der Kommission eingereicht. Auch wenn es keinen offiziellen Weg dafĂŒr gab, hat es in diesem Fall gut funktioniert, aber geht natĂŒrlich mit dem Problem einher, dass wir keinerlei prozessuale Rechte hatten. Die EU-Kommission hĂ€tte nichts machen mĂŒssen. Sie hĂ€tte sich auch einfach nie wieder bei uns melden können. Wir hĂ€tten keine rechtlichen Wege gehabt, dagegen vorzugehen.
Constanze Kurz: Ist es denn jetzt anders? Es gibt ja jetzt diesen Koordinator, das ist in Deutschland gesetzlich geregelt die |Bundesnetzagentur|. MĂŒsst ihr euch mit ihnen nun ins Benehmen setzen oder wendet ihr euch direkt an die Bundesnetzagentur? Wie wird es jetzt laufen?
Svea Windwehr: Wir haben vor zwei Wochen eine weitere Beschwerde eingereicht. Wir wollten ausprobieren, wie jetzt der Weg ist. Denn inzwischen gibt es eine Webseite, ĂŒber die man Beschwerden einreichen kann.
Constanze Kurz: Man kann aber nur fĂŒnf Bilddateien hochladen und man hat eine sehr begrenzte Zeichenzahl.
Svea Windwehr: Genau. Da sieht man schon ein wenig, von welchen Beschwerden sie ausgehen. Ich glaube, sie rechnen vor allem damit, von einzelnen Personen zu hören, was ihnen auf einer Plattform widerfahren ist, wo ihre Rechte nicht eingehalten wurden. Das, was wir als GFF dort einreichen wollten, nĂ€mlich Beschwerden gegen fĂŒnf verschiedene Unternehmen, das war so nicht vorgesehen. In dem Fall haben wir die Beschwerde wieder per E-Mail eingereicht, aber auch parallel an die EuropĂ€ische Kommission, weil es um sehr groĂe Online-Plattformen ging. Das wird letztlich sowieso bei der Kommission landen.
Die Bundesnetzagentur hat vor allem die Aufgabe, zu koordinieren und dann Beschwerden oder auch Untersuchungen an die Behörde weiterzugeben, die am ehesten dafĂŒr zustĂ€ndig und dafĂŒr kompetent ist.
|Hier kannst Du Dich beschweren|
Constanze Kurz: Die Bundesnetzagentur betont auf der Webseite, dass es nicht um individuelle Beschwerden geht, dass sich also die Nutzer nicht wegen eines gesperrten Accounts beschweren sollen, sondern dass die Behörde ĂŒber ihr Beschwerdeformular auf systematische oder regelmĂ€Ăige VerstöĂe hingewiesen werden will.
Svea Windwehr: Deswegen ist unsere Arbeit in dem Bereich so wichtig. Denn das ist genau das Problem: Der DSA sagt sehr deutlich, dass einzelne RechtsverstöĂe nicht das Problem sind. Aber systematische RechtsverstöĂe können geahndet werden. Das heiĂt: Wenn etwa Facebook einmal was Falsches entscheidet, ist es schon okay. Das ist natĂŒrlich fĂŒr einzelne Nutzer total unbefriedigend, weil die tatsĂ€chlich nicht unbedingt jemand haben, an den sie sich wenden können. Oder es ist mit sehr viel Aufwand verbunden.
Es gibt natĂŒrlich Vereine wie die GFF und auch Beratungsstellen fĂŒr Betroffene von Hass im Netz, die helfen können. Aber es ist nicht offensichtlich, an wen man sich wenden kann. Es gibt noch die Verbraucherschutzzentralen, die auch hilfreich sind, aber die muss man auch erstmal kennen.
Constanze Kurz: Du hast vorhin erwĂ€hnt, dass der DSA auch die Pflichten in Bezug auf Meldungen fĂŒr die groĂen Plattformen verbessern soll. Sie mĂŒssen jetzt bestimmte Beschwerdewege haben und auch reagieren â oder zum Beispiel auch nicht immer automatisiert reagieren. Im Prinzip ist der DSA vor allen Dingen dafĂŒr da, dass es diese Wege ĂŒberhaupt gibt und zwar ĂŒberall. Aufzuzeigen, wo diese Beschwerdestellen bei den groĂen Plattformen sind, wĂ€re doch eigentlich eine Forderung, die man an die Bundesnetzagentur stellen könnte.
Elina EickstĂ€dt: Ich glaube, das ist ein Klassiker, dass wir jetzt als Zivilgesellschaft wieder schauen mĂŒssen, dass alle Menschen ihre Rechte kennen, die sie jetzt auf einmal innehaben. Und wir mĂŒssen auĂerdem dafĂŒr sorgen, dass es eine Durchsetzung dieser Rechte gibt. Oder wie siehst du das?
Svea Windwehr: Auf der einen Seite ist das eine Rolle, welche die Zivilgesellschaft schon immer hatte: Watchdog sein. Aber ich wĂŒrde auch sagen, es gibt auf der anderen Seite ein gewisses Spannungsfeld: Man kann nicht mit der Kommission zusammenarbeiten und den DSA durchsetzen und gleichzeitig die Kommission beaufsichtigen und Watchdog sein.
Hinzu kommt die ungeklĂ€rte Finanzierungslage fĂŒr ganz viele Organisationen in Deutschland, genauso auch in anderen LĂ€ndern oder auf europĂ€ischer Ebene. Es gibt einfach viel zu wenig Geld fĂŒr diese Arbeit. Aktuell wĂŒrde ich schon sagen, dass es von Aufsichtsbehörden eine Erwartungshaltung gibt, insbesondere von der EU-Kommission an die Zivilgesellschaft. Nach dem Motto: Ihr wolltet diese Rolle, jetzt ist der DSA da â könnt ihr nun Beweise liefern, wo es schlecht lĂ€uft?
Das ist natĂŒrlich eine tolle und eine wichtige Aufgabe. Wir wollen uns natĂŒrlich auch beteiligen und hilfreich sein. Ich denke, aktuell ist es gut angelaufen. Aber es ist natĂŒrlich klar, dass frĂŒher oder spĂ€ter Konflikte auftauchen. Dann wird es spannend.
Constanze Kurz: Bei der Bundesnetzagentur, also dem deutschen Koordinator, gibt es auch eine zivilgesellschaftliche Beteiligung. Sie ist in einem Beirat festgelegt, der sich zusammensetzt aus zur HĂ€lfte Zivilgesellschaft, einem Viertel Wissenschaft und einem Viertel Wirtschaft. Ist schon bekannt, wer in diesem Beirat sein wird?
Svea Windwehr: |Der Beirat| wurde gerade benannt, ich gehöre ihm als Teil der Zivilgesellschaft an.
Constanze Kurz: Aus Sicht der GFF: Welchen Unternehmen wollt ihr euch widmen? Was sind die Themen, die euch unter den NĂ€geln brennen, wo wollt ihr aktiv werden?
Svea Windwehr: Das sind drei Bereiche. Der erste ist die Inhaltemoderation, also genauer die Durchsetzung und Wahrung von Grundrechten bei der Inhaltemoderation. Da sind wir darauf angewiesen, dass Menschen zu uns kommen und erzÀhlen, was ihnen passiert ist.
Hier ist der Aufruf: Wurden eure Inhalte gesperrt oder euer Konto blockiert? Dann meldet euch gern, wenn ihr das GefĂŒhl habt, dass das nicht rechtmĂ€Ăig passiert ist. Wenn vielleicht auch bestimmte politische Inhalte zensiert wurden, dann sind wir erstmal neugierig und schauen uns das gern an.
Der zweite Bereich ist der Zugang zu Forschungsdaten. Das ist eine groĂe Innovation, dass es ein relativ weitgehendes neues Recht fĂŒr Forschende gibt, Zugang zu Plattformdaten zu bekommen. Das wollen wir durchsetzen mit Forschenden, also dafĂŒr kĂ€mpfen, dass sie die Daten auch bekommen.
Der dritte Bereich ist das, was ich Plattform-Design nenne, also die Aspekte des DSA, die nicht unbedingt auf einzelne Nutzerrechte abzielen, sondern das Design und die Gestaltung von Online-Plattformen angehen. Sie haben sehr groĂen Einfluss darauf, wie Nutzer sich dort bewegen können und was sie vorfinden.
In allen drei Kategorien muss aus meiner Sicht sehr viel ĂŒberprĂŒft werden. Gerade auch die Meldewege, da gibt es schon erste Beschwerden. Es ist klar, dass Meldewege auf allen Plattformen nicht besonders gut ausgestattet sind, nicht besonders gut funktionieren und nicht einfach zu nutzen sind.
Constanze Kurz: Du hast vermieden, irgendeine bestimmte groĂe Online-Plattform zu benennen.
Elina EickstÀdt: Was ist eigentlich mit TikTok? Setzen sie den DSA um, was ist dein Eindruck?
Svea Windwehr: TikTok fĂ€llt als eine sehr groĂe Plattform unter den DSA. TikTok war unter den fĂŒnf Unternehmen, gegen die wir vor ein paar Wochen wegen ihrer mangelnden Umsetzung von Wegen, sich als Nutzer:in vertreten zu lassen, eine Beschwerde eingereicht haben. Aus meiner Erfahrung bemĂŒht sich TikTok um Compliance. Ich glaube, TikToks generelle Strategie besteht darin, Gesetze umzusetzen, und es ist eventuell weniger fokussiert darauf, Grundrechte abzuwĂ€gen.
Wir schauen weniger auf konkrete Unternehmen als auf konkrete Themen. Bis jetzt haben wir gegen fast alle groĂen Plattformen, auf denen nutzergenerierte Inhalte geteilt werden, Beschwerden eingereicht.
Elina EickstĂ€dt: Der DSA war ein geprĂ€gt von den EU-Wahlen: Wir mĂŒssen irgendwas gegen Desinformation tun. Hast du das GefĂŒhl, dass es jetzt in der Umsetzung des DSA zu gut ĂŒberlegten Regelungen kommt?
Svea Windwehr: Der DSA ist schon ein Versuch, auf aktuelle Herausforderungen einzugehen â manchmal besser, manchmal schlechter. Ich glaube, dieser Krisenmechanismus, den ich vorhin erwĂ€hnt habe, ist ein Beispiel von eher nicht so gut gelaufen. Die Artikel zu systemischen Risiken, wo zum Beispiel auch Desinformation oder Schutz von Wahlen drin stehen, die ergeben schon mehr Sinn.
FĂŒr mich geht es um ein grundlegendes MissverstĂ€ndnis: Desinformation ist ja in den allermeisten FĂ€llen nicht rechtswidrig. Die Inhalte, die verbreitet werden, sind meistens nicht rechtswidrig. Es ist falsch und es sind oft Dinge, die aus dem Kontext gerissen werden und in falschen Kontext gestellt werden. Aber es ist selten illegal. Der DSA reguliert aber in allererster Linie illegale Inhalte. Das heiĂt, es ist relativ begrenzt, was man unter dem DSA tun kann, um gegen Desinformation vorzugehen. Das wird manchmal ein bisschen ĂŒbertrieben dargestellt. Aber es ist ein sehr komplexes Problem mit vielen verschiedenen Akteuren. Und einfach nur zu sagen, Plattformen sollen jetzt mehr Desinformation löschen, wird dem ĂŒberhaupt nicht gerecht.
Das heiĂt, wir mĂŒssen vorsichtig damit sein, zu sagen, der DSA funktioniert nicht, er muss nachgeschĂ€rft werden â gerade in den ersten Monaten, vielleicht auch im ersten Jahr. Wir mĂŒssen erstmal Erfahrungen damit sammeln und herausfinden, was gut funktioniert, was schlecht funktioniert und uns gemeinsam der Herausforderung stellen, dass wir noch nicht alle Antworten haben.
Elina EickstĂ€dt: Was kann der DSA eigentlich beim Kinder- und Jugendschutz tun? Hast du das GefĂŒhl, dass es hier wieder so eine Erwartungshaltung an den DSA gibt, die gar nicht erfĂŒllt werden kann?
Svea Windwehr: Der DSA sagt zum Kinder- und Jugendschutz, dass Plattformen sich MaĂnahmen ausdenken mĂŒssen, um Kinder und Jugendliche zu schĂŒtzen, und das quasi auf systemischer Ebene einbauen, ĂŒberprĂŒfen und bewerten mĂŒssen. Da bin ich sehr gespannt drauf. Die entsprechenden Risikoberichte werden im Laufe des Jahres veröffentlicht.
Wovor ich ein bisschen Sorge habe, ist die Diskussion, ob Altersverifizierung nicht doch ein notwendiges Werkzeug ist, um Kinder und Jugendliche im Netz zu schĂŒtzen. Da habe ich groĂe Bedenken und die Sorge, dass in irgendwelchen Arbeitsgruppen â fernab der Ăffentlichkeit und des demokratischen Gesetzgebungsprozesses â die Altersverifizierungen ĂŒber die HintertĂŒr noch Schule machen könnte. Da sehe ich auf jeden Fall eine groĂe Gefahr.
Constanze Kurz: Ich muss auf etwas zurĂŒckkommen, dass du zweimal explizit als SchwĂ€che des DSA erwĂ€hnt hast: den Krisenmechanismus. Was ist dieser Krisenmechanismus, wo siehst du die groĂe Gefahr?
Svea Windwehr: Kurz zusammengefasst sagt der Krisenmechanismus, dass die EU-Kommission nach Aufforderung der nationalen Aufsichtsbehörden in FĂ€llen von Krisen, die weit definiert sind, etwa nationale Sicherheit oder Public Health, Krisenprotokolle unter Beteiligung betroffener Online-Plattformen ausarbeitet. Die Kommission kann so konkrete MaĂnahmen zur BekĂ€mpfung der Krise vorschlagen und ihre Anwendung ĂŒberwachen.
Der Artikel dazu ist recht vage und lÀsst viele SpielrÀume. Am Beispiel der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie dynamisch solche Situationen sein können, und wie schnell sich auch verÀndert, was zum Beispiel als Desinformation wahrgenommen wird und was nicht. Da macht mir dieser Artikel und die ErmÀchtigungen, die der im Falle einer Krise erlaubt, Sorgen.
Constanze Kurz: Ich erinnere daran, dass mit Beginn des kriegerischen Ukrainekonflikts auch ganz drastische ZensurmaĂnahmen in Europa durchgesetzt wurden, die bis heute bestehen in Bezug auf russische Sender. Du hast jetzt Desinformation erwĂ€hnt, aber eigentlich geht es ja um rechtswidrige Inhalte, nicht wahr?
Svea Windwehr: Ja, ich glaube, es wird auch oft verkĂŒrzt. Staatliche Akteure hĂ€tten einen direkten Weg, um Druck auch Unternehmen mit sehr groĂer Reichweite auszuĂŒben, um bestimmte MaĂnahmen umzusetzen. Da sehe ich Missbrauchspotential. Gleichzeitig ist auch klar, dass die Gesellschaft sehr wachsam ist.
Wir mĂŒssen abwarten, wie das in der Praxis laufen wird, aktuell ist es schwer zu bewerten. Aber ich glaube, es ist allen klar, dass dieser Mechanismus nicht ideal ist, dass es viele Fragezeichen gibt und dass man mit sehr viel Sorgfalt agieren muss.
Elina EickstĂ€dt: Was sollte man grundsĂ€tzlich ĂŒber den DSA wissen?
Svea Windwehr: Man sollte wissen, dass wir jetzt zum ersten Mal Rechte haben, um uns gegen Handlungen der Plattformen zu wehren. Die sollte man nutzen. Das geht am allerbesten, wenn man sich ein bisschen Hilfe sucht, zum Beispiel auf die GFF zukommt und uns anspricht.
Was auch wichtig ist: Es gibt neue Transparenz und neuen Zugang zu Daten. Jetzt mĂŒssen wir den Zugang auch nutzbar machen. Und deswegen hier ein Aufruf an alle, die forschen oder in irgendeiner Uni Lust dazu haben: Welche Daten wollt ihr eigentlich? Wie könnte man sie herkriegen? Da aktiv zu werden, das ist mein Appell.
Elina EickstĂ€dt: Vielen Dank, Svea, dass du dir die Zeit fĂŒr das GesprĂ€ch genommen hast!
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Das etwa einstĂŒndige GesprĂ€ch mit Svea ist auch als |Podcast| verfĂŒgbar. Der Podcast âDicke Bretterâ versucht zu erklĂ€ren, wie Gesetzgebungen und Standards zustandekommen, wie die Willensbildung und die Durchsetzung in solchen ZusammenhĂ€ngen verlaufen und welche Institutionen daran mitwirken.
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|deutsche Koordinierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur|
|sehr groĂen Online-Plattformen|
|im Februar eine Beschwerde gegenĂŒber LinkedIn eingereicht haben|
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Mon, 08 Jul 2024 07:23:27 +0000
Ingo Dachwitz
AI and content moderation would be impossible without the labor of millions of data workers. In a new project, these workers share their stories: from platform workers in Venezuela and Syria to employees of outsourcing companies in Kenya and content moderators in Germany.
Today marks the launch of the |Data Workersâ Inquiry|. This joint project between the Weizenbaum Institute, the Technical University of Berlin, and the Distributed AI Research Lab, features workers behind artificial intelligence and content moderation discussing their working and living environments. |The inquiries| come in various forms, from texts to videos, podcasts, comics, and zines.
We asked co-initiator |Milagros Miceli| what lessons can be learned from the Data Workersâ Inquiry. Miceli is a sociologist and computer scientist who leads a team at the Weizenbaum Institute in Berlin. She has been researching the work behind AI systems for years, including data annotation, where people sift through, sort, and label data sets so that machines can understand them. For instance, before an image recognition system can identify a photo of a cat, humans must label a series of images with cats. AI systems can then be trained with such data sets.
netzpolitik.org: How important are data workers for the functioning of the digital world?
Milagros Miceli: Data workers are essential to the development and maintenance of the most popular platforms and systems we use. Thereâs no AI without the labor that goes into data collection, cleaning, annotation, and algorithmic verification. Without the continuous work of content moderators, who make social media platforms, search engines, and tools like ChatGPT usable, we wouldnât be able to navigate these systems without getting seriously scarred, psychologically speaking. Would we still use ChatGPT if all its answers were filled with slurs? Would we still be on social media if we routinely encountered violent images?
netzpolitik.org: What role does outsourcing play in this industry?
Milagros Miceli: Human labor is a necessary part of the loop to generate and maximize surplus value. But for this, labor needs to be available and cheap. Hence, most tech giants rely on platforms and companies that provide an outsourced workforce, available 24/7 at low costs. The impressive advancement of AI technologies in the past decade or so correlates with the flourishing of data work platforms and companies that started with the creation of Amazon Mechanical Turk 20 years ago. The MTurk model made a large global workforce available at all times and at cheap prices.
netzpolitik.org: In the project, data workers report from very different work contexts and regions of the worldâfrom platform workers in Venezuela or Syria to employees of outsourcing companies in Kenya and content moderators in Germany. Is there a universal experience that all of them share?
Milagros Miceli: These are the common realities of most data workers: they are paid for each task completed, not for their time; they receive meager hourly wages as low as 2 USD in Kenya or 1.7 USD in Argentina, and have no labor rights or protection; they are subject to surveillance and the arbitrariness of clients and platforms, and, in many cases, they carry permanent mental-health issues from the job. Most data workers are subject to NDAs that prevent them from talking to others about whatâs going on. We have seen cases in which workers didnât seek psychological or legal advice because they were told that would mean breaking the NDA.
Especially in the Global South, there are structural dependencies that leave workers with no option but to accept such working conditions. In places with high unemployment rates, the workforce remains constant, and workers are treated as disposable. The outsourcing model also helps companies avoid responsibility: when problems arise, nobody feels responsible for the workersâ well-being, and they are left to suffer alone.
netzpolitik.org: The work of data workers behind AI and content moderation is often made invisible, which is why Mary Gray and Siddharth Suri also speak of |Ghost Work|. How does the Data Workersâ Inquiry want to change this?
Milagros Miceli: Making this âghost workâ visible, shedding light on the problems faced by workers, and raising public awareness are important goals of our project. However, the Data Workersâ Inquiry embodies a commitment to go beyond just abstractly âraising awarenessâ in the sense of academics and journalists talking about the workers. Our approach is amplifying workersâ voices and political demands. Shifting away from us talking for and about the workers towards creating a platform where workers can talk for themselves and put things in their own words was very important to me in the conception of this project and methodology.
netzpolitik.org: What does this look like in practice?
Milagros Miceli: We invite the data workers to take the lead, both in deciding which topics and issues they consider pressing and in choosing the medium and format. The variety of the inquiries speaks for itself: there are podcasts, documentaries, animations, comics, zines, and essays. Most formats were decided upon specifically to reach wider audiences who donât necessarily read academic papers.
Furthermore, we hope that the projectâs dialogue and networking opportunities can strengthen workersâ organization efforts and lead to positive changes. So it is not only about workers informing us but also about workers talking to each other and organizing.
netzpolitik.org: The participating data workers act as âcommunity researchersâ in the project. What exactly is their role?
Milagros Miceli: This means that they conduct research within their own worker communities or workplaces as community members themselves, that is, from an insider perspective. We center their experiences and recognize their unique knowledge. In my career, Iâve conducted around 100 interviews with data workers globally. Still, I will never know how it feels to be dependent on this work and mistreated by clients. This is something that only workers can know.
Each community researcher develops unique research questions, designs and conducts their inquiries, and prepares a presentation format for their findings. In the process, they talk to their co-workers and other data workers and are also in constant exchange with us. For instance, we offer advice on how to collect data and structure the process. Our job is to organize and provide a platform for these inquiries and to constantly evaluate their ethical and legal boundaries.
netzpolitik.org: What effect does this have on the reports you publish?
Milagros Miceli: It already shows when the community researchers talk and interview other workers: they know what to ask and how, and they establish rapport and trust immediately through their shared experiences. Good examples of this are |the podcasts| and |documentaries| on our website. Also, the |zine about African women in content moderation|, in which experiences of psychological, economic, and sexual abuse endured by female migrant workers at the company Sama in Kenya are shared, and the |heartbreaking report| that explores the mental health struggles of Metaâs content moderators. These are good examples of supporting community members in telling their own stories and coming up with new insights and better research outputs in the process.
netzpolitik.org: As you already mentioned, data workers usually have to sign non-disclosure agreements (NDAs). In the Data Workersâ Inquiry, however, many workers name their employers, and some even appear under their real names. What risk are they taking to inform the public about conditions in the industry?
Milagros Miceli: Breaking non-disclosure agreements can have very serious repercussions for the workers. Just last year, a content moderator at Telus International in Essen, Germany, suffered retaliation for testifying about working conditions at the Bundestag. This not only signifies the loss of their income but could also lead to the loss of visas for the many migrants who depend on this job for their legal status.
Despite all these possible repercussions, our community researchers decide to speak up. This shows how pressing the issues being reported are and how important it is for the authors to reach a large audience. They are incredibly brave for doing this, but they are also relying on public pressure for protection and they certainly hope that after taking such a risk, their stories wonât be ignored.
Their commitment to sharing their stories shows how much trust they have placed in us and the project. Of course, this is a big responsibility for us, one that we donât take lightly. We have offered each community researcher the possibility of remaining anonymous or anonymizing the companies they work for. Some of them have decided to do so, but most authors have decided to publish under their real names and name the companies. We work hard on protecting the information they provide and protecting them. For this, we have actively sought legal advice both in Germany and internationally, and with the organizations that fund this project. In addition, weâre in constant exchange with data protection and research ethics experts.
netzpolitik.org: The Data Workersâ Inquiry is inspired by a questionnaire that Karl Marx used in 1880 to investigate the situation of the French working class. To what extent does digitalization with its global division of labour make it more difficult for exploited workers to engage in joint labour struggles today? Or can digital tools even be helpful here?
Milagros Miceli: Seeing that the Data Workersâ Inquiry is also an academic project, this question has both a theoretical and political answer. Considering theoretical analyses, the global division of labor by means of digitalization necessitates an expansion of the orthodox Marxist framework, away from a focus on the white industrial worker and towards issues of societal reproduction, intersections of race, gender, and class, colonial perpetuation, and the far-reaching exploitation of natural resources that all sustain platform capitalism.
The key role of data workers for the smooth functioning of AI reminds us of the fundamental Marxist claim that only human labor can create surplus value, irrespective of attempts to reduce them to mere appendices to machines. Data work should consequently be analyzed as a mode of production that exacerbates alienation by physically separating the workers from their products, which counteracts data workersâ political power to organize and exercise control over the means of production they employ as a globally dispersed workforce.
netzpolitik.org: If that was the theoretical answer, what is the political one?
Milagros Miceli: Without political pressure and public solidarity, workers are at the mercy of reprisals from technology companies. However, they can only exert pressure if they create channels of solidarity and collectively build up a counter-power to the corporations. And only then can they fight for fair working conditions.
Many of the community researchers already belong to trade unions. However, they are grouped together in various labour groups, which undermines their political power. In addition, many of them are dissatisfied with the large traditional trade unions and want to form their own unions.
And the use of technology can also help them in this struggle. Technology is not bad per se. It can actually help workers to connect and organize. Furthermore, some of our community researchers argue that data workers could do their jobs better if technologies were not used unilaterally to monitor and increase efficiency, but if they were instead used to optimize communication and collaboration between workers.
netzpolitik.org: Many see a |continuation of colonial exploitation| in the digital economy: Hard work under precarious conditions is often outsourced to countries in the Global South. The profits flow predominantly to the Global North, both to the clients and to the operators of BPO companies and outsourcing platforms.
Milagros Miceli: According to the World Bank, there are between |154 million and 435 million data workers globally|, with many of them situated in or displaced from the World Majority. The numbers have grown exponentially in the last few years with no sign of slowing down.
The larger concentration of data workers per country is still in the US, but the overwhelming overall majority is located in the Global South if we count countries like India and the Philippines and regions like Latin America, with Venezuela and Brazil at the forefront.
Before the Data Workersâ Inquiry, I conducted several studies with data workers in Argentina, Venezuela, Bulgaria, and Syria. In all cases, the requesters were located in the US and the EU. This adds another level of hardship for the data workers who have to work odd hours to cater to the clientâs time zones and often donât understand why instructions formulated in English are given to Spanish-speaking workers, or why the images they have to label depict objects that are foreign to them, for instance.
In other cases I observed, the images were strangely familiar, such as when refugee data workers displaced by the war in Syria were tasked with labeling satellite images of what they suspected was their region to be used for surveillance drones. This case shows how data workersâ experience is leveraged as expertise and their misfortune is used to perfect the same technologies that have contributed to their displacement.
netzpolitik.org: What needs to change in the tech industry in terms of outsourcing and what can people, civil society, and politics in Germany/Europe do to support data workers?
Milagros Miceli: We want to offer employees a platform on which they can put forward their demands. And most of them do so very clearly. They want better wages and working conditions, more stable employment contracts, and more support. This also includes psychological support for hazardous occupations such as content moderation.
Many of our community researchers are proud to contribute to technological progress and a safer internet, but want to be better recognized for it. Of course, this includes fair compensation.
We should therefore also stop asking whether an hourly wage of 2 dollars in countries like Kenya and Venezuela is a lot of money. Instead, we should be asking why the tech giants, which generate billions in revenue every year, donât pay their employees more. After all, they are essential to their business.
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|zine about African women in content moderation|
|continuation of colonial exploitation|
|154 million and 435 million data workers globally|
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Mon, 08 Jul 2024 07:23:21 +0000
Ingo Dachwitz
Ohne Millionen Datenarbeiter:innen wĂŒrden weder sogenannte KĂŒnstliche Intelligenz noch Content-Moderation funktionieren. In einem neuen Projekt erzĂ€hlen sie ihre Geschichten: von Plattformarbeiter:innen in Venezuela und Syrien ĂŒber Angestellte von Outsourcing-Firmen in Kenia bis zu Content-Moderator:innen in Deutschland.
Heute startet die Initiative |âData Workersâ Inquiryâ|, zu deutsch etwa: Datenarbeiter:innen-Befragung. In dem gemeinsamen Projekt vom Weizenbaum Institut, der Technischen UniversitĂ€t Berlin und dem Distributed AI Research Lab berichten ArbeitskrĂ€fte, die hinter sogenannter KĂŒnstlicher Intelligenz und Content Moderation stecken, von ihrer Arbeits- und Lebenswelt. |Die Berichte umfassen| Texte, Videos, Podcasts sowie Comics und Zines.
Wir haben Mit-Initiatorin |Milagros Miceli| gefragt, was sich aus den Befragungen lernen lĂ€sst. Miceli ist Soziologin und Informatikerin. Sie leitet ein Team am Berliner Weizenbaum-Institut und forscht seit Jahren zur Arbeit hinter KI-Systemen, unter anderem zur Datenannotation. So nennt man es, wenn Menschen DatensĂ€tze sichten, sortieren und mit Etiketten versehen, damit Maschinen sie verstehen. Bevor zum Beispiel eine Bilderkennung das Foto einer Katze erkennen kann, mĂŒssen Menschen reihenweise Bilder mit Katzen kennzeichnen. Mit solchen DatensĂ€tzen lassen sich dann KI-Systeme trainieren.
netzpolitik.org: Was machen Datenarbeiter:innen eigentlich und welche Bedeutung haben sie fĂŒr das Funktionieren der digitalen Welt?
Milagros Miceli: Datenarbeiter:innen sind unverzichtbar fĂŒr die Entwicklung und Wartung der beliebtesten Plattformen und Systeme, die wir nutzen. Es gibt |keine KI ohne die Arbeit|, die in die Datensammlung, -bereinigung und -kommentierung flieĂt, und ohne algorithmische ĂberprĂŒfung. Ohne die kontinuierliche Arbeit von Inhaltsmoderator:innen, die Social-Media-Plattformen, aber auch Suchmaschinen und |Tools wie ChatGPT| nutzbar machen, wĂ€ren wir nicht in der Lage, diese Systeme zu nutzen, ohne ernsthafte psychologische SchĂ€den davonzutragen: WĂŒrden wir ChatGPT noch einsetzen, wenn alle Antworten mit Beleidigungen gespickt wĂ€ren? WĂ€ren wir noch in den sozialen Medien unterwegs, wenn wir regelmĂ€Ăig auf Gewaltdarstellungen stoĂen wĂŒrden?
netzpolitik.org: Welche Rolle spielt Outsourcing in dieser Branche?
Milagros Miceli: Die menschliche Arbeit ist ein notwendiger Teil des Kreislaufs zur Erzeugung und Maximierung des Mehrwerts. Doch dafĂŒr muss die Arbeitskraft verfĂŒgbar und billig sein. Daher verlassen sich die meisten Tech-Giganten auf Plattformen und Unternehmen, die ausgelagerte ArbeitskrĂ€fte bereitstellen, die rund um die Uhr zu niedrigen Kosten verfĂŒgbar sind. Der beeindruckende Fortschritt der KI-Technologien, den wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt haben, korreliert mit dem Aufschwung von Plattformen und Unternehmen fĂŒr Datenarbeit. Der Aufschwung begann mit der GrĂŒndung von |Amazon Mechanical Turk| vor 20 Jahren. Das Mechanical-Turk-Modell machte eine groĂe Anzahl von ArbeitskrĂ€ften weltweit jederzeit und zu gĂŒnstigen Preisen verfĂŒgbar.
netzpolitik.org: Im Data Workersâ Inquiry berichten Datenarbeiter:innen aus ganz unterschiedlichen Arbeitskontexten und Weltregionen. Unter ihnen sind Plattformarbeiter:innen in Venezuela und Syrien, Angestellte von Outsourcing-Firmen in Kenia und auch Content Moderator:innen in Deutschland. Gibt es so etwas wie eine universelle Erfahrung, die alle von ihnen teilen?
Milagros Miceli: Die meisten Datenarbeiter:innen haben einiges gemeinsam: Sie werden nicht fĂŒr ihre Zeit bezahlt, sondern nur fĂŒr erledigte Aufgaben. Meist erhalten sie magere Stundenlöhne von gerade einmal 2 US-Dollar in Kenia oder 1,7 US-Dollar in Argentinien. Sie haben keine Arbeitsrechte oder sonstigen Schutz. Und sie sind der Ăberwachung und der WillkĂŒr von Auftraggeber:innen und Plattformen ausgesetzt. In vielen FĂ€llen tragen sie auch dauerhafte psychische Probleme von der Arbeit mit sich. Die meisten Datenarbeiter:innen unterliegen Geheimhaltungsvereinbarungen, die sie daran hindern, mit anderen darĂŒber zu sprechen, was vor sich geht. Wir haben FĂ€lle erlebt, in denen BeschĂ€ftigte keine psychologische oder rechtliche Beratung in Anspruch genommen haben, weil ihnen gesagt wurde, dass dies einen Bruch der Geheimhaltungsvereinbarungen bedeuten wĂŒrde, dass sie mit ihren Arbeitgebern abgeschlossen haben.
Vor allem im globalen SĂŒden gibt es strukturelle AbhĂ€ngigkeiten, die den BeschĂ€ftigten keine andere Wahl lassen, als solche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Vor allem an Orten mit hoher Arbeitslosigkeit werden die Arbeitnehmer:innen wie Wegwerfartikel behandelt. Das Outsourcing-Modell erlaubt es den Unternehmen auch, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Wenn Probleme auftreten, fĂŒhlt sich niemand fĂŒr das Wohlergehen der Arbeitnehmer:innen verantwortlich, und sie werden allein gelassen.
netzpolitik.org: Die Leistung von Datenarbeiter:innen hinter KI und Content Moderation wird oft unsichtbar gemacht. Die Autor:innen Mary Gray und Siddharth Suri sprechen deshalb auch von |âGhost Workâ|. Wie will die Data Workersâ Inquiry das Ă€ndern?
Milagros Miceli: Diese âGeisterarbeitâ sichtbar zu machen, die Probleme der BeschĂ€ftigten zu beleuchten und die Ăffentlichkeit zu sensibilisieren, sind wichtige Ziele unseres Projekts. Die Data Workersâ Inquiry verkörpert jedoch ein Engagement, das ĂŒber eine abstrakte âSensibilisierungâ im Sinne von Akademiker:innen und Journalist:innen hinausgeht, die ĂŒber die Arbeiter:innen sprechen. Unser Ansatz besteht darin, die Stimmen der Arbeitnehmer:innen und ihre politischen Forderungen zu verstĂ€rken. Bei der Konzeption dieses Projekts und der Methodik war es mir sehr wichtig, dass wir nicht mehr fĂŒr und ĂŒber die Arbeiter:innen sprechen. Stattdessen wollten wir eine Plattform schaffen, auf der sie fĂŒr sich selbst sprechen und ihre Anliegen in eigene Worte fassen können.
netzpolitik.org: Wie sieht das in der Praxis aus?
Milagros Miceli: Wir laden die Datenarbeiter:innen ein, die FĂŒhrung zu ĂŒbernehmen, sowohl bei der Entscheidung, welche Themen und Fragen sie fĂŒr dringlich halten, als auch bei der Wahl des Mediums und des Formats. |Deren Vielfalt| spricht fĂŒr sich selbst: Es gibt Podcasts, Dokumentarfilme, Animationen, Comics, Zines und Essays. Die meisten Formate wurden speziell ausgewĂ€hlt, um ein breiteres Publikum zu erreichen, das nicht unbedingt akademische Abhandlungen liest.
AuĂerdem hoffen wir, dass der Dialog und die Vernetzungsmöglichkeiten des Projekts die Arbeitnehmerorganisation stĂ€rken und zu positiven VerĂ€nderungen fĂŒhren können. Es geht also nicht nur darum, dass die Arbeitnehmer:innen uns informieren, sondern dass sie auch miteinander reden und sich organisieren.
netzpolitik.org: Die teilnehmenden Datenarbeiter:innen agieren in dem Projekt als âCommunity Researchersâ. Was bedeutet das?
Milagros Miceli: Das bedeutet, dass sie in ihren eigenen Arbeitsgemeinschaften oder an ihren ArbeitsplĂ€tzen als Mitglieder der Gemeinschaft selbst forschen, das heiĂt: aus einer Insider-Perspektive. Wir stellen ihre Erfahrungen in den Mittelpunkt und erkennen ihr einzigartiges Wissen an. In meiner Laufbahn habe ich weltweit etwa 100 Interviews mit Datenarbeiter:innen gefĂŒhrt. Dennoch werde ich nie wissen, wie es sich anfĂŒhlt, von dieser Arbeit abhĂ€ngig zu sein und von den Kund:innen schlecht behandelt zu werden. Das ist etwas, das nur die Arbeiter:innen wissen.
Alle Community-Forscher:innen entwickeln eigene Forschungsfragen, konzipieren und fĂŒhren eigene Untersuchungen durch und bereiten PrĂ€sentationen ihrer Ergebnisse vor. Dabei sprechen sie mit ihren Kolleg:innen und anderen Datenbearbeiter:innen und stehen auch mit uns in stĂ€ndigem Austausch. Wir beraten sie zum Beispiel bei der Datenerhebung und der Strukturierung des Prozesses. Unsere Aufgabe ist es, ihnen eine Plattform zu bieten.
netzpolitik.org: Wie macht sich dieser Ansatz in den Berichten bemerkbar, die ihr veröffentlicht?
Milagros Miceli: Wenn die Community-Forscher:innen andere Arbeiter:innen interviewen, wissen sie, was und wie sie fragen mĂŒssen. Durch ihre gemeinsamen Erfahrungen fassen sie sofort Vertrauen zueinander. Gute Beispiele dafĂŒr sind die |Podcasts| und |Dokumentationen| auf unserer Website. Oder das |Zine ĂŒber afrikanische Frauen in der Content-Moderation|, in dem Wanderarbeiter:innen ihre Erfahrungen mit psychologischem, wirtschaftlichem und sexuellem Missbrauch bei der Firma Sama in Kenia teilen. Oder der |herzzerreiĂende Bericht|, der die psychischen Probleme der Content-Moderator:innen von Meta untersucht. All das sind gute Beispiele fĂŒr die UnterstĂŒtzung von Community-Mitgliedern, die ihre persönlichen Geschichten erzĂ€hlen.
netzpolitik.org: Du hast es schon angesprochen: In der Regel mĂŒssen Datenarbeiter:innen Verschwiegenheitsklauseln unterschreiben, sogenannte Non-Disclosure-Agreements, kurz NDAs. Im Data Workersâ Inquiry benennen jedoch viele Arbeiter:innen ihre Arbeitgeber, manche treten sogar unter Klarnamen auf. Welches Risiko gehen sie damit ein?
Milagros Miceli: Die Verletzung von NDAs kann fĂŒr die Arbeitnehmer:innen sehr ernste Folgen haben. Im vergangenen Jahr wurde |ein Moderator bei Telus International in Essen|, Deutschland, wegen seiner Aussage ĂŒber die Arbeitsbedingungen im Bundestag entlassen. Dies bedeutet nicht nur den Verlust ihres Einkommens, sondern könnte auch zum Verlust des Visums oder Aufenthaltstitels fĂŒr die vielen Migrant:innen fĂŒhren, die fĂŒr ihren rechtlichen Status auf diese Arbeit angewiesen sind.
Dennoch melden sich unsere Community-Forscher:innen zu Wort. Das zeigt, wie wichtig es den Autor:innen ist, ein groĂes Publikum zu erreichen. Sie sind unglaublich mutig, und sie hoffen natĂŒrlich, dass ihre Geschichten gehört werden.
Ihr Engagement zeigt uns, wie viel Vertrauen sie in das Projekt haben. Die Verantwortung, die damit einhergeht, nehmen wir nicht auf die leichte Schulter. Wir haben allen Community-Forscher:innen angeboten, anonym zu bleiben und die Unternehmen, fĂŒr die sie arbeiten, zu anonymisieren. Einige haben das Angebot angenommen, aber die meisten Autor:innen haben sich dafĂŒr entschieden, ihren richtigen Namen und auch die Unternehmen zu nennen.
NatĂŒrlich haben wir uns bemĂŒht, alle wichtigen Vorkehrungen zu treffen, um alle Beteiligten wirksam zu schĂŒtzen. Wir haben uns unter anderem rechtlich beraten lassen. Und wir stehen in stĂ€ndigem Austausch mit Expert:innen fĂŒr Datenschutz und Forschungsethik.
netzpolitik.org: Lass uns noch einmal grundsĂ€tzlich ĂŒber das Projekt sprechen. Die Data Workersâ Inquiry ist inspiriert von einem Fragebogen, mit dem Karl Marx 1880 die Lage der französischen Arbeiterklasse untersuchen wollte. Inwiefern erschwert heute die Digitalisierung mit ihrer globalen Arbeitsteilung gemeinsame KĂ€mpfe ausgebeuteter Arbeiter:innen? Oder können digitale Werkzeuge hierbei sogar hilfreich sein?
Milagros Miceli: Da die Data Workersâ Inquiry auch ein akademisches Projekt ist, hat diese Frage sowohl eine theoretische als auch eine politische Antwort. Was die theoretischen Analysen betrifft, so erfordert die globale Arbeitsteilung durch die Digitalisierung eine Erweiterung des orthodoxen marxistischen Rahmens â weg vom Fokus auf den weiĂen Industriearbeiter und hin zu Fragen der gesellschaftlichen Reproduktion, der Ăberschneidungen von Race, Geschlecht und Klasse, der FortfĂŒhrung des Kolonialismus und der weitreichenden Ausbeutung natĂŒrlicher Ressourcen, die alle den Plattformkapitalismus aufrechterhalten.
Die SchlĂŒsselrolle der Datenarbeiter:innen fĂŒr das reibungslose Funktionieren der KI erinnert an die grundlegende marxistische Annahme, dass nur menschliche Arbeit Mehrwert schaffen kann, ungeachtet der Versuche, sie auf bloĂe AnhĂ€ngsel von Maschinen zu reduzieren. Datenarbeit sollte folglich als eine Produktionsweise analysiert werden, die die Entfremdung verschĂ€rft, indem sie die Arbeiter:innen physisch von ihren Produkten trennt. Das erschwert es den Datenarbeiter:innen, sich zu organisieren und die Kontrolle ĂŒber ihre Produktionsmittel auszuĂŒben.
netzpolitik.org: Wenn das die theoretische Antwort war, wie lautet die politische?
Milagros Miceli: Ohne politischen Druck und öffentliche SolidaritĂ€t sind die Arbeitnehmer:innen den Repressalien der Technologieunternehmen ausgeliefert. Druck können sie aber nur dann ausĂŒben, wenn sie KanĂ€le der SolidaritĂ€t schaffen und kollektiv eine Gegenmacht zu den Konzernen aufbauen. Und nur dann können sie fĂŒr gerechte Arbeitsbedingungen kĂ€mpfen.
Viele der Community-Forscher:innen gehören bereits Gewerkschaften an. Dort sind sie aber in verschiedenen Arbeitsgruppen zusammengeschlossen, was ihre politische Macht untergrĂ€bt. AuĂerdem sind viele von ihnen mit den groĂen traditionellen Gewerkschaften unzufrieden und wollen eigene Gewerkschaften grĂŒnden.
Und auch der Einsatz von Technologie kann ihnen in diesem Kampf helfen. Technologie ist nicht per se schlecht. Sie kann den Arbeitnehmer:innen tatsĂ€chlich dabei helfen, sich zu verbinden und zu organisieren. AuĂerdem, so argumentieren einige unserer Community-Forscher:innen, könnten Datenarbeiter:innen ihre Aufgaben besser erfĂŒllen, wenn Technologien nicht einseitig zu Ăberwachung und Effizienzsteigerung eingesetzt wĂŒrden, sondern wenn sie stattdessen dazu genutzt wĂŒrden, die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Arbeitnehmer:innen zu optimieren.
netzpolitik.org: Viele sehen in der digitalen Ăkonomie eine |Fortsetzung kolonialer Ausbeutungsdynamiken|: Harte Arbeit unter prekĂ€ren Bedingungen wird oft in LĂ€nder des globalen SĂŒdens ausgelagert. Die Profite flieĂen hingegen ĂŒberwiegend in den globalen Norden. Könnt ihr dieses Bild bestĂ€tigen?
Milagros Miceli: Nach Angaben der Weltbank gibt es weltweit |zwischen 154 Millionen und 435 Millionen Datenarbeiter:innen|, von denen viele in den LĂ€ndern der Weltmehrheit leben oder aus diesen vertrieben wurden. Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen und eine Verlangsamung dieser Entwicklung ist nicht zu erkennen.
Die gröĂte Konzentration von Datenarbeiter:innen in einem Land ist zwar immer noch in den USA zu finden. Doch globale gesehen lebt die ĂŒberwĂ€ltigende Mehrheit im globalen SĂŒden, etwa in Indien und den Philippinen sowie in Venezuela und Brasilien.
Vor der Data Workersâ Inquiry habe ich mehrere Studien mit Datenarbeiter:innen in Argentinien, Venezuela, Bulgarien und Syrien durchgefĂŒhrt. In allen FĂ€llen befanden sich die Auftraggeber:innen in den USA und der EU. Das prĂ€gt auch die TĂ€tigkeiten der Datenarbeiter:innen. Sie mĂŒssen meist nachts arbeiten, weil bei den Kund:innen dann Tag ist. Und oft verstehen sie nicht, warum zum Beispiel spanischsprachige Mitarbeiter:innen englischsprachige Anweisungen erhalten. Oder ihnen sind die Objekte auf den Bildern fremd, die sie beschriften sollen.
Mitunter ist es aber auch umgekehrt und ihnen sind die Bilder seltsam vertraut. So musste eine aus Syrien vertriebene Datenbearbeiterin Satellitenbilder aus ihrer Heimatregion beschriften, die dann fĂŒr Ăberwachungsdrohnen verwendet werden sollten. Der Fall zeigt, wie die Erfahrung von Datenarbeiter:innen auch als Fachwissen genutzt wird. Sie sollen dann mitunter ausgerechnet jene Technologien verbessern, die zu ihrer Vertreibung gefĂŒhrt haben.
netzpolitik.org: Was muss sich in der Tech-Branche in Bezug auf Outsourcing verĂ€ndern und was können Menschen, Zivilgesellschaft und Politik in Deutschland oder in Europa tun, um Datenarbeiter:innen zu unterstĂŒtzen?
Milagros Miceli: Mit unserem Projekt wollen wir den Arbeitnehmer:innen eine Plattform bieten, auf der sie ihre Forderungen vorbringen können. Und die meisten von ihnen tun das sehr deutlich. Sie wollen bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, stabilere ArbeitsvertrĂ€ge und mehr UnterstĂŒtzung. Dazu zĂ€hlt auch psychologische Betreuung, wenn sie gefĂ€hrliche TĂ€tigkeiten wie Content Moderation ĂŒbernehmen.
Viele unserer Community-Forscher:innen sind stolz darauf, etwas zum technologischen Fortschritt und einem sichereren Internet beizutragen, wĂŒnschen sich aber dafĂŒr mehr Anerkennung. Das schlieĂt natĂŒrlich den Lohn ein.
Wir sollten daher auch nicht lĂ€nger fragen, ob ein Stundenlohn von 2 Dollar in LĂ€ndern wie Kenia und Venezuela wenig oder viel Geld ist. Stattdessen sollten wir fragen, warum die Tech-Giganten, die jedes Jahr MilliardenumsĂ€tze machen, ihren Arbeitnehmer:innen nicht mehr Lohn zahlen. SchlieĂlich sind die fĂŒr ihr GeschĂ€ft unentbehrlich.
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|âData Workersâ Inquiryâ|
|Zine ĂŒber afrikanische Frauen in der Content-Moderation|
|ein Moderator bei Telus International in Essen|
|Fortsetzung kolonialer Ausbeutungsdynamiken|
|zwischen 154 Millionen und 435 Millionen Datenarbeiter:innen|
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Sun, 07 Jul 2024 07:31:32 +0000
Volker Grassmuck
DisplayEurope.eu verspricht âEuropĂ€ische Nachrichteninhalte ohne Grenzen. In deiner Sprache.â DafĂŒr setzt das Portal konsequent auf föderierte Inhalte, Open-Source-Technologie und Creative-Commons-Lizenzen. Und es könnte MaĂstĂ€be setzen fĂŒr eine europĂ€ische Ăffentlichkeit.
Auch mehr als dreiĂig Jahre nach GrĂŒndung der EU ist eine wirkliche europĂ€ische Ăffentlichkeit nicht erkennbar. Das Portal |DisplayEurope.eu| will hier Abhilfe schaffen und zugleich zeigen, wie eine dezentrale mediale Informationsversorgung aussehen kann. Am vergangenen Donnerstag hat es einen umfassenden Relaunch erhalten.
Display ist zweierlei: zum einen ein journalistisches Portal und zum anderen eine technische Infrastruktur. Als journalistisches Portal richtete es sich vorrangig an Endnutzer:innen in der EU. Als technische Infrastruktur hat sich das Projekt offener und freier Technologie und den Creative Commons verschrieben.
Um die Inhalte der föderierten Partner zu ĂŒbersetzen und zu kuratieren, kommt auch sogenannte KĂŒnstliche Intelligenz zum Einsatz. SĆawek Blich, der Leiter des redaktionellen Produktteams, sieht Display daher als âerste KI-gestĂŒtzte paneuropĂ€ische Plattform fĂŒr das Kuratieren, Ăbersetzen, Entdecken und Empfehlen von europĂ€ischem Journalismus aus dem gesamten Kontinentâ.
Die Inhalte auf DisplayEurope.eu stammen von zahlreichen Medienpartnern aus ganz Europa. Das sind zum einen Originals-BeitrĂ€ge, die das Projekt selbst finanziert. Dazu zĂ€hlt das Flaggschiff |âStandard Timeâ|, die wöchentliche Talkshow von RĂ©ka Kinga Papp, Chefredakteurin von |Eurozine|, einer Plattform europĂ€ischer Kulturzeitschriften. Weitere Originals stammen von dem polnischen Netzwerk |Krytyka Polityczna| in Warschau und dem Online-Medium |Voxeurop|, das pan-europĂ€ische Presseschauen beisteuert.
Dem Copyleft-Geist folgend sind die fĂŒr Display Europe erstellten Originale |unter Creative Commons BY lizenziert|. Sie dĂŒrfen also umfassend weiterverwendet werden, sofern die Urheberin genannt wird. Auch die technische Umsetzung des Projekts |erfolgt komplett mit Open-Source-Technologie|. Software, die Display entwickelt, wird ebenfalls unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht.
Neben den Originals veröffentlicht Display kuratierte Inhalte aus einem föderierten Netzwerk. Inhalte-Partner sind entweder journalistische Outlets wie Eurozine und |Okto-TV| in Wien oder Aggregatoren wie CBA oder |XRCB| in Spanien.
Wer aber sind die Macher des Projekts? Eine tragende SĂ€ule von Display ist CBA, das |Cultural Broadcasting Archive|. Die Plattform wurde 1999 in Wien ins Leben gerufen und ist Infrastruktur und Dienstleister in einem. Denn CBA stellt zum einen Sendungen von Freien Radios und anderen Community-Medien zum Download bereit. Zum anderen bietet das Archiv Radiostationen Webhosting und die Entwicklung von Software an.
Im FrĂŒhjahr 2023 erhielt CBA den Zuschlag bei einer |Ausschreibung fĂŒr EuropĂ€ische Medienplattformen|. Die Aktiven hinter dem Archiv konnten ihr GlĂŒck damals kaum fassen. Denn zuvor hatten die European Broadcasting Union (EBU), der Fernsehsender ARTE und ein Zusammenschluss von Nachrichtenagenturen den Zuschlag bekommen.
In der ersten Förderphase von Juli 2023 bis Juni 2024 erhielt das Display-Projekt eine Fördersumme in Höhe von insgesamt 2,5 Millionen Euro. Von dem Geld baute CBS ein Medienportal auf, das Inhalte in 15 verschiedenen europĂ€ischen Sprachen bereitstellte. Inwischen hat das Projekt die Zusage fĂŒr eine weitere einjĂ€hrige Förderphase erhalten, an deren Anfang der Relaunch des Portals vom vergangenen Donnerstag steht.
Die wichtigste Anforderung der EU-Ausschreibung lautet, dass alle Inhalte in 15 Sprachen ausgespielt werden. Die wichtigsten, eigens fĂŒr Display produzierten BeitrĂ€ge werden derzeit hĂ€ndisch ĂŒbersetzt. FĂŒr alles andere hat das Display-Team im Vorfeld verschiedene Ăbersetzungssysteme wie |Google Translate|, |Whisper| und |DeepL| getestet.
Diese Systeme arbeiten zwar nicht fehlerfrei, doch das Projekt ist auf automatisierte Ăbersetzungen angewiesen. âDas ist anders nicht zu bewerkstelligenâ, sagt Baratsits gegenĂŒber netzpolitik.org. âWenn es nicht nur ein paar BeitrĂ€ge in der Woche gibt, sondern Tausende, skaliert das nicht.â Auf dem Repositorium von Display liegen derzeit mehr als 224.000 Inhalte.
Daher arbeitet das Team daran, mithilfe von offenen, groĂen Sprachmodellen (LLM) ein eigenes Ăbersetzungssystem aufzubauen. Das soll dann auch fĂŒr die sprachunabhĂ€ngige Suche zum Einsatz kommen. Ingo Leindecker, der technischer Leiter von Display, sagt, dass Open-Source-LLMs die Kosten etwa um den Faktor zehn senken wĂŒrden.
Dass die Inhalte der zahlreichen Medienpartener auf Display veröffentlicht werden, dafĂŒr sorgt der Repco, der den Kern der Display-Infrastruktur bildet. Repco steht fĂŒr âReplication & Collectorâ und bildet den Aggregator und Datenraum von Display. Das System importiert automatisch die Inhalte, die Medienpartner auf ihren Websites veröffentlichen. In vielen FĂ€llen erfolgt der Import einfach ĂŒber RSS-Feeds.
Repco ist wie auch das Portal Display selbst als Instanz in einem dezentralen Netzwerk konzipiert. Andere Nutzer:innen können ebenfalls eigene Repco-Knoten betreiben und entscheiden, welche Inhalte sie veröffentlichen wollen und welche Moderationsregeln dort gelten.
Was auf dem Portal als Volltext mit Ăbersetzung erscheint, muss derzeit von Community-Redakteur:innen manuell aus dem Repco geholt und eingepflegt werden. Dieses Verfahren soll in der zweiten Phase durch ein automatisiertes Vorschlagssystem ersetzt werden.
Trotz Algorithmus soll es aber auch weiterhin redaktionelle Eingriffsmöglichkeiten geben, etwa um nach bestimmten Themen oder nach AktualitĂ€t zu sortieren. âAlles, was den Algorithmus verfĂ€lschen kann, wollen wir zu einer bewussten User-Entscheidung machenâ, sagte Leindecker gegenĂŒber netzpolitik.org. âDer User soll die Kontrolle haben ĂŒber die Personalisierung. Transparenz steht ganz oben.â
AnlĂ€sslich des Relaunches kĂŒndigte SĆawek Blich, der stellvertretende Chefredakteur von |Krytyka Polityczna| und neue Leiter des redaktionelle Produktteams von Display, auĂerdem an, die bisherige redaktionelle Strategie weiterzuentwickeln: Zum einen werde es weiter eigens fĂŒr Display produzierte Inhalte geben. Zum anderen soll das Netzwerk föderierter Partner ausgebaut werden.
âFĂŒr sie werden wir eine einfach zu handhabende Lösung entwickeln, mit der ihre Inhalte syndiziert, entdeckt, gesucht, empfohlen, mit KI fĂŒr internationale Zielgruppen kontextualisiert und in mehrere europĂ€ische Sprachen ĂŒbersetzt werden könnenâ so Blich. âUnd das Beste daran: Der Traffic kommt zurĂŒck auf die Website der Partner und diese erhalten Zugang zu einem ganz neuen Publikum, das sie sonst nie finden wĂŒrde.â
WĂ€hrend Display seinen eigenen Datenraum ausbaut, wird es bereits Teil eines europĂ€ischen. Im Rahmen ihrer |Datenstrategie| hat die EU den Aufbau von 14 |gemeinsamen europĂ€ischen DatenrĂ€umen| fĂŒr verschiedene Sektoren auf den Weg gebracht. FĂŒr den Mediensektor ist das der |Trusted European Media Data Space| (TEMS).
Display ist Teil von TEMS â als einer von 40 Partnern. Darunter sind Schwergewichte wie die Nachrichtenagentur AFP, die European Broadcasting Union (EBU) oder das französische Telekommunikationsunternehmen Orange. TEMS ist im Oktober 2023 gestartet und betreibt derzeit |acht Pilotprojekte|, unter anderem zu Nachrichten und Faktenchecks, Personalisierung und Empfehlungen, Produktion und Rechtemanagement sowie 3D und VR.
Aufgrund der Zusammensetzung zeichnet sich im TEMS ein Kultur-Clash ab: freie Inhalte und Software versus proprietĂ€re Angebotsmodelle. So möchte die EBU ihre Sprach- und Empfehlungstechnologie im Datenraum unter einer proprietĂ€ren Lizenz anbieten. Die sprachĂŒbergreifende Suche von Display kann hingegen frei genutzt werden.
Im besten Fall aber könnte aus der TEMS-Koalition auch eine europĂ€ische Medieninfrastruktur entstehen, die der |Eurovision| der EBU gleicht. Die Eurovision kennen viele nur vom Eurovision Song Contest. TatsĂ€chlich aber ist es ein Netzwerk aus Satelliten, Kabeln, Standards und Vereinbarungen, ĂŒber das die EBU-Mitglieder Nachrichten, Musik und Podcasts austauschen.
âDie Technologie dafĂŒr steht ja zur VerfĂŒgung,â betont Baratsits. âIm Prinzip kann jeder eine Instanz hinstellen und dann bestimmen, welche Inhalte im Newsfeed-Format mit den jeweils gewĂŒnschten Features angeboten werden.â Baratsits hofft, dass dies das der Standard fĂŒr europĂ€ische Medien werden könnte â ein Standard, âder föderiert ist und den Bedarf nach vertrauenswĂŒrdigen Informationen decken kann.â
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|unter Creative Commons BY lizenziert|
|erfolgt komplett mit Open-Source-Technologie|
|Cultural Broadcasting Archive|
|Ausschreibung fĂŒr EuropĂ€ische Medienplattformen|
|gemeinsamen europÀischen DatenrÀumen|
|Trusted European Media Data Space|
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Sat, 06 Jul 2024 08:54:19 +0000
Sebastian Meineck
Wir haben es geschafft! Unsere Doku-Podcast-Staffel âSystemeinstellungenâ ist veröffentlicht! Höchste Zeit fĂŒr Einblicke in den Maschinenraum, wie der Podcast entstanden ist, was wir gelernt haben und wie es weitergeht.
|https://netzpolitik.org/wp-upload/2024/07/24-07-OffTR-Systemeinstellungen.mp3|
In den letzten Wochen erschienen die Folgen unseres Doku-Podcasts âSystemeinstellungen â wenn der Staat bei dir einbrichtâ. In sieben Folgen haben wir euch FĂ€lle von Razzien, Ăberwachung und GerĂ€tedurchsuchungen erzĂ€hlt und vor allem Einblicke gegeben, was das fĂŒr die Betroffenen bedeutet. In der neuen Folge von âOff The Recordâ reflektiert das Systemeinstellungen-Team, wie viel Arbeit in so einer Folge steckt, was wir bei der Produktion gelernt haben und ob wir es wieder tun wĂŒrden.
Dabei geht es auch um schweigsame Staatsanwaltschaften, unerwartete Schwierigkeiten und die groĂe Frage, wie kaputt das System eigentlich ist.
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In dieser Folge: |Serafin Dinges|, |Anna Biselli|, |Ingo Dachwitz|, |Chris Köver| und |Sebastian Meineck|.
Produktion: |Serafin Dinges|.
Titelmusik: |Trummerschlunk|.
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Hier ist die |MP3 zum Download|. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im |offenen ogg-Format|.
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Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem eingebundenen Player hier auf der Seite auf Play drĂŒcken. Ihr findet uns aber ebenso bei |Apple Podcasts|, |Spotify| und |Deezer| oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann |netzpolitik.org/podcast|.
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Wie immer freuen wir uns ĂŒber Kritik, Lob und Ideen, entweder hier in den Kommentaren oder per Mail an |podcast@netzpolitik.org|.
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Hier hört ihr alle Episoden von |Systemeinstellungen|
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Fri, 05 Jul 2024 16:32:51 +0000
Anna Biselli
Die 27. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 17 neue Texte mit insgesamt 120.944 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen WochenrĂŒckblick.
Liebe Leser:innen,
unsere Texte wiederholt zu prĂŒfen, bevor wir sie veröffentlichen, ist fĂŒr uns Routine. Deshalb lĂ€uft in meinem Hinterkopf beim Check manchmal ein kleines, imaginĂ€res Gerichtsverfahren. Eine Inkarnation von Barbara Salesch fragt mich dann: âAha, da steht: âDer Himmel war blau.â Wie kommen Sie denn darauf?â Zu meiner Verteidigung ziehe ich dann die abgehefteten Wetterberichte des Tages hervor.
Einer der einfachsten FĂ€lle, etwas zu ĂŒberprĂŒfen: Wenn es in einem öffentlichen und zweifelsfrei authentischen Dokument steht. Oder wenn es irgendwer in ein Mikro gesagt hat. Wenn die SĂ€tze dann noch klar und unmissverstĂ€ndlich sind, ist die Sache eigentlich schnell abgehakt.
Aber manchmal beobachte ich mich dabei, wie ich trotzdem zweifle. Wie ich ein Dokument fĂŒnf Mal öffne, nochmal nachlese. Dann schaue, was fĂŒr ein Datum auf dem Dokument steht. Vielleicht bin ich ja um ein paar Jahrzehnte im Raum-Zeit-Kontinuum verrutscht? Oder ich habe irgendeinen Kontext ĂŒbersehen? Manchmal finde ich mich dann als Teil |Morgensternscher Lyrik| wieder:
Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schlieĂt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.
Diese Woche ging mir das so bei dem |Beschluss der Innenministerkonferenz zur Ăberwachungsgesamtrechnung|. Kurz zusammengefasst: Die Innenminister:innen finden die Ăberwachungsgesamtrechnung doof. Das dahinterliegende FreiheitsverstĂ€ndnis finden sie zu eindimensional. Freiheit und Sicherheit sind ja keine GegensĂ€tze. (Da wĂŒrde ich sogar mitgehen.) Eine Freiheitskommission finden sie auch doof, ganz grundsĂ€tzlich. Es sollen sich nicht noch mehr Leute in die Gesetzgebung reinhĂ€ngen. Stattdessen fordern sie eine Sicherheitsgesamtrechnung. (Wie war das mit der EindimensionalitĂ€t?)
Ich habe die BeschlĂŒsse gelesen, nochmal gelesen, nochmal gelesen und vergeblich eine Satirekennzeichnung gesucht. Weil mir nicht in den Kopf wollte, wie man vermeintlich unironisch erst das angeblich eindimensionale FreiheitsverstĂ€ndnis kritisieren kann, um es dann selbst zu beschwören. Weil ich es verwunderlich finde, wie man etwas so fundamental ablehnen kann, das noch nicht fertig ist, wo wir noch nicht einmal Zwischenergebnisse kennen. Egal, was dabei rauskommt: doof. Wie ein prototypisches Kleinkind mitten in der Trotzphase. Doch all mein Zweifeln Ă€nderte nichts an dem, was da schwarz auf weiĂ stand.
Das ist nicht das erste Mal. Mir ging es öfter so bei der ĂberprĂŒfung |unseres Doku-Podcasts âSystemeinstellungenâ|, bei dem uns Menschen erzĂ€hlt haben, wie unvermittelt die Polizei in ihrem Zuhause stand. Ich bin immer wieder unglĂ€ubig bei der Berichterstattung ĂŒber Migrationsthemen, ob etwas wirklich so unmenschlich sein kann. Aber wenn ich dann auch die zehnte kritische Nachfrage meiner inneren Fernsehrichterin beantworten kann, ist das vielleicht ein guter Gradmesser dafĂŒr, dass gerade so richtig etwas schieflĂ€uft.
Habt ein gutes Wochenende!
anna
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Content Creator:innen machen Handarbeit und erstellen daraus digitale Inhalte fĂŒr die sozialen Medien. Jenseits von Selbstinszenierung und verstecktem Product Placement erleben so Millionen Menschen traditionelle Handwerkskunst im Netz. Von Vincent Först â
|Artikel lesen|
Im Mai warf der Podcast von netzpolitik.org ein Schlaglicht auf zunehmendes staatliches Vorgehen gegen Kirchenasyl. Inzwischen verhandelt die evangelische Kirche darĂŒber mit dem Bundesamt fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge. Niedersachsen will solange auf Abschiebungen aus sakralen RĂ€umen verzichten, andere BundeslĂ€nder sind dazu nicht bereit. Von Martin Schwarzbeck â
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Der âAtlas Digitale Barrierefreiheitâ kommt zu dem Ergebnis, dass nahezu alle Online-Angebote der deutschen Kommunen erhebliche MĂ€ngel bei der digitalen Barrierefreiheit aufweisen. An der Auswertung waren erstmals auch Menschen mit Behinderung beteiligt. Das klingt fundiert recherchiert und dramatisch â allerdings nur auf den ersten Blick. Von Gastbeitrag, Casey Kreer â
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Es wird noch dauern, bis der Digital Services Act sein Versprechen von umfassender Transparenz ĂŒber die Moderationspraktiken von Plattformen erfĂŒllt. Seit einigen Monaten ist die Verordnung vollstĂ€ndig in Kraft, trotzdem befĂŒllen bislang fast nur besonders groĂe Online-Dienste die Transparenzdatenbank der EU. Von Tomas Rudl â
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48 zivilgesellschaftliche Organisationen wie CCC und Kinderschutzbund fordern die ungarische RatsprĂ€sidentschaft auf, wirksame MaĂnahmen zum Schutz von Kindern zu erarbeiten. Der Verordnungsvorschlag zur Chatkontrolle soll hingegen endlich beerdigt werden. Von Anna Biselli â
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Das Recht auf Internet hat sich zwar noch nicht weitflĂ€chig durchgesetzt. Jetzt sollen aber die Mindestbandbreiten angehoben werden, um mehr Menschen digitale Teilhabe zu ermöglichen. Als Basis dient ein PrĂŒfbericht der Bundesnetzagentur, den wir veröffentlichen. Von Tomas Rudl â
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Im Januar begannen Forschende mit der Ăberwachungsgesamtrechnung. Doch bevor die Ergebnisse vorliegen, machen die Innenminister:innen der LĂ€nder klar: Wir lehnen die MaĂnahme aus dem Bundeskoalitionsvertrag ab â egal, was rauskommt. Von Anna Biselli â
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Der Global Digital Compact soll die Regulierung des Internets auf internationaler Ebene neu regeln. Schon der erste Entwurf des Abkommens stieĂ in der Zivilgesellschaft auf Kritik. Nun warnen namhafte Entwickler:innen vor einer Zentralisierung des Netzes. Von Daniel Leisegang â
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Es gibt in Deutschland einen klaren Platzhirschen im Online-Zahlungsmarkt: PayPal. Dazu kommen noch Kreditkarten, also Visa und Mastercard. Neben dem Geld flieĂen dabei aber auch Daten â und zwar nicht zu knapp. Von Maximilian Henning â
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Der ZDF-Fernsehrat konstituiert sich neu. Ihm werden so viele neue FernsehrĂ€te â oder besser FernsehrĂ€tinnen â angehören wie noch nie. Dies ist einer Reform aus dem Jahr 2016 zu verdanken. Von Laura-Kristine Krause â
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Der FRITZ!Box-Hersteller hat mit HĂ€ndlern die Preise seiner Produkte abgesprochen. Nach Ermittlungen des Bundeskartellamts kam es jetzt zu einer Vereinbarung, die eine Geldstrafe in Millionenhöhe umfasst. Von Nora Nemitz â
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Zwei Gesetze aus Texas und Florida sollten es Social-Media-Plattformen erschweren, von Nutzer*innen erstellte BeitrĂ€ge zu moderieren. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat nun entschieden, dass die Gesetze erneut ĂŒberprĂŒft werden mĂŒssen. Von Martin Schwarzbeck â
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Die EU werkelt an einer digitalen Version des Euros. Aber warum braucht es die? Kann ich nicht schon mit PayPal oder meiner Bankkarte digital bezahlen? Ja, schon â aber nicht ĂŒberall. Und es verdient jemand dabei mit. Von Maximilian Henning â
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Menschen ohne deutschen Pass sollen leichter ausgewiesen werden, wenn sie auch nur eine einzige terroristische Tat im Netz billigen oder verbreiten. Aber reicht dafĂŒr schon ein Like? Fachleute fĂŒr Aufenthaltsrecht bezweifeln das â und weisen auch auf andere Schwierigkeiten hin. Von Chris Köver â
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Die Mitgliedstaaten diskutieren Regeln fĂŒr die geplante digitale WĂ€hrung, insbesondere Ăberwachungsausnahmen fĂŒr Offline-Zahlungen. AuĂerdem gibt ein geplanter âzentraler Zugangspunktâ Anlass zur Sorge. Es wird aber auch ĂŒber zusĂ€tzliche Datenschutzregeln gesprochen. Wir veröffentlichen Arbeitsdokumente aus den vergangenen Monaten. Von Maximilian Henning â
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Member states are negotiating rules for the planned digital currency, in particular exemptions from surveillance for offline transactions. A planned âsingle access pointâ is a cause for concern, but additional privacy rules are also on the table. We publish working documents from recent months. Von Maximilian Henning â
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Seit einem Jahr genieĂen Whistleblower:innen besonderen Schutz, wenn sie MissstĂ€nde melden. Doch viele wissen nichts von ihren neuen Rechten â und eine umfassende Evaluation könnte an Geldmangel im Justizministerium scheitern. Von Tomas Rudl â
|Artikel lesen|
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|Beschluss der Innenministerkonferenz zur Ăberwachungsgesamtrechnung|
|unseres Doku-Podcasts âSystemeinstellungenâ|
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Thu, 04 Jul 2024 14:36:22 +0000
Tomas Rudl
Seit einem Jahr genieĂen Whistleblower:innen besonderen Schutz, wenn sie MissstĂ€nde melden. Doch viele wissen nichts von ihren neuen Rechten â und eine umfassende Evaluation könnte an Geldmangel im Justizministerium scheitern.
Ăber 1.200 Meldungen möglicher MissstĂ€nde sind im vergangenen Jahr bei der |Meldestelle des Bundesamtes fĂŒr Justiz| eingegangen. Was aus diesen Hinweisen geworden ist, lĂ€sst sich zwar noch nicht sagen. Aber die Zahl, die gestern Benjamin Strasser (FDP), Parlamentarischer StaatssekretĂ€r im Bundesministerium der Justiz (BfJ), öffentlich genannt hat, gibt einen ersten Einblick in einen noch jungen Mechanismus, der MissstĂ€nde aller Art im Land zu beseitigen helfen soll.
Seit einem Jahr ist das sogenannte |Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft|. Es soll die vertrauliche Meldung von RechtsverstöĂen oder Verfehlungen garantieren und zugleich sicherstellen, dass Whistleblower:innen etwa beruflich nicht benachteiligt werden.
Immer wieder kam es in der Vergangenheit dazu, dass Menschen am Arbeitsplatz gemobbt, gekĂŒndigt oder mit Klagen ĂŒberzogen wurden, wenn sie auf unzumutbare ZustĂ€nde aufmerksam machen wollten. Bekannt wurde beispielsweise der Fall der |Altenpflegerin Brigitte Heinisch|, die bis vor den EuropĂ€ischen Gerichtshof fĂŒr Menschenrechte ziehen musste, um sich gegen ihre |fristlose KĂŒndigung zu wehren|.
Doch relativ wenige Menschen wissen ĂŒberhaupt, dass sie in so einem Fall mittlerweile besonderen Schutz genieĂen. So hat im FrĂŒhjahr eine Studie der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte (GFF) herausgefunden, dass |drei Viertel der befragten Polizeibeamt:innen nicht ĂŒber ihre neuen Rechte informiert| wurden. Auch haben viele von ihnen immer noch Angst, etwa rechtsradikale Umtriebe oder gewalttĂ€tige Ăbergriffe in ihrem Arbeitsumfeld zu melden, weil sie es sich mit ihren Kolleg:innen oder Vorgesetzten nicht verscherzen wollen.
Verschworene Zirkel sind schwer aufzubrechen, berichtete die thĂŒringische Justizministerin Doreen DenstĂ€dt (GrĂŒne) auf der gestrigen Veranstaltung, mit der die GFF eine erste Bilanz ĂŒber das Hinweisgeberschutzgesetz gezogen hat. Gerade in kleineren BundeslĂ€ndern wie ThĂŒringen, wo es eine ĂŒberschaubare Zahl an Beamt:innen gibt, kann es schwerfallen, unbemerkt Verfehlungen zu melden. âMan kennt sichâ, sagte DenstĂ€dt. Als ehemalige Polizeihauptkommissarin weiĂ sie offenkundig gut Bescheid darĂŒber, wie ihre Ex-Kolleg:innen ticken.
Trotzdem lieĂen sich Hinweise so gut es geht anonymisieren, etwa mit Hilfe digitaler Meldewege, sagte DenstĂ€dt. GrundsĂ€tzlich mĂŒsse der Zugang zu Meldestellen, ob intern oder extern, so niedrigschwellig wie möglich sein â und diese mĂŒssten auch mit Personal besetzt sein, die mit der jeweiligen Thematik vertraut und fĂŒr entsprechende Problemfelder sensibilisiert sind.
âBestimmte Sachen kann man ja wirklich niemandem erklĂ€ren, wenn man sie nicht selbst erlebt oder gesehen hat, wie diese Blackbox Polizei funktioniertâ, so die ehemalige Mitarbeiterin der |Vertrauensstelle der ThĂŒringer Polizei|.
Nicht nur um Vertrauen, sondern auch um die Bekanntheit seines neu geschaffenen Amtes warb Uli Grötsch, seit MĂ€rz Polizeibeauftragter des Bundes. In den rund 100 Tagen, seit denen er im Amt ist, habe er knapp 140 Eingaben erhalten, sagte Grötsch. Rund 55.000 Bundespolizist:innen, aber auch der Zivilgesellschaft soll er als Anlaufstelle bei Fehlverhalten dienen â parallel zum Hinweisgeberschutzgesetz. Nur bei zweien dieser Hinweise hĂ€tten er und seine Mitarbeiter:innen das GefĂŒhl gehabt, âda möchte jemand mal jemandem eine reinwĂŒrgenâ.
Alles in allem liefe es âsehr, sehr konstruktivâ, sagte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Polizeibeamte. Indes rĂ€umte Grötsch ein, dass sein Amt noch ânicht so bekanntâ sei. Dies zu Ă€ndern, sei eine âGraswurzelarbeitâ. Das scheint auch sein erster |TĂ€tigkeitsbericht zu bestĂ€tigen|, den der Polizeibeauftragte letzte Woche vorgestellt hat: 109 der Eingaben stammten von BĂŒrger:innen und nur 24 von BeschĂ€ftigten der Polizeibehörden. Beschweren wolle er sich nach 100 Tagen nicht, aber es sei ânoch ein dickes Brett zu bohren, was die Bekanntheit angehtâ, sagte Grötsch.
Zu mehr Ăffentlichkeit könnte womöglich auch die fĂŒr nĂ€chstes Jahr anstehende Evaluation des Hinweisgeberschutzgesetzes fĂŒhren. Allerdings dĂ€mpfte StaatssekretĂ€r Strasser die Erwartungen: âJede Evaluation kostet Geldâ, und an dem mangle es im Bundesjustizministerium. Eigentlich hĂ€tte das Haus vorgehabt, in diesem Jahr zum âGoldstandardâ einer wissenschaftlichen Evaluation zu greifen, daraus werde aber nichts. âWir ĂŒberlegen jetzt AlternativmaĂnahmen, wie wir trotzdem noch eine objektive Evaluation hinkriegenâ, sagte Strasser.
Nur langsam scheint sich ein MentalitĂ€tswandel durchzusetzen â der ohnehin maĂgeblich auf eine inzwischen |fĂŒnf Jahre alte EU-Richtlinie| zurĂŒckgeht. Eine pĂŒnktliche Umsetzung scheiterte vor allem am Widerstand der Unionsparteien in der damaligen GroĂen Koalition. Erst den Ampelparteien gelang es, nach |einigem Hin und Her mit dem Bundesrat|, das Gesetz im GroĂen und Ganzen so zu beschlieĂen, wie sie es im Koalitionsvertrag versprochen hatten.
Selbst wenn immer noch |LĂŒcken im Gesetz| klaffen â so bleibt etwa der Geheimdienstbereich vollstĂ€ndig ausgespart â scheint es zumindest in Trippelschritten voranzugehen.
âAn den Strukturen liegt es nichtâ, beteuerte Alexander Poitz von der Polizeigewerkschaft GdP. Die seien jetzt eingerichtet, nun mĂŒsse man diesen Weg gehen und dabei auch eine neue âFehlerkulturâ lernen. âAber die MĂŒhlen mahlen eben sehr langsam, was die Transparenz solcher Behörden darstelltâ, sagte Poitz. âSo ein Dampfer Polizei ist sehr schwer nach rechts oder nach links zu bewegen.â
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|Meldestelle des Bundesamtes fĂŒr Justiz|
|Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft|
|Altenpflegerin Brigitte Heinisch|
|fristlose KĂŒndigung zu wehren|
|drei Viertel der befragten Polizeibeamt:innen nicht ĂŒber ihre neuen Rechte informiert|
|Vertrauensstelle der ThĂŒringer Polizei|
|TÀtigkeitsbericht zu bestÀtigen|
|fĂŒnf Jahre alte EU-Richtlinie|
|einigem Hin und Her mit dem Bundesrat|
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Thu, 04 Jul 2024 13:35:35 +0000
Maximilian Henning
Member states are negotiating rules for the planned digital currency, in particular exemptions from surveillance for offline transactions. A planned âsingle access pointâ is a cause for concern, but additional privacy rules are also on the table. We publish working documents from recent months.
The EU is working on a Digital Euro. Itâs intended as a public, data-minimising alternative to current payment services â both online and in the corner shop. The European Central Bank (ECB) is currently preparing the practical implementation, while the EU institutions are working on the required law. All of this does not yet decide whether there will actually be a Digital Euro â the final decision is up to the ECB â but it will set the framework for the new digital currency.
The Commission published |its proposal for the law| a year ago. Since then, the member states in the EU Council and the Parliament have been drafting their proposals. As soon as all three are done, they will have to agree on a common text in the final trilogue.
A central, controversial topic in the Council discussions is privacy. This is clear in working documents which we have received through |a freedom of information request|. Many member states seem to realise that a high level of privacy is decisive for whether the Digital Euro will be successful.
For example, |a document from October 2023 (PDF)| contains the member statesâ proposed amendments for the privacy chapter of the proposed law. According to the document, Austria, Germany, the Netherlands, and France were explicitly in favour of privacy protections for users.
âIndeed, confidence in money depends on respect for privacy and proper management of user data,â argues the representative of France. Germany, too, thinks that privacy âis key to the publicâs trust in the project.â
Still, these states think itâs necessary to collect data for specific purposes and, if necessary, to hand it over to criminal authorities. These include combatting fraud, money laundering, terrorism, and tax evasion. Whoever offers a Digital Euro account will have to follow certain requirements in those areas, the member states agree.
However, the currently planned rules for the Digital Euro exceed those for bank transfers. |A separate proposal by the Commission| for transactions in the common market will oblige payment service providers to systematically monitor transactions for indications of fraud. For this, they are supposed to check existing transaction data, for example prior behavior of users, and then delete it.
In the case of the Digital Euro, the Commission proposal wants the ECB and service providers to monitor transactions in real time. The Netherlands are critical: âHow does the added benefit of real-time monitoring compare to the operational costs and privacy considerations?â
Offline transactions using the Digital Euro are set to be excluded from monitoring. Service providers are only supposed to save data on how users pay money into and out of offline wallets. This data is limited to the amount of money paid in or out, the time of the payment, the identifier for the device, and the account number.
Additionally, the Commission wants to be able to set a limit on offline transactions, if necessary. What the Digital Euro will definitely have is a holding limit, which means there will also be a limit on how much of it a user can hold offline. The limit is currently being discussed between 500 and 3,000 Euros.
With these rules, the Commission consciously stuck close to the rules for cash. Cash transfers are not monitored either, while payments in and out of bank accounts are. The offline version of the Digital Euro is supposed to be close to cash, so the Commission wants to introduce similar rules.
But these exemptions are too much for some member states. âCurrently, private cash transactions are the basis for the so-called shadow economy, and due to their untraceable nature, they are often used by criminals to hide the sources of funds and (or) fund movement,â writes Lithuania. Without data on offline Digital Euro transactions, this could mean extending the problem of non-traceability to the Digital Euro. Because of this, the country wants to eliminate the exemptions for offline transactions.
Portugal, too, sees offline transactions as a risk factor for money laundering and wants an extensive impact assessment from the Commission. Even better, in its eyes, would be to completely drop the exemptions. Italy calls for âa bespoke framework.â
It seems that the member states did not find a common position under the Spanish presidency in the second half of 2023. According to |a document from December 2023 (PDF)|, a few member states agreed with the Commissionâs proposal, while others want to collect more data.
Already at that time, there was another proposal on the table that wanted to go in a different direction: A few member states were calling for more exemptions on transaction surveillance. They donât want exemptions based on whether a transaction is online or offline, but on the distance that the money travels. A transaction from face-to-face should be excluded from monitoring, as it is the case with cash, while transactions on the internet should still be monitored.
In May, France drafted |a so-called ânon-paperâ expanding on this proposal (PDF)|. The text is based on the recommendations that European data protection officials |made for the Digital Euro|. They wanted small transactions to be excluded from monitoring.
Central to the French argument is the point that users donât care about the distinction between online and offline payments. They care about the situation in which they pay for a product, for example in a store or on the internet.
An open question is how the Digital Euro should distinguish between payments in proximity and over a larger distance. France proposes to use data on which kind of payment is being used. If a cash register in a store makes a payment request, this should count as a proximity payment. If itâs an e-commerce interface in a web shop, it should not.
Besides offline transactions, member states also discussed another point: The âsingle access pointâ at the ECB. According to the Commission, this is needed so that users can switch their accounts between different service providers. The proposal leaves it to the ECB to open such an access point, which is then supposed to store identifiers of users in a single place.
âState-of-the-artâ data protection mechanisms are supposed to prevent unauthorised third parties from identifying users through this access point. Ireland, somewhat irritated, points out that the law doesnât contain a definition for what that means. The Irish want to talk about âhigh standards of security and privacy-preserving measuresâ instead.
Germany is skeptical about the single access point in general. âA single access point with all user identifiers could be a significant risk to privacy,â says one of its remarks and asks for further explanation on who will have access to this data and why central storage is necessary in the first place.
Following Spain, Belgium took over the Council Presidency in the first half of this year. During that time, the member states discussed privacy on May 30. |A Belgian document (PDF)| summarises the open questions discussed at the meeting and presents ideas on how ECB and national central banks could protect usersâ data better.
For example, Belgium proposes obliging the central banks to design the Digital Euro so that they canât directly identify users. For this, the law could explicitly include encryption, data minimisation as well as limitations on re-use.
The document also proposes an explicit prohibition on central banks identifying users. Organisational measures in central banks could prevent information sharing between teams working on the Digital Euro and other areas. Beyond that, specific rules and control mechanisms could be introduced to check whether central banks are upholding the privacy rules of the Digital Euro.
This article is part of a series on the |Digital Euro|. The |Centre Responsible Digitality| financially supported the research for it through its Journalist in Residency program.
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|a freedom of information request|
|a document from October 2023 (PDF)|
|A separate proposal by the Commission|
|a document from December 2023 (PDF)|
|a so-called ânon-paperâ expanding on this proposal (PDF)|
|Centre Responsible Digitality|
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Thu, 04 Jul 2024 12:29:57 +0000
Maximilian Henning
Die Mitgliedstaaten diskutieren Regeln fĂŒr die geplante digitale WĂ€hrung, insbesondere Ăberwachungsausnahmen fĂŒr Offline-Zahlungen. AuĂerdem gibt ein geplanter âzentraler Zugangspunktâ Anlass zur Sorge. Es wird aber auch ĂŒber zusĂ€tzliche Datenschutzregeln gesprochen. Wir veröffentlichen Arbeitsdokumente aus den vergangenen Monaten.
Die EU will den Digitalen Euro einfĂŒhren. Er soll eine |öffentliche, datensparsame Alternative| zu aktuellen Bezahldiensten bieten â im Internet wie im Laden um die Ecke. Die praktische Umsetzung bereitet derzeit die EuropĂ€ische Zentralbank (EZB) vor, parallel dazu arbeiten die EU-Institutionen an einem Gesetz. Damit ist noch nicht entschieden, ob der Digitale Euro auch tatsĂ€chlich kommt â das wird final die EZB entscheiden â, aber der Rahmen fĂŒr die neue digitale WĂ€hrung ist gesetzt.
|Ihren Gesetzentwurf| hat die Kommission vor einem Jahr veröffentlicht. Seitdem arbeiten die Mitgliedstaaten im Rat der EU und das Parlament an ihren EntwĂŒrfen. Sobald alle vorliegen, mĂŒssen sich die drei Institutionen im abschlieĂenden Trilog auf einen gemeinsamen Text einigen.
Ein zentrales kontrovers diskutiertes Thema bei den Verhandlungen im Rat ist der Datenschutz. Das zeigen Arbeitsdokumente, die wir durch eine |Anfrage nach dem EU-Informationsfreiheitsgesetz| erhalten haben. Viele Mitgliedstaaten sind sich offenbar bewusst, dass ein hohes Datenschutzniveau entscheidend fĂŒr den Erfolg des digitalen Euro ist.
So enthĂ€lt etwa |ein Dokument vom Oktober 2023 (PDF)| ĂnderungsvorschlĂ€ge der Mitgliedstaaten fĂŒr jenes Kapitel des Gesetzes, das sich auf den Datenschutz bezieht. In dem Dokument sprechen sich Ăsterreich, Deutschland, die Niederlande und Frankreich explizit fĂŒr den Schutz der PrivatsphĂ€re von Nutzenden aus.
âDas Vertrauen in Geld hĂ€ngt vom Respekt fĂŒr die PrivatsphĂ€re und dem richtigen Management von Nutzer:innendaten abâ, argumentiert etwa der Vertreter Frankreichs. Auch Deutschland sieht im Datenschutz den âSchlĂŒssel zum Vertrauen der Ăffentlichkeit in das Projektâ.
Dennoch sehen diese Staaten die Notwendigkeit, fĂŒr bestimmte Zwecke Daten zu speichern und gegebenenfalls an Ermittlungsbehörden weiterzugeben, etwa fĂŒr die BekĂ€mpfung von Betrug, GeldwĂ€sche, Terrorismus und Steuerhinterziehung. Wer ein Konto fĂŒr den Digitalen Euro anbietet, muss in diesen Bereichen gewisse Anforderungen erfĂŒllen, so die einhellige Meinung unter den Mitgliedstaaten.
Die aktuell geplanten Regeln fĂŒr den Digitalen Euro gehen aber ĂŒber jene fĂŒr Ăberweisungen hinaus. |Ein separater Gesetzesvorschlag| der Kommission ĂŒber Zahlungsdienste im Binnenmarkt soll Zahlungsdienstleister dazu verpflichten, Transaktionen systematisch nach Hinweisen auf Betrug zu untersuchen. Dazu sollen sie dafĂŒr bereits vorliegende Transaktionsdaten, etwa ĂŒber das bisherige Verhalten von Kund:innen, prĂŒfen und im Anschluss löschen.
Beim Digitalen Euro fordert der Kommissionsentwurf aber, dass die EZB oder andere Dienstleister systematisch Transaktionen mit dem Digitalen Euro in Echtzeit analysieren. Die Niederlande bewerten diesen Vorschlag kritisch: âIn welchem Vergleich steht der Vorteil von Echtzeitkontrollen gegenĂŒber den Betriebskosten und den AbwĂ€gungen zur PrivatsphĂ€re?â, fragte ihr Vertreter.
Offline-Zahlungen mit dem Digitalen Euro sollen von solchen ĂberprĂŒfungen ausgenommen sein. Dienstleister sollen nur speichern, wie Nutzer:innen Geld in eine Offline-Wallet ein- und ausgezahlt haben. Die erfassten Daten sollen sich auf die ein- und ausgezahlte Summe, den Zeitpunkt der Zahlung, eine Identifikationsnummer fĂŒr das genutzte EndgerĂ€t und die Accountnummern beschrĂ€nken.
AuĂerdem will die Kommission sich die Entscheidung vorbehalten, Höchstgrenzen auf Offline-Transaktionen einzufĂŒhren. Was es definitiv geben wird, ist ein Haltelimit fĂŒr Digitale Euro und damit auch fĂŒr den Offline-Euro. Diskutiert wird dabei eine Grenze, die zwischen 500 und 3.000 Euro liegt.
Die Kommission hat sich hier bewusst an den Regeln fĂŒr Bargeld orientiert. Auch Bargeldzahlungen werden nicht ĂŒberwacht, aber Ein- und Auszahlungen schon. Die Offline-Version des Digitalen Euro soll dem Bargeld Ă€hneln, deshalb will die Kommission Ă€hnliche Regeln einfĂŒhren.
Einigen EU-Mitgliedstaaten gehen diese BeschrĂ€nkungen jedoch noch zu weit. âPrivate Bargeldtransaktionen sind das Fundament der sogenannten Schattenwirtschaft und werden wegen ihrer Nichtnachverfolgbarkeit oft von Kriminellen genutzt, um die Quellen ihrer Gelder und (oder) Geldbewegungen zu versteckenâ, mahnt Litauen. WĂŒrden keine Daten zu Offline-Transaktionen gespeichert, könnte sich das Problem der Nichtnachverfolgbarkeit auf den Digitalen Euro ĂŒbertragen. Die Ausnahmen fĂŒr Offline-Transaktionen sollten deshalb wegfallen.
Auch Portugal sieht in Offline-Transaktionen ein höheres Risiko fĂŒr GeldwĂ€sche und fordert die Kommission auf, eine umfangreiche FolgenabschĂ€tzung zu erstellen. Noch lieber wĂ€re dem Land aber, die Ausnahmen fĂŒr Offline-Transaktionen komplett zu entfernen. Italien plĂ€diert fĂŒr âmaĂgeschneiderte Rahmenbedingungenâ.
WĂ€hrend der spanischen RatsprĂ€sidentschaft in der zweiten JahreshĂ€lfte 2023 haben die Mitgliedstaaten sich offenbar noch auf keine gemeinsame Position einigen können. Einige Mitgliedstaaten stimmen |laut einem Dokument aus dem Dezember (PDF)| mit dem Vorschlag der Kommission ĂŒberein, andere Regierungen wollen mehr Daten speichern als diese.
Schon damals lag auch ein Vorschlag auf dem Tisch, der in eine andere Richtung weist. Einige EU-Mitgliedstaaten forderten demnach weitere Ausnahmen fĂŒr Ăberwachung von Transaktionen. So soll nicht entscheidend sein, ob eine Zahlung online oder offline getĂ€tigt wird. Stattdessen soll die Entfernung, die das Geld zurĂŒcklegt, eine genauere PrĂŒfung auslösen. Eine Zahlung, die von Angesicht zu Angesicht erfolgt, wĂ€re demnach von Ăberwachung ausgenommen, wie es derzeit auch bei Bargeld der Fall ist. Zahlungen im Internet sollen aber weiterhin unter die GeldwĂ€sche-Ăberwachung fallen.
Einen entsprechenden Vorschlag hat Frankreich im Mai zu |einem sogenannten âNon-Paperâ ausgearbeitet (PDF)|. Der Text stĂŒtzt sich auf die Empfehlungen, die europĂ€ische DatenschĂŒtzer |zum Digitalen Euro vorgelegt haben|. Er sieht vor, kleine Transaktionen von der Anti-GeldwĂ€sche-Ăberwachung auszunehmen.
Zentral fĂŒr die französische Argumentation ist, dass fĂŒr die Nutzer:innen der Unterschied zwischen Online- und Offline-Zahlungen nicht offensichtlich ist. Vielmehr ist fĂŒr sie die Situation relevant, in der sie etwa fĂŒr ein Produkt bezahlen, beispielsweise im GeschĂ€ft oder im Internet.
UngeklĂ€rt ist bei alledem allerdings noch, wie der Digitale Euro zwischen Nah- und Fernzahlungen unterscheiden soll. Frankreich schlĂ€gt vor, dafĂŒr die Daten zu nutzen, die anzeigen, welche Art der Zahlung genutzt wird. Fordert eine Kasse in einem GeschĂ€ft eine Transaktion an, soll dies als Nahzahlung gelten. Fordert hingegen ein E-Commerce-Interface eine Transaktion an, wird sie als Fernzahlung gekennzeichnet.
Neben den Offline-Zahlungen diskutierten die Mitgliedstaaten im Oktober einen weiteren Punkt kontrovers: den âzentralen Zugangspunktâ bei der EZB. Den braucht es laut der Kommission, damit Nutzer:innen ihre Konten zwischen verschiedenen Dienstleistern wechseln können. Dazu kann die EZB laut ihrem Entwurf diesen Zugangspunkt einrichten, der dann Identifikationsnummern von Nutzer:innen an einer Stelle speichert.
Datenschutzmechanismen âauf dem neuesten Stand der Technikâ sollen verhindern, dass unberechtigte Dritte durch diesen Zugangspunkt Nutzer:innen identifizieren können. Irland merkte etwas irritiert an, dass der Gesetzesentwurf keine Definition enthalte, was das genau heiĂe. Die irischen Verhandler:innen fordern, stattdessen von âhohen Standards fĂŒr Sicherheits- und DatenschutzmaĂnahmenâ zu sprechen.
Deutschland sieht den Zugangspunkt skeptisch. âEin einziger Zugangspunkt mit allen Identifikationsnummern könnte eine bedeutende Gefahr fĂŒr den Datenschutz darstellenâ, heiĂt es in einer Anmerkung. Es brĂ€uchte weitere ErklĂ€rungen dazu, wer Zugang zu diesen Daten haben soll und wieso ihre zentralisierte dauerhafte Speicherung ĂŒberhaupt notwendig ist.
Nach Spanien hatte Belgien in der ersten HĂ€lfte dieses Jahres die EU-RatsprĂ€sidentschaft inne. WĂ€hrend dieser Zeit beschĂ€ftigten sich die Mitgliedstaaten am 30 Mai mit dem Datenschutz. Die offenen Fragen dieses Treffens fasst |ein belgisches Dokument zusammen (PDF)|. Darin unterbreitet Belgien VorschlĂ€ge, wie die EZB und die nationalen Zentralbanken die persönlichen Daten von Nutzer:innen beim Digitalen Euro besser schĂŒtzen könnten.
Der Digitale Euro könnte demnach gesetzlich so gestaltet sein, dass einzelne Nutzer:innen nicht identifiziert werden können. Dazu sollen unter anderem VerschlĂŒsselung, Zweckbindung und Datensparsamkeit explizit im Gesetz verankert werden.
AuĂerdem schlĂ€gt das Dokument vor, dass es den Zentralbanken verboten sein soll, einzelne Nutzer:innen identifizieren zu können. Auch sollte es organisatorische Trennungen innerhalb der Zentralbanken geben, um einen Informationsaustausch zwischen verschiedenen Teams zu verhindern. DarĂŒber hinaus könnten verbindliche Regeln und Kontrollen eingefĂŒhrt werden, um zu ĂŒberprĂŒfen, ob die Zentralbanken die Datenschutzregeln des Digitalen Euro einhalten.
Dieser Artikel ist Teil einer |Reihe zum Digitalen Euro|. Die Recherche wurde vom |Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung| durch sein Journalist-in-Residence-Programm finanziell unterstĂŒtzt.
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|öffentliche, datensparsame Alternative|
|Anfrage nach dem EU-Informationsfreiheitsgesetz|
|ein Dokument vom Oktober 2023 (PDF)|
|Ein separater Gesetzesvorschlag|
|laut einem Dokument aus dem Dezember (PDF)|
|einem sogenannten âNon-Paperâ ausgearbeitet (PDF)|
|zum Digitalen Euro vorgelegt haben|
|ein belgisches Dokument zusammen (PDF)|
|Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung|
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Wed, 03 Jul 2024 16:20:04 +0000
Chris Köver
Menschen ohne deutschen Pass sollen leichter ausgewiesen werden, wenn sie auch nur eine einzige terroristische Tat im Netz billigen oder verbreiten. Aber reicht dafĂŒr schon ein Like? Fachleute fĂŒr Aufenthaltsrecht bezweifeln das â und weisen auch auf andere Schwierigkeiten hin.
Wer âterroristische Straftatenâ gutheiĂt oder verbreitet und keinen deutschen Pass hat, soll leichter ausgewiesen werden können. So will es die Bundesregierung, die am Mittwoch |eine VerschĂ€rfung des Aufenthaltsrechts| auf den Weg gebracht hat.
Schon ein einzelner Kommentar in den Sozialen Medien soll demnach ausreichen, um ein âbesonders schweres Ausweisungsinteresseâ zu begrĂŒnden, sagt das Bundesinnenministerium im Gesetzentwurf. Ein Gerichtsurteil muss die AuslĂ€nderbehörde dazu nicht abwarten.
AnwĂ€lte bezweifeln allerdings, dass die Schwelle fĂŒr eine Ausweisung wirklich so niedrig gehĂ€ngt werden kann.
FĂŒr Aufsehen sorgte vor allem ein Satz aus der GesetzesbegrĂŒndung: âUnter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch âGefĂ€llt mirâ auf den Sozialen Medien wie You Tube, Instagram, TikTok etc. fallenâ, heiĂt es im BegrĂŒndungsteil des Entwurfs. Als Grundlage verweist der Text auf ein umstrittenes |Urteil des Landgerichts Meiningen|.
Eine Verbreitung von terroristischen Inhalten durch einen Like? âDas ist schon heftig,â sagt Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei Pro Asyl. âEinen Like setzt man schnell. Das ist von der VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit sehr schwierig, wenn man das vergleicht mit anderen AusweisungstatbestĂ€nden.â
Von Auer bezweifelt allerdings, dass schon dann eine âVerbreitungâ vorliegen soll, wenn jemand einen Inhalt mit âGefĂ€llt mirâ markiert. Zwar wĂŒrden Inhalte mit vielen Likes auf Facebook oder anderen Plattformen eine gröĂere Reichweite bekommen. Das passiere aber nicht durch einen einzelnen Like, sondern durch viele. âDass man etwas mit dem Like setzen schon verbreitet, halte ich deswegen fĂŒr fragwĂŒrdig.â
Zweifelhaft sei auch, ob Gerichte einen gehobenen Daumen unter einem Beitrag schon als Billigung werten wĂŒrden. Aus einem gehobenen Daumen lasse sich schlieĂlich noch nicht darauf schlieĂen, dass jemand mit der Gesamtaussage eines Inhalts einverstanden sei, das hĂ€tten andere FĂ€lle gezeigt.
Ein anderer Punkt hingegen ĂŒberrascht Juristen nicht. âDass die AuslĂ€nderbehörde keine Verurteilung abwarten muss, um jemanden auszuweisen, ist von der Systematik nichts Neuesâ, sagt der Rechtsanwalt Matthias Lehnert, der auf Aufenthaltsrecht spezialisiert ist.
Das Ausweisungsrecht sei auch an anderen Stellen so konzipiert. Die AuslĂ€nderbehörden sollen im Zweifel schnell handeln können, etwa zur Gefahrenabwehr. So kann man heute schon Menschen dafĂŒr ausweisen, dass sie Drogen verkauft oder falsche Angaben gegenĂŒber Behörden zur Erlangung ihres Aufenthalts gemacht haben.
Kritisch sieht er die VerschĂ€rfung dennoch, weil die Regeln einen so weiten Ermessensspielraum fĂŒr AuslĂ€nderbehörden lassen. In einem Strafverfahren lieĂe sich darĂŒber streiten, was als Billigung von Terrorismus gilt. âWenn aber die AuslĂ€nderbehörde das in Zukunft einschĂ€tzen soll, ist das ein Problem. Das kann ja tief in die Meinungsfreiheit eingreifen.â
Allein das Wissen darum, dass die AuslĂ€nderbehörde auf den eigenen Profile im Netz nach Inhalten suchen könnte, könne auf Menschen ohne deutschen Pass schon abschreckend wirken, fĂŒrchtet Lehnert. âVielleicht habe ich einen falschen Freund oder ein Video nicht genau angeguckt â und dann mit diesen krass existentiellen Folgen.â
Eine Ausweisung bedeutet zwar noch nicht automatisch die Abschiebung, sagt Lehnert. Betroffene können per Eilantrag gegen die Ausweisung klagen. Dann muss ein Gericht die EinschĂ€tzung der AuslĂ€nderbehörde prĂŒfen. In so einem Fall wĂŒrden verschiedene GrĂŒnde gegeneinander abgewogen. Wer seit Jahrzehnten mit festem Aufenthalt in Deutschland lebt oder hier seine Familie hat, wĂŒrde nicht ohne weiteres abgeschoben.
In viele Staaten und Regionen schiebe Deutschland auĂerdem ohnehin nicht ab, etwa nach Afghanistan oder Syrien. Lehnert bezeichnet die MaĂnahmen deswegen als âsymbolisches Law-and-Orderâ.
Dennoch hat eine Ausweisung fĂŒr die Betroffenen gravierende Folgen. Sie können etwa keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis mehr bekommen, ihre Familie nicht mehr nachholen, sich nicht mehr einbĂŒrgern lassen. Wenn sie Deutschland verlassen, können sie nie wieder einreisen. âDie Entscheidung der AuslĂ€nderbehörde steht dann erst mal im Raumâ, sagt Lehnert. âDann bist du in der Beweisnot.â
Einzig die Lage von Menschen mit einer Duldung könne sich dadurch nicht mehr verschlechtern. Sie haben ohnehin schon den denkbar schlechtesten Status: Sie gelten als ausreisepflichtig und werden nur deswegen nicht sofort abgeschoben, weil sie etwa krank sind oder sich kein Staat findet, der bereit wÀre, sie aufzunehmen.
|Ausweisung schon nach einem Like|
Unklar ist, ob die Regelung auch rĂŒckwirkend greifen soll. Darf die AuslĂ€nderbehörde in der Timeline zurĂŒckgehen und dort nach frĂŒheren Verfehlungen suchen? Sollten Menschen ohne Pass jetzt damit beginnen ihre Timelines zur prĂŒfen?
Das Bundesinnenministerium (BMI) hat auf diese Frage nicht geantwortet. Peter von Auer bezweifelt das. âWir haben das Verbot der RĂŒckwirkung.â Im Strafrecht bedeute das: Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn es zum Zeitpunkt der Tat schon strafbar war.
âEigentlich mĂŒsste das heiĂen: Ich kann nicht frĂŒhere Kommentare oder Likes nehmen und deswegen jemanden jetzt ausweisen.â Doch ob sich AuslĂ€nderbehörden daran halten werden und Gerichte im Zweifel so entscheiden wĂŒrden, wird sich erst noch zeigen mĂŒssen.
Das Innenministerium wiegelt derweil ab: âAus Sicht des BMI kann ein âLikeâ eine so gravierende Entscheidung wie eine Ausweisung nicht begrĂŒndenâ, erklĂ€rt ein Sprecher des Ministeriums. Denn hierfĂŒr mĂŒsse in jedem Einzelfall die AuslĂ€nderbehörde und gegebenenfalls im Anschluss ein Verwaltungsgerichte zwischen dem Bleibe- und dem Ausweisungsinteresse abwĂ€gen. Ausweisungen sollten vor allem in gravierenden FĂ€llen erfolgen können, etwa bei âterrorverherrlichenden Videos und Hasskommentaren, die terroristische Taten begrĂŒĂen und zu weiteren Taten animieren könnenâ.
Die in der BegrĂŒndung des Vorschlags zitierte Entscheidung des Landgerichts treffe keinerlei Aussage zur Frage von Ausweisungen, betont der Sprecher, sondern nur zur âVerbreitung eines Inhalts im strafrechtlichen Sinneâ. Strafverfahren seien aber etwas anderes als verwaltungsgerichtliche Verfahren zu etwaigen Ausweisungen. Insofern werde es auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ankommen.
Bei der |Regierungspressekonferenz am Montag| ging es ebenfalls um das Thema. Auf die Frage, ob das Personal einer AuslĂ€nderbehörde auch ohne juristischen Abschluss in der Lage sei, solche Kommentare zu prĂŒfen, sagte ein Vertreter der Ministeriums, dazu seien die Menschen in den AuslĂ€nderbehörden sehr wohl qualifiziert.
AuĂerdem werde âdie Expertise auch gebĂŒndeltâ. âEs wird ja in der Regel bei solchen terrorverherrlichenden Postings auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren gebenâ, sagte der Vertreter. âInsofern tauschen sich Ermittlungsbehörden und AuslĂ€nderbehörden natĂŒrlich auch ĂŒber die MaĂnahmen aus, die einerseits im Bereich der Strafverfolgung getroffen werden, andererseits fĂŒr eine mögliche Ausweisung getroffen werden.â
Warum die Bundesregierung eine solche VerschĂ€rfung ĂŒberhaupt fĂŒr nötig hĂ€lt? Man könne auch jetzt schon das Ausweisungsinteresse gegen das Bleibeinteresse abwĂ€gen, bestĂ€tigt der BMI-Vertreter.
âAber aus Sicht der Bundesregierung ist es angesichts der Schwere dieser Taten und auch des Klimas von Hass und Gewalt, das durch solche Taten und das Verherrlichen von Terror geschĂŒrt wird, das zu neuen Gewalttaten fĂŒhren kann und das andere TĂ€ter ermutigen kann, notwendig, diesen besonderen Fall auch im Aufenthaltsrecht zu regeln.â
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|eine VerschÀrfung des Aufenthaltsrechts|
|Urteil des Landgerichts Meiningen|
|Ausweisung schon nach einem Like|
|Regierungspressekonferenz am Montag|
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Wed, 03 Jul 2024 12:03:00 +0000
Maximilian Henning
Die EU werkelt an einer digitalen Version des Euros. Aber warum braucht es die? Kann ich nicht schon mit PayPal oder meiner Bankkarte digital bezahlen? Ja, schon â aber nicht ĂŒberall. Und es verdient jemand dabei mit.
Die EU arbeitet gerade an einem Vorhaben, mit dem sie die gemeinsame WÀhrung ins Internetzeitalter holen will. Der Name des Projekts ist einprÀgsam: der Digitale Euro. Ah ja, klingt gut. Aber dann wird es komplizierter: Was soll der tun? Wieso? Wie? Und vor allem: Was soll mir das bringen?
Das Problem: Es gibt auf den ersten Blick kein Problem. Bargeld funktioniert zum Einkaufen im Supermarkt oder im Restaurant, mit einem Bankkonto und PayPal oder einer Kreditkarte stehen auch im Internet alle TĂŒren offen. Dazu kommen |noch eine Menge anderer Unternehmen|, die Zahlungsfunktionen anbieten. Der Markt funktioniert also wunderbar, oder? Wozu mischt sich die EU ein?
Das hat drei GrĂŒnde. Punkt eins, der Zahlungssektor ist beinahe völlig von US-Unternehmen dominiert. In Deutschland fĂŒhrt zum Beispiel PayPal mit gewaltigem Abstand, als nĂ€chstes folgen Visa und Mastercard. Hier hat der |Ausschluss Russlands vom internationalen SWIFT-Zahlungssystem| einigen europĂ€ischen Politiker:innen zu denken gegeben: Was, wenn die Zusammenarbeit zwischen EU und USA in dem System eines Tages mal nicht mehr so gut funktionieren sollte?
Punkt zwei, der Umgang der groĂen Zahlungsdienstleister |mit den Daten ihrer Kund:innen|. PayPal gibt Daten an eine gewaltige Liste an Drittfirmen weiter und arbeitet gerade daran, auf Basis der gesammelten Informationen ein eigenes WerbegeschĂ€ft aufzubauen, zumindest in den USA. Visa und Mastercard verdienen, neben ihrem HauptgeschĂ€ft mit GebĂŒhren, heute schon Geld mit Daten ĂŒber die Zahlungen, die sie abwickeln.
Punkt drei, es gibt keinen gemeinsamen europĂ€ischen Zahlungsdienst. Die Eurozone hat zwar eine gemeinsame analoge WĂ€hrung â Euroscheine und -mĂŒnzen â, aber digitale Zahlungen sind völlig zersplittert. Einige LĂ€nder haben zumindest nationale Bezahldienste, andere noch nicht einmal das. Wer innerhalb der EU aus einem anderen EU-Land etwas online bestellen will, muss dafĂŒr in den allermeisten FĂ€llen US-Infrastruktur benutzen. Gestern haben europĂ€ische Banken |zwar einen neuen Anlauf gestartet| â bisher |scheitern sie aber seit mehr als 15 Jahren| mit Versuchen, ein eigenes Netzwerk aufzubauen.
Deshalb also der Digitale Euro. Beschlossen ist der Digitale Euro noch nicht, und wenn er kommt, dann wahrscheinlich frĂŒhestens ab 2028. Aber angenommen, er kommt: Was wird das fĂŒr normale Menschen verĂ€ndern?
ZunĂ€chst einmal wird er nicht das Bargeld abschaffen. Im Gegenteil: HĂ€ndler:innen werden in Zukunft analoge Bezahlmethoden anbieten mĂŒssen. Die EU ist sich nĂ€mlich bewusst, dass viele Menschen â besonders in Deutschland â ihr Bargeld sehr gern haben. Trotzdem gibt es in vielen EU-LĂ€ndern bereits eine Menge LĂ€den, die gar kein Bargeld mehr annehmen. Und gleichzeitig ist es eine verbreitete VerschwörungserzĂ€hlung, dass die EU mit dem Digitalen Euro den schönen Euroschein abschaffen will.
Um diese Bargeldangst zu besĂ€nftigen, will die EU-Kommission zusammen mit dem Digitalen Euro das Bargeld stĂ€rken: GeschĂ€fte |sollen dazu verpflichtet werden|, zur Bezahlung auch Bargeld annehmen zu mĂŒssen. Es zeichnet sich aber schon ab, dass LĂ€nder wie die Niederlande oder Irland weniger stark hinter so einer Verpflichtung stehen als andere.
Andersherum will die EU-Kommission GeschĂ€fte auch dazu verpflichten, den Digitalen Euro als Zahlungsmittel anzunehmen â zumindest, wenn sie mehr als zehn Angestellte haben oder mehr als 2 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen. Wenn sie ein anderes digitales Zahlungsmittel akzeptieren, gelten die Ausnahmen allerdings nicht mehr. Dann gilt auch fĂŒr diese GeschĂ€fte, so wie fĂŒr alle anderen: Wer sie in einem Euroland in Zukunft betritt, wird ein gesetzliches Recht haben, mit dem Digitalen Euro zu bezahlen.
Diese Zahlung wird ĂŒber einen Zahlungsdienstleister laufen, das werden wahrscheinlich meistens Banken sein. Die sollen etwa in ihren Banking-Apps zusĂ€tzliche Funktionen anbieten, damit Menschen ĂŒber sie den Digitalen Euro nutzen können. Wie genau das aussehen wird, steht momentan noch nicht fest. Vorstellbar wĂ€re, dass die Bank einfach in einem schon registrierten Account ein zusĂ€tzliches Konto fĂŒr Digitale Euros anbietet. Normale Funktionen mĂŒssen dabei kostenlos sein. Ansonsten kann auch die EZB eine eigene App anbieten. Nutzer:innen sollen sich frei zwischen den Apps eines Dienstleisters und der EZB entscheiden können.
Wer kein Bankkonto hat, soll bei bestimmten Institutionen ein Konto nur fĂŒr Digitale Euros eröffnen und benutzen können, etwa bei der Post. Dabei soll es auch UnterstĂŒtzung etwa fĂŒr Menschen mit Behinderungen geben.
Mit den Digitale-Euro-Apps sollen Zahlungen dann auch von einem Handy zum anderen möglich sein. Das heiĂt zum Beispiel: Wer einer Freundin fĂŒnf Euro geben will, tippt das in der eigenen App ein, hĂ€lt das Handy an das der Freundin â und das Geld ist ĂŒbertragen. Das soll auch offline funktionieren, ohne Internetverbindung. Selbst in Deutschland steht damit der flĂ€chendeckenden Nutzung nichts mehr im Weg.
Noch mehr offline soll es mit aufladbaren Karten gehen. Die EZB |denkt sogar darĂŒber nach|, wie diese Karten so gestaltet werden können, dass sie keine zusĂ€tzliche AusrĂŒstung brauchen. Zwei Karten mit eigener Batterie und Eingabefeld wĂŒrden fĂŒr eine Ăberweisung reichen.
NatĂŒrlich soll man mit dem Digitalen Euro auch im Internet einkaufen können. Auch hier werden Unternehmen verpflichtet, ihn als Zahlungsmittel zu akzeptieren, mit den genannten Ausnahmen. Wahrscheinlich wird er dann eine zusĂ€tzliche Bezahlmöglichkeit unter anderen sein: Kreditkarte, PayPal, Digitaler Euro. Dabei soll der Digitale Euro allerdings ĂŒberall in der Eurozone verfĂŒgbar sein, potenziell fĂŒr die Endkundin billiger sein als andere Optionen â dazu spĂ€ter mehr â und vor allem die eigenen Daten besser schĂŒtzen.
Denn im Gegensatz zu aktuellen Bezahldiensten wurde der Digitale Euro von Anfang an datenminimierend konzipiert. Die EZB betont immer wieder, dass sie eine öffentliche Institution sei und deshalb kein Interesse daran habe, mit Daten Geld zu verdienen. Die Kommission hat in ihren Entwurf fĂŒr das Gesetz klar geschrieben: Weder die EZB noch die Privatbanken, die die Zahlungsdienste anbieten, sollen Nutzer:innen direkt identifizieren können.
Die Banken sollen ĂŒberhaupt nur so weit Zugriff auf Informationen bekommen, wie sie das brauchen, um etwa den Gesetzen gegen GeldwĂ€sche und Terrorismus zu entsprechen. Offline-Transaktionen sollen komplett ohne das Wissen von anderen ablaufen. Nur Zahler und EmpfĂ€ngerin wĂŒrden wissen, dass Digitale Euros die Hand gewechselt haben.
Wohlgemerkt: Das heiĂt nicht, dass |alle Fragen zum Datenschutz |schon geklĂ€rt wĂ€ren. So können Privatbanken etwa in ihre Apps durchaus Funktionen einbauen, die mehr Daten brauchen â dafĂŒr brĂ€uchten sie aber die Zustimmung der Nutzenden. AuĂerdem soll die EZB laut dem Gesetz zum Digitalen Euro einen âzentralen Zugangspunktâ fĂŒr die Kennungen von Nutzer:innen betreiben können. Wie genau der gestaltet werden soll, ist noch offen.
Trotzdem ist momentan auf EU-Ebene allen Beteiligten sehr bewusst, dass der Digitale Euro datenschutztechnisch wasserdicht sein muss, wenn er Erfolg haben soll. Denn anders als PayPal hat die EU kein gewaltiges Marketingbudget, um Probleme zu ĂŒbertĂŒnchen. Es ist Ă€hnlich wie damals |bei der staatlichen Corona-Warn-App| im VerhĂ€ltnis zur kommerziellen App |Luca|: Wo die staatliche Lösung den |Chaos Computer Club zufriedenstellen| muss, reicht es fĂŒr die private Lösung, wenn |ein Musiker fĂŒr sie Werbung macht.|
Neben dem hehren Datenschutz gibt es auch noch einen anderen Punkt, der den Digitalen Euro interessanter machen könnte als aktuelle Bezahldienste: Er könnte billiger werden. Denn die EZB wird die Infrastruktur als öffentliches Gut betreiben, ohne damit Gewinn machen zu wollen. Auch die Privatbanken mĂŒssen grundlegende Funktionen kostenlos anbieten, ansonsten sollen sie einen âangemessenenâ Gewinn machen können. Der soll sich aus GebĂŒhren fĂŒr HĂ€ndler:innen finanzieren, so wie auch bei aktuellen Bezahldiensten. Die GebĂŒhren fĂŒr den Digitalen Euro sollen aber die von anderen Zahldiensten nie ĂŒbersteigen dĂŒrfen.
Eine noch offene Frage ist die nach den Haltelimits. EuropĂ€ische Banken haben momentan die sehr groĂe BefĂŒrchtung, dass ihre Kund:innen all ihr Geld aus ihren Sparkonten in Digitale-Euro-Konten ĂŒbertragen könnten. Auf diesen Spareinlagen fuĂt aber ihr GeschĂ€ftsmodell. Es soll nun deshalb Haltelimits fĂŒr den Digitalen Euro geben, irgendwo im Bereich zwischen 500 und 3.000 Euro. Wo genau, wird wie so viele andere Fragen bei diesem Projekt gerade noch ausdiskutiert.
Dieser Artikel ist Teil einer |Reihe zum Digitalen Euro|. Die Recherche wurde vom |Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung| durch sein Journalist-in-Residence-Programm finanziell unterstĂŒtzt.
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|noch eine Menge anderer Unternehmen|
|Ausschluss Russlands vom internationalen SWIFT-Zahlungssystem|
|mit den Daten ihrer Kund:innen|
|zwar einen neuen Anlauf gestartet|
|scheitern sie aber seit mehr als 15 Jahren|
|sollen dazu verpflichtet werden|
|alle Fragen zum Datenschutz |
|bei der staatlichen Corona-Warn-App|
|Chaos Computer Club zufriedenstellen|
|ein Musiker fĂŒr sie Werbung macht.|
|Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung|
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Wed, 03 Jul 2024 11:19:23 +0000
Martin Schwarzbeck
Zwei Gesetze aus Texas und Florida sollten es Social-Media-Plattformen erschweren, von Nutzer*innen erstellte BeitrĂ€ge zu moderieren. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat nun entschieden, dass die Gesetze erneut ĂŒberprĂŒft werden mĂŒssen.
DĂŒrfen Soziale Netzwerke nach eigenem Ermessen Postings moderieren oder löschen? Diese Frage stand im Zentrum zweier Gesetze aus Florida und Texas, die nun vor dem Supreme Court of the United States (SCOTUS) auf den PrĂŒfstand kamen. Die beiden konservativ regierten Bundesstaaten sahen in der Moderation von Inhalten einen Eingriff in die Redefreiheit und schoben ihr einen Riegel vor. |Der Supreme Court entschied am Montag| ganz im Gegenteil: Social-Media-Diensten vorzuschreiben, was sie verbreiten mĂŒssen, sei der viel gröĂere Eingriff in die freie MeinungsĂ€uĂerung.
Der Supreme Court sieht die Plattformen generell erst einmal als eine Art Verleger. Die Zusammenstellung und Kuratierung von Inhalten anderer zu einem eigenen Produkt gewÀhre den Plattformen den Schutz des |ersten Verfassungszusatzes|, der unter anderem die Rede- und die Pressefreiheit absichert.
Die entsprechenden Gesetze in Texas und Florida waren 2022 verabschiedet worden. Zuvor hatten republikanische Politiker die oft aus dem liberalen Kalifornien stammenden Technologieunternehmen dafĂŒr kritisiert, dass sie konservative Ansichten diskriminieren wĂŒrden. Auslöser war auch der |Ausschluss von Donald Trump von Twitter und anderen Plattformen| nach dem Angriff auf das Kapitol im Januar 2021.
Daraufhin hatten die beiden Bundesstaaten leicht unterschiedliche Gesetze erlassen, die die Möglichkeit zur Moderation limitieren sollten. |Das Gesetz aus Florida| verbietet groĂen Internetplattfomen, Politiker*innen und Medienunternehmen lĂ€nger als 14 Tage auszuschlieĂen. Ihre Postings dĂŒrfen weder weiter noch weniger weit verbreitet werden als die anderer. Zudem mĂŒssen die Plattformen bei Sperrung von Kommentaren die Urheber*innen informieren und diesen das Recht einrĂ€umen, die Entscheidung anzufechten.
|Das Gesetz von Texas| untersagt es Plattformen, BeitrĂ€ge zu entfernen, mit Hinweisen wie Faktenchecks zu versehen, oder einige, etwa mittels Empfehlungsalgorithmen, weiter zu verbreiten als andere. MaĂnahmen zum Jugendschutz sind nur erlaubt, wenn die Betreiber dazu von auĂen aufgefordert werden, auch Gewaltaufforderungen sind weitgehend zu dulden. Beide Gesetze verpflichten die Unternehmen auch, jede einzelne Moderationsentscheidung zu begrĂŒnden. Die Gesetze betreffen nicht nicht nur Soziale Netzwerke, sondern auch andere Online-Dienste wie Uber und Etsy, wo die Auswirkungen noch völlig ungeklĂ€rt sind.
Die BranchenverbĂ€nde Netchoice und Computer and Communications Industry Association klagten gegen die Gesetze, die angerufenen Berufungsgerichte kamen zu unterschiedlichen SchlĂŒssen und reichten die Entscheidung an das höchste Gericht weiter.
Obwohl der SCOTUS eine einstimmige Entscheidung getroffen hat, ist die Auseinandersetzung noch nicht fertig ausgefochten. Um ausstehende Details zu klĂ€ren, mĂŒssen sich nun untergeordnete Gerichte erneut mit den FĂ€llen beschĂ€ftigen. Doch die Leitlinien, wie die Gesetze und ihre Auswirkungen zu analysieren sind, hat der Supreme Court recht klar mitgegeben. Die Electronic Frontier Foundation spricht in einer ersten EinschĂ€tzung sogar |schon von einem âSiegâ| fĂŒr die Internetfreiheit.
So ist die Inhaltsmoderation erst einmal grundsĂ€tzlich durch den ersten Verfassungszusatz geschĂŒtzt. Auch die Zielrichtung der Gesetze â gegen die Diskriminierung konservativer Stimmen â hĂ€lt der Oberste Gerichtshof fĂŒr fragwĂŒrdig. Die BegrĂŒndung, dass dadurch der âMarktplatz der Ideenâ bereichert wĂŒrde, sei nicht ausreichend. Denn es sei nicht Aufgabe der Regierung, zu entscheiden, was das richtige MaĂ von privater MeinungsĂ€uĂerung ist, so die BegrĂŒndung des Gerichts. âSo unvollkommen der private Marktplatz der Ideen auch sein mag, hier gab es einen noch schlechteren Vorschlag â die Regierung selbst entscheidet, wann die Rede unausgewogen ist, und zwingt dann die Sprecher, mehr von einigen Ansichten oder weniger von anderen zu liefernâ, so die BegrĂŒndung der Mehrheit der Richter*innen.
Eine der Richter*innen beleuchtete in einer weiterfĂŒhrenden Stellungnahme auch die Auswirkungen, die der Einsatz von sogenannter KĂŒnstlicher Intelligenz bei der Moderation und Zusammenstellung der Streams juristisch haben könnte. Laut der konservativen Amy Coney Barrett könnten Algorithmen, die darauf programmiert sind, bestimmte Inhalte zu entfernen oder zu priorisieren, als Umsetzung der Entscheidungen eines Menschen angesehen werden. Die Analyse könne jedoch anders ausfallen, wenn ein Plattformbetreiber eine sogenannte KI auffordert, zu bestimmen, welche Inhalte entfernt werden sollen. Laut Barrett ist die Gesetzeslage noch einmal anders, wenn die Plattform nicht in den USA residiert. Denn nur US-amerikanische Unternehmen könnten sich auf den ersten Verfassungszusatz berufen.
Kurz zuvor hatte der SCOTUS zwei weitere netzpolitisch relevante Entscheidungen gefÀllt. Beide betreffen die Macht von Exekutivbehörden. Vor einer Woche hatte das Oberste Gericht klargestellt, dass die Regierung oder Behörden wie das FBI weiterhin |an Online-Dienste herantreten können|, um etwa gegen Desinformation vorzugehen.
Und am Freitag hob der SCOTUS die 40 Jahre alte âChevronâ-Doktrin auf, die besagte, dass Gerichte sich bei der Auslegung von Gesetzen auf die Expertise von Bundesbehörden verlassen mĂŒssen. Bislang waren in den USA zahlreiche Entscheidungen, beispielsweise die zur |NetzneutralitĂ€t| oder auch solche zur Begrenzung von SchadstoffausstöĂen, von Regulierungsbehörden wie der FCC getroffen worden.
KĂŒnftig haben bei der |Auslegung unklarer Gesetze immer Gerichte| das letzte Wort. Schon jetzt reiben sich Lobbyorganisationen die HĂ€nde, die in den kommenden Jahren |viele Regulierungsentscheidungen juristisch anfechten| dĂŒrften. Nicht wenige davon könnten letztlich vor dem SCOTUS landen â was dessen zunehmende MachtfĂŒlle noch weiter steigern wird.
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|Der Supreme Court entschied am Montag|
|Ausschluss von Donald Trump von Twitter und anderen Plattformen|
|an Online-Dienste herantreten können|
|Auslegung unklarer Gesetze immer Gerichte|
|viele Regulierungsentscheidungen juristisch anfechten|
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Wed, 03 Jul 2024 10:13:38 +0000
Nora Nemitz
Der FRITZ!Box-Hersteller hat mit HÀndlern die Preise seiner Produkte abgesprochen. Nach Ermittlungen des Bundeskartellamts kam es jetzt zu einer Vereinbarung, die eine Geldstrafe in Millionenhöhe umfasst.
Der Hersteller hinter der Marke âFRITZ!â, die AVM Computersysteme Vertriebs GmbH, muss eine Strafe von 16 Millionen Euro zahlen,| die das Bundeskartellamt am gestrigen Dienstag verhĂ€ngte|. AVM ist ein deutscher Hersteller von Routern, Repeatern, Telefonen und Smart-Home-GerĂ€ten. Laut Bundeskartellamt hat sich das Unternehmen mit ElektronikfachhĂ€ndlern abgesprochen, um Preise festzulegen.
AVM hat gezielt die freie Preisbildung beeinflusst. Zusammen mit sechs ElektronikfachhĂ€ndlern hat das Unternehmen Preise fĂŒr Produkte festgelegt oder diese erhöht. Die Vereinbarungen sahen bestimmte Mindestpreise fĂŒr Endverbraucher vor oder eine Anhebung der Preise. Das bedeutet, dass die GerĂ€te von AVM bei ElektronikhĂ€ndlern mindestens einen bestimmten Preis haben mussten. Dieser Preis lag zwischen der unverbindlichen Preisempfehlung und dem Einkaufspreis der VerkĂ€ufer. Damit sich die FachhĂ€ndler an diese Regelungen hielten, wurden die Preise von Mitarbeiter*innen des Unternehmens AVM ĂŒberwacht. Dabei wurden neben Recherchen in LĂ€den Preisvergleichsdienste im Internet genutzt. Auch eine spezielle Software zur Ăberwachung der HĂ€ndler und ihrer Preise ist seit 2019 zum Einsatz gekommen. Wenn die Preise nicht mehr den Preisvorgaben von AVM entsprachen, griff AVM ein und setzte sich mit den HĂ€ndlern in Kontakt, um Preiserhöhungen zu fordern. Dies geschah auch, wenn sich HĂ€ndler darĂŒber beschwerten, dass die gesetzten Preise zu niedrig waren.
Durch dieses Vorgehen wurde der freie Wettbewerb eingeschrĂ€nkt. Das Bundeskartellamt bekam anonyme Tipps ĂŒber sein Hinweisgebersystem sowie weitere Hinweise aus dem Markt, auf deren Grundlage es die Ermittlungen aufnahm. Anfang Februar 2022 gab es aufgrund der Hinweise eine Durchsuchung. Nach Abschluss der Ermittlungen stellte das Bundeskartellamt klar, dass das Vorgehen von AVM nicht zu tolerieren ist. Damit begrĂŒndet es auch die Strafzahlung in Höhe von 16 Millionen Euro, die AVM leisten muss. Diese Strafe kam durch ein Settlement zustande. Das bedeutet, dass das Bundeskartellamt und AVM eine Vereinbarung geschlossen haben. AVM gesteht damit den VerstoĂ gegen das |Gesetz gegen WettbewerbsbeschrĂ€nkungen| ein und akzeptiert die Strafe, wodurch es zu keiner langwierigen und kostspieligen rechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Bundeskartellamt und AVM kommt.
|AVM Ă€uĂerte sich in einer Stellungnahme dazu|. Das Unternehmen behauptet, die Preisabsprachen nur getroffen zu haben, um stationĂ€re HĂ€ndler im Wettbewerb mit dem Onlinehandel zu unterstĂŒtzen. Denn die Preise waren nicht fĂŒr den Onlinehandel, sondern ausschlieĂlich fĂŒr den stationĂ€ren Handel gedacht. Das Unternehmen betonte auch, dass es wĂ€hrend der Ermittlungen eine Ănderung der EU-Regeln gab und es nun laut dieser EU-Regelung erlaubt sei, unterschiedliche Preise fĂŒr Online- und stationĂ€re HĂ€ndler zu haben. AVM bedauert, dass bei dem Vorgehen Verwirrung entstanden sei, und stellt dar, dass die Verbraucher trotz dessen gute Preise bekommen hĂ€tten und hinter dem Handeln keine böse Absicht gestanden habe.
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| die das Bundeskartellamt am gestrigen Dienstag verhÀngte|
|Gesetz gegen WettbewerbsbeschrÀnkungen|
|AVM Ă€uĂerte sich in einer Stellungnahme dazu|
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Wed, 03 Jul 2024 09:53:00 +0000
Laura-Kristine Krause
Der ZDF-Fernsehrat konstituiert sich neu. Ihm werden so viele neue FernsehrĂ€te â oder besser FernsehrĂ€tinnen â angehören wie noch nie. Dies ist einer Reform aus dem Jahr 2016 zu verdanken.
Die Serie âNeues aus dem Fernsehratâ beleuchtet seit dem Jahr 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien. Hier entlang zu allen BeitrĂ€gen der |Reihe|.
Am 4. und 5. Juli 2024 treffen sich in Mainz erstmalig die Mitglieder des neuen Fernsehrats zu seiner 17. Amtsperiode. Wer dem Gremium in den nÀchsten vier Jahren angehören wird, haben die sogenannten entsendenden Organisationen bereits in den vergangenen Monaten bestimmt. Denn die Zusammensetzung der 60 Mitglieder ist im ZDF-Staatsvertrag und in unterschiedlichen Landesgesetzen geregelt.
Neben der sogenannten Staatsbank â zwei Vertreter*innen des Bundes und je eine Person pro Landesregierung â sollen vor allem die 42 Vertreter*innen der Zivilgesellschaft die Interessen der Allgemeinheit gegenĂŒber dem ZDF vertreten und die Vielfalt der Gesellschaft (und damit auch die GebĂŒhrenzahlerinnen und -zahler) abbilden.
|Entsendende Organisationen| fĂŒr den ZDF-Fernsehrat sind unter anderem der Deutsche StĂ€dte- und Gemeindebund, alle groĂen Religionsgemeinschaften in Deutschland, Gewerkschaften und ArbeitgeberverbĂ€nde, das Handwerk, WohlfahrtsverbĂ€nde, die Verlagsbranche, der Naturschutz und viele mehr.
Ich selbst darf fĂŒr âdas Internetâ (gemeinsam nominiert durch CCC, D64, eco e. V. und medianet Berlin-Brandenburg) die kommenden vier Jahre Mitglied im Fernsehrat sein, nachdem ich in den vergangenen zwei Jahren die Amtszeit von Leonhard Dobusch vollendet habe, der 2022 in den ZDF-Verwaltungsrat gewechselt ist.
Trotz der diversen entsendenden Organisationen gelingt es bisher nur begrenzt, in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Vielfalt der deutschen Gesellschaft abzubilden. Das hat 2022 |eine lesenswerte Studie| der neuen deutschen Medienmacher:innen eindrĂŒcklich aufgearbeitet. Demnach fehlen in den Aufsichtsgremien vor allem die Perspektiven junger Menschen und die von Menschen mit Migrationsgeschichte. AuĂerdem ist die GeschlechterparitĂ€t in vielen Rundfunkanstalten nicht gegeben. FĂŒr den ZDF-Fernsehrat ermittelte die Studie 2022 lediglich einen Frauenanteil von genau einem Drittel.
Hier zeichnet sich mit der neuen Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrats nun eine kleine Revolution ab. Zum einen erneuert sich der Fernsehrat grundlegend: Von 60 Mitgliedern werden 31 Personen neu entsandt sein, die meisten davon sind Frauen.
Der Grund dafĂŒr liegt in einer groĂen Reform aus dem Jahr 2016: Als Reaktion auf das |ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts| musste damals die Zusammensetzung des Fernsehrats geĂ€ndert werden, um ihn staatsferner, vielfĂ€ltiger und paritĂ€tischer zu machen. Die Zahl der Posten fĂŒr staatliche Vertreter*wurden im ZDF-Staatsvertrag reduziert und neue Entsendeorganisationen eingefĂŒhrt - zum Beispiel âdas Internetâ. AuĂerdem wurde eine Amtszeitbegrenzung auf maximal drei Amtsperioden in Fernsehrat und Verwaltungsrat festgelegt.
Die sinnvolle Begrenzung der Dauer der Mitgliedschaft in einem Gremium wurde seinerzeit mit einer sehr âsanftenâ Ăbergangsfrist versehen. Wer 2016 bereits Mitglied im Fernsehrat war, fing offiziell bei Null an und konnte noch zwei volle Amtsperioden weiter amtieren.
Diese Amtsperioden der Ăbergangsfrist enden â richtig geraten â im Jahr 2024. Das fĂŒhrt dazu, dass sehr viele und vor allem langjĂ€hrige Mitglieder aus dem Fernsehrat ausscheiden. Prominente Beispiele: die Fernsehratsvorsitzende Marlen Thieme (20 Jahre), der Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt Rainer Robra (22 Jahre), Pater Langendörfer als Vertreter der katholischen Kirche (20 Jahre) oder der verdi-Vorsitzende Frank Werneke (22 Jahre).
Zum anderen kommt in Kombination mit der neuen Amtszeitbegrenzung eine weitere Reform von 2016 erst jetzt richtig zum Tragen: Damals wurde festgelegt, dass âFrauen und MĂ€nner angemessen zu berĂŒcksichtigen sindâ: Bei jeder Neuentsendung eines Mitglieds |soll auf einen Mann eine Frau folgen| und umgekehrt auf eine Frau ein Mann folgen. Das gilt sowohl fĂŒr die Vertreterinnen und Vertreter der LĂ€nder als auch der Zivilgesellschaft und ist noch nicht in allen deutschen Rundfunkanstalten so ĂŒblich. Auf dem Papier wĂ€re die GeschlechterparitĂ€t damit erreicht. Sie gilt aber nur, wenn es einen Wechsel gibt.
Da nun besonders MĂ€nner nach langer Zugehörigkeit aus dem Fernsehrat ausscheiden mĂŒssen, sind unter den neuen Mitgliedern fast nur Frauen: 26 der 31 neuen Mitglieder sind weiblich beziehungsweise weiblich gelesen. 14 der 18 Vertreterinnen und Vertreter von Bund und LĂ€ndern sind daher nun weiblich sowie 31 der 42 Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft.
Damit liegt der MĂ€nneranteil im ZDF-Fernsehrat bei 25 Prozent und der Frauenanteil bei 75 Prozent. Zur Erinnerung: 2022 lag der Anteil der MĂ€nner laut der oben zitierten Studie noch bei gut 60 Prozent. Er hat sich also innerhalb weniger Jahre mehr als halbiert.
Ob und wie sich dies auf die Arbeit und Diskussionskultur im ZDF-Fernsehrat auswirkt und ob die Offenheit fĂŒr digitalpolitische Themen gröĂer sein wird als in vergangenen Amtsperioden, bleibt abzuwarten. Und um Aussagen darĂŒber treffen zu können, ob der runderneuerte Fernsehrat auch die dringend erforderliche Vielfalt in Bezug auf Altersgruppen und Migrationsgeschichte verbessert hat, mĂŒssen zunĂ€chst alle Biografien der neuen Mitglieder bekannt und daraufhin analysiert werden.
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|ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts|
|soll auf einen Mann eine Frau folgen|
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Tue, 02 Jul 2024 14:01:51 +0000
Maximilian Henning
Es gibt in Deutschland einen klaren Platzhirschen im Online-Zahlungsmarkt: PayPal. Dazu kommen noch Kreditkarten, also Visa und Mastercard. Neben dem Geld flieĂen dabei aber auch Daten â und zwar nicht zu knapp.
Stellen wir uns vor, Helga aus Aachen hat in irgendeinem Webshop alle Produkte ausgewĂ€hlt, die sie haben will. Sie drĂŒckt auf den kleinen Einkaufswagen oben rechts auf der Seite, um den Einkauf abzuschlieĂen. Dann sieht sie die Liste der Optionen, wie sie bezahlen kann â und wird wahrscheinlich auf âPayPalâ klicken.
Deutsche lieben PayPal. Jeder vierte Euro, den sie 2023 im Online-Handel ausgegeben haben, |floss durch den Zahlungsdienst|. Danach kamen der Kauf auf Rechnung und die Lastschrift, gefolgt von Kartenzahlung. Die dominieren wiederum Visa und Mastercard. Ganz hinten im Feld, weit abgeschlagen, liegen SofortĂŒberweisung und Giropay.
Das heiĂt zunĂ€chst einmal: Wer in Deutschland einen Zahlungsdienst nutzt, nutzt meist den Dienst eines US-amerikanischen Unternehmens. SofortĂŒberweisung und Giropay machen zusammen weniger als zwei Prozent des Umsatzes aus. Giropay ist ein Projekt deutscher Banken, mit dem sie eigentlich PayPal Marktanteile ablaufen wollten â das hat offensichtlich nicht geklappt. Die Banken haben deshalb vor einigen Wochen angekĂŒndigt, den Dienst |wieder einstellen zu wollen|.
Giropay sollte eigentlich eine datenschutzfreundliche Option zum Online-Bezahlen sein. Mit âextra sicheren Servern in Deutschlandâ |wirbt der Dienst|: âDas bedeutet fĂŒr dich besonders guten Datenschutz nach strengsten deutschen Regeln.â Trotz deutscher Begeisterung fĂŒr den Datenschutz: Die angepriesenen extra sicheren Server haben offensichtlich nicht gereicht, um sich gegen PayPal, Visa und Mastercard durchzusetzen.
Aber braucht es denn eine datenschutzfreundliche Alternative zu deren Angeboten?
FĂŒr diese Frage ist gut zu wissen: PayPal hat eine luxemburgische Banklizenz. Damit muss das Unternehmen sich an luxemburgisches Bankrecht halten. Dazu gehört, dass es eine Liste mit allen Unternehmen veröffentlichen muss, an die Daten von Kund:innen weitergegeben werden.
Diese Liste ist |als PDF-Dokument 46 Seiten lang| und enthĂ€lt ungefĂ€hr 1.000 Unternehmen. Die sind unterteilt in Zahlungsanbieter, Kreditauskunfteien, Finanzprodukte, GeschĂ€ftspartnerschaften, Marketing und Sonstige. Dort findet sich etwa LLC Havas Digital, die russische Tochter des französischen Werbeunternehmens Havas, oder Cheetah Mobile Inc. in China. Auch an Facebook, Twitter und Yahoo gibt PayPal Daten fĂŒr personalisierte Werbeanzeigen weiter.
Die weitergegebenen Daten sind umfangreich: beispielsweise Name, Anschrift, E-Mail-Adresse, die Art der genutzten PayPal-Dienste, Transaktionsinformationen, IDs von Cookies, Anzeigen und GerĂ€ten. |Laut seiner DatenschutzerklĂ€rung| erstellt PayPal auch Profile ĂŒber seine Kund:innen. Die können âVerhaltensmuster und persönliche Vorlieben wie Geschlecht, Einkommen, Surf- und Kaufgewohnheiten und KreditwĂŒrdigkeitâ widerspiegeln.
PayPal will diese Daten in Zukunft nicht mehr nur an Dritte weitergeben, sondern selber ein WerbegeschĂ€ft aufbauen, |berichtete das Wall Street Journal|. Der âAdvanced Offersâ-Dienst soll etwa HĂ€ndlerinnen dabei helfen, Rabatte und andere Angebote fĂŒr PayPal-Kunden zu personalisieren. Wer seine Daten nicht in dem neuen PayPal-Werbenetzwerk haben will, muss der Benutzung widersprechen. Das Angebot ist momentan fĂŒr die Vereinigten Staaten geplant.
Auf Anfrage von netzpolitik.org sagte PayPal, man verdiene kein Geld mit Transaktionsdaten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten entspreche den maĂgeblichen Gesetzen.
Ăhnlich sieht es bei Visa und Mastercard aus, den zwei weltweit fĂŒhrenden Anbietern von Kartenzahlungen. Visa sammelt laut |seiner DatenschutzerklĂ€rung| unter anderem Daten, um Werbung auszuspielen. Dazu gehören etwa Daten ĂŒber Interaktionen und Standorte, oder auch biometrische Daten. Das Unternehmen fĂŒhrt auch andere Analysen durch und erstellt gröĂere DatensĂ€tze, um andere Unternehmen zu beraten. Welche Daten darin landen, steht aber nicht in der ErklĂ€rung â denn dabei handele es sich nicht mehr um persönliche Daten, meint Visa.
Den Standpunkt teilt Mastercard. âWir bei Mastercard haben einen ungewöhnlichen Vorteil, und zwar können wir Echtzeitdaten sehen und so erkennen, was funktioniert und was nichtâ, so der Marketingchef von Mastercard |in einem Interview|. âWir haben sogar ein paar Analyseunternehmen aufgekauft, um die Daten zu untersuchen, die wir haben â dabei respektieren wir völlig die PrivatsphĂ€re der Kund:innen. Wir schauen uns also keine persönlichen Daten an, es sind alles aggregierte Daten, die komplett anonymisiert wurden.â Auch eine Sprecherin des Unternehmens unterstrich gegenĂŒber netzpolitik.org, dass Mastercard anonymisierte und aggregierte DatensĂ€tze nutzt.
Nur weil DatensĂ€tze keine Klarnamen enthalten, |sind sie nicht automatisch anonym|. Wenn eine Person laut ihren Bewegungsdaten jeden Tag nachts im gleichen Haus ist, dann lĂ€sst sich darauf schlieĂen, dass sie dort wohnt. Mit genug zusammengefĂŒhrten Daten auch aus anderen Quellen könnten sich Personen eventuell wieder identifizieren lassen.
Mastercard machte vor einigen Jahren |einen Werbedeal mit Google|, seine Daten waren auch in andere Datenplattformen wie |Audience Marketplace von Adobe und Microsofts Xandr| verfĂŒgbar. Von den Mastercard-Analysen kann man sich |online abmelden|.
Visa stellte sein bisheriges WerbungsdatengeschĂ€ft |2021 ĂŒberraschend ein|. Im Mai kĂŒndigte das Unternehmen dann an, man werde die Daten seiner Kund:innen bald |durch sogenannte Tokens mit GeschĂ€ftskund:innen teilen|. Visa antwortete nicht auf eine Anfrage von netzpolitik.org zu seinem Umgang mit Daten.
Marek Jessen forscht beim Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung, einem Netzwerk hessischer Hochschulen, zu Finanzen und Daten. (Hinweis: Das Netzwerk hat die Recherche fĂŒr diese Artikelserie finanziell unterstĂŒtzt.) âEs ist schwierig, entsprechende Infos zu findenâ, sagt er zu netzpolitik.org. âDa können wir nur mit Indizien arbeiten.â
Er hat dabei auch das beste Werkzeug eingesetzt, das Menschen in der EU gegenĂŒber groĂen Datenunternehmen haben: |Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung|. Demnach haben Nutzer:innen Anspruch auf eine Kopie der Daten, die ein Unternehmen ĂŒber sie hĂ€lt. Diese Kopie hat Jessen dreimal angefordert â zuerst online, dann per Einschreiben an die PayPal-Zentralen in Deutschland und in Luxemburg.
âDas hat in allen drei Varianten, in denen ich es probiert habe, nicht funktioniertâ, berichtet Jessen. ZurĂŒck kam immer nur ein Standardhinweis auf die DatenschutzerklĂ€rung von PayPal. Das sei ernĂŒchternd, aber auch bezeichnend gewesen, meint der Wissenschaftler. Er wĂŒrde gerne sehen, dass Datenschutzbehörden hier mehr hinter den Rechten von BĂŒrger:innen stehen.
PayPal wies auf Anfrage von netzpolitik.org darauf hin, dass Nutzer:innen ihre Daten ĂŒber die |Webseite des Unternehmens| herunterladen können. Die Seite enthĂ€lt aber einen Hinweis, dass in diesem Download manche gespeicherte Daten nicht enthalten sind. Dazu gehören etwa Marketing-PrĂ€ferenzen und fĂŒr âandere Diensteâ genutzte Daten.
Auch Jan Penfrat von European Digital Rights, dem Dachverband der europĂ€ischen digitalen Zivilgesellschaft, sieht die Lage auf dem Zahlungsmarkt kritisch. âDer Status Quo ist nicht so gutâ, meint er im GesprĂ€ch mit netzpolitik.org. âMomentan ist die einzige datensparsame Variante, online zu bezahlen, Bargeld zu schicken â oder eine SEPA-Ăberweisung.â
Denn die gibt es ja auch noch: Kostenlose, sofortige Ăberweisungen zwischen Banken im Euroraum, ohne Dienstleister dazwischen. Auch die dĂŒmpeln aber bei einem einstelligen Prozentanteil des Onlinehandels herum. FĂŒr âsehr enttĂ€uschendâ hĂ€lt es Penfrat, dass die europĂ€ische Bankenindustrie es im letzten Jahrzehnt nicht hinbekommen hat, eine Alternative zu den US-Anbietern aufzubauen. Hier habe es eine EnttĂ€uschung nach der anderen gegeben.
Auch gerade werkeln Banken in einigen europĂ€ischen LĂ€ndern an einem neuen Projekt. Das heiĂt |European Payments Initiative|, kurz EPI. Beteiligt sind Banken aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spanien. Deren Dienst, genannt âweroâ, soll nun auch grenzĂŒbergreifend Online-Zahlungen ermöglichen â im Gegensatz zu Giropay etwa, oder den nationalen Bezahlsystemen in Belgien oder den Niederlanden. In Deutschland ist wero |heute gestartet|.
Ob diese Initiative aber Erfolg haben wird, wird sich erst noch zeigen mĂŒssen. Und auch wenn EPI es einmal auf den Markt schafft: Es sind noch nicht alle EurolĂ€nder vertreten, ganz zu schweigen von allen EU-LĂ€ndern. Und selbst in den schon beteiligten LĂ€ndern machen nicht alle Banken mit, |es gibt auch schon ein Konkurrenzprojekt|.
Die EuropĂ€ische Union und die EuropĂ€ische Zentralbank hatten schon vor einigen Jahren die Nase voll von den Fehlstarts der Bankenbranche. Sie arbeiten gerade an einem staatlichen Projekt: dem Digitalen Euro. Ein öffentliches Zahlungssystem, mit dem Nutzer:innen einfach und datensparsam bezahlen können sollen, im Internet und im echten Leben, auch offline. Wenn der aber ĂŒberhaupt kommt, soll er frĂŒhestens 2028 eingefĂŒhrt werden.
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Tue, 02 Jul 2024 13:18:14 +0000
Daniel Leisegang
Der Global Digital Compact soll die Regulierung des Internets auf internationaler Ebene neu regeln. Schon der erste Entwurf des Abkommens stieĂ in der Zivilgesellschaft auf Kritik. Nun warnen namhafte Entwickler:innen vor einer Zentralisierung des Netzes.
Am 22. September beginnt in New York City der |Summit of the Future|. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entscheiden dann auch ĂŒber die Frage, wie kĂŒnftig das Internet reguliert wird. Die Leitlinien dafĂŒr soll der |Global Digital Compact| (GDC) vorgeben, der seit zwei Jahren auf zwischenstaatlicher Ebene diskutiert wird.
Einen Ende Mai veröffentlichten Entwurf des GDC hatten zivilgesellschaftliche Organisationen |erheblich kritisiert|. Nun melden sich rund 40 namhafte Entwickler:innen der Internet Engineering Task Force und des W3C zu Wort. |In einem offenen Brief| warnen sie vor einer drohenden Zentralisierung der Internetregulierung zulasten der Zivilgesellschaft.
Am 26. Juni haben die VerhandlungsfĂŒhrer aus Sambia und Schweden eine aktualisierte Fassung des geplanten GDC veröffentlicht. Darin wird zwar ausdrĂŒcklich die Bedeutung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen bei der Regulierung des Internets betont. Dazu gehören âder Privatsektor, die Zivilgesellschaft, internationale und regionale Organisationen sowie die technische und akademische Gemeinschaftâ.
Dennoch sehen die Unterzeichnenden den aus ihrer Sicht bewĂ€hrten Stakeholder-Prozess weiterhin als bedroht an. Allen voran die |Internet Engineering Task Force| (IETF) und das |World Wide Web Consortium| (W3C)â hĂ€tten dafĂŒr gesorgt, dass sich ein interoperables Internet herausbilden konnte. Beide Gremien zeichneten sich durch eine offene und konsensorierentierte âBottom-upâ-Arbeitsweise aus.
Dass das Internet ĂŒber keine zentrale Kontrollinstanz verfĂŒge, sei so gewollt, schreiben die Entwickler:innen weiter. Der GDC-Entwurf enthalte allerdings VorschlĂ€ge, die zu einer solchen Zentralisierung fĂŒhren könnten. Diese Entwicklung hĂ€tte nicht nur negative Folgen fĂŒr das Internet und das World Wide Web, sondern fĂŒr Volkswirtschaften und Gesellschaften weltweit.
Schon die Verhandlungen zum GDC erfolgten weitgehend zwischen Vertreter:innen der UN-Mitgliedstaaten. Die technische Community und die Zivilgesellschaft seien hingegen nur am Rande in die Verhandlungen eingebunden worden.
Der offene Brief appelliert an UN-GeneralsekretĂ€r AntĂłnio Guterres und seinen Sondergesandten fĂŒr Technologie, Amandeep Singh Gill. Sie sollen dafĂŒr sorgen, âdass die VorschlĂ€ge zur digitalen Governance vereinbar bleiben mit jener Ă€uĂerst erfolgreichen Praxis der Internet-Governance unter Einbeziehung vieler Interessengruppen, die uns das heutige Internet beschert hat.â
Der GDC geht auf eine Initiative von Guterres zurĂŒck. Im September 2021 veröffentlichte der UN-GeneralsekretĂ€r den Bericht â|Our Commons Agenda|â, in dem er unter anderem fĂŒr den GDC wirbt.
In der ersten JahreshĂ€lfte 2023 fanden weltweit Konsultationen statt, |an denen Regierungen und verschiedene Interessengruppen teilnahmen|. Dabei ging es unter anderem um Themen wie digitale Inklusion, Datenschutz, Sicherheit und KI. Bereits im Vorfeld hatten Vertreter:innen |die BefĂŒrchtung geĂ€uĂert|, dass der GDC diese offene und interoperable Struktur des Internets gefĂ€hrden könnte.
Laut aktuellem Entwurf strebt der GDC âeine offene, freie und sichere Zukunft fĂŒr alleâ an. Dazu sieht er unter anderem neue Regeln fĂŒr die Verwaltung des Internets vor. Er steht damit im Einklang mit und zugleich teilweise im Widerspruch zum |Net Mundial+10|, dem |Weltgipfel zur Informationsgesellschaft| (WSIS+20) und dem |Internet Governance Forum| (IGF). Diese Institutionen befassen sich ebenfalls mit der Zukunft des Netzes.
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|Internet Engineering Task Force|
|an denen Regierungen und verschiedene Interessengruppen teilnahmen|
|Weltgipfel zur Informationsgesellschaft|
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Tue, 02 Jul 2024 11:49:11 +0000
Anna Biselli
Im Januar begannen Forschende mit der Ăberwachungsgesamtrechnung. Doch bevor die Ergebnisse vorliegen, machen die Innenminister:innen der LĂ€nder klar: Wir lehnen die MaĂnahme aus dem Bundeskoalitionsvertrag ab â egal, was rauskommt.
Seit Januar arbeitet das Max-Planck-Institut zur Erforschung von KriminalitĂ€t, Sicherheit und Recht (MPI) an einer Ăberwachungsgesamtrechnung. Der Grund: SPD, GrĂŒne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen zu untersuchen, wie etwa polizeiliche und geheimdienstliche Befugnisse sich auf Grundfreiheiten auswirken. Die Annahme: Grundrechtseingriffe können nicht allein isoliert betrachtet werden, es kommt auch auf die Gesamtauswirkung an. |Das MPI bekam den Zuschlag|.
|Die Wissenschaftler:innen am MPI wollen| âdie Ăberwachungslast nach einem einheitlichen MaĂstab messenâ, sodass die Ergebnisse auch fĂŒr kĂŒnftige Gesetzesvorhaben nĂŒtzlich und erweiterbar bleiben. Doch vor Abschluss des Projekts schieĂt die Innenministerkonferenz (IMK) gegen die âTrendumkehr hin zu einer grundrechtsorientierten und evidenzbasierten Innen- und Rechtspolitikâ, die sich das Bundesinnenministerium einst vorgenommen hatte.
In einem |Beschluss zu Tagesordnungspunkt 57|, der Ende Juni auf dem halbjĂ€hrlich stattfindenden Treffen der Innenminister und -senatoren der LĂ€nder getroffen wurde, heiĂt es: âDie IMK stellt fest, dass die Ăberwachungsgesamtrechnung keine geeignete Grundlage fĂŒr eine sachgerechte und verantwortliche politische bzw. gesetzgeberische Entscheidung fĂŒr die Gestaltung sicherheitsbehördlicher Befugnisse sein kann.â
Konkrete Ergebnisse, mit denen die IMK diesen Schluss untermauern könnte, liegen indes nicht vor. Ein erster Zwischenbericht des MPI ist ein halbes Jahr nach Start der Untersuchung fĂ€llig, also in KĂŒrze. Das wird ein âinterner Arbeitsbericht, der nicht zur Veröffentlichung bestimmt istâ, so das MPI auf Anfrage.
Warum die Innenminister:innen bereits jetzt wissen, dass mit der Ăberwachungsgesamtrechnung nichts anzufangen sei? Der Beschluss des Potsdamer Treffens beschwört erneut eine Zeitenwende, die nicht nur in der AuĂenpolitik zu sehen sei. Das Land sei etwa mit terroristischen Bedrohungen, internetbasierter KriminalitĂ€t und Spionage konfrontiert.
Eine Ăberwachungsgesamtrechnung sei rechtlich ânicht gebotenâ und fuĂe auf einem âeindimensionalen FreiheitsverstĂ€ndnisâ. Damit meinen die Minister:innen, dass â Freiheit und Sicherheit als GegensĂ€tzeâ betrachtet wĂŒrden. Dabei bemĂŒhen sie dieses Bild der vermeintlichen Pole selbst gern. So sagte just Brandenburgs Innenminister Michael StĂŒbgen, der diesmal den IMK-Vorsitz ĂŒbernahm, |in seinem Statement|: âDas beste VerhĂ€ltnis zwischen Freiheit und Sicherheit muss individuell abgewogen werden.â
Abgesehen davon greife die Ăberwachungsgesamtrechnung in föderale Strukturen ein, âwenn der Bundesgesetzgeber sich ĂberwachungsmaĂnahmen der LĂ€nder vorhalten lassen mĂŒsste und umgekehrtâ. Vereinfacht mit einem fiktiven Beispiel dargestellt: Wenn der Bund keine Vorratsdatenspeicherung einfĂŒhren soll, weil die Ăberwachungslast der Telekommunikation durch Landesgesetze schon auf Anschlag steht, finden die Innenminister:innen das unangemessen.
Statt einer Ăberwachungsgesamtrechnung fordern sie nun eine sogenannte Sicherheitsgesamtrechnung. Die solle unter anderem SchutzlĂŒcken analysieren und Ermittlungsbefugnisse auf Praxistauglichkeit abklopfen. Ob diese fĂŒr jeweils einzelne LĂ€nder und Bund getrennt werden soll, um föderale Strukturen zu berĂŒcksichtigen? Dazu schweigt sich der Beschluss aus.
Teil der IMK ist neben den LĂ€ndervertreter:innen auch das Bundesinnenministerium (BMI) unter Nancy Faeser (SPD). Gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium verantwortet das Haus die kritisierte Ăberwachungsgesamtrechnung. Daher gibt das BMI als Notiz zu Protokoll, dass diese âauch die positiven Auswirkungen der Sicherheitsgesetze auf Demokratie und AusĂŒbung individueller Freiheitâ umfassen werde. Der Beschluss berĂŒcksichtige das nicht ausreichend. Man ist offenbar nicht ganz einverstanden mit der Ablehnung der Landesminister:innen.
Was das BMI in der Notiz nicht erwĂ€hnt: die in Kombination mit der Ăberwachungsgesamtrechnung geplante Freiheitskommission. Hier ist das Bundesjustizministerium federfĂŒhrend. Damit die Ăberwachungsgesamtrechnung nicht nur ein einmalig erstelltes Papier bleibt, soll diese Kommission Gesetzesvorhaben âauf eine grundrechtsfreundliche und verhĂ€ltnismĂ€Ăige Ausgestaltung der Eingriffsbefugnisseâ hin bewerten.
Laut einem |Bericht des Spiegel| hatte Marco Buschmanns (FDP) Ressort dazu bereits im Herbst 2023 Eckpunkte ausgearbeitet. Doch es gab Unstimmigkeiten mit Nancy Faesers Innenministerium. Strittig ist etwa, welches Gewicht der Kommission zukommen könnte. Soll sie beraten, ohne dass ihre EinschĂ€tzung zwingend berĂŒcksichtigt werden muss? Oder darf es ein bisschen mehr Kontrolle sein, vielleicht sogar eine âformale Integration in den Gesetzgebungsprozessâ?
Auf eine Anfrage von netzpolitik.org zum aktuellen Status der Freiheitskommission antwortet eine Sprecherin des BMJ, die Einrichtung des Gremiums sei âdem Bundesjustizminister ein wichtiges Anliegenâ. Angaben zum Zeitplan könne man allerdings keine machen. Regierungsinterne Abstimmungen âdauern noch anâ. Mit der selben BegrĂŒndung hatte das Bundesjustizministerium schon Anfang des Jahres eine |IFG-Anfrage abgelehnt|.
Obwohl wie bei den Ergebnissen der Ăberwachungsgesamtrechnung also alle Details offen sind, sagt die IMK erneut im Voraus, was sie von einer Freiheitskommission hĂ€lt: gar nichts. Sie lehnt das unabhĂ€ngige Fachleutegremium âgrundsĂ€tzlichâ ab, kritisiert den vermeintlich âeinseitigen und einschrĂ€nkenden Blickwinkelâ und verbittet sich jede weitere Einmischung in die Gesetzgebung.
Auf unsere Anfrage, ob das BMI diesem Teil des Beschlusses zustimmt, haben wir bisher keine Antwort bekommen. Aber auch so zeichnet sich ab: Ob die Ăberwachungsgesamtrechnung jemals als Grundlage fĂŒr gesetzgeberisches Handeln genutzt und ob sie nach dieser Legislaturperiode jemals berĂŒcksichtigt wird, ist mehr als unsicher.
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|Die Wissenschaftler:innen am MPI wollen|
|Beschluss zu Tagesordnungspunkt 57|
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Tue, 02 Jul 2024 05:03:01 +0000
Tomas Rudl
Das Recht auf Internet hat sich zwar noch nicht weitflĂ€chig durchgesetzt. Jetzt sollen aber die Mindestbandbreiten angehoben werden, um mehr Menschen digitale Teilhabe zu ermöglichen. Als Basis dient ein PrĂŒfbericht der Bundesnetzagentur, den wir veröffentlichen.
Jede:r BĂŒrger:in in Deutschland hat den Anspruch auf einen Internetanschluss zu Hause. Doch gerade in abgelegenen Gebieten sind die Verbindungen schlecht. Geht es nach der Ampelmehrheit im Digitalausschuss, soll die Mindestbandbreite beim âRecht auf Internetâ nun erhöht werden: von 10 MBit/s auf 15 MBit/s im Download und von 1,7 MBit/s auf 5 MBit/s im Upload.
Damit schlieĂen sich die Abgeordneten der Sicht der Bundesregierung sowie der Bundesnetzagentur an. Die entsprechenden AntrĂ€ge soll der Digitalausschuss am Mittwoch billigen und damit den Weg fĂŒr die Erhöhung freimachen.
DarĂŒber berichtet hatte zuerst die |Deutsche Presse-Agentur am Wochenende|. Wir veröffentlichen |die| |Dokumente| nun in Volltext, einschlieĂlich des |PrĂŒfberichts der Bundesnetzagentur zur sogenannten TK-Mindestversorgungsverordnung (TKMV)|.
Der lange erwartete Bericht der Regulierungsbehörde bildet die Grundlage fĂŒr die geplante Erhöhung, die |TKMV steckt wiederum den Rahmen fĂŒr den Rechtsanspruch| im Detail ab. Das Bundesministerium fĂŒr Digitales und Verkehr (BMDV) hat sein Einvernehmen zum Ergebnis des PrĂŒfberichts bereits erteilt.
Die Evaluation habe ergeben, dass die Erhöhung der Werte fĂŒr den Internetzugangsdienst âangemessenâ und sogar âerforderlichâ ist, heiĂt es im Bericht. Denn erstmals wurde dabei auch die âLebenswirklichkeit und die Nutzererfahrung bei der Verwendung der Diensteâ berĂŒcksichtigt.
Dazu zĂ€hlen insbesondere Mehrpersonenhaushalte, wo sich mehrere Nutzer:innen die Bandbreite teilen mĂŒssen. Darauf hingewirkt hatten unter anderem |VerbraucherschĂŒtzer:innen, der Deutsche Landkreistag, der Bundesrat und nicht zuletzt der Digitalausschuss|.
âMit der Mindestversorgung schaffen wir Klarheit darĂŒber, was jedem Haushalt an Internetversorgung zustehen mussâ, sagt Johannes SchĂ€tzl, Berichterstatter der SPD. Zur gesellschaftlichen Teilhabe gehöre die digitale Teilhabe klar dazu. âDeshalb mĂŒssen alle Haushalte, auch mit mehreren Personen, ein Recht darauf haben, am digitalen Leben und Arbeiten teilhaben zu könnenâ, sagt SchĂ€tzl.
Allerdings soll der Anspruch auf Internet weiterhin nur die letzte Haltelinie darstellen, wie der PrĂŒfbericht klarstellt: âDas Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten soll aufgrund der europĂ€ischen Vorgaben als Sicherheitsnetz dienen und die Erbringung der Dienste im Rahmen der Grundversorgung daher nur als Ultima Ratio in Frage kommen.â WĂŒrden die Werte zu hoch liegen, könnte dies den flĂ€chendeckenden privatwirtschaftlichen und geförderten Ausbau beeintrĂ€chtigen, so die Sorge.
Vor solchen |VerdrĂ€ngungseffekten hatte die Breitbandindustrie gewarnt|, was der Regulierungsbehörde zufolge jedoch nicht eingetreten ist. âDer Bundesnetzagentur sind keine FĂ€lle bekannt, in denen aufgrund der Grundversorgung die Nachfrage nach einer Förderung zum Ausbleiben des Projekts gefĂŒhrt hĂ€tteâ. Auch von einem Hemmnis fĂŒr den privatwirtschaftlichen Ausbau sei nicht auszugehen, heiĂt es im Bericht.
Als unbegrĂŒndet hatte sich auch die Angst vor einer Antragsflut erwiesen. Mit rund |300.000 betroffenen Haushalten| hat die Bundesnetzagentur im Vorfeld gerechnet, bislang eingegangen sind jedoch nur einige hundert AntrĂ€ge. In ein paar Dutzend FĂ€llen hat die Regulierungsbehörde tatsĂ€chlich eine Unterversorgung festgestellt.
Zur Versorgung eines Haushaltes hat sie bisher aber nur einen einzigen Netzbetreiber verpflichtet. Es soll sich um das Unternehmen SpaceX handeln, das das Satellitennetzwerk Starlink betreibt. SpaceX soll einen Neubau in Niedersachsen mit einem Anschluss ausstatten, wie jĂŒngst eine |Recherche von netzpolitik.org herausgefunden| hat.
Die moderate Erhöhung der Mindestbandbreiten werde die Anzahl potenziell unterversorgter Adressen nicht explodieren lassen, schĂ€tzt nun der PrĂŒfbericht. Vielmehr könnte sie sich beim verbesserten Upload bemerkbar machen: âBei einer Erhöhung im Upload von 1,7 auf 5 Mbit/s steigt die Anzahl der potenziell unterversorgten Adressen bereits um ca. 13 % (2,54 auf 2,86 Mio.)â, heiĂt es.
Allerdings wurden hierbei bloĂ leitungsgebundene AnschlĂŒsse einbezogen, die Mindestversorgung lĂ€sst sich freilich auch ĂŒber Mobilfunk herstellen. Am Wert fĂŒr die Latenz soll im Ăbrigen nicht gerĂŒttelt werden, weiterhin sollen 150 Millisekunden als maximal zumutbarer Wert gelten.
Verbesserungen soll es zudem beim Antragsprozess geben, der sich in der Praxis als umstĂ€ndlich und langwierig herausgestellt hat. âWir haben uns dafĂŒr stark gemacht, dass die Unterversorgung innerhalb weniger Monate festgestellt werden kannâ, sagen die grĂŒnen Berichterstatter:innen Tabea RöĂner und Maik AuĂendorf in einer gemeinsamen Stellungnahme. âWeil auch der Prozess der Messung sehr aufwendig ist, wollen wir die Bundesnetzagentur auffordern, das |Messtool| zu vereinfachen beziehungsweise zu automatisieren.â
Auch der FDP-Berichterstatter Maximilian Funke-Kaiser wĂŒnscht sich ein schnelleres Verfahren. âMit dem EntschlieĂungsantrag stellen wir nun sicher, dass die Meldung einer Unterversorgung bei der Bundesnetzagentur bĂŒrokratieĂ€rmer und nutzerfreundlicher wirdâ, so der Bundestagsabgeordnete. âDas ist ein weiterer Schritt hin zu einem modernen Staat.â
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|Deutsche Presse-Agentur am Wochenende|
|PrĂŒfberichts der Bundesnetzagentur zur sogenannten TK-Mindestversorgungsverordnung (TKMV)|
|TKMV steckt wiederum den Rahmen fĂŒr den Rechtsanspruch|
|VerdrÀngungseffekten hatte die Breitbandindustrie gewarnt|
|300.000 betroffenen Haushalten|
|Recherche von netzpolitik.org herausgefunden|
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Mon, 01 Jul 2024 11:36:25 +0000
Anna Biselli
48 zivilgesellschaftliche Organisationen wie CCC und Kinderschutzbund fordern die ungarische RatsprĂ€sidentschaft auf, wirksame MaĂnahmen zum Schutz von Kindern zu erarbeiten. Der Verordnungsvorschlag zur Chatkontrolle soll hingegen endlich beerdigt werden.
Bei den EU-Staaten im Rat gibt es nach jahrelangen Verhandlungen immer noch keine Mehrheit fĂŒr eine Chatkontrolle. Zuletzt hatte die belgische RatsprĂ€sidentschaft eine geplante |Abstimmung am 20. Juni abgesagt|, sehr zur Freude von DatenschĂŒtzer:innen und BĂŒrgerrechtsorganisationen. Sie lehnen das anlasslose massenhafte Scannen auch verschlĂŒsselter Kommunikation ab und sagen seit langem: Um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schĂŒtzen, braucht es nicht mehr Ăberwachung und Grundrechtseingriffe, sondern andere MaĂnahmen.
Mit dem 1. Juli endet die RatsprĂ€sidentschaft Belgiens, fĂŒr die nĂ€chsten sechs Monate ĂŒbernimmt Ungarn den Vorsitz im Gremium der EU-Mitgliedstaaten. Das hat ein BĂŒndnis aus 48 zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Anlass fĂŒr einen Appell genommen. |Sie fordern|: EU-Parlament und Rat sollen die Kommission auffordern, den Verordnungsvorschlag zur Chatkontrolle zurĂŒckzuziehen und stattdessen an wirksamen MaĂnahmen zum Kinderschutz zu arbeiten.
DafĂŒr sollen sie âmit Kinderrechtsgruppen, KinderschutzanwĂ€lten, digitalen Menschenrechtsgruppen, IT-Sicherheitsexperten und anderen Technikernâ zusammenarbeiten, um sowohl technische als auch nicht-technische Lösungen zu erarbeiten. Als Beispiele nennen die Organisationen Kinderschutz-Hotlines und PrĂ€ventionsprogramme, eine kinderfreundlichere Justiz und gesellschaftliche MaĂnahmen, âdie den Missbrauch wirksam stoppen, bevor er geschiehtâ.
Zu den unterzeichnenden Organisationen gehören neben der digitalen EU-BĂŒrgerrechtsorganisation EDRi und dem Chaos Computer Club unter anderem auch der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband und der österreichische Verein Lobby4Kids, die sich fĂŒr die Rechte MinderjĂ€hriger einsetzen.
Im Vorfeld des Vorsitzes hatte die designierte ungarische RatsprĂ€sidentschaft angekĂŒndigt, weiter an âeiner langfristigen gesetzlichen Lösung zur Verhinderung und BekĂ€mpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internetâ arbeiten zu wollen.
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|Abstimmung am 20. Juni abgesagt|
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Mon, 01 Jul 2024 10:15:48 +0000
Tomas Rudl
Es wird noch dauern, bis der Digital Services Act sein Versprechen von umfassender Transparenz ĂŒber die Moderationspraktiken von Plattformen erfĂŒllt. Seit einigen Monaten ist die Verordnung vollstĂ€ndig in Kraft, trotzdem befĂŒllen bislang fast nur besonders groĂe Online-Dienste die Transparenzdatenbank der EU.
Die Umsetzung der Transparenzvorgaben des Digital Services Act (DSA) in der FlĂ€che verzögert sich. So befĂŒllt bislang nur ein einziger kleinerer Online-Dienst die Transparenzdatenbank des DSA. Das geht aus einer |Antwort des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton| auf eine Frage des inzwischen aus dem EU-Parlament ausgeschiedenen Abgeordneten Patrick Breyer hervor. Ansonsten enthĂ€lt die Datenbank bislang nur Angaben der besonders groĂen Plattformen, die direkt von der EU-Kommission beaufsichtigt werden.
In Betrieb ist die |öffentlich zugĂ€ngliche Datenbank| seit dem Vorjahr. Sie soll mehr Transparenz in das Verhalten von Online-Diensten bringen, die bislang weitgehend unreguliert Inhalte von Nutzer:innen entfernt, verborgen oder sonstwie moderiert haben. Dem DSA nach, der im |Februar vollstĂ€ndig in Kraft| getreten ist, mĂŒssen sie alle ihre Moderationsentscheidungen in einem maschinenlesbaren Format ĂŒbermitteln und grob offenlegen, aus welchen GrĂŒnden sie bestimmte Entscheidungen getroffen haben.
FĂŒr sehr groĂe Online-Plattformen mit ĂŒber 45 Millionen monatlichen Nutzer:innen in der EU, sogenannte VLOPs (âVery Large Online Platformsâ) wie Facebook oder Pinterest, |gelten die Regeln bereits seit knapp einem Jahr|. Sie haben im vergangenen Herbst erstmals entsprechende Daten ĂŒbermittelt. Alle anderen erfassten Anbieter mĂŒssen sich erst seit einigen Monaten an die Auflagen halten.
WĂ€hrend die VLOPs von der EU-Kommission kontrolliert werden, sind fĂŒr die kleineren Dienste eigens eingerichtete Koordinierungsstellen im EU-Land zustĂ€ndig, in dem der jeweilige Anbieter angesiedelt ist. In Deutschland wurde die |Bundesnetzagentur fĂŒr die Aufgabe als âDigital Services Coordinatorâ| (DSC) abgestellt. Diese Behörden ĂŒbernehmen auch den sogenannten âOnboardingâ-Prozess, der einen möglichst reibungslosen Austausch mit der Transparenzdatenbank sicherstellen soll.
Doch in vielen EU-LĂ€ndern, |darunter Deutschland|, hat sich die Ernennung der DSCs verzögert. Gegen einige Staaten hat die EU-Kommission deshalb sogar |Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet|. Und ohne ein vollstĂ€ndig abgeschlossenes Onboarding, das von den jeweiligen DSCs begleitet wird, sei kein Zugang zu der Datenbank möglich, fĂŒhrt Breton in seiner Antwort aus.
âDerzeit ĂŒbermittelt eine Nicht-VLOP-Plattform aktiv Inhalte an die DSA-Transparenzdatenbank, wĂ€hrend sich 30 Nicht-VLOP-Plattformen mit den DSCs im Onboarding-Prozess befinden und einen Test ihrer Ăbermittlungssysteme in einer Sandbox-Umgebung der DSA-Transparenzdatenbank abschlieĂenâ, schreibt der EU-Kommissar. Aufgrund der hohen Anzahl von Online-Diensten und der Verzögerung bei der Ernennung der DSCs werde der Prozess wohl noch einige Monate dauern, so Breton.
Dies dĂŒrfte auch fĂŒr Deutschland gelten. Im Vorjahr hatte die Bundesnetzagentur eine Studie in Auftrag gegeben, um die fĂŒr den deutschen DSC relevanten Marktakteure zu identifizieren. Demnach gibt es hierzulande |knapp 1.500 Onlineplattformen|, die sich an die Regeln halten mĂŒssen. Offenbar hat sich das aber noch nicht so recht herumgesprochen: âBisher wurden dem deutschen DSC etwa 30 Registrierungen deutscher Plattformen durch die EU-Kommission mitgeteiltâ, gibt eine Sprecherin der Behörde gegenĂŒber netzpolitik.org an.
Der DSC werde in KĂŒrze diese Plattformen zwecks Validierung ihrer Daten kontaktieren, so die Sprecherin. âDarĂŒber hinaus werden wir alle uns zur VerfĂŒgung stehenden Informationswege nutzen, um deutsche Plattformen ĂŒber ihre Registrierungspflicht in der EU-Transparenzdatenbank zu informieren.â
Wie sich der Datenbank entnehmen lĂ€sst, handelt es sich bei der einen bereits meldenden kleineren Plattform um die |Shopping-Plattform Joom|. Das Unternehmen wurde ursprĂŒnglich in Lettland gegrĂŒndet, hat seinen Hauptsitz aber inzwischen nach Portugal verlegt. Offenkundig war ein rechtzeitiges Onboarding dennoch möglich. Mit rund 3.000 EintrĂ€gen verblasst jedoch die von dem Unternehmen ĂŒbermittelte Zahl der Moderationsentscheidungen im Vergleich zum Spitzenreiter Google Shopping. Dieser hat weit mehr Inhalte angefasst als alle anderen Anbieter zusammengerechnet, mehr als zwei Milliarden.
Bis die Datenbank ihren Zweck vollstĂ€ndig erfĂŒllt, dĂŒrfte noch einige Zeit ins Land ziehen. Etwa seien die ĂŒbermittelten Daten nicht einheitlich genug, um sie wirklich miteinander vergleichen zu können, lauteten die |Reaktion auf den ersten Zwischenstand| im Herbst. Zugleich lĂ€sst sich aber jetzt schon ablesen, dass beispielsweise TikTok rund 350 Mal öfter Moderationsentscheidungen pro Nutzer:in trifft als X (ehemals Twitter), ergab |eine der ersten Studien|, die auf das Zahlenmaterial zurĂŒckgegriffen hatte.
Trotz der ersten âpositiven Schritteâ sollte die EU-Kommission die Online-Dienste dazu drĂ€ngen, die Regeln einheitlich auszulegen und ihre Entscheidungen ausfĂŒhrlicher zu begrĂŒnden, fordert die |Rechtswissenschaftliche FakultĂ€t Leuven| in Belgien. Tiefere Einblicke sollte der ebenfalls im |DSA vorgesehene Zugang fĂŒr Forschung| gewĂ€hren, der allerdings auch noch nicht |umfĂ€nglich ins Rollen| gekommen ist.
Zumindest hat indes der politische Druck gewirkt: Nachdem Meta im MĂ€rz ĂŒberraschend den |Zugang zum Analysetool CrowdTangle fĂŒr Journalist:innen abgeklemmt| hatte, reagierte die |Kommission mit einer PrĂŒfung|. Knapp einen Monat spĂ€ter |öffnete Meta den Dienst wieder|, mit dem sich unter anderem die Ausbreitung von Desinformation untersuchen lĂ€sst.
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|Antwort des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton|
|öffentlich zugÀngliche Datenbank|
|Februar vollstÀndig in Kraft|
|gelten die Regeln bereits seit knapp einem Jahr|
|Bundesnetzagentur fĂŒr die Aufgabe als âDigital Services Coordinatorâ|
|Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet|
|knapp 1.500 Onlineplattformen|
|Reaktion auf den ersten Zwischenstand|
|Rechtswissenschaftliche FakultÀt Leuven|
|DSA vorgesehene Zugang fĂŒr Forschung|
|Zugang zum Analysetool CrowdTangle fĂŒr Journalist:innen abgeklemmt|
|Kommission mit einer PrĂŒfung|
|öffnete Meta den Dienst wieder|
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Mon, 01 Jul 2024 06:56:27 +0000
Casey Kreer
Der âAtlas Digitale Barrierefreiheitâ kommt zu dem Ergebnis, dass nahezu alle Online-Angebote der deutschen Kommunen erhebliche MĂ€ngel bei der digitalen Barrierefreiheit aufweisen. An der Auswertung waren erstmals auch Menschen mit Behinderung beteiligt. Das klingt fundiert recherchiert und dramatisch â allerdings nur auf den ersten Blick.
Manchmal berichten Medien darĂŒber, wie schlecht es um die digitale Barrierefreiheit bei deutschen Behörden bestellt ist. Dass Menschen mit Behinderung von vielen staatlichen Online-Angeboten ausgeschlossen sind, ist dabei lĂ€ngst keine Neuigkeit mehr.
Der neue |âAtlas digitale Barrierefreiheitâ| hat bei 97 Prozent der insgesamt 10.835 getesteten kommunalen Websites MĂ€ngel festgestellt. Das klingt zunĂ€chst schockierend hoch, deckt sich aber auf den ersten Blick weitgehend mit dem |Bericht der Ăberwachungsstelle des Bundes fĂŒr Barrierefreiheit in der Informationstechnik (BFIT Bund) aus dem Jahr 2021|. Er kam zu dem Schluss, dass keines der geprĂŒften Digitalangebote alle Anforderungen erfĂŒllen konnte. Insgesamt bewertete das BFIT jedoch 80 Prozent der Anforderungen als âerfĂŒlltâ.
Der âAtlas digitale Barrierefreiheitâ wird vom Verein âInclusion Tech Lab e.V.â herausgegeben. Nach Angaben des Vereins haben auch Menschen mit Behinderung daran mitgewirkt. Jede untersuchte Kommune konnte maximal fĂŒnf Punkte erreichen. Bestehende gesetzliche Vorgaben und Definitionen digitaler Barrierefreiheit wurden dabei allerdings nicht berĂŒcksichtigt. Stattdessen entwickelte der Verein gemeinsam mit behinderten Menschen ohne technische Vorkenntnisse eigene Testkriterien.
All dies erweckt den Anschein von direkter Betroffenheit, AuthentizitĂ€t und GlaubwĂŒrdigkeit. TatsĂ€chlich weist die Studie aber grobe Schnitzer auf. Im Ergebnis könnte sie der Barrierefreiheit mehr schaden als nĂŒtzen.
Die Untersuchung basiert auf den folgenden manuell geprĂŒften Kriterien:
Kann die SchriftgröĂe verĂ€ndert werden?
Gibt es eine Vorlesefunktion?
Gibt es ein Angebot in Leichter Sprache?
Wird das Thema Barrierefreiheit auf der Seite erwÀhnt?
Kann man in wenigen Minuten herausfinden, wo man einen Termin zur VerlÀngerung des Personalausweises vereinbaren kann?
Die Kriterien 1 bis 4 lieĂen sich mit relativ geringem Aufwand auch automatisiert zuverlĂ€ssig ĂŒberprĂŒfen. Dennoch hat sich der Verein fĂŒr eine manuelle PrĂŒfung entschieden. Ein Sprecher des Vereins bestĂ€tigte gegenĂŒber netzpolitik.org, was auch auf der Internetseite des Projekts zu lesen ist: Eine technische Analyse habe nicht im Vordergrund gestanden. Vielmehr hĂ€tten sich behinderte Menschen dem Thema âaus ihrem eigenen Erleben heraus genĂ€hertâ.
Die PrĂŒfkriterien haben viel Kritik hervorgerufen, auch von behinderten Menschen. So sagte der Barrierefreiheitsexperte Dennis Westphal gegenĂŒber netzpolitik.org:
Drei der fĂŒnf Kriterien sind aus meiner Sicht nicht nĂŒtzlich, um Barrierefreiheit zu testen. Die Vorlesefunktion und die SchriftgröĂenverĂ€nderung einerseits. Wer eine gröĂere Schrift oder den Inhalt vorgelesen braucht, der braucht diese Funktionen systemweit und nicht auf jeder Internetseite erneut â und damit andersartig â implementiert. Ob das Thema Barrierefreiheit auf der Seite erwĂ€hnt wird, ist zudem ein sehr merkwĂŒrdiges Kriterium. Schreibt eine Kommune also: âBarrierefreiheit ist uns komplett egalâ wĂ€re dieses Kriterium erfĂŒllt.
DarĂŒber hinaus weisen die Daten der Erhebung gravierende Fehler auf oder sind veraltet. So erhielt die sĂ€chsische Landeshauptstadt Dresden keinen Punkt fĂŒr ihr Angebot in âLeichter Spracheâ, obwohl ein solches Angebot vorhanden ist. |Gleichzeitig bekamen 38 Orte der rheinland-pfĂ€lzischen Verbandsgemeinde Kirchberg (HunsrĂŒck) die Höchstnote|, obwohl ihre Seite offensichtlich keines der fĂŒnf Kriterien erfĂŒllt.
ErfĂŒllt ein Angebot die Kriterien 3 und 4 nicht, verstöĂt es gegen die |Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)|. Behinderte Menschen haben dann die Möglichkeit, ein â oft langwieriges â Beschwerdeverfahren bei einer Durchsetzungsstelle einzuleiten. Jede behördliche Website muss mindestens eine âErklĂ€rung zur Barrierefreiheitâ enthalten und grundlegende Informationen auch in Leichter Sprache anbieten. Die Kriterien 1, 2 und 5 werden von keiner Spezifikation in diesem Bereich abgedeckt.
Auf Nachfrage von netzpolitik.org erklĂ€rte der Vereinssprecher zudem, dass aufgrund von GemeindeverbĂ€nden in einigen BundeslĂ€ndern statt der angekĂŒndigten 11.000 Links nur rund 7.000 verschiedene URLs ĂŒberprĂŒft worden seien. Also nur etwa zwei Drittel der Seiten, mit denen der Verein den Atlas bewirbt.
Die manuellen ĂberprĂŒfungen fĂŒhrten Mitarbeitende der DasDies Service GmbH durch. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Arbeiterwohlfahrt und betreibt eine sogenannte Werkstatt fĂŒr Menschen mit Behinderung (WfbM). |Behindertenrechtsaktivist*innen wie RaĂčl Krauthausen fordern regelmĂ€Ăig die SchlieĂung dieser Betriebe|, da die BeschĂ€ftigten dort in der Regel keinen Mindestlohn erhalten und die Vermittlungsquote an den sogenannten ersten Arbeitsmarkt bei unter einem Prozent liegt.
Die ĂberprĂŒfung einer einzelnen Seite dauert schĂ€tzungsweise mehr oder weniger 15 Minuten. Legt man dabei den Mindestlohn zugrunde, kostet die ĂberprĂŒfung von 7.000 URLs mehr als 26.000 Euro. Hinzu kommen Kosten fĂŒr Marketing und die eigens entwickelte Projekt-Website. Die Aktion Mensch, die das Projekt finanziert hat, teilte gegenĂŒber netzpolitik.org mit, dass die Förderung insgesamt 298.693 Euro betrug â mehr als das Elffache dessen also, was den mit Abstand gröĂten Kostenpunkt des Projekts ausmachen sollte.
UnabhĂ€ngig davon stellt sich die Frage, inwieweit es der Inklusion dient, wenn solche vermeintlich wichtigen Projekte ein grundsĂ€tzlich diskriminierendes System nutzen. Um das bloĂe Vorhandensein einzelner FunktionalitĂ€ten zu prĂŒfen, spielt die Behinderung der PrĂŒfenden keine Rolle.
Akteure im Bereich der digitalen Barrierefreiheit befĂŒrchten, dass die Kommunen das Thema wegen der schlichten PrĂŒfungskriterien auch weiterhin oberflĂ€chlich behandeln werden, anstatt fĂŒr umfassende Barrierefreiheit und echte Teilhabemöglichkeiten zu sorgen.
TatsĂ€chlich ist zu befĂŒrchten, dass die Behörden in Zukunft verstĂ€rkt auf automatisierte Lösungen wie âDigiAccessâ oder âEyeAbleâ setzen werden, wie es beispielsweise auch die mit fĂŒnf von fĂŒnf Punkten bewertete |Stadt Kiel| tut. Diese sogenannten Overlays erweitern digitale Angebote zwar um eine Vorlesefunktion und können die Darstellung einzelner Webseiten individuell anpassen, garantieren aber noch keine Barrierefreiheit, wie der Deutsche |Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)| und das |European Disability Forum| kritisieren.
In der Diskussion um Barrierefreiheit spielt auch die sogenannte KĂŒnstliche Intelligenz eine immer gröĂere Rolle. |Die Neue Rhein Zeitung zitiert| den Vorstandsvorsitzenden vom Inclusion Techn Lab e.V., Dr. Raimund Schmolze-Krahn, in einem Artikel ĂŒber den âAtlasâ: âSo koÌnnte sich das Argument, dass [Ăbersetzungen in Leichte Sprache] zu teuer sind, bald erledigt habenâ. Dass das einen |groĂen Einschnitt in die Selbstbestimmung und die Freiheit| von Menschen mit Behinderung bedeuten könnte, findet dabei keine ErwĂ€hnung.
Eric Eggert befĂŒrchtet, dass der Atlas in dieser Hinsicht mehr schadet als nĂŒtzt. Eggert ist Experte fĂŒr digitale Barrierefreiheit und ehemaliges Mitglied des World Wide Web Consortium. Auf Mastodon |schreibt er| ĂŒber den âAtlas digitale Barrierefreiheitâ:
Die ganze Aktion ist amateurhaft â was ok ist, wenn man die Sache entsprechend qualifiziert. Es gibt nĂ€mlich oft eine Dissonanz zwischen dem, was Menschen (mit Behinderungen ganz speziell) benötigen und was technisches Testen nicht abbilden kann. Diese LĂŒcke schlieĂen wir aber nicht mit Marketing-Kampangen, die nur dazu fĂŒhren, dass Gemeinden Overlays auf ihre Seiten werfen, sondern mit guter, fundierter Barrierefreiheitsarbeit.
Eggert stellte fest, dass die Kampagnen-Website selbst |einige Probleme mit der Barrierefreiheit aufweist|.
Der âAtlas digitale Barrierefreiheitâ enthĂ€lt keine relevanten neuen Erkenntnisse. Neu sind vor allem der vermeintlich selbstbestimmte Anstrich und der regionale Bezug. Menschen mit Behinderungen könnten einen wesentlich wertvolleren Beitrag zur Verbesserung ihrer Teilhabemöglichkeiten leisten als mit einer solchen Analyse. Sie wissen aus eigener Erfahrung oft sehr gut, wie Probleme der Barrierefreiheit gelöst werden können. In vielen FĂ€llen reichen die gesetzlichen Anforderungen aus, um diese Probleme aufzudecken.
Die BFIT Bund wird in diesem Jahr einen neuen Bericht fĂŒr die EuropĂ€ische Union vorlegen â mit wahrscheinlich Ă€hnlich niederschmetternden Ergebnissen wie der Atlas. Allerdings ist der Bericht des BFIT Bund fundierter als dieser. Denn er stĂŒtz sich auf zahlreiche Fachgutachten, die die Ăberwachungsstelle in den vergangenen Jahren eingeholt hat.
Mit den Erkenntnissen aus diesen Gutachten können die Behörden an die Arbeit machen. Und sie können Expert*innen mit Behinderung einladen, die die Erkenntnisse des Berichts bewerten und gemeinsam mit den Behörden die angefĂŒhrten Probleme beheben. Zielstrebig und ohne viele Irrwege.
Update, 1. Juli, 20:00 Uhr: Wir haben den Beitrag um Informationen von Aktion Mensch ergÀnzt.
|Casey Kreer| ist Software-Entwicklerin und arbeitet freiberuflich als Consultant fĂŒr digitale Barrierefreiheit. Sie ist Aktivistin fĂŒr die Rechte von Menschen mit Behinderung, insbesondere bei der Verwaltungsdigitalisierung. Casey engagiert sich fĂŒr einen selbstbestimmten Zugang zu staatlichen Informationen und einen reflektierten Einsatz von kĂŒnstlicher Intelligenz.
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|âAtlas digitale Barrierefreiheitâ|
|Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)|
|Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)|
|Die Neue Rhein Zeitung zitiert|
|groĂen Einschnitt in die Selbstbestimmung und die Freiheit|
|einige Probleme mit der Barrierefreiheit aufweist|
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Sun, 30 Jun 2024 06:08:50 +0000
Martin Schwarzbeck
Im Mai warf der Podcast von netzpolitik.org ein Schlaglicht auf zunehmendes staatliches Vorgehen gegen Kirchenasyl. Inzwischen verhandelt die evangelische Kirche darĂŒber mit dem Bundesamt fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge. Niedersachsen will solange auf Abschiebungen aus sakralen RĂ€umen verzichten, andere BundeslĂ€nder sind dazu nicht bereit.
Es ist Sonntag, spĂ€t am Abend, als die Polizei mit mehreren Fahrzeugen die Zufahrt des Pfarrhauses der St.-Michaelis-Gemeinde im niedersĂ€chsischen BienenbĂŒttel blockiert. Etwa zehn Beamt*innen, |so der zustĂ€ndige Kirchenkreis Uelzen|, umstellen das Gemeindehaus. Die Polizei hat einen Durchsuchungsbeschluss fĂŒr alle RĂ€ume der Gemeinde dabei, dringt in eine Wohnung im Gemeindehaus ein und fĂŒhrt eine russische Familie ab, die dort Unterschlupf gefunden hatte.
Vater und Sohn verweigern den Kriegsdienst fĂŒr Russland. Sie können nicht zurĂŒck in ihr Land. Hier im Landkreis Uelzen haben sie Verwandte und Freunde, die ihnen halfen, in der Fremde zurechtzukommen. Doch das ist jetzt vorbei. Noch in der gleichen Nacht, vom 12. auf den 13. Mai dieses Jahres, setzen Beamt*innen die Familie in ein Flugzeug nach Spanien, da sie fĂŒr das Land Visa besitzt. Dort kennt die Familie niemanden. Die spanischen Behörden wurden nicht ĂŒber die Ăberstellung informiert, Hilfsangebote gibt es keine. Die Familie ist nun auf sich allein gestellt.
Der Vorfall ist ein Beispiel dafĂŒr, wie die Polizei zuletzt verstĂ€rkt gegen das Kirchenasyl vorgeht â und nicht das einzige. Dass die Polizei Kirchen oder kirchlich genutzte RĂ€ume stĂŒrmt, war lange Zeit ein Tabu. Doch im Zuge eines zunehmend repressiven Asyldiskurses werden immer öfter GeflĂŒchtete von der Polizei im Auftrag des Bundesamts fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge (BAMF) aus dem Kirchenasyl geholt und abgeschoben oder an andere EU-Staaten ĂŒberstellt. Seit Juli 2023 gab es sieben versuchte oder vollzogene RĂ€umungen eines Kirchenasyls, das sind |nach Recherchen von netzpolitik.org| mehr RĂ€umungen als in den zehn Jahren zuvor.
Der jĂŒngste Fall stammt vom 20. Juni, dabei wurde |ein 24-jĂ€hriger Georgier aus dem Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen nach Tiflis abgeschoben|. Im Februar wurde ein |syrischer Kurde aus dem Kirchenasyl in Rheinland-Pfalz nach DĂ€nemark ĂŒberstellt|, wo er jetzt auf unbestimmte Zeit in Abschiebehaft sitzt. Kurz vor Weihnachten war bei der versuchten |Abschiebung zweier afghanischer BrĂŒder aus dem Kirchenasyl in Schwerin|, Mecklenburg-Vorpommern, sogar ein Spezialeinsatzkommando im Einsatz.
Auch die fĂŒr das Kirchenasyl Verantwortlichen sind neuerdings verstĂ€rkt im Visier. In |Folge zwei unseres Podcasts Systemeinstellungen| berichten wir ĂŒber eine Pfarrerin aus Rheinland-Pfalz, die GeflĂŒchteten Schutz in kirchlichen RĂ€umen bot. Daraufhin durchsuchte die Polizei ihr BĂŒro, ihren Computer und ihr Handy. Gleichzeitig drang die Polizei in vier weitere BĂŒros und PrivathĂ€user von Geistlichen aus der Gegend ein.
Steht das Kirchenasyl vor dem Aus? Die niedersĂ€chsische Innenministerin Daniela Behrens, SPD, veröffentlichte Ende Mai ein Statement mit dem Wortlaut: âIn den vergangenen Jahren ist die Zahl der FĂ€lle von Kirchenasyl in Deutschland und in Niedersachsen stark gestiegen. Gleichzeitig erkennt das BAMF nur in den wenigsten FĂ€llen an, dass es sich bei den Verfahren um HĂ€rtefĂ€lle handelt. Das bringt uns als Land in eine Situation, in der wir Ăberstellungen, wie die der Familie aus BienenbĂŒttel nach Spanien, in Vollzugshilfe fĂŒr das BAMF trotz menschlicher HĂ€rten durchfĂŒhren mĂŒssen.â
Behrens kommunizierte im Nachgang des Falls, dass ihr durchaus bewusst sei, wie belastend dieses Vorgehen fĂŒr die Betroffenen und auch die betroffenen Gemeinden sei und kĂŒndigte an, dass in Niedersachsen zunĂ€chst keine Abschiebungen und Ăberstellungen mehr aus dem Kirchenasyl stattfinden sollen.
Andere BundeslĂ€nder geben sich weniger zurĂŒckhaltend. Wie eine Umfrage von netzpolitik.org zeigt, bekennen sich lediglich Berlin und Hessen zum Verzicht auf Abschiebungen aus sakralen RĂ€umen, Rheinland-Pfalz kommuniziert zumindest den Wunsch, dass solche RĂ€umungen nicht stattfinden. Acht weitere BundeslĂ€nder, die geantwortet haben, wollen ihre Praxis nicht Ă€ndern. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt etwa schreibt, Kirchenasyl bestehe âals gegenĂŒber staatlichen Institutionen geltendes und zu beachtendes Recht nicht (mehr)â.
Der Druck, einen sinnvollen Umgang mit dem Kirchenasyl zu finden, wird immer höher. Denn die Zahl der Menschen, die in Kirchenasylen beherbergt werden, steigt. 2023 zĂ€hlte die Ăkumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche |2.065 FĂ€lle von Kirchenasyl| in Deutschland, so viele wie noch nie seit Beginn der ZĂ€hlung in 2015. FĂŒr dieses Jahr sind mit Stand April bereits |594 FĂ€lle von Kirchenasyl| mit mindestens 780 schutzsuchenden Personen bekannt, darunter etwa 131 Kinder.
Meist geht es um Menschen, die ĂŒber ein anderes Land in die EU eingereist sind. Nach der |Dublin-III-Verordnung| ist der entsprechende Staat fĂŒr ihren Asylantrag zustĂ€ndig. Halten sich die Betroffenen jedoch lĂ€nger als sechs Monate in Deutschland auf, wĂ€hrend ihr Aufenthaltsort den Behörden bekannt ist, wird ihr Asylverfahren in Deutschland gefĂŒhrt. Diese sechs Monate ĂŒberstehen immer mehr Betroffene im Kirchenasyl. In den meisten FĂ€llen ist das Vorgehen erfolgreich.
Das |Kirchen- oder Heiligtumsasyl ist ein uralter Brauch|, er stammt noch aus vorchristlichen Zeiten. Die moderne Form existiert in Deutschland seit 1983, als in einer Kirche in Berlin-Kreuzberg drei palÀstinensische Familien Schutz vor der Abschiebung fanden.
Es gibt keine gesetzliche Grundlage fĂŒr das Kirchenasyl, aber eine |Vereinbarung der Kirchen mit dem Bundesamt fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge| aus dem Jahr 2015. Diese sieht vor, dass die Gemeinden, die Kirchenasyl gewĂ€hren, das BAMF kontaktieren und in einem Dossier darlegen, warum es sich bei den Schutzsuchenden ihrer Meinung nach um besondere HĂ€rtefĂ€lle handelt. Das BAMF lehnt die Argumentation in der Praxis meist ab. Seit Ende Mai laufen neue GesprĂ€che zwischen der Evangelischen Kirche und dem BAMF ĂŒber die Definition schutzwĂŒrdiger HĂ€rtefĂ€lle.
Initiiert hat die GesprĂ€che Daniela Behrens, die Innenministerin von Niedersachsen. |Sie versprach|, dass das Land Niedersachsen keine Menschen aus dem Kirchenasyl abschieben oder an andere EU-Staaten ĂŒberstellen wird, so lange kein Ergebnis der GesprĂ€che vorliegt. âDas NiedersĂ€chsische Ministerium fĂŒr Inneres und Sport (MI) hat die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) und die niedersĂ€chsischen AuslĂ€nderbehörden gebeten, zunĂ€chst keine weiteren Ăberstellungen aus dem Kirchenasyl vorzunehmen, bis ein Ergebnis der handelnden Akteure (BAMF/Kirche) vorliegtâ, schreibt ihr Ministerium auf Nachfrage von netzpolitik.org.
Und wie sieht es aus in den anderen BundeslÀndern? Nimmt man sich dort Niedersachsen zum Vorbild und achtet das Kirchenasyl zumindest so lange, bis BAMF und Kirche sich geeinigt haben? Wir haben alle BundeslÀnder angefragt, 13 haben geantwortet. Nur drei davon bekennen sich zum Verzicht auf Abschiebungen aus dem Kirchenasyl, ein weiteres gibt zumindest an, sie vermeiden zu wollen.
Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt betont hingegen die fehlende Rechtsgrundlage des Kirchenasyls. Weiter heiĂt es: âInsbesondere gibt es EinzelfĂ€lle, die die Entscheidung der jeweiligen Kirchengemeinde fĂŒr ein Kirchenasyl besonders fragwĂŒrdig erscheinen lassen und ein staatliches Handeln erfordern.â Bei einer im Kirchenasyl aufgenommenen Person habe es sich beispielsweise um ein mutmaĂliches Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat gehandelt.
Das Innenministerium von ThĂŒringen schreibt: âDas zwischen dem BAMF und den Kirchen abgestimmte Verfahren findet unverĂ€ndert Anwendung.â Das bedeutet, sobald das BAMF die HĂ€rtefallargumentation bezĂŒglich einer oder eines Schutzsuchenden ablehnt, kann eine Abschiebung erfolgen.
Auch Bayern gibt an, das Kirchenasyl weiter wie gehabt handhaben zu wollen.
In Baden-WĂŒrttemberg ist man ebenfalls nicht bereit, ĂŒber die aktuell gĂŒltige Vereinbarung hinaus ZugestĂ€ndnisse zu machen â auch nicht im Rahmen der laufenden GesprĂ€che. Aufenthaltsbeendende MaĂnahmen werden âbis zur negativen Mitteilung des BAMF ĂŒber eine erneute EinzelfallprĂŒfung zurĂŒckgestelltâ, so das Justizministerium. Danach sind sie durchfĂŒhrbar.
Auch im Saarland gibt es kein Moratorium im Rahmen der laufenden GesprĂ€che zwischen Kirche und BAMF. âWir respektieren im Rahmen des geltenden Rechts und der mit den Kirchen getroffenen Absprachen deren RĂ€ume. Es handelt sich hierbei aber nicht um rechtsfreie RĂ€umeâ, so das Innenministerium.
Sachsen ist ebenfalls nicht bereit, sich dem Vorbild von Niedersachsen anzuschlieĂen. "Nichtstaatliche Einrichtungen wie die Kirchen können keine Sonderrechte fĂŒr sich beanspruchen und selbstĂ€ndig Asyl gewĂ€hren, sondern auch kirchliche RĂ€ume unterliegen der Rechtsbindung." Das Grundrecht auf Asyl werde nur durch den Staat garantiert. "Umgekehrt können sich auch die Kirchen auf den Schutz vor Rechtsverletzung und Ahndung von Straftaten gegen die Kirche durch den Staat verlassen", so das SĂ€chsische Staatsministerium des Innern.
In Hamburg ist man noch am Hadern. Die Ăberlegungen, ob man sich dem Vorbild von Niedersachsen anschlieĂen wolle, âsind noch nicht abgeschlossenâ, so die Innenbehörde. Am Vorgehen der Gemeinden, die Kirchenasyl aufrecht erhalten, nachdem das BAMF das Vorliegen eines HĂ€rtefall verneint hat, ĂŒbt man Kritik. Das Ministerium respektiere den besonderen Charakter sakraler RĂ€ume, "wir erwarten jedoch auch, dass die Kirche das geltende Recht und die Vereinbarung mit dem BAMF respektiert.â
Die Pressesprecherin des Bremer Innensenators stellt fest, dass die FĂ€lle von Kirchenasyl âin jĂŒngster Zeit sehr stark zugenommen haben. Auf Grundlage dieser neuen Situation beabsichtigt der Bremer Innensenator kurzfristig das GesprĂ€ch mit den Kirchen als auch mit dem BAMF zu fĂŒhren.â
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es trotz der laufenden GesprĂ€che kein Moratorium. Allerdings wĂŒrde sich das Land in ebendiese aktiv einbringen. âDialog und Kompromissbereitschaft der zentralen Akteure (BAMF und Kirchen) sind dabei zwei wichtige Pfeiler, die nach unserer Beobachtung von beiden Seiten wieder stĂ€rker in den Blick zu nehmen sind. DafĂŒr wirbt das Land intensiv, beispielhaft wĂ€hrend eines Austausches von Ministerin Paul mit Vertretern der Landeskirchen von Anfang Mai 2024â, so das Ministerium fĂŒr Flucht und Integration.
In Rheinland-Pfalz fanden gerade GesprĂ€che zum Thema Kirchenasyl statt, zwischen evangelischer und katholischer Kirche, den Kommunalen SpitzenverbĂ€nden und dem Ministerium fĂŒr Integration, "um sich erneut ĂŒber das Vorgehen in diesen FĂ€llen auszutauschen", so das Ministerium. "Ausgehend vom Konsens, Kirchenasyle nicht polizeilich rĂ€umen lassen zu wollen, wurde der unbedingte Vorrang einvernehmlicher und konfliktfreier Lösungen und die Bedeutung einer von beiden Seiten ausgehenden und kontinuierlichen Kommunikation hervorgehoben."
Berlin kommuniziert derweil deutlichen Respekt vor dem Kirchenasyl. âSelbst nach negativem Abschluss des Dossierverfahrens sieht das Land Berlin von aufenthaltsbeendenden MaĂnahmen aus einem weiterhin gewĂ€hrten Kirchenasyl grundsĂ€tzlich ab, wenn sich die/der Betroffene weiterhin dauerhaft in den RĂ€umlichkeiten der Religionsgemeinschaft aufhĂ€lt und dies dem Landesamt fĂŒr Einwanderung konkret mitgeteilt wurde. RĂŒckfĂŒhrungen und Ăberstellungen aus diesen RĂ€umlichkeiten finden nicht stattâ, so die Senatsverwaltung fĂŒr Inneres. Allerdings sieht man dort auch die Gemeinden in der Pflicht. Die Vereinbarung schreibe vor, âdass die Gemeinde das Kirchenasyl beendet, wenn das Dossierverfahren negativ abgeschlossen wurde.â
Hessen prĂ€sentiert sich ganz Ă€hnlich: "In der Vergangenheit wie auch aktuell werden in Hessen aus Respekt vor der christlich-humanitĂ€ren Tradition des Kirchenasyls und den kirchlichen Institutionen keine aufenthaltsbeendenden MaĂnahmen wĂ€hrend der Dauer des Kirchenasyls durchgefĂŒhrt", schreibt das hessische Innenministerium. Umso wichtiger sei es aber "um ein gezieltes Unterlaufen der Asylgesetze zu verhindern - dass die Kirchen das mit dem Bundesamt fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge (BAMF) vereinbarte sog. Dossier-Verfahren, durch das ein HĂ€rtefall begrĂŒndet werden kann, einhalten und Betroffene danach umgehend wieder aus dem Kirchenasyl entlassen, um deren RĂŒckfĂŒhrung nicht dauerhaft zu vereiteln."
Das deutlichste Bekenntnis pro Kirchenasyl kommt aus Mecklenburg-Vorpommern. Abschiebungen aus dem Kirchenasyl durch die AuslĂ€nderbehörden in Mecklenburg-Vorpommern hĂ€tten in der Vergangenheit nicht stattgefunden und seien auch fĂŒr die Zukunft nicht geplant, so das dortige Innenministerium. "Die von Niedersachsen gegebene Zusicherung, Abschiebungen aus dem Kirchenasyl auszuschlieĂen, entspricht der in MV gelebten Praxis im Umgang mit dem Kirchenasyl", heiĂt es weiter.
Allerdings gab es im Dezember 2023 eine versuchte Abschiebung von zwei afghanischen BrĂŒdern aus einem Kirchenasyl in Schwerin, das in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Sie kam nicht zustande, weil die Mutter der beiden |mit einem erweiterten Suizid gedroht hatte|. Laut dem Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern widerspricht die versuchte Abschiebung nicht der Zusicherung, dass die AuslĂ€nderbehörden von Mecklenburg-Vorpommern das Kirchenasyl respektieren. Denn der Zugriff der Polizeiinspektion Schwerin habe aufgrund eines Amtshilfeersuchens der AuslĂ€nderbehörde von Kiel in Schleswig-Holstein stattgefunden.
Update, 1.7.2024, 10.53 Uhr: Wir haben den Beitrag um die Antwort von Mecklenburg-Vorpommern ergÀnzt.
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|so der zustÀndige Kirchenkreis Uelzen|
|nach Recherchen von netzpolitik.org|
|ein 24-jÀhriger Georgier aus dem Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen nach Tiflis abgeschoben|
|syrischer Kurde aus dem Kirchenasyl in Rheinland-Pfalz nach DĂ€nemark ĂŒberstellt|
|Abschiebung zweier afghanischer BrĂŒder aus dem Kirchenasyl in Schwerin|
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|mit einem erweiterten Suizid gedroht hatte|
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Sat, 29 Jun 2024 06:09:51 +0000
Vincent Först
Content Creator:innen machen Handarbeit und erstellen daraus digitale Inhalte fĂŒr die sozialen Medien. Jenseits von Selbstinszenierung und verstecktem Product Placement erleben so Millionen Menschen traditionelle Handwerkskunst im Netz.
Mitte der 1960er Jahre fand der französische Philosoph Guy Debord |harte Worte| fĂŒr die westliche Gesellschaft: Die Menschen verlieren sich im Kaufrausch und oberflĂ€chlicher Unterhaltung. Je mehr Bilder sie konsumieren und sich dabei selbst zu Abbildern machen, desto weniger verstehen sie ihre Existenz und ihre wahren BedĂŒrfnisse. GlĂŒcklicherweise musste Debord den Aufstieg der sozialen Medien nicht mehr miterleben. Rund dreiĂig Jahre nach seinem Tod verbringen deutsche Jugendliche durchschnittlich |3,5 Stunden tĂ€glich an ihrem Smartphone|.
Es ist nicht alles schlecht, was dabei ĂŒber die Bildschirme flimmert. In den endlosen Feeds der sozialen Medien finden sich auch berĂŒhrende, differenzierte und sehenswerte Inhalte. Und manchmal gewĂ€hren sogenannte âMakerâ auch Einblicke unter die glatte OberflĂ€che von Tech-Gadgets und hinter die strahlende Haut von Influencer:innen.
Einer von ihnen ist der Erfinder, Handwerker und KĂŒnstler Uri Tuchman. Tuchman bezeichnet sich selbst als âYouTube-Makerâ. âWenn du etwas mit deinen HĂ€nden herstellst und es spĂ€ter als Video hochlĂ€dst, macht dich das eigentlich schon zu einem YouTube-Makerâ, sagt Tuchman im GesprĂ€ch mit netzpolitik.org. YouTube-Maker seien in erster Linie Content Creator:innen, da sie ihr Handwerk zu Content machen.
Tuchman baut wundersame Maschinen und Objekte, die einem Fantasy-Roman entsprungen sein könnten. Eine motorbetriebene |Nasenbohrmaschine| zum Beispiel. Oder ein |GemĂ€lde|, das dem Betrachter mit den Augen folgt. Oder eine Nachbildung seiner selbst als |antiken Automaten|. Den Herstellungsprozess begleitet er mit der Kamera. Aus den Bauprojekten, an denen Tuchman manchmal monatelang arbeitet, entstehen |YouTube-Videos|, die zwischen 10 und 25 Minuten lang sind. Rund 340.000 Abonnent:innen folgen dem Maker dafĂŒr.
Tuchman muss bei der Arbeit oft improvisieren. Er wiederholt Arbeitsschritte, tauscht defekte Teile aus oder verwendet alternative Materialien. Der Reiz der Videos liegt letztlich nicht in einem fehlerfreien Endprodukt, sondern in der Sichtbarmachung des Prozesses und des Menschen dahinter. âDie Zuschauer wollen vor allem hinter den Vorhang schauen und sehen, wie man seine Fertigkeiten verbessertâ, sagt Tuchman.
Content Creation stellt fĂŒr Erfinder:innen, Handwerker:innen und Do-it-yourself-Fans eine Möglichkeit dar, mit ihren ungewöhnlichen FĂ€higkeiten den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihre handgefertigten WerkstĂŒcke haben kaum eine Chance, mit massengefertigten Produkten zu konkurrieren. FĂŒr Tuchman, der ursprĂŒnglich aus der zeitgenössischen Kunstszene kommt, bot YouTube eine Alternative zum oftmals komplizierten GeschĂ€ft mit Galerien und Kurator:innen.
âEinen YouTube-Kanal zu eröffnen, dauert nur fĂŒnf Minuten. Es gibt keine Gatekeeper. Das war fĂŒr mich sehr verlockendâ, erklĂ€rt Tuchman. Als Arbeitgeber sei YouTube zudem fast unsichtbar. Zwar stellt die Plattform eine Reihe von Tools zur VerfĂŒgung, um die Performance der Videos zu analysieren und zu verbessern. Bei NotfĂ€llen â wie |gehackten Accounts| â mĂŒssen Content Creator:innen oft erst ihre Community auf anderen Plattformen wie Twitter um Hilfe bitten, damit ein Problem sichtbar wird. âWenn du nicht genug Follower hast, kann das zum Problem werdenâ, fĂŒgt Tuchman hinzu.
Wer mit seinem Kanal am sogenannten â|Youtube-Partnerprogramm|â teilnehmen möchte, muss mindestens 1000 Abonnent:innen und 4000 Stunden Videowiedergabe oder wahlweise 10 Millionen Aufrufe von YouTube-Shorts vorweisen können (Stand Juni 2024). Den Partner:innen zahlt YouTube einen Teil der Werbeeinnahmen aus. Der Betrag liegt nach der Recherche eines YouTubers |zwischen einem und dreiĂig Dollar| pro 1000 Videoaufrufe.
Wie viel Geld die Creator:innen letztendlich mit ihren Videos verdienen, hĂ€ngt von |verschiedenen Parametern| ab. Werbekund:innen zahlen mehr fĂŒr Werbeanzeigen bei thematisch relevanten Videos, die zum eigenen Produktsortiment passen. Eine Werbeanzeige von Apple in dem Video eines Creators, der Tech-Produkte vorstellt und bewertet, bringt dementsprechend mehr Geld.
Wer sich nicht an die Regeln der Plattform hĂ€lt, kann Probleme mit YouTube bekommen. Creator:innen, die im YouTube-Partnerprogramm bleiben wollen, mĂŒssen also vorsichtig agieren. Sie sind dazu verpflichtet, eine Vielzahl von |Richtlinien| einzuhalten, um ihre KanĂ€le zu monetarisieren â sprich: von YouTube bezahlt zu werden.
Dazu gehören unter anderem die |Community-Richtlinien|, die |Richtlinien fĂŒr werbefreundliche Inhalte| und die |Programmrichtlinien|. VerstöĂe können zur Löschung von Videos oder im schlimmsten Fall zur kompletten Sperrung eines Kanals fĂŒhren.
Der YouTuber und Maker Jimmy DiResta hat fĂŒr seinen Kanal ein |altes Gewehr restauriert|. Den |finalen Test|, das Abfeuern eines Schusses, hat DiResta nicht auf YouTube, sondern auf Instagram hochgeladen, um einer möglichen âDemonetarisierungâ des Videos zu entgehen. In diesem Fall hĂ€tte DiResta mit seinem Video keine Einnahmen mehr erzielen Âkönnen â bei rund 29 Millionen Aufrufen wĂ€re das ein erheblicher finanzieller Verlust.
Als Hinweis zu den teils schwammig formulierten Regeln, etwa das Verbot von âNacktheit und sexuellen Inhaltenâ schreibt |YouTube|: âWenn du glaubst, dass Inhalte gegen diese Richtlinien verstoĂen könnten, solltest du sie nicht posten.â Das liest sich wie ein Aufruf zur |Selbstzensur|.
Der Erfolg von Videos wird zudem maĂgeblich von |Algorithmen| bestimmt, deren komplexe Funktionsweise sich stĂ€ndig Ă€ndert. Von der Erfassung des Algorithmus hĂ€ngt die Sichtbarkeit des Videos und damit die Höhe der Werbeeinnahmen ab.
Diese âalgorithmische Kontrolleâ ĂŒber die Inhalte schrĂ€nkt die Autonomie der Creator:innen ein und erfordert eine dauerhafte Anpassung der eigenen Inhalte an den Algorithmus. Die Algorithmen der Plattformen |agieren dabei unterschiedlich|: Ein Video, das auf YouTube viral geht, kann auf TikTok untergehen und umgekehrt.
Meistens verlassen sich Creator:innen deshalb auf einen Mix an Einnahmequellen. Tuchman setzt auch auf |Patreon|. Der Social Payment Service bietet den Creator:innen die Möglichkeit, sich von sogenannten âPatronsâ durch Abonnements finanziell unterstĂŒtzen zu lassen. Im Gegenzug erhalten die Patrons beispielsweise exklusive Inhalte.
Trotzdem kommen Creator:innen, die von ihren Inhalten leben wollen, kaum an Sponsoren vorbei. Sponsoren sind Unternehmen, die |in direkter Zusammenarbeit mit Creator:innen| ihre Produkte bewerben lassen. DafĂŒr erhalten diese finanzielle oder materielle Gegenleistungen.
Anders als externe Werbeanzeigen, die Ă€hnlich wie Fernsehwerbespots in die Videos eingeblendet werden, können die Creator:innen ihre Sponsoren direkt in den Content einbinden. Viele Creator:innen behalten dabei ihren gewohnten Stil bei. Sie bewerben die Produkte zum Teil satirisch und spielerisch, um den âFlowâ ihrer Videos nicht zu unterbrechen.
KreativitĂ€t ist auch bei der Werbung gefragt und manchmal wird sie auch gewĂŒrdigt. âDer |Ăbergang zur Werbung| war ein Meisterwerk fĂŒr sichâ, schreibt ein Follower ĂŒber einen Werbeclip fĂŒr einen VPN-Anbieter (Virtual Private Network), den Tuchman in eines seiner Videos eingebunden hat. Der Zugang zum Internet durch ein VPN-Netzwerk verschleiert die IdentitĂ€t der Anwender:innen. Ironischerweise gehört YouTube zu Google, einem Unternehmen, das wegen seiner nutzer:innenfeindlichen Datenschutzpraxis in der Kritik steht.
Die Maker machen also aus der Not eine Tugend. Wer von seiner Arbeit auf der Plattform leben will, sei auf das YouTube-Partnerprogramm und externe Sponsoren angewiesen, so Tuchman. Und |YouTubes GeschĂ€ftsmodell| basiert nun einmal auf Werbung. âYouTube ermöglicht es den Makern, verrĂŒckte Dinge zu bauen und Videos davon hochzuladen, was die Renaissance des Handwerks in den sozialen Medien erst möglich machtâ, sagt Tuchman. Dessen seien sich auch die Zuschauer:innen bewusst.
Der Einsatz von Werbung erlaubt es den Makern, sich mit ihren Inhalten eine Existenz aufzubauen. FĂŒr Tuchman zĂ€hlt dabei auch die pĂ€dagogische Botschaft des âMakingâ. Im Vordergrund der |Maker-Community| stehe das Motto: Do it yourself. Maker tĂŒfteln, reparieren, erfinden, probieren aus und |ermutigen andere|, es ihnen gleichzutun.
Viele Menschen kommen durch soziale Medien zum ersten Mal in BerĂŒhrung mit den Möglichkeiten von Handarbeit und traditionellen Arbeitstechniken in BerĂŒhrung. Durch die Perspektive der Maker sehen sie, wie Tischlerei, Elektrotechnik oder Schmiedekunst funktionieren.
Jessie Uyeda aka |ijessup| rĂ€umt verlassene HĂ€user auf, renoviert Möbel und baut Filmrequisiten. |Estefannie| bezeichnet ihre Arbeit als âfeminine rage techâ. Dazu gehört auch ein von Estefannie entworfener BĂŒstenhalter, der Grapscher durch Funkenflug von unerwĂŒnschten BerĂŒhrungen abhalten soll. Nachhaltigkeit, KreativitĂ€t und SpaĂ am Konstruieren vermischen sich in dieser Art von Maker-Content.
Wohl auch deshalb erreichen einige YouTube-Maker mit ihren Inhalten Millionen von Zuschauer:innen, ohne unrealistische Körper-, Business-, und Lebensideale zu propagieren oder die |PrivatsphÀre ihrer Mitmenschen| zu verletzen.
Das SelbstverstĂ€ndnis der Maker zielt bisher darauf ab, |lieber zu kreieren statt zu konsumieren|. Die Werbung ist dabei notwendiges Ăbel und Existenzsicherung zugleich. FĂŒr Tuchman bleibt die Handarbeit der wichtigste Teil der YouTube-Maker: âHandgefertigte Dinge sind immer schöner als Massenware â weil du darin bist.â
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Skriptlauf: 2024-07-09T05:02:02