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Wir thematisieren die wichtigen Fragestellungen rund um Internet, Gesellschaft und Politik und zeigen Wege auf, wie man sich auch selbst mit Hilfe des Netzes fĂŒr digitale Freiheiten und Offenheit engagieren kann. Mit netzpolitik.org beschreiben wir, wie die Politik das Internet durch Regulierung verĂ€ndert und wie das Netz Politik, Ăffentlichkeiten und alles andere verĂ€ndert.
Zuletzt aktualisiert: Sun, 16 Jun 2024 06:31:05 +0200
Sun, 16 Jun 2024 06:30:01 +0000
Dom Schott
FrĂŒher war die Sache klar: Nazis sind die Bösen. Mittlerweile scheint diese Grundregel aufgeweicht zu werden â und darĂŒber sollten wir sprechen.
Noch nie war die Spielewelt so vielfĂ€ltig und abwechslungsreich wie heute. Quer durch alle Genres steht eine erschlagende Auswahl fĂŒr unsere Unterhaltung bereit â von bockschweren Plattformern ĂŒber gemĂŒtliche Farmspiele bis hin zu beeindruckenden Riesenwelten und politischer Satire.
Auch die Helden und Heldinnen dieser Geschichte sind abwechslungsreicher geworden: Noch vor 15 Jahren konnten Gamer und Gamerinnen die weiblichen Hauptrollen im Spielregal an einer Hand abzĂ€hlen, heute sind sie ebenso prĂ€sent wie ihre mĂ€nnlichen GegenstĂŒcke. Es verĂ€ndert sich also eine ganze Menge in der Welt der Spiele.
Wer diese Kolumne hier schon lĂ€nger liest, der weiĂ, dass ich jede Bewegung und Weiterentwicklung in dieser Branche von Herzen begrĂŒĂe und mit Spannung verfolge. Aber eine VerĂ€nderung bereitet mir Bauchschmerzen. Es ist eine VerĂ€nderung, die nicht mit Pauken und Trompeten begleitet wurde, sondern sich klammheimlich in die Welt der Spiele eingeschlichen hat â und zwar die Frage, ob man Nazis wirklich boxen sollte.
Trotz all der UmbrĂŒche, die unsere Spielwelten in den vergangenen Jahren erfasst haben, konnte man sich lange Zeit auf eine Grundregel verlassen: Nazis und Zombies sind die Bösen. Tauchen diese beiden Gruppen in unserem Fadenkreuz auf, bedarf es keiner weiteren ErklĂ€rung, sondern nur frischer Munition. Es ergibt keinen Sinn, mit Hirnfressern oder Hirnlosen zu diskutieren, es gibt keine gemeinsame Grundlage, sondern nur den direkten Widerstand. Das leuchtet doch allen ein, oder?
Offenbar ist das nicht mehr so. Das kann ich nicht mit Zahlen belegen, nicht mit Statistiken und Umfragen nachweisen, sondern nur anekdotisch veranschaulichen â und genau das gibt mir Hoffnung, dass mein Erlebnis nur eine seltsame Ausnahme ist, die uns alle nicht weiter interessieren sollte.
Was ich hier andeute, geschah vor einigen Monaten auf einer gröĂeren WG-Party in Hamburg. Viele Menschen waren dort, die ich nicht kannte, aber fast alle von uns teilten eine Gemeinsamkeit: die Leidenschaft fĂŒr Spiele. Eine sichere BrĂŒcke in jedes KennenlerngesprĂ€ch, ĂŒber die ich an diesem Abend einige Male spazierte.
Und so fand ich mich irgendwann in einer gröĂeren Runde wieder, die ĂŒber die Reihe âSniper Eliteâ diskutierte â ein ScharfschĂŒtzensimulator, in dem wir als Elitesoldat Jagd auf Nazis machen und sie in Zeitlupe aus groĂer Entfernung abschieĂen, inklusive sichtbarer ZerstĂŒckelung von GliedmaĂen, SchĂ€delknochen und Genitalien (wenn wir sie denn treffen).
Das klingt ziemlich grausig und ist fruchtbarer NĂ€hrboden fĂŒr Diskussionen zwischen Spielern, die diese Inszenierung entweder als erleichternde und harmlose Katharsis begreifen oder die sich an der brutalen und Ă€sthetisierenden Gewalt stören. Meine Diskussionsrunde auf dieser WG-Party nahm allerdings eine ganz andere Richtung ein, als jemand sagte: âFinde ich nicht gut, dass man da auf Nazis schieĂtâ. Zustimmendes Gemurmel aus vielen Richtungen, ein groĂes Fragezeichen hingegen in meinem Gesicht:
Warum nicht?
Aus der Tagespolitik kennen wir das PhĂ€nomen der schrittweise verschobenen Grenzen, das insbesondere von rechtskonservativen und ultrarechten Parteien genutzt wird, um Raum fĂŒr ihre politischen Botschaften zu schaffen. In meiner Kindheit war es ein gesellschaftliches Tabu, den HitlergruĂ zu zeigen, ganz davon abgesehen, dass diese Geste damals wie heute eine Straftat darstellt. Selbst die wenigen Menschen meiner Heimatstadt, die sich selbst als Neonazis bezeichneten, trauten sich nicht, so offen ihre Gesinnung zu demonstrieren.
Das ist heute anders â nicht nur wĂ€hlt diese Stadt fast 30 Jahre spĂ€ter zu einem erheblichen Teil rechte Parteien, sondern sie kĂ€mpft auĂerdem mit regelmĂ€Ăigen Jungnazi-Versammlungen, in denen mitunter der HitlergruĂ offen gezeigt wird. Hier wurden Grenzen des Möglichen verschoben.
Ich habe die BefĂŒrchtung, dass dieses PhĂ€nomen auch in der Spielebranche angekommen ist â allerdings oft nicht aus einer politischen Motivation der Verantwortlichen heraus, sondern aus NachlĂ€ssigkeit und mangelnder Gegenrede der Spielepresse, die gerade im deutschsprachigen Raum kaum noch den Zusatz âJournalismusâ verdient.
Auch hierzu ein Beispiel: 2018 veröffentlichte der Riesenkonzern Electronic Arts mit Battlefield 5 einen neuen Teil seiner Shooter-Reihe, der einmal mehr die Schlachtfelder Zweiten Weltkriegs digital erlebbar machte. Eines allerdings war neu: Kurz nach Release konnten Spieler fĂŒr fĂŒnf bis zehn Euro spezielle Soldaten-Skins kaufen, allesamt fiktiv, aber inspiriert von realen GenerĂ€len und Kriegshelden der Kriegsparteien. Auch âdie Deutschenâ, also die Nazis, erhielten ihre eigenen Figuren.
Hier hĂ€tte bereits die Frage der Spielepresse aufkommen sollen, was wir als spielende Community davon halten sollten, Geld fĂŒr schicke Nazi-Skins ausgeben zu können, aber das passierte nicht. |Es passierte zunĂ€chst auch nichts, als ich in einer Recherche offenlegte|, dass einer dieser fiktiven Nazi-GenerĂ€le den gleichen Namen trug wie ein real existierender WiderstandskĂ€mpfer aus Ostdeutschland â ein groĂer Patzer in der historischen Recherche von EA, falls es die ĂŒberhaupt gegeben hat, der schlieĂlich zu einer NamensĂ€nderung fĂŒhrte. Auch hier reagierte die Spielepresse erst, als englischsprachige Medien die ursprĂŒnglich in Deutschland recherchierte Story aufgriffen â bizarr.
In den gleichen Zeitraum fĂ€llt eine Recherche des Kollegen Christian Huberts, |der ein Netzwerk von Nazi-Communities auf Steam aufdeckte| â auch hier gab es kaum Resonanz in der Spielepresse. Ein weiteres VersĂ€umnis, fehlender Widerstand im Diskurs, der Folgen haben könnte.
KĂŒrzlich erschien nun der Trailer zu einem neuen Indiana-Jones-Spiel, das den berĂŒhmten Hollywood-ArchĂ€ologen in den spĂ€ten 1930er-Jahren auf Schatzsuche in das Himalaja-Gebirge schickt. In dem kurzen Gameplay-Video werden auch ein paar Nazis geboxt, die sich zuvor erst comicartig ĂŒberzeichnet ĂŒber Amerika lustig machen, von Vaterlandsliebe und Höhenangst schwafeln, bevor sie von Indie eine Klippe hinuntergeworfen werden.
Klassische Indiana-Jones-Szenen, aber schon tauchten die ersten Fragezeichen in den sozialen Netzwerken auf: âWarum schon wieder gegen die Nazis?â, hieĂ es da sinngemÀà aus einigen wenigen, zum GlĂŒck nicht allzu vielen MĂŒndern. Eine Frage, die mir nie in den Sinn gekommen wĂ€re.
Ich muss es noch einmal betonen: Vielleicht sind das alles ZufĂ€lle, und ich blase hier die berĂŒhmte MĂŒcke zum Elefanten auf. Gleichzeitig kann ich nicht anders, als VorfĂ€lle dieser Art immer hĂ€ufiger wahrzunehmen, die zudem von der Presse, die eigentlich fĂŒr diese drohende Grenzverschiebung sensibilisieren sollte, weitgehend ignoriert werden. Das dĂŒrfen wir, als spielende Gemeinschaft, nicht zulassen.
Ich will auch in Zukunft Nazis boxen â und mich anschlieĂend nicht erklĂ€ren mĂŒssen, wieso ich das getan habe. Hier sollten wir uns alle einig sein.
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|Es passierte zunÀchst auch nichts, als ich in einer Recherche offenlegte|
|der ein Netzwerk von Nazi-Communities auf Steam aufdeckte|
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Fri, 14 Jun 2024 16:18:37 +0000
Martin Schwarzbeck
Die 24. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 17 neue Texte mit insgesamt 208.490 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen WochenrĂŒckblick.
Liebe Leser*innen,
als ich vergangene Woche bei netzpolitik.org angefangen habe, war ich erst einmal ein wenig ĂŒberfordert. Ich musste ein neues Betriebssystem (Ubuntu) und einige neue Anwendungen bedienen und ein paar sichere Passwörter auswendig lernen. Hier werden Datenschutz und IT-Sicherheit wirklich ernstgenommen.
Und kaum bin ich an Bord, steht auch schon eine netzpolitische GroĂlage und elementare Bedrohung der Grundrechte an: eine Einigung bei der Chatkontrolle. Nachdem es lange so aussah, als könnte sich der EuropĂ€ische Rat nicht einigen, |könnte die Verordnung dazu nun bereits kommende Woche beschlossen werden|.
Gleichzeitig zeichnet sich ein weiterer Wunsch der meisten EU-Staaten â und ihrer Sicherheitsbehörden â immer deutlicher ab: Sie wollen noch mehr Ăberwachung und Zugriff auf verschlĂŒsselte Daten aller Art. DafĂŒr wollen sie zum Beispiel Messenger-Dienste dazu zwingen, ihnen HintertĂŒren zu öffnen, |wie mein Kollege Markus Reuter schreibt|.
DarĂŒber spricht oder schreibt sonst kaum jemand. Zum GlĂŒck gibt es ein Medium, das solche Entwicklungen journalistisch eng begleitet und darĂŒber aufklĂ€rt. Ich freue mich wirklich sehr, dabei zu sein.
Hier in der Redaktion fĂŒhle ich mich ĂŒbrigens nicht ĂŒberwacht. Co-Chefredakteurin Anna Biselli und Co-Chefredakteur Daniel Leisegang sind heute nicht da. Und ich sitze im BĂŒro, habe rund um mich Snacks aufgebaut und liebĂ€ugele damit, gleich eine Mate zu öffnen und auf dem Tisch zu tanzen. Die Musik lĂ€uft schon. Ach, wie schön ist doch die Freiheit.
Apropos Freiheit. Von mir ist diese Woche auch ein Text dabei. Nachdem ich vergangene Woche das vorlĂ€ufige Ende des Prozesses gegen den Radio-Dreyeckland-Redakteur Fabian Kienert journalistisch begleiten â und Kienerts Sieg vermelden â durfte, habe ich nun darĂŒber geschrieben, |was mit den Daten passiert, die bei dem Redakteur beschlagnahmt wurden|. Auch diese Geschichte ist noch nicht vorbei.
Am Wochenende plane ich ĂŒbrigens, mir |das Finale der Doppelfolge unseres Podcasts âSystemeinstellungenâ| reinzuziehen, die sich mit der Ăberwachung der Augsburger Klimabewegung beschĂ€ftigt. Ich kenne die Folge noch nicht und bin megagespannt. Der erste Teil macht auf jeden Fall Lust auf mehr. GroĂe Empfehlung!
Viel SpaĂ beim Hören (und Lesen) wĂŒnscht euch
Martin
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Geht es um Sicherheit, passiert da psychologisch gesehen oft WidersprĂŒchliches. Und damit sind wir mitten in der digitalen Welt voller digitaler Fahrradhelme, die risikoreiches Verhalten begĂŒnstigen oder reale Gefahren ĂŒberdecken. In der Konsequenz nicht immer zum Besseren. Von Bianca Kastl â
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Bei den Europawahlen haben rechte und rechtsextreme Parteien triumphiert. Auch Volt legt zu. Klarer Verlierer sind die GrĂŒnen â und die Piraten. Anja Hirschel, Nachfolgerin von Patrick Breyer, verpasste den Einzug ins EU-Parlament. Und auch die tschechischen Piraten schrumpfen auf einen Sitz. Von Maximilian Henning â
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The right wing dominates the polls, Volt makes gains. The clear losers are the Greens â and the Pirates. Anja Hirschel, heir to Patrick Breyer, misses her entry into Parliament. The Czech Pirates also drop to a single seat. Von Maximilian Henning â
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In verschiedenen BundeslĂ€ndern stellt die sĂ€chsische Polizei eine verdeckte Kamera am StraĂenrand auf, um vorbeifahrende verdĂ€chtige Personen zu ermitteln. Nun gibt es Details zu der Technik, deren Einsatz zuerst in Berlin bekannt wurde. Von Matthias Monroy â
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Die meisten Mitgliedstaaten der EU begrĂŒĂen die Forderungen einer Expertengruppe nach mehr Ăberwachung. Das Gremium war im Vorfeld als parteiisch und einseitig besetzt kritisiert worden. Dennoch gibt es kaum Widerspruch gegen die Empfehlungen des Gremiums, wie ein geheimes Protokoll zeigt, das wir veröffentlichen. Von Markus Reuter â
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In einem Bericht zum Thema VerschlĂŒsselung gibt sich Europol wissenschaftlich, hat aber eine klare Agenda: Die europĂ€ische Polizeibehörde möchte Zugang zu verschlĂŒsselten Informationen. Von Markus Reuter â
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Bei der Hausdurchsuchung gegen den Journalisten Fabian Kienert hat die Polizei seinen Laptop, Handys und USB-Sticks mitgenommen und gespiegelt. Kienert wurde inzwischen freigesprochen. Was passiert jetzt mit den kopierten Daten? Von Martin Schwarzbeck â
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Schien eine Einigung des EuropĂ€ischen Rates bei der Chatkontrolle zuletzt noch in weiter Ferne, zeichnet sich nun ab, dass Frankreich, einst klar gegen Chatkontrolle, zunehmend zum Wackelkandidat wird. Der vorliegende belgische Kompromissvorschlag bedeutet weiterhin die EinfĂŒhrung einer neuen anlasslosen MassenĂŒberwachung. Von Markus Reuter â
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Der neue Kompromiss der belgischen RatsprĂ€sidentschaft zur Chatkontrolle gefĂ€hrde weiterhin die IT-Sicherheit, kritisiert der Branchenverband eco. Belgien schlĂ€gt vor, Nutzer:innen sollen der Ăberwachung freiwillig zustimmen, bevor sie Bilder oder Videos etwa per Messenger verschicken. Von Markus Reuter â
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Das oberste Gericht in Wien hat zugunsten eines Tiroler Polizisten entschieden, der auf Facebook Opfer eines Shitstorms wurde. Der Beklagte muss den Schadensersatz alleine zahlen. Einen Teil der Strafe kann er sich von anderen Teilnehmer:innen am Shitstorm zurĂŒckholen. Von Nora Nemitz â
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Most EU member states welcome the demands of a group of experts for more surveillance. The panel was criticized in advance for being biased and one-sided. Nevertheless, there is hardly any opposition to the panelâs recommendations, as a secret protocol that we are publishing shows. Von Markus Reuter, Daniel Leisegang â
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FĂŒnf BundeslĂ€nder wollen ihre TelekommunikationsĂŒberwachung in einem gemeinsamen Zentrum bĂŒndeln. Seit sechs Jahren tritt das Vorhaben auf der Stelle. Von Matthias Monroy â
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Um angeblich eine Minute beim Einchecken am Flughafen einzusparen, will die Bundesregierung Fluglinien erlauben, auf die biometrischen Reisepass-Daten zuzugreifen. Der Chaos Computer Club fordert die Streichung der PlĂ€ne, sie wĂŒrden einen gefĂ€hrlichen PrĂ€zendenzfall schaffen. Von Markus Reuter â
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In Folge #6 unseres Doku-Podcasts bleiben wir bei der Augsburger Klimabewegung, denn den Aktivist:innen stehen weitere Razzien ins Haus. Es geht um einen Facebook-Kommentar und um die Letzte Generation. Die Kriminalisierung geht weiter, doch entmutigen lassen sich die Aktivist:innen nicht. Von Serafin Dinges, Anna Biselli â
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Der digitale Euro soll kommen. Und er birgt Risiken fĂŒr PrivatsphĂ€re und Datenschutz. Darauf weisen die Datenschutz-Expert:innen der internationalen Berlin Group hin. Und sie geben Empfehlungen, wie sich die digitale WĂ€hrung möglichst datenschutzfreundlich gestalten lĂ€sst. Von Daniel Leisegang â
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Das Onlinezugangsgesetz 2.0 sollte eigentlich strukturelle Hindernisse der Verwaltungsdigitalisierung abbauen. Nun aber haben sich die LĂ€nder durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass einheitliche Standards und eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung nach wie vor in weiter Ferne liegen. Ein Kommentar. Von Esther Menhard â
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Frankreich hat ĂnderungsvorschlĂ€ge zum belgischen Chatkontrolle-Kompromiss angekĂŒndigt. WĂŒrden diese angenommen, wĂŒrde Frankreich seine bisherige Ablehnung aufgeben. Schon am Mittwoch könnte der Rat dann ĂŒber die Chatkontrolle abstimmen. Von Markus Reuter â
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|wie mein Kollege Markus Reuter schreibt|
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Fri, 14 Jun 2024 15:29:44 +0000
Markus Reuter
Frankreich hat ĂnderungsvorschlĂ€ge zum belgischen Chatkontrolle-Kompromiss angekĂŒndigt. WĂŒrden diese angenommen, wĂŒrde Frankreich seine bisherige Ablehnung aufgeben. Schon am Mittwoch könnte der Rat dann ĂŒber die Chatkontrolle abstimmen.
Der EU-Rat fĂŒr Justiz & Inneres hat sich am gestrigen Donnerstag kurz mit dem Thema Chatkontrolle beschĂ€ftigt |(Video)|. Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson stellte in alarmistischen Worten voran, dass die Zahl der FĂ€lle von Kindesmissbrauchsdarstellungen im Internet stark wachsen wĂŒrde und sprach in diesem Zusammenhang von einer âPandemieâ. Sie nannte dazu Zahlen der US-Organisation NCMEC. Wie eine |Recherche von netzpolitik.org| gezeigt hat, sind die Zahlen von NCMEC nicht dazu geeignet, RĂŒckschlĂŒsse auf das reale AusmaĂ der Gewalt oder Opferzahlen zuzulassen.
Johannson lobte in ihren AusfĂŒhrungen den |Online Safety Bill| aus GroĂbritannien, dieser sei ihrem Verordnungsvorhaben sehr Ă€hnlich. Auch der Online Safety Bill hatte |Diskussionen um IT-Sicherheit und SchwĂ€chung der VerschlĂŒsselung| ausgelöst, Messenger-Anbieter wie |WhatsApp und Signal drohten, die Insel zu verlassen|. Am Ende hatte der Gesetzgeber in UK die |Chatkontrolle aufgeschoben, bis sie âtechnisch machbarâ sei|.
Frankreich dankte in der Sitzung dem belgischen Ratsvorsitz fĂŒr die KompromissvorschlĂ€ge und |wiederholte seine mögliche Zustimmung zur Chatkontrolle aus der Ratssitzung vom 4. Juni|. Das Land habe nun weitere ĂnderungsvorschlĂ€ge eingereicht. Diese sollten laut dem Vertreter gewĂ€hrleisten, dass VerschlĂŒsselung nicht geschwĂ€cht werde, und dass VerschlĂŒsselung bei den Diensten weiterhin verfĂŒgbar sei. WĂŒrden diese Ănderungen, deren Wortlaut noch nicht bekannt ist, angenommen, dann wĂŒrde Frankreich der Verordnung zustimmen.
Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) vermutet, dass die Ănderung darauf abzielen könnte, die von Schweden vorgeschlagene Bestimmung zum Schutz von VerschlĂŒsselung breiter zu fassen und einen Schutz auch vor der âUmgehungâ oder âUntergrabungâ von VerschlĂŒsselung zu implementieren. Das schlieĂt laut Breyer aber nicht den Einsatz von |Client-Side-Scanning| aus.
Eine andere Idee könnte laut Breyer sein, dass das Scannen von Ende-zu-Ende-verschlĂŒsselten Inhalten erst in Kraft treten soll, wenn Technologien vorhanden sind, die das ohne SchwĂ€chung der VerschlĂŒsselung möglich machen. Das wĂ€re das britische Modell, auf das auch Johansson in der Sitzung hingewiesen hatte.
FĂŒr den 19. Juni ist eine weitere Sitzung zum Thema Chatkontrolle geplant. Patrick Breyer, der scheidende Piraten-Abgeordnete im EU-Parlament, |warnt davor, dass die Chatkontrolle dann schon abgestimmt werden könnte.| Eine Zustimmung des Rates wĂŒrde den Weg fĂŒr Trilog-Verhandlungen freimachen â und die umstrittene Chatkontrolle ein weiteres StĂŒck nĂ€her rĂŒcken lassen. Der Abgeordnete ruft dazu auf, |die deutsche StĂ€ndige Vertretung in BrĂŒssel anzurufen| und dort seine Meinung kundzutun.
Mit einer Zustimmung Frankreichs wĂŒrde die derzeit vorhandene SperrminoritĂ€t fallen und die Chatkontrolle-Verordnung könnte in die Trilog-Verhandlung von Kommission, Rat und Parlament.
Die Chatkontrolle ist nicht nur politisch und |technisch umstritten|, sondern auch juristisch. Der Juristische Dienst der EU-Staaten hat die Chatkontrolle letztes Jahr |als rechtswidrig bezeichnet| und gewarnt, dass Gerichte das geplante Gesetz wieder kippen könnten. Am grundsĂ€tzlichen Problem der Chatkontrolle, nĂ€mlich der anlasslosen Ăberwachung unbescholtener Menschen, Ă€ndert auch der belgische Kompromissvorschlag bislang nichts. Das hatte auch Deutschland |bei den Verhandlungen zuletzt angemerkt|.
Die Chatkontrolle hat breiten Widerspruch nicht nur in der Zivilgesellschaft hervorgerufen. Dabei ist auffĂ€llig, dass der |Deutsche Kinderschutzbund| wie auch |Vertreter:innen von Ermittlungsbehörden| das anlasslose Durchleuchten privater Dateien und Kommunikation gleichsam als unverhĂ€ltnismĂ€Ăig ablehnen. Diese Kritik Ă€uĂern auch |weltweit fĂŒhrende IT-Sicherheitsforscher:innen|, |zahlreiche Wissenschaftler:innen| und der |Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen|.
Die Chatkontrolle wird auch von |europĂ€ischen| und |deutschen Datenschutzbehörden| sowie von |mehr als 100 internationalen Digital- und BĂŒrgerrechtsorganisationen| abgelehnt. Tech-Firmen wie Apple halten es |fĂŒr technisch unmöglich|, Daten automatisch zu scannen, ohne dabei die PrivatsphĂ€re und die IT-Sicherheit zu gefĂ€hrden.
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|Recherche von netzpolitik.org|
|Diskussionen um IT-Sicherheit und SchwĂ€chung der VerschlĂŒsselung|
|WhatsApp und Signal drohten, die Insel zu verlassen|
|Chatkontrolle aufgeschoben, bis sie âtechnisch machbarâ sei|
|wiederholte seine mögliche Zustimmung zur Chatkontrolle aus der Ratssitzung vom 4. Juni|
|warnt davor, dass die Chatkontrolle dann schon abgestimmt werden könnte.|
|die deutsche StĂ€ndige Vertretung in BrĂŒssel anzurufen|
|bei den Verhandlungen zuletzt angemerkt|
|Vertreter:innen von Ermittlungsbehörden|
|weltweit fĂŒhrende IT-Sicherheitsforscher:innen|
|zahlreiche Wissenschaftler:innen|
|Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen|
|deutschen Datenschutzbehörden|
|mehr als 100 internationalen Digital- und BĂŒrgerrechtsorganisationen|
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Fri, 14 Jun 2024 15:05:47 +0000
Esther Menhard
Das Onlinezugangsgesetz 2.0 sollte eigentlich strukturelle Hindernisse der Verwaltungsdigitalisierung abbauen. Nun aber haben sich die LĂ€nder durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass einheitliche Standards und eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung nach wie vor in weiter Ferne liegen. Ein Kommentar.
Es ist so weit: Das |neue Onlinezugangsgesetz| steht. Nachdem Bund und LĂ€nder seit Ende 2022 und zuletzt im |Vermittlungsausschuss| hart verhandelt haben, hat der Bundesrat das OZG-Ănderungsgesetz nun final abgesegnet.
Die Begeisterung hĂ€lt sich allerdings in Grenzen. âDie Zettelwirtschaft hat endlich ein Endeâ, kommentiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) |das Ergebnis etwas trocken|. Die GrĂŒnen Konstantin von Notz und Misbah Khan |sprechen von einem âtragfĂ€higen Kompromissâ|. Und Maximilian Funke-Kaiser von der FDP zeigt sich gegenĂŒber netzpolitik.org derweil vor allem darĂŒber erleichtert, dass der Bund den LĂ€ndern kein zusĂ€tzliches Gelder geben muss.
Dass sich die Freude allenthalben in Grenzen hĂ€lt, liegt vor allem daran, dass die OZG-Reform die ĂŒberfĂ€llige Verwaltungsdigitalisierung kaum voranbringen wird. DafĂŒr gibt es zwei zentrale GrĂŒnde: Erstens sind die LĂ€nder weiterhin nicht dazu verpflichtet, einheitliche Standards einzufĂŒhren. Zweitens verhindert genau dies eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung, die es jedoch dringend braucht.
Als der Bundestag |im Februar dieses Jahres| die erste Kompromissfassung des OZG 2.0 verabschiedete, sah es noch so aus, als könnte damit endlich eine der gröĂten Baustellen der Verwaltungsdigitalisierung angegangen werden: das Fehlen einheitlicher Standards. Der Entwurf sah vor, dass der Bund die Standards fĂŒr Dienstleistungen des Bundes festlegt. Das wĂ€re bereits ein erster wichtiger Schritt gewesen, um KomplexitĂ€t abzubauen und nachhaltig Kosten zu senken.
Doch dann hat der Bundesrat die Regelung ausgehebelt. Mit der jetzt verabschiedeten Fassung geht in Sachen IT-Standards kĂŒnftig nichts mehr ohne den |IT-Planungsrat| â ein Gremium der LĂ€nder. Der Planungsrat hat hier aktives Mitspracherecht, muss den Standards âde facto einstimmigâ zustimmen, so |Malte Spitz vom Nationalen Normenkontrollrat| (NKR).
Damit drohen aber IT-Architekturentscheidungen, âdie locker 20 bis 30 Jahre nachwirken, die in nicht-öffentlichen Gremien verhandelt werden und die den Umgang des Staates mit der digitalen Gesellschaft wesentlich prĂ€gen â im Hauruck-Verfahren, ohne TechnikfolgenabschĂ€tzung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungâ, |so der IT-Sicherheitsexperte Markus Drenger|.
|In ihrer ErklĂ€rung (PDF)| zum OZG-Ănderungsgesetz bleibt der Bundesregierung nichts anderes ĂŒbrig, als âan den IT-Planungsrat zu appellieren, seine Arbeitsweise transparenter zu gestaltenâ als bisher.
Einheitliche Standards sind eine entscheidende Voraussetzung fĂŒr die Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Damit ist ein Prozess gemeint, der durchgehend digitalisiert ist â vom Antrag durch die BĂŒrger:innen bis hin zur Archivierung der Akte durch Verwaltungsmitarbeiter:innen.
Die erste Beschlussfassung sah noch vor, dass der Bund vorgeben kann, welche Verwaltungsleistungen die LĂ€nder durchgĂ€ngig digitalisieren mĂŒssen. Durch eine nun hinzugefĂŒgte Klausel kann er dies nicht mehr tun. Damit steht es den LĂ€ndern frei, von den Vorgaben des Bundes abzuweichen. Vor allem Bayern habe sich fĂŒr diese Klausel eingesetzt, so Digitalpolitikerin Misbah Khan gegenĂŒber netzpolitk.org.
Malte Spitz nennt sie âdie Ausstiegsklauselâ. Der Bund werde nicht mehr Geld zur VerfĂŒgung stellen als bisher. Gleichzeitig sei die Ressourcenfrage auf LĂ€nder- und Kommunalebene akut. Spitz befĂŒrchtet, dass die LĂ€nder nun die Klausel nutzen könnten, um Druck auf den Bund auszuĂŒben. âDann kĂ€men wir in der Tat nicht weiter und mĂŒssten schauen, wie wir die Prozesse neu denkenâ, sagte er gegenĂŒber netzpolitik.org.
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|sprechen von einem âtragfĂ€higen Kompromissâ|
|Malte Spitz vom Nationalen Normenkontrollrat|
|so der IT-Sicherheitsexperte Markus Drenger|
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Fri, 14 Jun 2024 14:01:01 +0000
Daniel Leisegang
Der digitale Euro soll kommen. Und er birgt Risiken fĂŒr PrivatsphĂ€re und Datenschutz. Darauf weisen die Datenschutz-Expert:innen der internationalen Berlin Group hin. Und sie geben Empfehlungen, wie sich die digitale WĂ€hrung möglichst datenschutzfreundlich gestalten lĂ€sst.
Wer mit PayPal, Visa Card oder Apple Pay seine EinkĂ€ufe bezahlt, hinterlĂ€sst digitale Spuren. Denn diese Bezahlmöglichkeiten sind alles andere als anonym. Der digitale Euro verspricht hier einige Verbesserungen. |Die EU-Kommission will| das digitale Zentralbankgeld online und offline als Alternative zu Kreditkarten und Bezahldiensten einfĂŒhren.
Um aber datenschutzkonform zu sein, muss die digitale WĂ€hrung bestimmte Voraussetzungen erfĂŒllen. Welche das sind, hat die |Internationale Arbeitsgruppe fĂŒr Datenschutz in der Technologie| (IWGDPT), auch bekannt als âBerlin Groupâ, in einem gestern veröffentlichten Arbeitspapier dargelegt.
Die Berlin Group besteht seit 2021 und erarbeitet regelmĂ€Ăig Empfehlungen fĂŒr den datenschutzfreundlichen Einsatz neuer Technologien. Ihr gehören Vertreter:innen von Datenschutzaufsichtsbehörden, Regierungsstellen, internationalen Organisationen und NGOs sowie Forschende aus verschiedenen LĂ€ndern an.
In ihrem aktuellen 25-seitigen Arbeitspapier warnen die DatenschĂŒtzer:innen davor, dass digitales Zentralbankgeld zu mehr Profiling und Ăberwachung fĂŒhren, die Datensicherheit gefĂ€hrden sowie vulnerable Gruppen ausschlieĂen könnte. Sie fordern, die neuen Zahlungsmittel bereits in der Planungsphase so zu gestalten, dass die PrivatsphĂ€re Einzelner geschĂŒtzt und der Datenschutz eingehalten wird.
Allerdings ist das mitunter unvereinbar mit bestehenden Bestimmungen, die GeldwĂ€sche, Terrorfinanzierung oder Steuerflucht verhindern sollen. Daher schlĂ€gt die Gruppe unter anderem vor, dass personenbezogene Daten nur bei solchen Transaktionen offengelegt werden, die ausschlieĂlich dafĂŒr in Frage kommen.
Bereits |seit 2021| wird am digitalen Euro gearbeitet. Er soll direkt von der EuropĂ€ischen Zentralbank (EZB) ausgegeben werden und als digitale ErgĂ€nzung zum Bargeld dienen. Im vergangenen Oktober hat die EZB |grĂŒnes Licht fĂŒr das Projekt gegeben|.
Mit der geplanten EinfĂŒhrung reagiert die EU auf die Entwicklung in LĂ€ndern wie China, GroĂbritannien, der Schweiz und Japan, die ebenfalls eigene digitale ZentralbankwĂ€hrungen planen oder schon nutzen. Im Englischen spricht man von Central Bank Digital Currency, kurz: CBDC.
Wie der digitale Euro genau aussehen soll, ist derzeit noch unklar. Klar ist aber: CBDC bergen anders als Bargeld das Risiko, dass Regierungen, Zentralbanken und die beteiligten Finanzinstitute einen bislang ungekannten Zugang zu den Finanzdaten der BĂŒrger:innen erhalten, so das Arbeitspapier der Berlin Group. Damit bringt auch der digitale Euro potenziell erhebliche Gefahren fĂŒr die PrivatsphĂ€re und den Datenschutz mit sich.
Umso wichtiger sei es, den Schutz der PrivatsphĂ€re und der Grundrechte bereits in der Planungsphase zu berĂŒcksichtigen, so das Arbeitspapier. Nur so lieĂe sich ein datenschutzkonformes Zahlungsmittel schaffen, dem die BĂŒrger:innen auch vertrauen.
Dazu mĂŒsse aber genau geregelt werden, welche personenbezogenen Daten fĂŒr den Zahlungsverkehr gespeichert und verarbeitet werden. Und der Zugriff von Zentralbanken, Behörden und anderen Akteuren mĂŒsse auf ein Minimum beschrĂ€nkt werden.
Vor allem eine Pseudonymisierung der Transaktionsdaten könne dazu beitragen, dass Zentralbanken die tatsĂ€chliche IdentitĂ€t der Nutzer:innen nicht erfahren. Nur Transaktionen, die einen bestimmten Betrag ĂŒbersteigen, sollte der korrekte Name zugeordnet werden: âSolche Obergrenzen können ein datenschutzfreundlicherer Ansatz fĂŒr die GeldwĂ€schebekĂ€mpfung sein als weit verbreitete Meldepflichten fĂŒr Transaktionen, die Analyse von Mustern kleiner Transaktionen oder andere Echtzeit-Ăberwachungsmöglichkeitenâ, schreiben die Autor:innen des Papiers.
Peer-to-Peer-Zahlungen und Offline-Zahlungen könnten ebenfalls dazu beitragen, den Datenaustausch zu minimieren. Solche Zahlungen können von Zentralbanken und IntermediĂ€ren â also Vermittlern zwischen den jeweiligen Akteuren â nicht ohne weiteres zurĂŒckverfolgt werden, sodass der Datenschutz aus Sicht der Berlin Group besser gewahrt werden kann. Ohnehin mĂŒssten bei Direktzahlungen weniger personenbezogene Daten erhoben und gespeichert werden.
Digitales Zentralbankgeld birgt aus Sicht der Berlin Group darĂŒber hinaus die Gefahr, dass es Menschen mit geringen technischen Kenntnissen, ohne Internetzugang oder ohne Ausweispapiere ausschlieĂt.
Sollte die EinfĂŒhrung einer CBDC dazu fĂŒhren, dass Bargeld reduziert oder gar abgeschafft wird, hĂ€tte dies weitreichende Folgen fĂŒr vulnerable Gruppen. Digitales Zentralbankgeld sollte daher so konzipiert sein, dass es jegliche Ausgrenzung verhindert â sei sie unbewusst oder durch staatliche Repression gezielt herbeigefĂŒhrt.
Bis der digitale Euro zum Einsatz kommt, wird es noch Jahre dauern. Noch fehlt sowohl eine gesetzliche Grundlage als auch ein klares VerstĂ€ndnis darĂŒber, was der digitale Euro den Nutzer:innen ĂŒberhaupt bringen soll. Seine EinfĂŒhrung, so mahnt die Berlin Group, darf aber nicht allein davon geleitet sein, bei einem technologischen Trend zu folgen â vor allem dann nicht, wenn dieser auf Kosten der Grundrechte geht.
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Fri, 14 Jun 2024 04:00:40 +0000
Anna Biselli
In Folge #6 unseres Doku-Podcasts bleiben wir bei der Augsburger Klimabewegung, denn den Aktivist:innen stehen weitere Razzien ins Haus. Es geht um einen Facebook-Kommentar und um die Letzte Generation. Die Kriminalisierung geht weiter, doch entmutigen lassen sich die Aktivist:innen nicht.
|https://netzpolitik.org/wp-upload/2024/06/SE_06_Pimmelgate_release.mp3|
Nach den Hausdurchsuchungen bei Janika Pondorf und Ingo Blechschmidt will die Augsburger Klimabewegung einen Gang höher schalten. Seit fast vier Jahren besetzen die Aktivist:innen nun schon den Rathausplatz. Doch die Situation eskaliert immer mehr. Es hagelt Anzeigen.
Und dann kommt die nĂ€chste Hausdurchsuchung â diesmal bei Alexander Mai, wegen eines Facebook-Kommentars. Ăhnlich wie Monate zuvor in Hamburg spielt der Ausdruck âPimmelâ dabei eine Rolle, weshalb der Fall als âPimmelgate SĂŒdâ bekannt wird. Und es wird nicht die letzte Razzia in Augsburg sein, denn Ermittlungsbehörden nehmen nun auch die Letzte Generation ins Visier.
Trotz der Repression halten die Augsburger Aktivist:innen an ihrem Engagement fest, jetzt erst recht. Und verlieren dabei nie ihren Humor.
Die fĂŒnfte und sechste Folge unseres Podcasts bauen aufeinander auf. Falls ihr |Episode #05| noch nicht gehört habt, fangt am besten dort an.
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Die nĂ€chste Episode âHausdurchsuchung: Was tun?!â erscheint am 21. Juni.
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Host und Produktion: Serafin Dinges.
Redaktion: Anna Biselli, Chris Köver, Ingo Dachwitz, Sebastian Meineck.
Cover-Design: Lea Binsfeld.
Titelmusik: Daniel Laufer.
Weitere Musik von Blue Dot Sessions.
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Informationen der Augsburger Klimabewegung |zu Pimmelgate SĂŒd|
Website des |Klimacamps Augsburg|
Bericht von netzpolitik.org |zur Razzia bei Alexander Mai|
Bericht von netzpolitik.org |zum Ausgang des Pimmelgate-SĂŒd-Verfahrens|
Kommentar zu den |Razzien bei Mitgliedern der Letzten Generation|
Wie man |aus MöbiusbÀndern Herzen| macht
Deine |Spende fĂŒr digitale Freiheitsrechte|
Leitfaden: |Hausdurchsuchung. Was tun? (PDF)|
Verhaltens-Tipps| von Digitalcourage e.V.|
Verhalten bei Hausdurchsuchungen: |Talk von RechtsanwÀltin Kristin Pietrzyk auf dem Chaos Communication Congress|
Sie haben das Recht zu Schweigen: |Talk von Rechtsanwalt Udo Vetter auf dem Chaos Communication Congress|
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Prolog: Möbius-Band
Serafin Dinges: Systemeinstellungen. Das hier ist die zweite einer Doppelfolge ĂŒber Klimaaktivist:innen in Augsburg. Wenn ihr die vorherige noch nicht gehört habt, dann fangt am besten da an und jetzt gehtâs los.
Serafin Dinges: Wir sitzen in einem indischen Restaurant in Augsburg am Tisch vor einem Mathestudent:innen. Neben mir sitzt ein Mann, Mitte 20 mit schwarzen Haaren, der gerade einen langen Streifen Papier an den Enden zusammenklebt. Das Ergebnis ist ein BĂ€ndchen aus Papier, mit dem irgendwas nicht stimmt.
Alexander Mai: Da gibt es spannende Sachen. Zum Beispiel, dass das nur eine Kante und eine OberflÀche hat, jetzt denkst du vielleicht da sind zwei Kanten, Aber wenn du hier dich auf den Weg machst, dich bewegst, bewegst, bewegst, bewegst, kommst du wieder hier raus und es stellt sich raus ist die gleiche Kante, nur an einer anderen Stelle.
Serafin Dinges: Er hĂ€lt diesen Kreis aus Papier in der Hand. Das Papier. Das sieht so aus wie eine Schleife oder ein Ring mit einer speziellen Verdrehung. Und die Verdrehung bewirkt, dass die Innen und AuĂenseite kontinuierlich ineinander ĂŒbergehen. Okay, das ist jetzt nicht das beste Intro fĂŒr ein Medium, wo man nicht sieht, aber ich kann nicht versprechen, es ist spannend und irgendwie unintuitiv.
Ingo Blechschmidt: Alles hat ja zwei Seiten. So ist meine Hand hat eine Oberseite Unterseite. Dieser Teller hat eine Oberseite und Unterseite. Dieser Tisch hat eine Oberseite und alles hat zwei Seiten bis auf das Möbius Band.
Serafin Dinges: Möbius Band: So heiĂt das geometrische Wunder, das da gerade meiner Kollegin Anna Biselli und mir prĂ€sentiert wird.
Alexander Mai: Jetzt habe ich schon wieder. Ich hab die Schere nicht nur zum Basteln, sondern auch zum Zerschneiden.
Serafin Dinges: Der Mann nimmt die Schere und zerschneidet jetzt diesen Ring in der Mitte. Aber statt danach zwei Ringe zu haben.
Ingo Blechschmidt: Anstatt einfach nur der Mitte nach.
Alexander Mai: Und jetzt sind da einfach Platz eins.
Ingo Blechschmidt: Sind nicht zwei GegenstÀnde.
Serafin Dinges: Statt zwei Ringen hat er jetzt nur einen langen Ring.
Ingo Blechschmidt: Ich dachte jeden Gegenstand, wenn man den zerschneidet, hat man danach zwei Teile.
Serafin Dinges: Der Mann mit der Schere heiĂt Alexander Mai, der zweite, der da so begeistert miteifert, das ist Ingo Blechschmidt. Wir haben beide in der letzten Folge schon kennengelernt. Ingo und Alexander sind Freunde und Mathenerds, aber seit ein paar Jahren verbindet die beiden noch eine andere Leidenschaft.
Ingo Blechschmidt: Und das ist ja auch, was wir am allerliebsten machen, anstatt BĂ€ume zu besetzen.
Serafin Dinges: Ingo und Alexander sind Klimaaktivisten in Augsburg. Und wer nicht mehr verurteilte StraftĂ€ter im Visier des Staates vorstelle, dann denke ich erst mal nicht an zwei Mathenerds, die begeistert Papierstreifen zusammenkleben und wieder auseinanderschneiden. Aber genau da fĂŒhrt die Reise hin. Nachdem im Mai 2020 die Zuhause von Janika Pondorf und Ingo Blechschmidt durchsucht wurden, reagiert die Augsburger Klimabewegung mit einer Gegeneskalation. Der Rathausplatz wird dauerhaft besetzt. Bis heute. Ingo und Alexander sind vorne mit dabei. Es folgt eine Eskalation auf die nĂ€chste Anzeigen gegen das Camp Ordnungswidrigkeiten, Anzeigen wegen Beleidigung. Und dann ein Facebookpost, in dem das Wort Pimmel vorkommt, auf den dann eine Hausdurchsuchung folgt und dann spĂ€ter noch eine Hausdurchsuchung. Heute ist wirklich alles dabei. Ich bin Serafin Dinges und ihr Systemeinstellungen. Ein Podcast von netzpolitik.org heute Folge sechs Pimmelgate SĂŒd.
Das Klimacamp
Serafin Dinges: Seit den Ereignissen der letzten Folge hat sich einiges am Aktivismus der Augsburger geÀndert. Ingo Blechschmidt zum Beispiel. Der klettert jetzt öfter mal auch auf BÀume oder auf HÀuser, um Banner anzubringen.
Ingo Blechschmidt: Das passiert, wenn Druck von auĂen der Fassade bewusst. Dann ist das kein Haus, den. Das klingt erst mal sehr kriminell. Aber tatsĂ€chlich ist es kein Hausfriedensbruch. Es ist aussichtslos. Eine Befriedung in der Bundesrepublik an seine Hecke ein Zaun betreten wĂ€re schön. Was hast du? Aber es hier bei der Fassade nicht.
Serafin Dinges: Wir sind mitten in Augsburg am Rathausplatz. Der sieht aus wie in vielen sĂŒddeutschen StĂ€dten. Ein groĂer Platz, Pflastersteine, groĂer Brunnen und ein Rathaus, in dem jeden Tag lokale Politiker:innen ein und ausgehen. Und direkt daneben steht ein kleines Bauwerk, das auch in einem Berliner Club stehen könnte. Viele Holzpaletten mit politischen Botschaften drauf. Couches, ein leerer Einkaufswagen, Plakate. Irgendwo steht auch eine Gitarre. Das ist das Augsburger Klimacamp. Das Camp war eine Reaktion auf das damalige Klima. Es war der erste Sommer der Pandemie. Demos mit vielen Leuten waren schwierig. Aber die lose Gruppe an Aktivist:innen wollte nicht nur zu Hause rumsitzen. Sie wollten reagieren. Und genau zu der Zeit beschlieĂt die Bundesregierung auch bis 2038 alle Kohlekraftwerke zu schlieĂen. Das heiĂt, der Staat will sich damit noch 18 Jahre Zeit lassen. Das sogenannte Kohle ausstiegsgesetz ist vielen Klimaaktivist:innen viel zu langsam, viel zu industriefreundlich. Bei einer Protestaktion gegen das geplante Kohle ausstiegsgesetz sind Greenpeace Aktivisten auf das Dach der CDU Parteizentrale geklettert, um das GebĂ€ude zu verhĂŒllen. Aktivisten von Extinction Rebellen und Ende GelĂ€nde protestierten vor der SPD Parteizentrale. Also beschlieĂen die Aktivist:innen von Freitag vor Future Augsburg. Sie besetzen jetzt den Rathausplatz, bis die Stadtregierung die Klimakrise ernst nimmt. Zu ihren Forderungen gehören Dinge wie, dass die Stadtwerke von Kohlestrom auf Ăkostrom umsteigen sollen. Es soll mehr in Solar und Windenergie investiert werden und die Verkehrswende soll vorangetrieben werden. Mehr Radwege, mehr und kostenfreier öffentlicher Nahverkehr und der geplante Bau einer neuen Autobahn der Osttangente. Der soll eingestellt werden. Als wir uns das Augsburger Klimacamp an einem Freitagnachmittag im Oktober 2023 anschauen, sitzen so 5 bis 6 Leute auf selbstgebauten Couches und unterhalten sich. Jules, eine Aktivist:in, fĂŒhrt uns herum vorbeigefahren.
Jules: Wollen Sie eine FĂŒhrung haben? Kann es eine kurze FĂŒhrung geben?
Serafin Dinges: Darf ich fragen, wenn ich aufnehme? Die BastelĂ€sthetik hier, die drĂŒckt ab. Ein wenig das Camp. Das ist zwar selbst gebaut, aber notdĂŒrftig ist hier nichts. Damit die dauerhafte Versammlung nicht aufgelöst werden kann, mĂŒssen immer mindestens zwei Personen anwesend sein. Und deshalb gibt es hier auch gut zehn SchlafplĂ€tze.
Jules: Unser Eingangsbereich hier, wir untertags und auch abends und hier machen wir auch meistens FrĂŒhstĂŒck. Aber so ein bisschen unser Innenhof, das hier ist unser BĂŒro. Da oben ist ein Schlafplatz.
Serafin Dinges: Strom gibt es aus Powerbanks oder Autobatterien. Klos gibt es hier keine. Es werden öffentliche Toiletten in der Gegend genutzt und Sicherheitsinspektionen gehören hier zur Tagesordnung. Die Aktivist:innen kennen die Vorschriften genau, wissen, wie sie die gesetzlichen und bĂŒrokratischen Grenzen navigieren, möglichst ohne sich dabei strafbar zu machen. Jules zeigt uns eine der Schlafboxen.
Jules: Ich glaube so eins 30 hoch oder so, ich habe auf jeden Fall mal zwei Monate dauerhaft in so einer Box geschlafen und hier sozusagen die Wohnung und das geht voll gut. Da ist ein Kasten drin, da geht uns die Anlage rein.
Serafin Dinges: Und damit das Thema Camp weiterhin als eine offizielle Versammlung durchgeht, muss auch immer eine offiziell angemeldete Versammlungsleitung anwesend sein. Um das zu ĂŒberprĂŒfen, kommt die Polizei regelmĂ€Ăig vorbei. Meistens so zwischen vier und 7:00 morgens.
Jules: Und aufmachen. Und wenn du dann sagen wir nicht mal mehr, dass es Polizei ist von mir erwarten einfach, dass du aufmachst. Und es kommen aber auch regelmĂ€Ăig Betrunkene hierher. Nachts klopfen dagegen und wenn du da drinnen nix das ZeitgefĂŒhl und wenn es dann noch so klopft, dann geht einem schon mal die Pumpe.
Serafin Dinges: Wenn dann mal jemand geht, wird durch gewechselt und der Wechsel, der wird gemeldet. Alles nach Vorschrift.
Jules: Wir mĂŒssen dann jedes Mal dort anrufen, bei der Polizei, auf der Dienststelle und da wechseln wir dann alle paar Stunden mal durch, je nachdem wer gerade da ist.
Serafin Dinges: Ein beeindruckendes bĂŒrokratisches Ritual also, das dort jeden Tag durchgefĂŒhrt wird. Seit Jahren schon. Der zehn ist deshalb so detailliert, weil naja, es ist irgendwie witzig und absurd, dass die Protestbewegung hier pĂ€pstlicher ist als der Papst. Jede Vorschrift wird penibel eingehalten. Aber wir erzĂ€hlen das auch, weil es im Kleinen widerspiegelt, was sich hier in Augsburg schon seit Jahren abspielt zwischen Regierung, Staatsanwaltschaft, Polizei auf der einen Seite und den Aktivist:innen auf der anderen Seite. Dass die Aktivist:innen im Klimacamp so Paragraphen treu sind. Das ist eine Reaktion darauf, dass der Staat jedes rechtliche Mittel nutzt, um es der Bewegung vorzuhalten. Hier eine kleine Auswahl. Zu Beginn wurde mit RĂ€umung gedroht. Das heiĂt, alles muss weg. Alle nach Hause. Das Klimacamp hatte dann dagegen geklagt, denn das Camp sei eine offizielle Versammlung und das Camp hat gewonnen. Erst auf Stadtebene, dann auf Landesebene. Ein anderes Mal wurde festgestellt, dass sich Steine vom Turm neben dem Rathaus lösen. Der Turm mĂŒsse dringend saniert werden und das Camp deshalb umziehen. Nur ein paar Wochen sollte das dauern.
Ingo Blechschmidt: Dann können wir wieder zurĂŒck und alles ist genau wie vorher. Daraus wurden dann fĂŒnf oder sechs Monate, die wir an einem anderen Ort sein mussten. Und als wir zurĂŒckkamen, wurde uns weniger als die HĂ€lfte der zu dem Zeitpunkt noch aktuellen FlĂ€che zugestanden.
Serafin Dinges: Geschichten wie diese erklĂ€ren, warum die Augsburger Klimabewegung der Stadt gegenĂŒber immer misstrauischer geworden ist. Oder wie Alexander es ausdrĂŒckt.
Alexander Mai: Aber die Stadt hat uns einfach wieder verarscht. Muss man ganz offen sagen, wie sie es schon oft getan hat. Also an der Stelle auch direkt. Wir vertrauen der Stadt halt einfach ĂŒberhaupt gar nicht. Mit der Klimakrise klarzukommen. Und deswegen sind wir auch da. Wir gehen nicht, bis die Klimakrise gelöst ist oder bis Augsburg seinen Teil geschafft hat, sondern das, bis die Stadtregierung wirklich gecheckt hat und wir das auch so sehen. Dass die Klimakrise anzugehen ist mit allen Mitteln oder mit genug Mitteln, die stĂ€dtisch möglich sind. Und stattdessen sagt sie mir dieses Jahr vertraut uns und verarscht uns dann einfach.
Serafin Dinges: Was Alexander hier mit verarschen meint. Das bezieht sich nicht nur auf die Auflagen, die das Klimacamp vor dem Rathaus erfĂŒllen muss. Demnach und Janika war Alexander an der Reihe mit der nĂ€chsten Hausdurchsuchung.
Alexander Mai diskutiert gern auf Facebook
Serafin Dinges: Alexander Mai liebt Augsburg. Das merkt man. Er ist hier geboren, hier aufgewachsen und auch hier geblieben, um zu studieren.
Alexander Mai: Wir wollen hier bleiben. Deswegen ist mir wichtig, dass es hier gut ist. Ich möchte auch Kinder groĂziehen. Deswegen ist es mir auch wichtig, dass es hier noch besser wird.
Serafin Dinges: Wie Inge und Janika wurde auch Alexander von der Friedens Future Bewegung mitgerissen und politisiert.
Alexander Mai: Aufgewachsen im Umfeld von so Arbeiterfamilien Man geht halt arbeiten, hat keine Ahnung von Politik und solchen Sachen. Und deswegen war es fĂŒr mich eigentlich bis Beginn dieser Demos alles sehr fern.
Serafin Dinges: Alexander ist da gerade Anfang 20 und wendet sein neu gewagtes politisches Interesse da an, wo er sich eh schon auskennt. In Augsburg und im Internet, vor allem auf Facebook. Alexander ist nĂ€mlich begeisterter Parkoursportler. In dem Sport geht es darum, auf möglichst effiziente und kreative Weise durch die Stadt zu navigieren, Hindernisse zu ĂŒberwinden und dabei auch manchmal Routen einzuschlagen, die so vielleicht gar nicht vorgesehen sind. Manche Metaphern schreiben sich einfach selbst. Die Parkourszene in Augsburg jedenfalls, die koordiniert sich in Facebookgruppen. Und damit ist Alexander wohl einer der wenigen Anfang 20-jĂ€hrigen, die noch wirklich regelmĂ€Ăig auf Facebook sind. Und wer ist noch viel auf Facebook? Klar, Boomer. Und nicht irgendwelche, sondern Lokalpolitiker:innen von Augsburg.
Alexander Mai: Ich war mit jedem Stadtrat auch befreundet. Ich habe mal allen StadtrĂ€ten einfach eine Freundschaftsanfrage geschickt und geschaut, wer sie annimmt. Kam eigentlich alle angenommen, die aktiv sind? Sogar die OberbĂŒrgermeisterin ist mit mir befreundet auf Facebook. Also ja, ich war noch mit ganz vielen Leuten im Stadtrat befreundet. Doch dann leichter zu sehen, was die so posten und die Posten teilweise eben auch politisch relevant ist.
Serafin Dinges: Alexander diskutiert auch gerne mal mit Politiker:innen auf Facebook. FĂŒr ihn ist das ein direkter Draht zur Lokalpolitik in Augsburg. Zu dem GefĂŒhl, vielleicht doch ein bisschen Einfluss zu haben. Er ist damit also auch eine der vermutlich letzten Personen, die auf Facebook noch gute GesprĂ€che fĂŒhrt.
Alexander Mai: Und da kommen auch oft rege Sachen, rege Diskussion dabei raus und ich sehe es immer als sehr erfolgreichen, sehr niedrigschwelligen, wenig zeitaufwendigen Aktivismus, einfach schnell, was mir einfĂ€llt hinzuschreiben. Wenn ich finde das gut, wenn nicht, lass ichâs ganz oft. Aber wenn ich das GefĂŒhl hab, ich kann was sinnvolles beitragen, vor allem lokalpolitisch, was Verkehrswende oder sowas angeht, dann habe ich oft kommentiert. Hat oft zu wunderbaren Diskussionen gefĂŒhrt. Auch mit den Politikern, die das ursprĂŒnglich gepusht haben, die ich gewissermaĂen angreife, haben sich hinterher auch oft bedankt ĂŒber die Diskussion, die ich auslöse.
Serafin Dinges: Facebook ist fĂŒr Alex nur der Anfang. Er lernt schnell, dass die Stadtratssitzungen in Augsburg fĂŒr alle öffentlich zugĂ€nglich sind. Nur geht kaum jemand hin. Also geht er hin. Alexander ist Student, hat öfter tagsĂŒber mal ein paar Stunden Zeit und die nutzte er dann eben hierfĂŒr.
Alexander Mai: Bis vor circa 1/2 Jahren habe ich eigentlich keine Ausschusssitzungen, keine Umwelt ausschusssitzungen und keine Stadtratssitzungen verpasst. Teilweise auch mit protokolliert. FĂŒr uns alle und auch veröffentlicht auf unserer Webseite mit alle mitlesen können, was da passiert. Weil es das wird fast gar nichts davon protokolliert. Was den Inhalt angeht eigentlich nur die Ergebnisse und das auch sehr undurchsichtig.
Serafin Dinges: Alexander diskutiert also auf Facebook und er protokolliert Stadtratssitzungen. Das klingt jetzt beides nicht besonders radikal, aber beides wird ihm spÀter noch zum VerhÀngnis werden.
Kaiser Augustus spricht
Serafin Dinges: Es ist ein ganz bestimmter Streit auf Facebook, der spĂ€ter dazu fĂŒhren wird, dass die Polizei in die Wohnung von Alexander platzt. Und diesen Streit. Schauen wir uns jetzt genau an Es gibt in Augsburg auf dem groĂen Platz neben dem Rathaus, da, wo auch das Klimacamp ist, seinen groĂen Brunnen aus dem 16. Jahrhundert. Obendrauf ist eine Bronzestatue vom römischen Kaiser Augustus. Der hat die Stadt angeblich mal gegrĂŒndet. Die Statue selbst, die misst so zweieinhalb Meter und steht nochmal auf einem Podest, das bestimmt 5 Meter hoch ist. Eine groĂe Statue also, die da ĂŒber dem Rathausplatz thront. Und den einen Arm, den hat Augustus gebieterisch nach vorne gestreckt. Und im Winter? Da ist der Brunnen mit HolzverschlĂ€gen verkleidet und nur die Statue schaut heraus. Man kann also ĂŒber diese HolzverschlĂ€ge recht leicht zur Statue hinaufklettern, und die Leute im Klimakamp erkennen da eine Gelegenheit und entscheiden sich. Die Statue zu verschönern.
Alexander Mai: Und da haben wir dann ein paar Wochen hintereinander verschiedene Botschaften am Augustus aufgehĂ€ngt und haben quasi gesagt Ja, Augustus spricht. Auf diesen gut lesbaren groĂen Stillstands. Jedenfalls fĂŒr die Freiheit, FĂŒr das Leben. Macker von der StraĂe fegen an diesem Prachtbrunnen, Augustus an seinem Arm dran hĂ€ngend.
Serafin Dinges: Eine Botschaft gegen Macker, also gegen sexistische MĂ€nner, wie Alexander das beschreibt.
Alexander Mai: Falls ein Macker zuhört und sich angegriffen fĂŒhlt. FĂŒhl dich gern angegriffen, wenn du wirklich ein Macker bist. Unser Macker machen wir jetzt natĂŒrlich nicht alle MĂ€nner. Wenn man die, die sich sexistisch sonstwie chauvinistisch verhalten, irgendwie Frauen runtermachen wollen, hinterherpfeifen, sonstwie belĂ€stigen. Na gut, jedenfalls gegen diese Macker ging der Spruch natĂŒrlich und sollte Aufmerksamkeit erregen.
Serafin Dinges: Ein AfD Stadtrat der Stadt Augsburg, Andreas Jurca. Der sieht diese Aktion. Man nimmt sie zum Anlass fĂŒr einen Post auf Facebook. Darin ein Foto von Augustus mit dem Schild Gegen Macker von vorhin. Und daneben schreibt der Stadtrat Kampfansage gegen die Frauenfeindlichkeit gehört vor Moscheen, nicht vor den Augustusbrunnen.
Alexander Mai: Und da hab ich auch gesehen, dass der AfD Account, dem ich natĂŒrlich gefolgt bin wie jedem Fraktionsaccounts des Oxford Stadtrates das der das gepostet hat und das war halt aus meiner Sicht ganz klar rassistisch was da teilweise stand. Diskriminierend, feindlich gegen verschiedene Religionsgruppen.
Serafin Dinges: Und es entsteht so ein typischer Facebook Streit, in dem sich Leute provokante Antworten an den Kopf werfen. Zum Beispiel prĂ€sentiert Alexander ein frauenfeindliches Bibelzitat, um vorzufĂŒhren, wie selektiv das ist, wenn Jurca mit Frauenfeindlichkeit ausgerechnet mit dem Islam gleichsetzt. Und dann bringt Alexander im Wortgefecht einen Move mit einer Vorgeschichte. So eine Art Insider. Und sagt postet Alexander einen Link zu einem Zeitungsartikel und das Vorschaubild von diesem Link. Das zeigt eine Hauswand. Und auf dieser Hauswand, da steht ein Spruch, Da steht Andy, du bist so ein Spinner. Wer das Zitat erkennt, findet das vielleicht jetzt schon lustig. FĂŒr alle anderen hier kurz die Vorgeschichte. Im Sommer 2021, Da wurde Hamburgs Innensenator Andy Grote von der SPD auf Twitter beleidigt. Da schrieb ihm ein User an Andy, du bist so ein Spinner Und Andy Grote in Hamburg. Dem ist sofort der Kragen geplatzt. Strafantrag ist raus. Die Polizei klemmt sich dahinter und es folgt eine Hausdurchsuchung beim mutmaĂlichen Urheber. Der Zweck Das GerĂ€t finden, mit dem der eins Pimmel Tweet verfasst wurde. Diese Geschichte. Die wurde unter dem Hashtag Pimmelgate zum Skandal. Weil sie gezeigt hat, wie ungleich Privilegien verteilt sind. Jeden Tag erleben Frauen im Netz sexistische Hetze, Ăbergriffe, Todesdrohungen. Und die Polizei? Die ermittelt in vielen FĂ€llen nur halbherzig oder gar nicht. Aber wenn dagegen ein Mann und noch dazu ein MĂ€chtiger als ein Pimmel bezeichnet wird, dann gibt es schwuppdiwupp eine Razzia. Und der Spruch an der Hauswand, von dem Alexander vorhin ein Foto gepostet hat. Dieser Spruch wiederum, der war eine Reaktion auf Pimmelgate. Menschen in Hamburg haben Andy Grote und seine DĂŒnnhĂ€utigkeit damit aufgezogen, indem sie ihn jetzt erst recht als eins Pimmel bezeichnen. Und jetzt, Monate spĂ€ter, da sitzt Alexander in Augsburg und erinnert sich an die Pimmelgeschichte. Alexander, findet der AfD-Abgeordnete Jurca, das ist auch ein Mann, der seine Privilegien nicht ausreichend reflektiert hat.
Alexander Mai: Wo man halt wieder sieht Politiker fĂŒhlt sich angegriffen, hat ein Pimmel zwischen den Beinen. Hausdurchsuchungen sofort. Wenn Frauen aber angegriffen werden, passiert lange Zeit nichts.
Serafin Dinges: Also postet Alexander im Facebook Streit den Link zu diesem Zeitungsartikel. Den mit dem Vorschaubild, in dem steht Andy, du bist so ein Pimmel. Was Alexander dabei nicht bedenkt. Er schreibt das gerade unter einem Post von Andreas Jurca und der ist ja auch ein Andy.
Die Hausdurchsuchung
Serafin Dinges: Wir haben ein halbes Jahr spÀter per Facebook Streit. Der ist schon lÀngst in Vergessenheit geraten.
Alexander Mai: Im April, gerade am Ende meiner Semesterferien. Ich bereitete mich auf mein erstes Mastersemester vor im Studiengang Mathematik mit Nebenfach Informatik. Es hat geschneit, schon seit ein paar Tagen. So ein bisschen mal geschneit, mal Sonne scheint. Ja. Und meine Freundin, mit der ich schon seit vielen Jahren zusammen wohnte und mit der ich hier jetzt zusammen wohne, die ist krank geworden mit Korona. Wir sind zum Ersten Mal krank geworden damit seit Beginn der Pandemie.
Serafin Dinges: Alexander wohnt mit seiner Partnerin in einer Ein Zimmer Wohnung unterm Dach mit einem groĂen Wohnzimmer und so eine Art Heimetage, die man ĂŒber eine Treppe erreicht. Da oben steht ihr Bett, aber Alexander, der schlĂ€ft heute unten auf einer Matratze, auf dem Boden im Wohnzimmer, in der Hoffnung, dass es sich nicht bei seiner Partnerin ansteckt. Alexander ist heute lĂ€nger wach, lernt noch ein paar japanische Vokabeln und geht dann schlafen.
Alexander Mai: Eingeschlafen. Drei Stunden spĂ€ter, drei, vier Stunden spĂ€ter, war 6:00 morgens und ich bin aufgewacht. Und ich wusste nicht, warum ich aufgewacht bin. Mir ging es richtig scheiĂe. Richtig Kopfschmerzen ĂŒber schwindlig, obwohl ich lag.
Serafin Dinges: Hat dann wohl doch nicht geklappt mit dem gesund bleiben.
Alexander Mai: Und gleichzeitig hör ich klopfen und meine Freundin nach mir rufen. So Hey, was los? Also im ersten Moment denkt man Einbrecher vielleicht. Ich habe ein lautes Klopfen gehört und es war vielleicht so so, was habe ich gehört. Ja, also auch von der LautstĂ€rke her. Aber war ich so okay? Habe ich erst mal umgeschaltet, weil total. Ich wĂŒrd sagen, im Delirium fast schon. Also ich habe einfach erst mal geschaut okay, ich habe hier keinen BaseballschlĂ€ger, habe ich irgendwas, womit ich mich wehren kann? Vom Stuhl wohl zum Stuhl greifen? Höre ich eine Stimme und hör irgendwas. Polizei. Also ich bin seit fĂŒnf Sekunden erst wach. Es spielt sich alles ganz schnell ab. Polizei! Sie mĂŒssen aufmachen. Aber ich. So, erst mein Kopf. So, okay? Vielleicht kein Einbrecher.
Serafin Dinges: Er steht auf und spricht durch die TĂŒr. Mit den Leuten.
Alexander Mai: Hab ich gemeint. Irgendwie so was wie Was wollte hier meinen Sie? Ja. Hausdurchsuchung. Sie mĂŒssen jetzt aufmachen, sonst mĂŒssen wir die TĂŒr aufbrechen. Aber ich. So. Fuck! Da habe ich eigentlich gar keine Lust drauf. Da wollte ich schon so ein bisschen aufmachen und sicherstellen, dass kein Einbrecher auch mich direkt ins Gesicht schlagen kann. Ein bisschen Abstand ja, aber die haben dann so vor die TĂŒr aufgedrĂŒckt, haben sich reingestellt, sind halt so voll uniformierte, voll bewaffnete Polizisten, vier StĂŒck reingekommen, direkt in so meinen Super Klein Eingangsbereich. Ich habe versucht, so ein bisschen erst mal den Weg zu stehen und zu sagen Hey Leute, was los! Aber die haben mich halt zurĂŒckgedrĂ€ngt. Ziemlich.
Serafin Dinges: Und was jetzt kommt, das dĂŒrfte nach den letzten fĂŒnf Folgen keine groĂe Ăberraschung mehr sein. Alex bekommt einen Durchsuchungsbeschluss ausgehĂ€ndigt und da steht irgendwas zur Beleidigung eines AfD Stadtrats.
Alexander Mai: Und dann habe ich, wenn ich schon Kopf Durchgang. Oh Mann, wann habe ich jetzt den AfDler beleidigt? Angeblich.
Serafin Dinges: Aber Alexander weiĂ, dass er eine ganze Menge auf Facebook schreibt. Vielleicht war da ja wirklich was dabei. Er will versuchen, die Hausdurchsuchung zu verhindern und verhandelt.
Alexander Mai: Ich habe tatsĂ€chlich mich selbst belasten wollen, weil ich war. So, Leute. Hausdurchsuchung. Ernsthaft wegen Beleidigung. Kommt. Sagt mir, was das war. Und wenn ich nicht das GefĂŒhl habe, dass sie das erlogen habe, sage ich ja dazu. Dann geht er nach Hause. Da haben wir alle einen schönen Tag.
Serafin Dinges: Aber Alexander sagt, daran hĂ€tte kein Interesse bestanden. Er hat das GefĂŒhl, die Polizei will jetzt einfach mal seine Wohnung durchsuchen und GerĂ€te mitnehmen. Er realisiert erst hinterher, als er den Durchsuchungsbeschluss noch mal in Ruhe liest, um welchen Post auf Facebook es da eigentlich geht. Er ahnt es um Andy. Du bist so ein Spam. Wir fĂŒhren uns das noch mal vor Augen. Nach dem Skandal um Pimmelgate in Hamburg. Hat der Satz Andy, du bist so ein Pimmel! Ein zweites Mal eine Hausdurchsuchung ausgelöst. Zuerst Andy Grote in Hamburg, dann Andy Jurca in Augsburg. Beide MĂ€nner wollen nicht ungestraft als eins Pimmel bezeichnet werden. Und der an Kovac erkrankte Alexander. Der will einfach nur alles zugeben, damit die Polizei ihn in Ruhe lĂ€sst.
Alexander Mai: Die halbe Stadt der Belegschaft kann beweisen, dass ich das war. Leute, muss das sein? HĂ€tte ich gesagt. Aber ich wusste ja nicht mal, worum es geht. Habe ich aber trotzdem gesagt. Kommt schon, Leute. Beleidigungen. Aber da wird es langsam klar Die wollen einfach mein Zeug haben. Die wollen einfach hier rein.
Alexander darf seine AnwÀltin nicht anrufen
Serafin Dinges: Aber Alexander ist vorbereitet. Seit den Hausdurchsuchungen bei anderen Aktivist:innen in Augsburg hat Alexander recherchiert, was man in der Situation macht. Neben seiner TĂŒr hĂ€ngt deshalb schon lĂ€nger ein gelbes Postet. Zu beschreiben, welche Sprache ist.
Alexander Mai: Das ist jetzt Japanisch. Also jetzt nicht zum SpaĂ. Okay. Genau. Ich habe auch ein Austauschsemester dort gemacht. Ich lerne schon ein bisschen lĂ€nger und konnte auch damals flieĂend reden. In der Alltagssprache aber gab es mehr so ein Hobby.
Serafin Dinges: Und du dachtest, ich schreib das jetzt auf Japanisch, weil dann können die nicht immer sehen, was es ist.
Alexander Mai: Genau, weil so ein bisschen auf dem Zettel stehen halt Fragen, die man am Anfang stellen sollte. Fragen, die man wÀhrenddessen auf jeden Fall stellen sollte und Sachen, die man am Ende beachten sollte. Ich nehme die Sprache, die Sie nicht sofort lesen können, weil sonst lesen Sie es direkt und besprechen Sie schon, wie Sie alle meine Fragen kontern, weil Sie denken ja, wahrscheinlich so Hey easy, den nehmen wir hoch, der hat keine Ahnung, der ist. Den haben wir gerade geweckt, der wird keine Ahnung haben.
Serafin Dinges: Nur all die Vorbereitung, die hilft dem nicht viel. Zum Beispiel wollte er so schnell wie möglich seine AnwÀltin anrufen. Martina Sulzberger. Sie ist mittlerweile die StammanwÀltin der Klimabewegung in Augsburg. Aber die Beamt:innen, die erlauben ihm das nicht, wie er uns erzÀhlt.
Alexander Mai: Er hatte gefragt Wen willst du denn anrufen? Frau Sulzberger? Und irgendwie schon krass, wenn mein Haus durchsucht wird wegen. Wenn man zum Ersten Mal polizeilich auffĂ€llig wird. Also ich war ich wĂŒrde noch nie vertreten von irgendeiner juristischen Person. Stand auch nie vor Gericht. Ich hatte noch nie irgendwelche Polizeidelikte oder so was und bin vielleicht bekannt in den Akten als Versammlungs Anmelder, aber sonst nicht Irgendwie auffĂ€llig, Vor allem dem Staatsschutz nicht. Wenn dann der Polizist plötzlich sagt Wen willst du anrufen, Frau Sulzberger? Und ist halt die AnwĂ€ltin, die bekannt dafĂŒr ist, Klimaaktivisten zu verteidigen. Und dann war klar okay, im Beschluss steht nirgends Klimaktivist oder irgendwas mit Klima, sondern nur Beleidigungen. Angeblich. Aber die Leute wissen, die nehme ich an den Klimaaktivisten hoch.
Serafin Dinges: Die Hausdurchsuchung passiert also, ohne dass Alexander Hilfe bekommt. Er arbeitet neben dem Studium als Programmierer, hat also eine Menge GerÀte zu Hause, die die Beamt:innen jetzt mitnehmen, einen Arbeitslaptop, zwei private GerÀte, ein gerade neu gekauftes Handy und.
Alexander Mai: Ich habe noch eine Kiste mit USB Sticks gehabt, was ich einfach leer, weil ich einfach immer gern paar USB Stick bereit habe. Zehn StĂŒck haben sie nicht gefunden und auch direkt die nĂ€chste Schublade zieht, zieht er so eine kleine flache Packung raus und da meinte so Ah, hier eine Festplatte und da schaue ich wieder alles an Leute, das kann ja Festplatte. Da schaut er ganz dumm, schaut so drauf, schaut mich wieder fragend an DVD Laufwerk noch nie gehört. Dann hat es zurĂŒckgelegt. WĂ€re es eine Festplatte gewesen, hĂ€tte das einfach zurĂŒckgelegt. Aber es war wirklich ein DVD Laufwerk, ein externes, weil heutzutage leider kein Laptop mehr ein DVD Laufwerk.
Serafin Dinges: Nach einer knappen Stunde um kurz vor 7:00 morgens sind die Polizist:innen dann wieder weg. Alexanders Freundin ist mit ihrer Co Wirt Infektion im Bett geblieben und hat gehofft, dass der Spuk bald vorbei ist. Er zeigt uns das Durchsuchungsprotokoll des Tages. Dort steht:
Sprecherin: Der Betroffene ist unzufrieden damit, dass er fĂŒr die Dauer der MaĂnahme nicht telefonieren darf.
Alexander Mai: Hier steht schwarz auf weiĂ, dass ich nicht fĂŒnf von ihnen durfte wĂ€hrend der MaĂnahme, unterschrieben von zwei Polizisten, weil ich habe meine Unterschrift verweigert. Steht auch dran, weil ich wollte zwei Polizisten, die das unterschreiben mĂŒssen.
Serafin Dinges: Die Polizei schreibt uns spĂ€ter, dass sie uns zum Schutze der Persönlichkeitsrechte dazu keine AuskĂŒnfte geben darf. Es gebe aber durchaus Konstellationen, wodurch Telefonate vorĂŒbergehend nicht gestattet werden können. Alexander gegenĂŒber bestreitet die Polizei hinterher, dass er nicht telefonieren durfte. Warum es dann Durchsuchungsprotokoll vermerkt ist, das erklĂ€ren sie auch nach mehreren Dienstaufsichtsbeschwerden von Alexander nicht. Auch auf unsere Anfrage kann die Polizei diesen Widerspruch nicht auflösen. Was da genau gelaufen ist, das können wir nicht rekonstruieren. Aber was wir sicher wissen Die Razzia passierte ohne AnwĂ€ltin. Tage spĂ€ter hat sich Alexander zwar von seiner der Infektion erholt, aber nicht von der Razzia danach.
Pressekonferenz und mehr Verfahren
Alexander Mai: Ich bin gefasst darauf. Aber so hinterher. Ich habe noch tagelang. Immer. Immer, wenn es einfach nur GerĂ€usche auĂerhalb der Wohnung gab, wenn es geklingelt hat, da zuckt man so etwas zusammen. Oh shit. Sind die Spieler auch so? Nach Sachen Durchsuchung denkt man sich. WĂ€re ich geiler gewesen, wenn ein Einbrecher da gewesen wĂ€re Ich gesagt hier mein Geld gehe und. Die Polizei aber die, die macht alles kaputt. Einfach. Die nimmt alles mit. Die hat eigentlich keinen Bock, irgendwie dafĂŒr zu sorgen, dass das irgendwie der Sache dient, sondern die sind einfach nur da, um Randale zu machen. Im Endeffekt, und das hat man auch an ihrem Verhalten ganz klar gesehen.
Serafin Dinges: Alexander will das nicht auf sich sitzen lassen. Er und die anderen Aktivist:innen laden am Rathausplatz zu einer Pressekonferenz ein. Der regionale Fernsehsender ist da. Augsburg TV. Und Alexander tritt vor Publikum und Kamera und beginnt sein Statement.
Sprecherin augsburg tv: Auf einmal kommen die Emotionen hoch. Die Erinnerungen an den 5. April machen dem Klimaaktivisten Alexander Mai noch zu schaffen.
Serafin Dinges: In der Aufnahme sieht man Alexander muss seine Rede unterbrechen, geht vom Mikro weg und setzt sich an den Rand.
Alexander Mai: TatsĂ€chlich hat es mich auch da ein bisschen zerlegt, sag ich mal. Also ich habe eigentlich gerade vorgelesen, was ich geschrieben habe, aber als ich dann im Text darĂŒber reden wollte, dass es halt schon auch psychisch Konsequenzen hat, dann konnte ich nicht mehr reden, muss ich ein bisschen eingehen. Also das klingt wieder ein bisschen plump. Ich gehe auch ein bisschen plump mit meinen GefĂŒhlen um, wenn ich so darĂŒber rede, muss ich sagen. Aber ich hatte so was noch nie, dass ich einfach losweine.
Sprecherin augsburg tv: Alexander Mai glaubt, die Hausdurchsuchung hatte den Zweck, an Daten der Klimaaktivisten zu kommen. Die Polizei widerspricht. Die Durchsuchung stand in keinerlei Zusammenhang mit Herrn Mays AktivitÀten bei der Klimabewegung.
Serafin Dinges: Der ganze Fall schlĂ€gt Wellen. Um die beiden Pimmelgates aus Hamburg und Augsburg auseinanderzuhalten, bekommen sie eigene Namen. Pimmelgate Nord und der in Augsburg. Pimmelgate SĂŒd und Pimmelgate SĂŒd schafft es sogar bis in die New York Times. Ein langer Bericht darĂŒber, wie niedrig in Deutschland die HĂŒrden fĂŒr Hausdurchsuchungen zu sein scheinen. FĂŒr Alexander ist es hier aber noch nicht vorbei. Neben Pimmelgate SĂŒd hagelt es bald noch mehr Anzeigen. Zum Beispiel veröffentlichen die Aktivist:innen auch das Protokoll der Hausdurchsuchung und den Durchsuchungsbeschluss, teils geschwĂ€rzt auf ihrer Website. Daraufhin bekommt Alexander einen Brief. Denn diese Veröffentlichung, die war strafbar. Und es kommt noch mehr Ărger auf Alexander zu. Erinnert ihr euch an die Protokolle aus den Stadtratssitzungen? In denen hat er einmal geschrieben.
Alexander Mai: Dass die CSU geklopft hat wie Affen. Und das war konkret, weil die ganzen Diskussionen, wo die CSU sehr ideologisch argumentiert hat, warum etwas nicht sich Ă€ndern darf, halt sehr konservativ. Und dann hat irgendwie so schulhofmĂ€Ăig einer von der CSU versucht, den GrĂŒnen zu dissen und den SPDâler glaube ich. Ich glaube daran. SPDâler sollte man aus der Opposition auch. Und dann mal halt ein paar aus der Union so zu hören. Also keine Ahnung. Also wirklich mit dem GerĂ€usch aus dem Mund, so als wĂ€ren das so AchtklĂ€ssler. Und das habe ich halt so dann literarisch festgehalten, haben gekloppt wie Affen.
Serafin Dinges: AuĂerdem bezeichnet er in diesen Protokollen Mitglieder der AfD als Nazis oder Clowns. Und auf diese Aussage hin folgte dann ein weiterer Strafantrag. Ich habe mich darĂŒber mit Alexanders AnwĂ€ltin Martina Sulzberger unterhalten. Hallo?
Martina Sulzberger: Hi. Hmmm. Jetzt habe ich gerade ein StĂŒck Pilze fĂŒr unser GesprĂ€ch versenkt. Okay.
Serafin Dinges: Denn wie es zu dem Strafantrag wegen der Protokolle kommt, das ist etwas kurios.
Martina Sulzberger: Es gab da diese Protokolle und ein Politiker hat es glaube ich gesehen und hatte das dann irgendwie dem Staatsschutz gegeben. Die haben sich dann das ganze Protokoll gezogen und hatten dann mehrere VorwĂŒrfe, unter anderem der mit den Affen und hat dann natĂŒrlich aktiv. Die Leute, die GeschĂ€digten, die potenziell GeschĂ€digten angeschrieben, ob sie Strafantrag stellen wollen, sich in ihrer Ehre halt herabgewĂŒrdigt fĂŒhlen. Aber die Polizei schaut immer ganz gerne auf Facebook und in die Medien, wo sie rein kommen.
Was sagt die Augsburger Staatsanwaltschaft dazu?
Serafin Dinges: Der Staatsschutz hatte also in Alexanders Protokollen gezielt nach potenziell strafbaren Handlungen gesucht und dann die betroffenen Politiker:innen darauf angesprochen. Die CSU Mitglieder wollen wegen der Bezeichnung als Affen aber am Ende gar keine StrafantrĂ€ge stellen. Aber weil die Polizei eben noch weitere Beleidigungen in den Protokollen gefunden hatte, die als Klauen und Nazi. Stellt am Ende ein Mitglied der AfD Fraktion einen Strafantrag. Und so kam es zu der Pimmelbeleidigung und der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente. Noch ein weiteres Verfahren hinzu wieder wegen Beleidigung. Und noch ein Verfahren gegen Alexander kommt hinzu. Im Oktober 2022, also ein halbes Jahr nach der Hausdurchsuchung, sollen wegen eines Bauprojekts in Augsburg gut 50 teils sehr alte und groĂe BĂ€ume gefĂ€llt werden. Die Aktivist:innen sagen Der Wohnungsneubau, der wĂ€re auch möglich, ohne dass man die BĂ€ume fĂ€llen mĂŒsste. Die Wohnbaugruppe widerspricht und will die BĂ€ume fĂ€llen. Alexander, Ingo und eine weitere Aktivistin klettern aus Protest auf die BĂ€ume. Die Aktivist:innen brechen die Aktion nach ein paar Stunden ab und werden daraufhin von der Wohnbaugesellschaft angezeigt. Und damit sie nicht mitgezĂ€hlt habt, laufen gegen Alexander jetzt vier Verfahren gleichzeitig. Wir haben uns lange um ein Interview mit Polizei und Staatsanwaltschaft in Augsburg bemĂŒht. Wir wĂŒrden gern von der anderen Seite hören, verstehen, was man dort ĂŒber das Klimacamp denkt. Ăber den Umgang mit Janikapondorf. Alexander Mai, Ingo Blechschmidt. Aber trotz vieler Telefonate und Bitten war ein Interview nicht möglich. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft könnte die Statements einlesen, wurde mir gesagt. Aber RĂŒckfragen wĂ€ren dann nicht möglich. Man wolle nicht in eine Rechtfertigungshaltung kommen. Die Statements kann man so zusammenfassen Rechtlich wĂ€re immer alles abgesichert gewesen, es hĂ€tte ĂŒberall einen Anfangsverdacht gegeben und die Hausdurchsuchungen wurden immer richterlich bestĂ€tigt. Und die Betroffenen? Die könnten ja Rechtsmittel und Beschwerden einlegen. Wir wollten auch wissen, ob Janika, Ingo und Alexander besonders im Visier waren, weil sie Teil der Augsburger Klimabewegung sind. Das wurde uns von der Staatsanwaltschaft zwar nie konkret bestĂ€tigt, aber grundsĂ€tzlich spiele der Kontext immer eine Rolle, hieĂ es. Es gehört zu unserer journalistischen Sorgfaltspflicht, dass wir auch AfD Stadtrat Andreas Jurca Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Mehrere Wochen nach meiner ersten Anfrage bekam ich eine Antwort. Er hĂ€tte zwar gern etwas gesagt, aber jetzt sei es wohl zu spĂ€t. Das war noch nicht zu spĂ€t. Ich habe noch am selben Tag geantwortet, dass ich auf jeden Fall Zeit fĂŒr ein GesprĂ€ch finden wĂŒrde. Aber auf diese und jede weitere meiner Emails seitdem bekam ich entweder keine Reaktion oder eine automatisch generierte Email, dass das Postfach voll sei.
Sprecherin: Mailbox Full
Serafin Dinges: Naja. Wir haben es versucht.
Spendenaufruf
Serafin Dinges: Bevor es weitergeht, habe ich noch eine kurze Nachricht. Oder eher ein GestĂ€ndnis. Und zwar von mir. Ich muss zugeben, dass ich nicht jeden Tag netzpolitik.org lese. So, es ist raus. Obwohl ich seit Jahren regelmĂ€Ăig mit und fĂŒr netzpolitik.org arbeite, bin ich nicht immer auf dem neuesten Stand. Von jedem Papier ĂŒber Vorratsdatenspeicherung oder biometrische Gesichtserkennung oder Alterskontrollen. Ich weiĂ nicht sofort Bescheid ĂŒber fragwĂŒrdige Netzsperren oder den aktuellsten Versuch des Staates, auf meinem Handy mitzulesen. Aber auch wenn ich diese Entwicklungen nicht immer in Echtzeit verfolge, dann weiĂ ich, dass bei netzpolitik.org jeden Tag Kolleg:innen sitzen, die sich mit genau diesen Themen auseinandersetzen. Die dranbleiben und Druck machen. Wo mir selbst manchmal die Zeit oder das VerstĂ€ndnis oder ganz ehrlich die Geduld fehlt. Und genau deshalb ist eine regelmĂ€Ăige Spende fĂŒr netzpolitik.org auch so eine Art Vorsorge, eine Vorsorge gegen Ăberwachung und Grundrechtsverletzungen fĂŒr eine funktionierende Demokratie. Denn natĂŒrlich schaffen wir es alle nicht immer in unserem Alltag ĂŒberall dran zu bleiben. Aber eine Spende macht möglich, dass Menschen bei netzpolitik.org das tun. Dass sie weiterhin fĂŒr digitale Freiheit und Selbstbestimmtheit kĂ€mpfen. Auch wenn ich selbst vielleicht gerade gar keine Energie dafĂŒr habe. Okay. Ganz ehrlich. Ich sag Leuten nicht gern, was sie tun sollen. Aber bitte, wenn ihr die Demokratie stĂ€rken wollt und er es euch leisten könnt, dann gebt Geld fĂŒr guten Journalismus aus, egal welchen. Gerade jetzt ĂŒberlegt euch, wofĂŒr ihr sonst so regelmĂ€Ăig Geld ausgibt und wie hoch Journalismus da fĂ€llt. Eine gute Faustregel Wenn ihr mehr Geld fĂŒr Streaming ausgibt als fĂŒr Journalismus. Das könnte man vielleicht mal ĂŒberdenken. Und wenn euch diese Podcast gefĂ€llt, dann könnt ihr Geld fĂŒr diesen Journalismus ausgeben und zwar unter netzpolitik.org/spenden. Jedes bisschen hilft. Okay, das warâs.
Die Letzte Generation
Serafin Dinges: Alexander wartet jetzt also auf seinen Gerichtsprozess zu den VorwĂŒrfen von Pimmelbeleidigung bis hin zu auf BĂ€ume klettern. Aber wĂ€hrend Alexander darauf wartet, eskaliert der Konflikt zwischen Klimaaktivist:innen und Staatsschutz noch weiter bis auf die nationale Ebene.
Nachrichtenausschnitte: Klimaaktivisten der sogenannten letzten Generation haben am Morgen den Flughafen MĂŒnchen vorĂŒbergehend lahmgelegt.
Nachrichtenausschnitte: nach einzelnen Protesten vergangene Woche hatten die Klimaaktivisten angekĂŒndigt, von heute an den Verkehr in der Hauptstadt lahmlegen zu wollen.
Nachrichtenausschnitte: Tag 18 Ohne Essen im Herzen des Berliner Regierungsviertel greifen junge Klimaaktivisten in einem Park zu einem radikalen Mittel, damit die Politiker ihre Anliegen ernst nehmen und damit den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, mehr fĂŒr den Klimaschutz zu tun.
Nachrichtenausschnitte: Die Sorgen der jungen Menschen sind nicht aus der Luft gegriffen. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts fĂŒr Wirtschaftsforschung kommt zum Schluss, dass mit keinem der groĂen Parteiprogramme die Klimaschutzziele zu erreichen sind.
Serafin Dinges: Die letzte Generation. Viele dĂŒrften Sie als Klimakleber kennen. Sie sind bekannt fĂŒr kontroverse Aktionen, um Aufmerksamkeit auf die Klimakatastrophe zu lenken. Dabei ĂŒberschreiten sie oft Grenzen, persönliche und gesetzliche. Die Klimaaktivistin in Augsburg, die sehen die letzte Generation teilweise kritisch erklĂ€rt. Und Ingo Blechschmidt.
Ingo Blechschmidt: Die letzte Generation hatte sich dann halt irgendwann gegrĂŒndet. Und wir haben wir und ganz viele Gruppen in Deutschland haben das halt so aus dem Augenwinkel verfolgt. Davor gab es ja diesen Hungerstreik, der in Teilen der Szene auch scharf kritisiert wurde, nach dem Motto Aktivismus ist ja kein Sprint, sondern ein Marathon. Es bringt jetzt nichts, Hunger zu streiken und sich selbst fertig zu machen. Man muss ja noch vier Jahre aktiver, aktiver sein.
Serafin Dinges: Bei Fridays of Future Augsburg, da liegt der Fokus auf eine Art von Aktivismus, der fĂŒr möglichst viele Leute zugĂ€nglich sein soll. Man will vor allem ins GesprĂ€ch kommen. Und so entwickeln sich die beiden Bewegungen parallel.
Ingo Blechschmidt: Jedenfalls sahen wir das so aus dem Augenwinkel quasi verfolgt. Und irgendwann habe ich die Anfrage bekommen von der sich grĂŒndenden letzten Generation, ob ich Telefondienst fĂŒr die letzte Generation machen möchte.
Serafin Dinges: Bei den SchĂŒler:innenstreiks in Augsburg. Da war er einer der wenigen VolljĂ€hrigen, die von Anfang an dabei waren und deshalb hat er auf Demos angemeldet, rechtliche Verantwortung ĂŒbernommen. Und weil Ingo ein geduldiger Typ ist, der auch gerne mit Kritiker:innen spricht, steht seine Telefonnummer bei ganz vielen Websites im Impressum. Steht da immer noch Befreites vor? Future beim Klimacamp? Und deshalb sagt er dann auch Ja, als ihn die letzte Generation danach fragt, ob er Telefondienst machen will.
Ingo Blechschmidt: Die meisten Anrufe fangen so an, dass ich in den ersten zwei Minuten Morddrohungen abbekomme. Wenn. Wenn ich euch erwische, ich gebe Gas, wenn ich raus bin, wo dann Familie wohnt. Also, was? Ăhm, das. Das höre ich mir an und dann klĂ€re ich MissverstĂ€ndnisse auf, dass die letzte Generation nicht als Ziel hat, alle Autos zu verbrennen, die es auf der Welt gibt. Und durch diese MissverstĂ€ndnis AufklĂ€rung sind die Leute dann auch so ĂŒberrascht und ĂŒberrumpelt, dass dann ein gutes GesprĂ€ch in sehr vielen FĂ€llen möglich ist. Das ist die hĂ€ufigste Art von GesprĂ€ch. Endet das dann nach 40 Minuten damit, dass Sie der letzten Generation viel Erfolg wĂŒnschen? Es gibt natĂŒrlich auch welche, die legen auf nach den Morddrohungen oder obwohl ich es so gut wie es kann versuche kommt. Kommt das GesprĂ€ch nicht auf einen grĂŒnen Zweig, aber der hĂ€ufigste andere Anruf ist Morddrohung am Anfang und viel Erfolg am Ende.
Hausdurchsuchung, die nÀchste⊠und nÀchste
Serafin Dinges: Aber dann passiert es wieder. Und zwar bei Ingo.
Ingo Blechschmidt: Das war um 7:00 in der FrĂŒh.
Serafin Dinges: Es ist im Mai 2023.
Ingo Blechschmidt: Und meine Freundin stand paar Minuten vor mir auf. Die musste zur Schule. Sie ist Lehrkraft an einem Gymnasium und sie meinte noch zu mir, ich soll nicht erschrecken, wenn es an der TĂŒr klingelt, weil sie erwartet ein Paket und ich kann einfach öffnen. Und mehr oder weniger direkt. Als sie das gesagt hat, hat es an der TĂŒr geklingelt und es auch noch durch den TĂŒrspion. Und siehe da, die Polizei.
Serafin Dinges: Ist zu diesem Zeitpunkt bei seiner Freundin in einer winzigen Wohnung. Eine Ein Zimmer Wohnung, also wirklich ein Zimmer, in dem Bad und KĂŒche sind. Daneben ein kleines Bad.
Ingo Blechschmidt: Dann hat die Polizei angefangen. Es waren viele Beamte hier drin. Nicht alle von den 15 paar haben auch die ganze Zeit drauĂen gewartet und haben dann hier angefangen sich auszubreiten. Angefangen sich angefangen Sachen anzuschauen. Ăhm. Und nach paar Minuten wurde mir dann eröffnet, was eigentlich Sache ist. Das eben, dass das eine Hausdurchsuchung ist, dass ein Gerichtsbeschluss vorliegt zur Konfiszierung von allen möglichen technischen GerĂ€ten und auĂerdem allem, was nach Spendengeldern aussieht. Meine Freunde und ich saĂen dann hier auf dem Bett und haben haben da erstmal zugeschaut.
Serafin Dinges: Die Polizist:innen suchen nach elektronischen GerĂ€ten. FĂŒr Ingo erschlieĂt sich nicht so richtig, wonach gesucht wird und warum ĂŒberhaupt ermittelt wird. Was Ingo hier noch nicht weiĂ An diesem Tag werden die Wohnungen von mehreren Mitgliedern der letzten Generation durchsucht.
Ingo Blechschmidt: Seit dem frĂŒhen Morgen durchsuchen Ermittler Wohnungen und GeschĂ€ftsrĂ€ume der letzten Generation wie hier in Berlin. Der Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft.
Alexander Mai: MĂŒnchen die Bildung bzw UnterstĂŒtzung.
Ingo Blechschmidt: Einer kriminellen Vereinigung, bei der Carla Hinrichs die Aussage der Pressesprecher der letzten Generation, die wurde ja am selben Tag auch aus durchsucht und der haben sie ja sogar mit gezogener Waffe eröffnet. Worum es geht, das haben sie bei mir nicht gemacht. Alle Dienstwaffen blieben in den Halfter eingesteckt, aber ich habe einfach das GefĂŒhl, dass es da auch viel um EinschĂŒchterung und und auch öffentliche Stimmungsmache geht.
Serafin Dinges: Die Generalstaatsanwaltschaft MĂŒnchen hatte an diesem Morgen veranlasst, dass 15 Orte in sieben BundeslĂ€ndern durchsucht werden und sie hatten die Website der letzten Generation beschlagnahmt. Dort stand dann.
Sprecherin: Die letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemÀà Paragraf 129 StGB dar. Spenden an die letzte Generation stellen mithin ein strafbares UnterstĂŒtzen der kriminellen Vereinigung dar.
Serafin Dinges: Diese Formulierung, das wissen wir heute, die ist nicht okay. Nach wie vor geht die letzte Generation nĂ€mlich nicht als kriminelle Vereinigung. Es gibt dazu noch kein Gerichtsurteil, und viele Jurist:innen zweifeln an dem Verdacht. Die Generalstaatsanwaltschaft MĂŒnchen rammt hier spĂ€ter Fehler ein. Und bei Ingo? Da weckt der gesamte Trubel schon wieder den Verdacht. Die Hausdurchsuchungen. Sie werden hier nicht gemacht, um irgendwelche Beweise sicherzustellen und zu ermitteln, sondern um einzuschĂŒchtern.
Ingo Blechschmidt: Mir wird vorgeworfen, im Rahmen der Hausdurchsuchungen, dass ich kriminelle Vereinigungen gegrĂŒndet haben soll, sogar im Plural, heiĂt es in der Ăberschrift von diesem Dokument.
Serafin Dinges: Ich meine jetzt nicht unbedingt so absurd, wenn du im Impressum stehst, oder?
Ingo Blechschmidt: Ja, das. Das magister schon sein, dass das akzeptiert schon. Aber man kann natĂŒrlich ein bisschen weiterdenken. Also erstens welche tatsĂ€chlich kriminelle Vereinigung setzt in Ihren Chef auf der Webseite ins Impressum? Also welche Mafia oder so was macht das? Kommt mir. Wenn ich dann also weiter drĂŒber nachdenke, unglaubwĂŒrdig vor. Und ansonsten? Die letzte Generation ist ja eine unglaublich transparente Vereinigung. Es gibt eine Kerngruppe aus sechs Menschen und die hĂ€lt sich aber nicht im Verborgenen auf, sondern jeder, der sich fĂŒr Gesetze interessiert, weiĂ halt, wer diese sechs Menschen sind.
Serafin Dinges: Ingo sagt, er ist kein offizielles Mitglied der letzten Generation, hat nur Telefondienst gemacht und trotzdem wird er durchsucht. Und nicht nur er wird durchsucht.
Gotlind Blechschmidt: Ich lag noch im Bett und hab mir ĂŒberlegt, was ich so den Tag ĂŒber jetzt alles machen werde.
Serafin Dinges: Auch bei Ingo Mutter Gutlind Blechschmidt steht die Polizei auf der Matte, denn da ist Ingo noch immer gemeldet. In der vorigen Folge, da wurde Godwins Haus schon einmal wegen ihres Sohnes durchsucht. Damals dachte sie, es kÀmen Handwerker. Diesmal dachten sie aber nicht, dass es Handwerker sind.
Gotlind Blechschmidt: Nein, diesmal wusste ich sofort, dass es Polizisten sind. Genau.
Serafin Dinges: Und was dachten Sie dann? Als sagten Sie warum?
Gotlind Blechschmidt: Das war mir nicht klar. Aber es gehen einem der viele Gedanken durch den Kopf. Das ist ganz komisch. Ich dachte mir auch Gott sei Dank, es sind nicht nur zwei. Weil wenn es zwei sind, dann ĂŒberbringen die mir jetzt vielleicht eine ganz schlimme Nachricht. Aber es war neun oder so und dann dachte ich Ja gut, dann wird es wohl. Ich glaube, es fiel mir dann sofort ein, Das wird dann wohl wieder eine Hausdurchsuchung sein.
Serafin Dinges: Die Polizist:innen erklÀren ihr, dass ihr Sohn Teil einer kriminellen Vereinigung sein soll. Fast dreieinhalb Stunden wird das Haus von. Ingos Mutter durchsucht.
Gotlind Blechschmidt: Konkrete Idee hatten sie nicht. Es war ja eine bundesweite Razzia, und die fand ja da und dort statt. Und ich glaube, die haben alle auf Geratewohl gesucht.
Serafin Dinges: Und hinterher erfĂ€hrt Gotland, dass fĂŒr mindestens drei Monate ihr Telefon abgehört wurde.
Gotlind Blechschmidt: Ja, das fand ich schon blöd, weil mich ohne meinen, ohne mein Wissen zu meine Telefonate zu ĂŒberwachen. Also das ist ja skandalös.
Serafin Dinges: Wussten Sie vorher, dass so was ĂŒberhaupt möglich ist?
Gotlind Blechschmidt: Ăh. Ja. An und fĂŒr sich. Nein. Also. Nein. Na ja, gut. Ich nehme schon an, dass die Polizei bei irgendwelchen Schwerverbrechern oder wenn Sie jemanden in Verdacht haben, dass Sie das dann vielleicht machen können. Das könnte schon sein, dass ich das wusste. Aber nun, bei mir, ausgerechnet da ich keine Schwerverbrechern bin und ĂŒberhaupt keinen, keinen Anlass dazu bestand, dass ich irgendwie verdĂ€chtig bin, finde ich das unkorrekt.
Serafin Dinges: Gotland ist sich sicher, dass weder Sie noch ihr Sohn etwas Falsches getan haben. Ein gutes Gewissen ist ein gutes Ruhekissen, sagt sie mir am Telefon. Umso mehr ist sie empört ĂŒber die viele Aufmerksamkeit, die sie wĂ€hrend und in den Wochen nach der Hausdurchsuchung bekommen hat.
Gotlind Blechschmidt: Und es wurde auch mein Haus im Fernsehen gezeigt. Es kam dann ein einer verschiedene von Fernsehanstalten, und die haben dann von der StraĂe aus gefilmt. Ich habe sie gebeten, ob sie nicht das Filmen einstellen lassen. Aber nein, das sei öffentlicher Grund und da können sie filmen usw. Also das war dann auch unangenehm.
Serafin Dinges: Durch die viele Aufmerksamkeit wurde auch Godlins Adresse öffentlich. In einem so aufgeheizten Klima fĂŒhlte sie sich dadurch sehr wohl nach Rabe.
Gotlind Blechschmidt: Ein paar Wochen spĂ€ter wurde wurden meine Holten, wurden meine Zaunpfosten besprĂŒht und an einer Mauer gleich bei mir gegenĂŒber wurde dann hingedreht. Klimaterrorist Ingo Böll. Und dann mit einem Pfeil nach rechts. Nummer fĂŒnf. Also es war alles schon unangenehm.
Serafin Dinges: Und auch Ingo erfĂ€hrt nach der Hausdurchsuchung, dass er ĂŒberwacht wurde oder vielleicht immer noch wird. Sicher ist er sich da nicht.
Ingo Blechschmidt: Und ansonsten? Sie haben ja mein Handy ĂŒberwacht, fĂŒr mindestens sechs Monate. Ich habe nicht schwarz auf weiĂ, dass sie mich immer noch ĂŒberwachen. Aber ich habe auch nicht schwarz auf weiĂ, dass Sie es nicht mehr tun. Ich gehe davon aus, dass es immer noch machen. Sicherheitshalber. Und daraus konnten Sie ja dann auch ablesen, was meine Rolle ist. NĂ€mlich konnten Sie hören, wenn ich wenn Presse anruft und was von der Nation will, dass ich sage Sorry, ich leite das gerne weiter, aber ich kann keine Auskunft geben. Oder wenn die ganzen BĂŒrger ihn anrufen und ich dann sage ich mal Telefon fĂŒr die letzten 42 Minuten mich mit denen unterhalte. Und sie wissen eben auch, dass kein einziges strategisches GesprĂ€ch da war, wo sich fĂŒhrende Köpfe der letzten Generation unterhalten, wie sie jetzt weitermachen wollen oder so was.
Alexander Mais Urteil
Serafin Dinges: Ob die letzte Generation nun eine kriminelle Vereinigung ist, darĂŒber wird man sich wohl noch lĂ€nger streiten. Die Gerichtsverhandlung steht noch aus. Eine andere Gerichtsverhandlung, aber die ist mittlerweile vorbei. Anfang MĂ€rz 2024 wurde in den vier FĂ€llen von Alexander May ein Urteil getroffen. Also wegen der Pimmelgeschichte, wegen der Veröffentlichung von Dokumenten, wegen der Protokolle in den Stadtratssitzungen und wegen dem Klettern auf BĂ€ume. Es war aber gar nicht so wirklich ein Urteil, sondern eher eine Vereinbarung.
Alexander Mai: Wie jetzt gerade so gut wir sind. Aber ich bin sehr zufrieden.
Serafin Dinges: In den Tagen vor der Gerichtsverhandlung hatten sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft auf einen Deal geeinigt. Alexander bekennt sich schuldig zu den Beleidigungen in den Protokollen, der Veröffentlichung der Dokumente und des Hausfriedensbruch wegen der BĂ€ume. DafĂŒr soll er 1.200 ⏠Strafe zahlen. Die VorwĂŒrfe wegen der Beleidigung des AfD Stadtrats Andreas Jurca, wegen denen seine Wohnung durchsucht wurde, die wurden fallen gelassen und damit endet Pimmelgate SĂŒd genauso wie Pimmelgate Nord. Erstaunlich schlapp. RechtsanwĂ€ltin Sulzberger.
Martina Sulzberger: Das heiĂt auch im Umkehrschluss Also entweder ist da gar nichts dran oder aber so wenig, dass wir es einfach auĂer Acht lassen können. Und das ist hier passiert. Das heiĂt, wir haben diesen ganzen Teil mit diesem Wir Geld weg beschrĂ€nkt und uns auf die anderen Sachen konzentriert.
Serafin Dinges: Wir wissen nicht, ob der Konflikt zwischen Klimacamp und Augsburg hiermit schon seinen Höhepunkt erreicht hat. Ob das wirklich alles war oder nur der Anfang von viel mehr. Bei einer ersten Anklage der Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen die letzte Generation kommt Ingo nicht vor. Andere Anklagen stehen noch aus. Und das Klimacamp vor dem Rathaus? Das besteht weiter. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Die ganzen Razzien und MaĂnahmen gegen Klimaaktivist:innen. Haben Sie eigentlich was bewirkt? Die Klimaaktivist:innen. Die machen weiter. Nur ihre Einstellungen haben sich verĂ€ndert. Der Janika Pondorf aus der letzten Folge.
Epilog
Janika Pondorf: Also ich muss sagen, mein Vertrauen in Polizei und Rechtsstaat hat sich verĂ€ndert. Es ist strategisch wahrscheinlich nicht besonders schlau gewesen von der Polizei, das so zu machen, weil ich vorher wirklich ein sehr positives Bild von der Polizei hatte. Das hat es dann natĂŒrlich erschĂŒttert, dieses Bild mittlerweile. Ja, habe ich dann nicht mehr dieses Urvertrauen?
Alexander Mai: Ich meine, am Ende ist es ja immer eine RisikoabwĂ€gung. Ich will ja eigentlich auch nie eine Straftat begehen, aber als Aktivist begeht man eigentlich erst dann Straftaten, wenn man das GefĂŒhl hat, dass man dadurch schlimmere Straftaten verhindert oder zumindest moralisch gesehen schlimmere Sachen durch das durch die Politik oder durch andere Akteure, die vielleicht sich im legalen Rahmen bewegen, aber trotzdem leben oder Lebensgrundlagen zerstören.
Janika Pondorf: Wenn man mit legalen Protesten sowieso auch rechtliche Probleme bekommt, warum sollte man dann weiterhin legale Proteste wĂ€hlen? Ein Grund dafĂŒr wĂ€re, dass es gesellschaftlich akzeptiert ist, egal Protest zu machen. Und deswegen halte ich es nach wie vor fĂŒr wichtig, auch legale Proteste anzubieten. Aber ob ich persönlich mein ganzes Leben lang nur auf legale Proteste zurĂŒckgreifen werde, ist die andere Frage.
Serafin Dinges: Die Aktivist:innen wenden sich also zivilem Ungehorsam zu. BĂ€ume besetzen, Statuen dekorieren. So was kann illegal sein, aber in ihren Augen ist es nicht illegitim. Sie wollen etwas besser machen innerhalb des Systems und werden dafĂŒr behandelt. Wie Gegner:innen des Systems finden sich plötzlich auf der anderen Seite wieder. Es ist schon seltsam, wenn AuĂenseite und Innenseite so ineinander ĂŒbergehen, fast wie bei so einem Möbius Band.
Alexander Mai: Also so richtig cool. Aber jetzt hier wird es kompliziert. Jetzt habe ich zwei mal halbiert. Das Möbius Band könnte ein Teil sein. Scheint noch ziemlich chaotisch. Es wird gleich cool.
Ingo Blechschmidt: Oh mein Gott, sind das etwa 2 verschlungene Herzen?!
Alexander Mai: Zwei verschlungene Herzen.
Ingo Blechschmidt: Oh mein Gott, wie sĂŒĂ!
Alexander Mai: Zwei Herzen. Das kann man. Kann man schon noch mal verschenken.
Serafin Dinges: In diesem Podcast haben wir Menschen getroffen, bei denen plötzlich die Polizei auf der Matte steht, ohne Einladung. Und dann sind die Polizist:innen eingedrungen. In die Wohnung, in die Handys, in die PrivatsphĂ€re. Das passiert nicht einfach nur, weil das Gesetz es erlaubt. Das Gesetz ist nichts ohne die Menschen, die es anwenden. Es waren Menschen, die entschieden haben. Ja, hier soll eine Razzia passieren. Und hier auch. Und hier noch eine. Razzien gegen linke Journalist:innen. Gegen Kirchenasyl. Gegen GeflĂŒchtete. Gegen Klimaaktivist:innen. Da waren Beamt:innen bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Da waren Richter:innen, die entschieden haben Ja, wir machen das jetzt so! Und so wird aus vielen Entscheidungen ein System. Ein System, in dem bestimmte Menschen sich nicht sicher fĂŒhlen wegen ihrer Einstellungen, wegen ihrer Herkunft. Ein System, das sie als Gefahr sieht, obwohl sie sich selbst ĂŒberhaupt nicht gefĂ€hrlich finden.
Andreas Reimann: Sie arbeiten ja nicht fĂŒr Geld, dann haben Sie ja wohl andere Interessen.
Fabian Kienert: Linke Medienarbeit ist nicht kriminell.
David: Viele, die sind verrĂŒckt geworden. Viele, die sind wieder kriminell.
Sandra Menzel: Die christlichen GrundsÀtze auch. Und der NÀchstenliebe. Das hat sich ja nicht verÀndert. Meine Theologie hat sich nicht verÀndert.
Andrej Holm: Und du eigentlich immer mit denkst, wie Dritte das interpretieren könnten, was du gerade erzÀhlst und berichtest.
David: Verflucht, dieser Platz. Ehrlich, sage ich, ist verflucht.
Serafin Dinges: Noch ein schnelles Update. Erinnert ihr euch an Folge eins unseres Podcasts Linksextremismus? Der Journalist von Radio Dreyeckland, der vor Gericht musste, weil er einen Link gesetzt hat auf linksunten.indymedia.org. Am 6. Juni fiel vor dem Landgericht Karlsruhe sein Urteil: Es war ein Freispruch. Danke, dass ihr bis hierhin gehört habt. Wir sind noch nicht ganz fertig. NĂ€chste Woche haben wir noch eine Folge fĂŒr euch. Ein GesprĂ€ch mit RechtsanwĂ€ltin Analog a. Wir fragen Sie. Was tun, wenn es plötzlich bei mir an der TĂŒr hĂ€mmert? Wie komme ich am besten durch so eine Hausdurchsuchung? Welche Rechte habe ich? Und Antworten auf alle Fragen, die ihr uns in den letzten Wochen so geschickt habt.
Serafin Dinges: Systemeinstellungen ist eine Produktion von netzpolitik.org, dem Medium fĂŒr digitale Freiheitsrechte. Host und Producer bin ich Serafin Dinges. Redaktion Anna Biselli, Chris Köver, Ingo Dachwitz und Sebastian Meineck. Titelmusik von Daniel Laufer. ZusĂ€tzliche Musik von Blue Dot Sessions und mehr. Cover Design Lea Binsfeld. Besonderen Dank an Lara Seemann und Lena SchĂ€fer. Wenn euch der Podcast gefallen hat, dann freuen wir uns sehr ĂŒber eine gute Bewertung. Und wenn ihr ihn an Freund:innen weiterempfehlt.
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Thu, 13 Jun 2024 14:38:27 +0000
Markus Reuter
Um angeblich eine Minute beim Einchecken am Flughafen einzusparen, will die Bundesregierung Fluglinien erlauben, auf die biometrischen Reisepass-Daten zuzugreifen. Der Chaos Computer Club fordert die Streichung der PlĂ€ne, sie wĂŒrden einen gefĂ€hrlichen PrĂ€zendenzfall schaffen.
Die Ampel-Regierung will mit dem Vierten BĂŒrokratieentlastungsgesetz und Ănderungen in Pass- und Luftverkehrsgesetz privaten Unternehmen erstmals Zugriff auf staatlich erhobene biometrische Daten geben. Nach den PlĂ€nen der Bundesregierung sollen kĂŒnftig Luftfahrtunternehmen, Betreiber von FlughĂ€fen und Abfertigungsdienstleister Zugang zu den sensiblen Daten bekommen. Bislang ist die Verarbeitung der auf dem Chip gespeicherten und verpflichtend erhobenen Daten ausschlieĂlich durch Polizeien sowie durch Pass-, Personalausweis- und Meldebehörden zulĂ€ssig.
Konkret geht es vor allem um das biometrische Foto, das auf dem Chip gespeichert ist. Dieses soll den Luftfahrtunternehmen beispielsweise am Flugschalter zur VerfĂŒgung gestellt werden, damit diese die FluggĂ€ste bei der Abfertigung biometrisch identifizieren können. Die Ampel verspricht sich davon |laut der GesetzesbegrĂŒndung| eine zeitliche Einsparung von einer Minute pro Gast beim Einchecken und will so das âReiseerlebnis des Fluggastesâ verbessern.
Gegen die PlĂ€ne war zuletzt |der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Sturm gelaufen|, er nannte in einer |Stellungnahme (PDF)| das Vorhaben âhöchst problematischâ. Dieser |Kritik hat sich nun der Chaos Computer Club| (CCC) angeschlossen. Der Verein hatte im Februar schon eine |Stellungnahme zum Gesetz (PDF)| abgegeben.
Der CCC-Sprecher Matthias Marx begrĂŒndet die Kritik des Vereins gegenĂŒber netzpolitik.org: âDie geplante Freigabe der biometrischen Daten wird absehbare Konsequenzen haben: Wenn Flughafenbetreiber und Airlines diese sensiblen Daten fĂŒr reine Bequemlichkeitsanwendungen nutzen dĂŒrfen, wird es schwierig sein, anderen Branchen den Zugang zu verweigern.â Dies mindere den Schutz der hochsensiblen biometrischen Daten auf dramatische Weise. Marx weiter: âEs ist ein Hohn, dass die zwangsweise Erhebung und Speicherung der biometrischen Daten stets mit der Abwehr schwerer Verbrechen begrĂŒndet wurde, und nun diese Gesichtsbilder plötzlich fĂŒr den bloĂen Convenience-Gebrauch von Airlines freigegeben werden sollen.â
In seiner Stellungnahme erinnert der CCC daran, dass die biometrischen Daten des Gesichtes verpflichtend erhoben worden seien: Bei der EinfĂŒhrung des biometrischen Reisepasses 2005 wurde ausdrĂŒcklich gesetzlich festgelegt, dass die auf den Chips in den ReisepĂ€ssen gespeicherten Daten nur behördlich fĂŒr klar abgegrenzte Zwecke genutzt werden dĂŒrfen.
Ăber die angeblich eingesparte Minute â das soll offenbar die BĂŒrokratie-Entlastung an den PlĂ€nen sein â macht sich der Verein lustig: Ob Passagiere dann statt 120 Minuten nur noch 119 Minuten vor Abflug am Flughafen sein mĂŒssten, ginge aus dem Gesetzentwurf nicht direkt hervor. Auch an der im Gesetz vorgesehenen âFreiwilligkeitâ lĂ€sst der CCC kein gutes Haar. Denn laut dem Hacker:innen-Verein dĂŒrfte es vielen Menschen schwerfallen zu erkennen, ob eine Kontrolle am Flughafen hoheitlich ist oder nicht.
âDass sie ohne jegliche Nachteile nur eine Bordkarte vorzeigen könnten statt sich einer biometrischen Vermessung zu unterziehen, werden wenige wissenâ, so der Verein. Dass die betroffenen Personen tatsĂ€chlich informiert und freiwillig entscheiden könnten, ob sie die gespeicherten biometrischen Daten abgleichen lassen möchten, sei in der Flughafensituation nicht zu erwarten.
Der CCC vergleicht die Situation mit der |EinfĂŒhrung der Nacktscanner|, wo durch ein Ablehnen des Scannens oft lĂ€ngere Wartezeiten drohten. âDass sich jemand rechtfertigen oder Wartezeiten in Kauf nehmen mĂŒsste, wenn er Privatunternehmen den Zugang zu seinen biometrischen Daten verweigert, ist ein Unding,â sagt CCC-Sprecher Matthias Marx. âEs darf weder Zwang noch Druck geben, sensible biometrische Daten preiszugeben.â
Als Konsequenz fordert der CCC in seiner Mitteilung die Streichung der entsprechenden Passagen im Gesetzesentwurf. Der Vorschlag sei âvöllig inakzeptabelâ. In den FuĂnoten der Pressemitteilung verlinkt der CCC ein |Demonstrationsvideo fĂŒr das Deaktivieren des Chips im Reisepass| und weist darauf hin, dass der Reisepass auch mit funktionsunfĂ€higem Chip ein vollwertiges Reisedokument bleibe.
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|laut der GesetzesbegrĂŒndung|
|der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Sturm gelaufen|
|Kritik hat sich nun der Chaos Computer Club|
|Stellungnahme zum Gesetz (PDF)|
|EinfĂŒhrung der Nacktscanner|
|Demonstrationsvideo fĂŒr das Deaktivieren des Chips im Reisepass|
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Thu, 13 Jun 2024 13:12:09 +0000
Matthias Monroy
FĂŒnf BundeslĂ€nder wollen ihre TelekommunikationsĂŒberwachung in einem gemeinsamen Zentrum bĂŒndeln. Seit sechs Jahren tritt das Vorhaben auf der Stelle.
Die Inbetriebnahme eines âGemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrumsâ (GKDZ) zur TelekommunikationsĂŒberwachung (TKĂ) wird sich weiter verzögern. Das bestĂ€tigt die sĂ€chsische Landesregierung in ihrer |Antwort auf eine Kleine Anfrage|, ohne jedoch einen konkreten Termin fĂŒr den geplanten Start zu nennen.
Im GKDZ mit Sitz in Leipzig und einem Backup in Dresden wollen die BundeslĂ€nder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, ThĂŒringen und Berlin ihre AbhöraktivitĂ€ten zusammenlegen. FĂŒr den Betrieb haben die fĂŒnf Landesregierungen eine |Anstalt des öffentlichen Rechts| gegrĂŒndet und einen |geheimen Staatsvertrag| unterzeichnet.
Der gemeinsame Vertrag regelt auch die Zahlungen der LĂ€nder. Allein Sachsen hat dafĂŒr bereits ĂŒber 17 Millionen Euro ausgegeben, wie aus einer |weiteren Drucksache| des sĂ€chsischen Landtags hervorgeht. Da die Finanzierung anteilig nach dem Königsteiner SchlĂŒssel erfolgt, lassen sich daraus die bisherigen Gesamtkosten fĂŒr den Leerbetrieb abschĂ€tzen: FĂŒr Berlin könnten sie ebenso hoch liegen wie fĂŒr Sachsen, fĂŒr Brandenburg rund zwei Drittel, fĂŒr ThĂŒringen und Sachsen-Anhalt könnten sie etwa die HĂ€lfte betragen.
Beim Aufbau des GKDZ wurden die beteiligten LĂ€nder von der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH beraten, einer Firma, die auch im militĂ€rischen Bereich regelmĂ€Ăig AuftrĂ€ge des Bundes ĂŒbernimmt. Ăber ein inzwischen aufgelöstes âStrategie- und Forschungszentrumâ waren das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Bundesamt fĂŒr Verfassungsschutz beteiligt.
Als âzentraler Dienstleisterâ soll das GKDZ alle Formen der operativen TelekommunikationsĂŒberwachung fĂŒr Polizeibehörden durchfĂŒhren. Hierzu gehören |neben dem Versand von Stillen SMS| zur Ortung von Mobiltelefonen auch klassische AbhörmaĂnahmen von Telefon- oder Internetverbindungen. Ăber einen eigens eingerichteten Server werden mitgeschnittene Daten an die anfordernde Polizeidienststelle ausgeleitet und im GKDZ als Kopie aufgehoben. Laut einer |PrĂ€sentation| des frĂŒheren Berliner Datenschutzbeauftragten wĂŒrden dafĂŒr Server mit einer âSpeicherfĂ€higkeit im Petabyte-Bereichâ eingekauft.
|UrsprĂŒnglich sollte| das Zentrum in Leipzig im Jahr 2018 in Betrieb gehen, dieser Termin wurde mehrfach verschoben. Schuld an den aktuellen Verzögerungen trĂ€gt nach Aussagen der Landesregierung in Leipzig die Firma Ipoque, die fĂŒr die TKĂ-Anlage unter Vertrag genommen wurde und zum MĂŒnchner Ăberwachungsdienstleister Rohde und Schwarz gehört.
Ein Jahr nach Auftragserteilung im Jahr 2022 habe Ipoque mitgeteilt, dass die Firma âdie geschuldete Software nicht wie vereinbart liefern könneâ. Hauptursache seien âSchwierigkeiten bei der Programmierungâ sowie personelle Probleme. âEine valide Aussage zum Zeitpunkt der Fertigstellung könne nicht getroffen werdenâ, heiĂt es in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage.
Auf das Leipziger Unternehmen könnten Schadenersatzforderungen zukommen, |berichtete der MDR| Anfang April. Das bestĂ€tigt nun die sĂ€chsische Landesregierung: Das GKDZ habe ârechtliche Schritte zur Minimierung des Schadens auf der Auftraggeberseite eingeleitetâ, heiĂt es verklausuliert, dieser Vorgang sei ânoch nicht abgeschlossenâ. Zahlungen an Ipoque seien aber ohnehin noch nicht erfolgt.
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|Antwort auf eine Kleine Anfrage|
|Anstalt des öffentlichen Rechts|
|neben dem Versand von Stillen SMS|
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Thu, 13 Jun 2024 12:07:23 +0000
Daniel Leisegang
Most EU member states welcome the demands of a group of experts for more surveillance. The panel was criticized in advance for being biased and one-sided. Nevertheless, there is hardly any opposition to the panelâs recommendations, as a secret protocol that we are publishing shows.
The recently published recommendations of an high level expert group on the topic of going dark were also discussed in the Standing Committee on Internal Security (COSI). On May 29, several EU member states spoke out in favor of access to encrypted data and communications, as well as Europe-wide data retention. |We are publishing the secret minutes of the meeting in full (in German).|
The Going Dark expert group (|âHigh-Level Group on access to data for effective law enforcementâ|), |dominated by security authorities|, called for backdoors to encrypted data and many other surveillance options in 42 recommendations at the end of May this year. |We published the full text of the categorized document (PDF) last week|, and the expert groupâs demands can also be derived from a |freedom of information request|.
The groupâs topic was how investigating authorities deal with encryption. The authorities fear a scenario in which large parts of communication are encrypted and they are therefore no longer able to investigate. Police forces and intelligence services call this phenomenon âgoing dark.â However, studies doubt the negative effects, partly because digital technologies provide the security authorities with a wealth of data that they did not have in the past.
According to the protocol drawn up by the German Permanent Representation in Brussels, EU member states have already called for a concrete roadmap to implement the recommendations. The document also shows that the recommendations have been endorsed by various bodies within the European Union. The CATS Committee, which coordinates police and judicial cooperation in criminal matters, has supported the panelâs recommendations and the EU Commission has also âwelcomedâ the results, stating that they have âgreat potential.â
A range of countries, including Estonia, the Czech Republic, Spain, Sweden, Finland, Italy, the Netherlands, and Ireland, see an urgent need for action on encryption and data retention. Hungary called access to data a âkey element for effective law enforcementâ and found the results of the expert group to be âimpressive and forward-looking.â According to the minutes, the police authority Europol emphasized the danger of end-to-end encryption being misused by criminals, a view shared by Greece.
Only Luxembourg spoke out against weakening encryption. Germany, on the other hand, did not welcome the weakening of encryption, but spoke out in favor of improved cooperation with industry and standardization bodies. The expert group had described the latter as important because technical standards could be set here that could make the work of investigating authorities easier.
Germany also emphasized that as part of the national implementation of the European Electronic Communication Code (EECC), âover-the-top services (OTTs) [âŠ] must be made mandatory as interpersonal communication services without any doubt and without exception.â This should impose obligations to cooperate in monitoring on messengers such as WhatsApp & Co. In this context, Germany argued that âthe major market players in particular should be called upon to apply the standards implemented for data transfers to law enforcement authorities.â
At the same time, it seemed clear to the members of the committee that, in view of the numerous new surveillance powers and encroachments on fundamental rights contained in the expert catalogue, the EU member states are facing political headwinds and thus difficult communication. According to the minutes, the chair of the committee said that it was important to âset the right narrative,â and Sweden, with the support of several countries, advised âa communication strategy that emphasizes that the recommendations are intended to protect fundamental rights.â
It will be interesting to see what such a communication strategy will look like in view of the plans for all kinds of additional surveillance and backdoors into encrypted communications.
The group of high-level experts had been meeting since last year to tackle the so-called âgoing darkâ problem. The High-Level Group set up by the EU was characterized by a bias right from the start: The committee is primarily made up of representatives of security authorities and therefore represents their perspective on the issue.
This imbalance was criticized by data protection activists, who were then involved in the process, albeit at a late stage and only unofficially. They apparently had little influence on the committeeâs recommendations. Outgoing Pirate MEP Patrick Breyer called the panelâs recommendations the âsecret wish list of EU governmentsâ and warned that these proposals would be implemented after the European elections. The approval in the COSI committee shows that Breyerâs fears are justified.
Original |Article in German|, Translation by Daniel Leisegang
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|âHigh-Level Group on access to data for effective law enforcementâ|
|dominated by security authorities|
|We published the full text of the categorized document (PDF) last week|
|freedom of information request|
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Thu, 13 Jun 2024 09:56:12 +0000
Nora Nemitz
Das oberste Gericht in Wien hat zugunsten eines Tiroler Polizisten entschieden, der auf Facebook Opfer eines Shitstorms wurde. Der Beklagte muss den Schadensersatz alleine zahlen. Einen Teil der Strafe kann er sich von anderen Teilnehmer:innen am Shitstorm zurĂŒckholen.
Wer sich in Ăsterreich an |einem sogenannten Shitstorm| beteiligt, muss damit rechnen, fĂŒr den dadurch entstehenden Gesamtschaden belangt zu werden. Das geht |aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofs| (OGH) in Ăsterreich hervor.
Das Gericht hat den Fall eines Tiroler Polizisten verhandelt. Er hatte Klage erhoben, nachdem es auf Facebook zu einem Shitstorm gegen ihn gekommen war. Das Gericht entschied zugunsten des Polizisten. Der Beklagte muss nun 3.000 Euro Schadensersatz zahlen.
Der Polizist war im Jahr 2021 auf einer Demonstration gefilmt worden. Die Person, die den Film erstellt hatte, postete das Video mit folgendem Begleittext auf Facebook:
âLasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jĂ€hriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.â
TatsÀchlich war der Polizist an der Verhaftung des Mannes nicht beteiligt, sondern nur Teil der polizeilichen Absperrkette. Dennoch erhielt er etliche Hasskommentare, die sich gegen seine Person richteten.
Der Beklagte hatte einen Screenshot des Postings geteilt. Der Beitrag war fĂŒr die Dauer von sechs Tagen auf dessen Facebook-Seite zu sehen. Der Polizist konnte |insgesamt 406 Personen ausmachen|, die den Beitrag auf ihren Facebook-Profilen geteilt und mitunter herabwĂŒrdigend kommentiert hatten.
Der Polizist zog vor Gericht und forderte eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 3.000 Euro. In der Vorinstanz bekam er nur 450 Euro zugesprochen. Der KlĂ€ger legte Revision ein, der der OGH stattgab. Der Beklagte ist nun zu einer Zahlung von 3.000 Euro verpflichtet, unter anderem wegen der âBildnisschutzverletzung nach dem Urheberrechtsgesetzâ und der Verletzung des Datenschutzes.
Der Angeklagte muss die auferlegte Strafzahlung nicht allein tragen. Der OGH kommt zu dem Schluss,
dass das Opfer eines Shitstorm nicht zu jeder von ihm erlittenen KrĂ€nkung oder GefĂŒhlsbeeintrĂ€chtigung, etwa durch Konfrontation damit in seinem Umfeld, die konkrete âQuelleâ der herabsetzenden ĂuĂerung als Ursache benennen und belegen muss. Es genĂŒgt der Nachweis des KlĂ€gers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte SchĂ€diger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.
Somit sind GeschĂ€digte nicht dazu verpflichtet, nachzuweisen, welche Personen an einem Shitstorm beteiligt gewesen sind. Sie mĂŒssen nur beweisen, dass sie Opfer eines Shitstorms geworden sind und ihnen mindestens eine andere Person rechtswidrig einen Schaden zugefĂŒgt hat.
Der Beklagte hat die rechtliche Möglichkeit, sich von anderen Personen, die an dem Shitstorm beteiligt waren, einen Anteil der Kosten zurĂŒckzuholen.
âDie Schwierigkeit, andere SchĂ€diger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen SchĂ€digern) ist von den SchĂ€digern zu tragenâ, so der OGH. âDie einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche âFreundeâ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen.â
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|aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofs|
|insgesamt 406 Personen ausmachen|
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Thu, 13 Jun 2024 09:29:51 +0000
Markus Reuter
Der neue Kompromiss der belgischen RatsprĂ€sidentschaft zur Chatkontrolle gefĂ€hrde weiterhin die IT-Sicherheit, kritisiert der Branchenverband eco. Belgien schlĂ€gt vor, Nutzer:innen sollen der Ăberwachung freiwillig zustimmen, bevor sie Bilder oder Videos etwa per Messenger verschicken.
Der Internetwirtschaftsverband eco kritisiert den Vorschlag zur |Chatkontrolle| aus Belgien. Die so genannte âUpload-Moderationâ, bei der Nutzer:innen einer Chatkontrolle angeblich freiwillig zustimmen sollen, wenn sie Bilder und Videos verschicken wollen, sei unvereinbar mit EU-Recht und der IntegritĂ€t von VerschlĂŒsselungsmechanismen, heiĂt es |in einer Pressemitteilung|.
Nachdem die |Verhandlungen ĂŒber die Chatkontrolle ins Stocken geraten waren|, hat die belgische RatsprĂ€sidentschaft im Mai |KompromissvorschlĂ€ge gemacht|. Wir haben den neuen |Gesetzentwurf im Volltext| veröffentlicht.
Laut des Entwurfs sollen Dienste |das Risiko, dass auf ihren Plattformen Straftaten begangen werden|, bewerten. Demnach wird die Chatkontrolle vor allem Dienste mit |AnonymitĂ€t und VerschlĂŒsselung| treffen. Dienste sollen Bilder, Videos und URLs durchsuchen, aber nicht mehr Audio und Text, wie in vorherigen Konzepten zur Chatkontrolle geplant. Zudem sollen |Nutzer:innen einer Chatkontrolle zustimmen|, sonst dĂŒrfen sie keine Bilder und Videos hochladen. Dieses Modell wird âUpload-Moderationâ genannt.
Der Vorschlag hatte zuletzt dazu gefĂŒhrt, dass Frankreich aus dem Kreis der EU-Staaten, welche die Chatkontrolle ablehnen, immer weiter ausschert und nun die umstrittene Chatkontrolle doch noch kommen könnte. Dabei Ă€ndert der Kompromissvorschlag aus Belgien nichts am grundsĂ€tzlichen Problem der Chatkontrolle: Sie ist eine neue Form anlassloser MassenĂŒberwachung und schwĂ€cht grundsĂ€tzlich VerschlĂŒsselung, was sich negativ auf die IT-Sicherheit auswirkt.
Das kritisiert auch der Branchenverband eco. Der belgische Vorschlag beeintrĂ€chtige die Sicherheit und den Schutz der PrivatsphĂ€re aller EU-BĂŒrger. Er enthalte auĂerdem ein âfehlerhaftes Risikokategorisierungsmodellâ, welches Dienste benachteilige, die Datenschutz und PrivatsphĂ€re priorisieren. Den Vorschlag der âUpload-Moderationâ kritisiert Alexandra Koch-Skiba von eco:
Nach EU-Recht muss die Zustimmung zur Verarbeitung personenbezogener Daten freiwillig erteilt werden. Doch nun will die EU von den Nutzenden verlangen, dass sie in das clientseitige Scannen einwilligen, weil sie sonst einen Dienst oder seine essenziellen Funktionen nicht mehr in vollem Umfang nutzen können. Im Ergebnis haben wir damit eine erzwungene Zustimmung, die dem EU-Recht absolut widerspricht, da wohl keiner auf das Teilen von Bildern, Videos oder URLs wird verzichten wollen.
Der Verband fordert die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, die IntegritĂ€t der Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung in der Verordnung zu wahren. Im Vorschlag wĂŒrde zudem die irrefĂŒhrende Behauptung aufgestellt, dass |clientseitiges Scannen| nicht erforderlich sei und die Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung geschĂŒtzt bleibe. âTechnisch ist es jedoch unmöglich, jedes Bild, das Nutzer hochladen, zu scannen, ohne die VerschlĂŒsselung generell zu schwĂ€chenâ, so eco.
Der Dachverband EuropĂ€ischer Digitalorganisationen EDRi hatte jĂŒngst |den belgischen Kompromiss scharf kritisiert|. Trotz der neuen Bezeichnung âUpload-Moderationâ gehe es weiterhin um dasselbe: das massenhafte Scannen der privaten Kommunikation von Personen, die nicht unter Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben. Das soll selbst in vollstĂ€ndig verschlĂŒsselten Umgebungen geschehen.
Das BĂŒndnis âChatkontrolle stoppen!â hat sich dieser Kritik angeschlossen und den neuen Kompromissvorschlag jĂŒngst als âabsurden Taschenspielertrickâ bezeichnet. Auch der neue Vorschlag wĂŒrde die Sicherheit der Menschen in der EuropĂ€ischen Union massiv untergraben, |heiĂt es in einer Pressemitteilung|.
Dem Vorschlag lĂ€ge die Annahme zugrunde, es sei keine MassenĂŒberwachung sei, wenn die Menschen âfreiwilligâ zustimmen wĂŒrden. âDies ist nicht nur ein fundamental falsches VerstĂ€ndnis von MassenĂŒberwachung, sondern auch geltenden EU-Rechts. Denn eine Einwilligung in die Datenverarbeitung muss freiwillig erteilt werden und kann nicht mit der Drohung erzwungen werden, dass ohne diese Zustimmung keine Bilder mehr mit der Familie geteilt und keine Links mehr an Kolleg*innen geschickt werden könnenâ, heiĂt es weiter.
Mit dem Kompromissvorschlag wĂŒrden die EU-Regierungen zu Nachahmern der missbrĂ€uchlichen Praktiken von Big-Tech-Unternehmen, die solche Formen von âEinwilligungâ seit Jahren betreiben wĂŒrden.
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|Verhandlungen ĂŒber die Chatkontrolle ins Stocken geraten waren|
|KompromissvorschlÀge gemacht|
|das Risiko, dass auf ihren Plattformen Straftaten begangen werden|
|AnonymitĂ€t und VerschlĂŒsselung|
|Nutzer:innen einer Chatkontrolle zustimmen|
|den belgischen Kompromiss scharf kritisiert|
|heiĂt es in einer Pressemitteilung|
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Wed, 12 Jun 2024 14:22:59 +0000
Markus Reuter
Schien eine Einigung des EuropĂ€ischen Rates bei der Chatkontrolle zuletzt noch in weiter Ferne, zeichnet sich nun ab, dass Frankreich, einst klar gegen Chatkontrolle, zunehmend zum Wackelkandidat wird. Der vorliegende belgische Kompromissvorschlag bedeutet weiterhin die EinfĂŒhrung einer neuen anlasslosen MassenĂŒberwachung.
Die umstrittene Chatkontrolle-Verordnung wird weiter zwischen den MitgliedslĂ€ndern der EU verhandelt. Es gibt weiterhin keine Einigung zum Thema, aber es sieht so aus als wĂŒrde der Widerstand Frankreichs gegen die PlĂ€ne bröckeln. Damit wackelt die |SperrminoritĂ€t|, die derzeit verhindert, dass der Rat sich auf die Chatkontrolle einigt. Wir veröffentlichen das eingestufte |Protokoll der Sitzung vom 4. Juni im Volltext|.
Hinter dem Begriff Chatkontrolle verbirgt sich die so genannte |CSA-Verordnung|, mit der die EU-Kommisssion Dienste wie Messenger verpflichten will, die Inhalte ihrer Nutzer:innen auf Straftaten mit Bezug zu Kindesmissbrauch zu durchsuchen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken. Die PlĂ€ne werden |weithin als EinfĂŒhrung einer neuen Form anlassloser MassenĂŒberwachung| und |Angriff auf verschlĂŒsselte Kommunikation| bewertet.
Nachdem die |Verhandlungen fĂŒr die Chatkontrolle gestockt hatten|, hatte die belgische RatsprĂ€sidentschaft Anfang Mai |neue KompromissvorschlĂ€ge gemacht|. Dazu hatten wir die |belgische PowerPoint-PrĂ€sentation| veröffentlicht. Ende Mai hatte die RatsprĂ€sidentschaft ihren ausformulierten Kompromisstext dann an die Staaten verschickt. Wir haben auch diesen |Gesetzentwurf im Volltext| veröffentlicht.
Laut dieses Entwurfs sollen Dienste |das Risiko, dass auf ihren Plattformen Straftaten begangen werden|, bewerten. Demnach wird die Chatkontrolle vor allem Dienste mit |AnonymitĂ€t und VerschlĂŒsselung| treffen. Dienste sollen Bilder, Videos und URLs durchsuchen, aber nicht mehr, wie in vorherigen Konzepten zur Chatkontrolle geplant, auch Audio und Text. Zudem sollen |Nutzer:innen einer Chatkontrolle zustimmen|, sonst dĂŒrfen sie keine Bilder und Videos hochladen. Dieses Modell wird âUpload Moderationâ genannt.
Deutschland hatte sich |bei der vorletzten Sitzung|, wie auch in der aktuellsten, gegen diesen Vorschlag ausgesprochen, so wie Polen, Ăsterreich, Luxemburg und die Niederlande. Frankreich, das bislang zu den Staaten gehörte, die Chatkontrolle ablehnen, zeigte sich in der vorletzten Sitzung plötzlich âdeutlich positiverâ gegenĂŒber dem Vorschlag eingestellt, so das deutsche Protokoll.
Der Wandel von Frankreichs Einstellung zur Chatkontrolle setzt sich nun fort. In der letzten Sitzung, zu der wir |das eingestufte Protokoll der StĂ€ndigen Vertretung in BrĂŒssel im Volltext| veröffentlichen, hat Frankreich seine âUnterstĂŒtzung zeitnaher Kompromissfindungâ wiederholt und befĂŒrwortete zudem das Modell, bei dem Nutzer:innen einer Chatkontrolle zustimmen sollen â oder keine Bilder hochladen dĂŒrfen. Gleichzeitig wĂŒnschte sich Frankreich âeine staÌrkere Formulierung zum Schutz von VerschluÌsselungâ, heiĂt es im Protokoll.
Polen wiederholte seine ârote Linieâ, dass Aufdeckungen ausschlieĂlich auf verdĂ€chtige Nutzer beschrĂ€nkt sein mĂŒssten und Ă€uĂerte Bedenken gegen das Zustimmungsmodell. Estland machte gegenĂŒber der Aufdeckungsanordnung und dem âUpload Moderationâ-Modell einen PrĂŒfvorbehalt geltend.
Deutschland wiederholte seine Forderung, MaĂnahmen, die zu einem Scannen privater verschluÌsselter Kommunikation auf dem EndgeraÌt von Nutzer:innen fuÌhren, aus dem Anwendungsbereich des Verordnungsentwurfs auszunehmen. Der jĂŒngste Kompromiss wĂŒrde dieser Forderung widersprechen.
Die Chatkontrolle ist nicht nur politisch und |technisch umstritten|, sondern auch juristisch. Der Juristische Dienst der EU-Staaten hat die Chatkontrolle letztes Jahr |als rechtswidrig bezeichnet| und gewarnt, dass Gerichte das geplante Gesetz wieder kippen könnten. Am grundsĂ€tzlichen Problem der Chatkontrolle, nĂ€mlich der anlasslosen Ăberwachung unbescholtener Menschen, Ă€ndert auch der belgische Kompromissvorschlag nichts.
Die Chatkontrolle hat breiten Widerspruch nicht nur in der Zivilgesellschaft hervorgerufen. Dabei ist auffĂ€llig, dass der |Deutsche Kinderschutzbund| wie auch |Vertreter:innen von Ermittlungsbehörden| das anlasslose Durchleuchten privater Dateien und Kommunikation gleichsam als unverhĂ€ltnismĂ€Ăig ablehnen. Diese Kritik Ă€uĂern auch |weltweit fĂŒhrende IT-Sicherheitsforscher:innen|, |zahlreiche Wissenschaftler:innen| und der |Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen|.
Die Chatkontrolle wird auch von |europĂ€ischen| und |deutschen Datenschutzbehörden| sowie von |mehr als 100 internationalen Digital- und BĂŒrgerrechtsorganisationen| abgelehnt. Tech-Firmen wie Apple halten es |fĂŒr technisch unmöglich|, Daten automatisch zu scannen, ohne dabei die PrivatsphĂ€re und die IT-Sicherheit zu gefĂ€hrden.
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Hier das Dokument in Volltext
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Cc: DKOR_BMI_EXT, DKOR_BMJ_EXT, DKOR_BMWK_EXT,
DKOR_BMDV_EXT, DKOR_BMFSFJ_EXT, DKOR_BMF_EXT, DKOR_BKAMT_EXT, DKOR_EUROBMWK_EXT
Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung (LEWP-P) am 3./4. Juni 2024
Zweck: Zur Unterrichtung
Verf.:
GeschÀftszeichen: 350.80
Zusatzinformationen: BMI: AL ĂS, UAL ĂS I, ĂS I 1, ĂS I 2, ĂS I 3, ĂS I 4, ĂS II 1, AL`n CI, SVân; AL`n CI, CI 6, CI 8, L Stab E, AG E 2, DG I 1, V I 4, V II 4; AA: EU-K, E 25, KS-CA; BMJ: IV B 1, EU-KOR, EU-STRAT, III B 7, II A 7; BMF: E A 2, III A 2, III B 2, III B 4, VII A, VI A 3a; BK-Amt: 132; BMWK: VI A 1; BMDV: DP 25; BMFSFSJ: KSR 3, 503, 507
Anlagen: 1. VS â NfD Anlage DKOR LEWP 3.-4.6.
In Bezug auf den Verordnungsvorschlag zur StĂ€rkung von Europol im Bereich SchleusungskriminalitĂ€t und Menschenhandel (TOP 1) erfolgte die Diskussion entlang des vom Vors. erneut ĂŒberarbeiteten Kompromisstextes. Die Mehrzahl der MS unterstĂŒtzte weiterhin grundsĂ€tzlich den vom Vors. vorgeschlagenen Ansatz. FRA Ă€uĂerte zwar noch einmal die bisherigen Bedenken, zeigte sich insgesamt aber deutlich weniger kritisch als bisher.
Zu den Ratsschlussfolgerungen zur Polizeizusammenarbeit (TOP 2) stellte KOM den Zwischenstand zur Umsetzung in den MS vor und kĂŒndigte an, bis zum Sommer die Evaluierung vorzulegen.
Die ĂŒbrigen TOPe am ersten Sitzungstag waren Informationspunkte.
Der zweite Sitzungstag befasste sich ausschlieĂlich mit den Verhandlungen der CSA-VO (TOP 5). Die Grundlage der Verhandlungen stellte der Vorschlag eines reduzierten Anwendungsbereichs von Aufdeckungen mit sog. âupload moderationâ dar. Vors. stellte anschlieĂend fest, dass auf fachlicher Ebene alle MS zu Wort gekommen seien.
Siehe Anlage.
gez. Â
Registratur
.BRUE *ZREG
Anlage zur DKOR LEWP-P 3./4. Juni 2024
Verfasserinnen:
DEU, IRL, HUN, ESP und FRA dankten fĂŒr die Ăberarbeitung des Kompromissvorschlags (9488/1/24 REV1), der weiter in die richtige Richtung gehe. FRA wiederholte dabei die bisherigen Bedenken (Ăberarbeitung der Europol-VO vor Evaluierung der letzten Novellierung problematisch; keine Diskussion zu Alternativen einer StĂ€rkung von Europol ohne Rechtsakt). DEU Ă€uĂerte einen allgemeinen PV. NLD warf die Frage der VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit des Vorschlags auf, kĂŒndigte aber an, sich dem Kompromissansatz nicht zu versperren, falls ihn eine Mehrheit der MS unterstĂŒtze.
Die Diskussion des Kompromissvorschlags erfolgte zunÀchst entlang der Artikel, im Anschluss wurden die neuen EGs diskutiert.
Zu Art. 2:
SWE erklÀrte den Bezug zu AusnahmefÀllen bei den Deployments in Drittstaaten in Art.
2 (y) fĂŒr ĂŒberflĂŒssig. NLD fragte zu den Verbindungsbeamten in Art. 2 (z), warum eine Ernennung (âdesignatedâ) der Verbindungsbeamten erfolgen mĂŒsse. DEU bat um ErlĂ€uterungen der Begrifflichkeiten âcriminal intelligence activitiesâ und um Abgrenzung von Operational Task Forces (OTF) zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen (JIT) in Art. 2 (x). Zu Art. 2 (y) erklĂ€rte DEU PV und bat um ErlĂ€uterung, welche AusnahmefĂ€lle bei Deployments in Drittstaaten gemeint seien und welche Rechtsrahmen gelte (auch IRL). DEU verwies zu Art. 2 (z) darauf, dass noch KlĂ€rungsbedarf zu den âimmigration liaison officersâ bestehe. CZE begrĂŒĂte die Ănderungen in Art. 2. HUN fragte, ob durch Art. 2 (z) eine Pflicht zur Entsendung neuer Verbindungsbeamte geschaffen werde oder ob das bestehende Netz der Verbindungsbeamten ausreiche.
KOM bedauerte, dass im Kompromissvorschlag groĂe Teile des ursprĂŒnglichen KOM-Vorschlags gestrichen worden seien. KOM halte es fĂŒr wichtig, dass in Art. 2 (x) auch âintelligence activitiesâ genannt wĂŒrden, um deutlich zu machen, dass OTFs umfassend eingesetzt werden könnten. Zur Abgrenzung zu den JITs meinte KOM, dass es bei den JITs stets um laufende Ermittlungen gehe. Zu Deployments in Drittstaaten erklĂ€rte KOM, es gebe derzeit schon Deployments in Drittstaaten, etwa nach Moldau. Der Schwerpunkt der Deployments solle aber ganz klar bei Deployments in die MS liegen, nicht bei Deployments in Drittstaaten. Der Bezug auf AusnahmefĂ€lle könne aber entsprechend des SWE Beitrags zumindest in der Definition entfallen. Zu Art. 2 (z) erklĂ€rte KOM, dass es notwendig sei, sicherzustellen, dass Informationen aus Drittstaaten Europol erreichten. Hier gĂ€be es aktuell ein groĂes Defizit.
Zu Art. 4:
SWE unterstĂŒtzte die Ănderungen, legte aber PV ein, da der Text noch nicht im Parlament behandelt worden sei. SWE merkte zu Art. 4 (za) an, dass zwei Interpretationen möglich seien: Entweder könne die Regelung so verstanden werden, dass es um die Verarbeitung biometrischer Daten durch Europol selbst geht, oder dass es um Europols UnterstĂŒtzung der nationalen Behörden bei der Verarbeitung biometrischer Daten durch die nationalen Behörden gehe. DEU bat erneut um ErlĂ€uterung der Begrifflichkeiten in Art. 4 (h) und erklĂ€rte PV zu Art. 4 (za) unter Verweis auf die bisherigen Bedenken und Fragen. Zu Art. 4 (2) erklĂ€rte DEU noch PV zur konkreten Formulierung, unterstĂŒtzte aber grundsĂ€tzlich die Ănderungen. NLD erklĂ€rte PV zu Art. 4 (2), es sei unklar, ob EMPACT ĂŒberhaupt erwĂ€hnt werden mĂŒsse. Dies gelte auch fĂŒr die Verarbeitung biometrischer Daten. CZE kĂŒndigte einen Textvorschlag zu Art. 4 (c) an. BGR begrĂŒĂte den Bezug auf EMPACT in Art. 4 (2).
KOM verwies auf die ErwĂ€gungsgrĂŒnde zur Verarbeitung biometrischer Daten. FĂŒr Europol bestehe bereits eine Rechtsgrundlage zur Verarbeitung biometrischer Daten.
Europol sei aber nicht ausreichend ausgestattet fĂŒr diese Aufgabe. Es sei allerhöchste Zeit, daran etwas zu Ă€ndern. Der aktuelle VO-Vorschlag sei die einzige Möglichkeit, hier die Ressourcen zu erhöhen. Das Financial Statement sehe ĂŒber 20 Millionen fĂŒr den Bereich Informationsverarbeitung vor. DafĂŒr brauche man einen Punkt im Rechtstext. Es gehe darum, dass Europol effizient biometrische Daten in den eigenen Verarbeitungszentren verarbeiten könne, nicht um die Verarbeitung durch die MS. Wenn das missverstĂ€ndlich sei, könne man das klarstellend umformulieren. KOM begrĂŒĂte die Ănderung zu EMPACT in Art. 4 (2). KOM halte bereits den ursprĂŒnglichen KOMVorschlag selbstverstĂ€ndlich fĂŒr verhĂ€ltnismĂ€Ăig, daher sei der Kompromissvorschlag erst recht verhĂ€ltnismĂ€Ăig.
Zu Art. 5b:
ROU und ESP meinten, dass die Anzahl der SachverstĂ€ndigen fĂŒr Deployments und deren Kompetenzen noch geklĂ€rt werden mĂŒssten. ROU begrĂŒĂte, dass âdirectlyâ in Art. 5b (7a) gestrichen worden sei (auch DEU). Es mĂŒsse geklĂ€rt werden, um welche Datenbanken es gehe. POL unterstĂŒtzte die Ănderungen zu AbsĂ€tze 9 und 10. DEU wiederholte zu Art. 4 (5). Art. 5a und Art. 5b die bisherige Position. Zu Deployments in Drittstaaten in Art. 5b (10) bat DEU um ErlĂ€uterung und fragte, wie der Hinweis auf Art. 25 zu verstehen sei. NLD begrĂŒĂte weiterhin die Streichung der detaillierten Vorgaben fĂŒr OTFs in Art. 5a. NLD fragte zudem nach der Rolle von Europol im VerhĂ€ltnis zu Frontex und bat zu Art. 5b (7) (a) und (c) um Streichung. Zu Art. 5b (10) begrĂŒĂte NLD die Einbeziehung des Verwaltungsrats (auch DEU und SWE). SWE und CZE dankten fĂŒr die Ănderungen. Zu Art. 5b (10) meinte SWE, der Bezug bei den Deployments in Drittstaaten auf die AusnahmefĂ€lle solle gestrichen werden, da dies noch nicht vorhersehbar sei.
KOM erklĂ€rte, die Einzelheiten zum freiwilligen Reservepool fĂŒr die Deployments wĂŒrden durch den Verwaltungsrat geregelt werden. KOM verwies als Beispiel fĂŒr Deployments in Drittstaaten auf den support hub in Moldau. Dieser sei in Reaktion auf den RUS Angriffskrieg mit Blick auf Sicherheitsauswirkungen auf die Nachbarstaaten eingerichtet worden. Zum Verweis auf Art. 25 in Art. 5b (10): In Art. 25 gehe es um den Datenaustausch mit Drittstaaten. Der Verweis diene einem doppelten Ziel: Die Gruppe der Drittstaaten, in denen EinsĂ€tze stattfinden könnten, werde von vornherein auf Staaten begrenzt, die die Kriterien des Art. 25 (1) erfĂŒllen. Zudem sei so sichergestellt, dass in diesen FĂ€llen eine Rechtsgrundlage fĂŒr die Ăbermittlung von Daten bestehe. Bislang funktioniere die Zusammenarbeit von Europol mit Frontex gut. Das könnte man aber auch noch einmal in einem EG betonen. Die Regelung in Art. 5b (7) entscheide darĂŒber, ob die UnterstĂŒtzung vor Ort faktisch etwas bringe oder nicht. Bei einer Streichung wĂ€re der Mehrwert des ganzen Artikels fraglich. KOM meinte, es sei nicht konkret geregelt, was ein Ausnahmefall fĂŒr ein Deployment in Drittstaaten sei. Hier könne ein EG zur Konkretisierung erwogen werden, das gelte auch fĂŒr Art. 5b (7).
Zu Art. 7:
FRA und ESP sprachen sich dafĂŒr aus, die Ăbermittlung ĂŒber die nationale Europol-Stelle in Art. 7 (7a) zu erwĂ€hnen. POL lehnte die Streichung von Art. 7 (6a) ab. In Art. 7 (6) (a) sollte es anstelle von âsuch asâ besser âincludingâ heiĂen. SWE erklĂ€rte sich zu Art. 7 (6) (a) einverstanden. DEU bat zur Vermeidung von Unklarheiten um Streichung von Art. 7 (6) (a) (auch NLD, ESP und BGR). DEU begrĂŒĂte die Streichung von Art. 7 (6a) und sprach sich zusĂ€tzlich fĂŒr Streichung von Art. 7 (6b) aus. Zu Art. 7 (6c) könne die ErgĂ€nzung im Kompromissweg mitgetragen werden. Zu Art. 7 (7a) erklĂ€rte DEU weiterhin PrĂŒfbedarf und bat um ErlĂ€uterung. HUN dankte fĂŒr die Ănderungen in Art. 7 und wiederholte die Frage, ob das bestehende Netz der Verbindungsbeamten ausgebaut werden solle.
KOM meinte, der Vorschlag des Vors. trage vielen operativen BedĂŒrfnissen Rechnung. Daher gehe KOM davon aus, dass an der finanziellen Planung nichts geĂ€ndert werden mĂŒsse. Zu Art. 7 sei der Vorschlag jetzt sehr anders als der ursprĂŒngliche KOMVorschlag, was die InformationsĂŒbermittlung betreffe. Der KOM-Vorschlag habe den in der Vergangenheit geĂ€uĂerten Bitten zu einem verbesserten Informationsaustausch Rechnung tragen wollen. Eine BeschrĂ€nkung auf âcompetent authoritiesâ gemÀà Art. 2
(a) Europol-VO in Art. 7 (7a) sei nicht erforderlich. Auch andere Behörden könnten Erkenntnisse haben, die weitergeleitet werden sollen. KOM wolle kein neues Netz von Verbindungsbeamten aufbauen, sondern die bestehenden Strukturen nutzen.
Zu den ĂŒbrigen Artikeln:
SWE hielt die Regelungen zur Einbeziehung von Verbindungsbeamten von Frontex und Eurojust im Zentrum gegen SchleusungskriminalitĂ€t (EMSC) fĂŒr zu detailliert. Die Zusammenarbeit sollte eher in einem EG konkretisiert werden. DEU sah hier ebenfalls noch KlĂ€rungsbedarf und bat um ErlĂ€uterung, ebenso zu Annex 1, bei dem Art. 16 der RL Sanktionsstrafrecht als Rechtsgrundlage ausreichend erscheint. DEU und NLD begrĂŒĂten die Ănderung zu Art. 11 (1)(x). NLD bat um ErlĂ€uterung des Datenaustausches mit Frontex. ESP kritisierte, dass bezĂŒglich des EMSC Regelungen zu Verbindungsbeamten anderer Agenturen aufgenommen werden. Das ESOCCZentrum (Zentrum zur OK-BekĂ€mpfung) bei Europol arbeite auch mit Eurojust zusammen, ohne dass dies erwĂ€hnt wĂŒrde. CZE lehnte die Einbeziehung eines dauerhaften Frontex-Verbindungsbeamten ab. HUN unterstĂŒtzte die Ănderungen und fragte nach der möglichen Einbeziehung eines Verbindungsbeamten der EUGeldwĂ€schebehörde AMLA. FRA begrĂŒĂte die Regelung zu Frontex und Eurojust. Vielleicht könnte man die Formulierung auch weiter fassen und nicht nur auf SchleusungskriminalitĂ€t und Menschenhandel beziehen.
KOM verwies auf die zunehmenden UnterstĂŒtzungsbitten der MS zu SanktionsverstöĂen. Das EFECC-Zentrum (Zentrum zur BekĂ€mpfung von FinanzkriminalitĂ€t) bei Europol werde im Kontext der SanktionsverstöĂe tĂ€tig. Momentan bestehe hier eine Unklarheit. Es bestehe zwar oft ein Bezug zu KriminalitĂ€tsbereichen des Annex I, z.B. zu GeldwĂ€sche, das sei aber oft nicht ganz klar. Die jetzige Novellierung biete eine Möglichkeit zur rechtlichen Klarstellung. In der Europol-VO könne nur Europol selbst verpflichtet werden, nicht die anderen Agenturen. Falls kĂŒnftig die Mandate der anderen Agenturen abgeĂ€ndert werden wĂŒrden, könnten eventuell noch klarstellende Regelungen aufgenommen werden. KOM zeigte sich offen fĂŒr eine ErgĂ€nzung eines permanenten Verbindungsbeamten der EU-GeldwĂ€schebehörde AMLA im EMSC.
ErwĂ€gungsgrĂŒnde 1 und 2:
SWE kĂŒndigte konkrete FormulierungsvorschlĂ€ge zu den EGs an. FRA kĂŒndigte eine Formulierungsvorschlag zu EG 1 an. Zu EG 2 bat FRA um einen Verweis auf EMPACT. DEU befĂŒrwortete einen weiteren EG zu den Kernaufgaben und Ă€uĂerte Bedenken zu einzelnen Begrifflichkeiten in EG 1 und 2. CZE bat zu EG 2 um eine klare Differenzierung zwischen OTF und JIT und kĂŒndigte hierzu einen Textvorschlag an.
KOM erklĂ€rte auf Nachfrage DEU, dass der Begriff âcriminal intelligenceâ aufgenommen worden sei, um die Einsatzmöglichkeiten der OTFs begrifflich nicht zu limitieren, beim konkreten Wording könne man sicher eine Lösung finden. Zur Abgrenzung zwischen den OTFs und den JIT sei man ebenfalls fĂŒr Kompromisse offen.
ErwĂ€gungsgrĂŒnde 3 bis 5:
NLD bat zu EG 3 um nĂ€here Klarstellung, insbesondere was âenabledâ in diesem Kontext bedeute. Zu EG 4 hinterfragte NLD die Notwendigkeit der Hervorhebung, EG 5 wurde begrĂŒĂt (auch ESP). DEU erklĂ€rte PV zu EG 3 angesichts der Fragen und Bedenken zum Regelungstext.
ErwĂ€gungsgrĂŒnde 6-7:
DEU verwies darauf, dass sich EG 6 nur auf den Regelungstext und damit Europol beziehen könne, nicht auf andere Akteure (âall key stakeholdersâ). KOM meinte, es sei wichtig, auch auf die âkey stakeholdersâ zu verweisen. Es werde nicht nur die TĂ€tigkeit Europols reguliert, sondern es gehe auch darum, wen Europol wie unterstĂŒtzt. Der Ansatz des Vors. sei vollstĂ€ndig kohĂ€rent zur bestehenden Europol-VO. FRA bat um einen EG zu den spezialisierten Einheiten der MS. Diese Regelung aus dem ursprĂŒnglichen KOM-Vorschlag gebe es zwar nicht mehr, die Einheiten könnten aber in einem EG erwĂ€hnt werden. AbschlieĂend erklĂ€rte FRA, dass es im Bereich der BekĂ€mpfung der SchleusungskriminalitĂ€t wichtig sei, schnell zu handeln, d.h. auch schon bevor der Legislativvorschlag umgesetzt sei.
Vors. bat um Ăbermittlung schriftlicher Anmerkungen bis zum 5.6. Vors. kĂŒndigte an, zeitnah einen neuen Textvorschlag auszuarbeiten, der am 14.6. in der LEWP diskutiert werden könne.
KOM hielt eine PrÀsentation zu CROLEC. SpÀtestens zwei Jahren nach Abschluss der Empfehlungen solle die KOM eine Evaluierung vorlegen, d.h. zum 9. Juni 2024. Dazu sei man jetzt einen Schritt weiter. KOM bereite jetzt konkret die Evaluierung vor, die in einem KOM Working Document veröffentlicht werden solle. Die Bewertung durch KOM basiere auf dem Input der MS und der operativen Behörden der MS. Grundlage sei die Roadmap der SWE PrÀsidentschaft.
KOM wies auf den versandten Fragebogen sowie die DurchfĂŒhrung der bisherigen Workshops hin. Die Reaktionen der MS seien sehr heterogen ausgefallen. KOM stellte als wesentliche Erkenntnisse folgendes heraus: Es gebe groĂe Unterschiede in den MS bezĂŒglich der Organisation und der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Polizeikooperation. FĂŒr einige MS gĂ€be es gute Praxisbeispiele fĂŒr eine gelungene Kooperation, andere MS berichten ĂŒber Hindernisse. Hier wurden v.a. divergierende rechtliche Vorgaben und Regelungen in der EU angegeben. Das Feedback aus der Praxis sei, dass grenzĂŒberschreitende Polizeizusammenarbeit einen hohen Mehrwert böten.
KOM stellte die RĂŒckmeldungen der MS zu einzelnen Themenbereichen kurz vor. Zu grenzĂŒberschreitender Nacheile hielt KOM fest, dass insbesondere aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben in den MS noch Herausforderungen bestĂŒnden. Bei grenzĂŒberschreitender Beobachtung sei die Umsetzung in den MS sehr unterschiedlich, viele MS hĂ€tten die Empfehlungen nicht umgesetzt. Zu gemeinsamen Polizeiaktionen seien die Empfehlungen weitgehend umgesetzt, dies knĂŒpfe aber an bereits bestehende Praktiken und Absprachen an. Zu den Kooperationszentren von Polizei und Zoll habe sich gezeigt, dass die meisten MS bereits aktiv an solchen Zentren arbeiten. Zur Empfehlung einer Plattform fĂŒr gemeinsame Patrouillen und Aktionen hĂ€tten die meisten MS keine MaĂnahmen getroffen und zweifelten den Mehrwert an. Zur Sicherstellung des effektiven Informationszugangs zeigten sich sehr unterschiedliche Herangehensweisen in den MS. Zu gemeinsamen Schulungen und Fortbildungen hĂ€tten die meisten MS Umsetzungsschritte unternommen. Zur Sammlung von Daten und Statistik hĂ€tten die MS sehr unterschiedliche AnsĂ€tze.
KOM fasst zusammen, dass sich bei der Umsetzung der Ratsempfehlungen insgesamt ein gemischtes Bild ergebe. Es gebe schon einen Werkzeugkasten fĂŒr die MS zur grenzĂŒberschreitenden Zusammenarbeit. Mehrere MS hĂ€tten bereits gemeinsam MaĂnahmen ergriffen, um die Empfehlungen umzusetzen. Es gebe jedoch noch viel Potenzial fĂŒr Verbesserungen. Auf Nachfrage des Vors. zu den kommenden Schritten meinte KOM, dass zunĂ€chst die PrĂ€sentation erfolgt sei. Nun werde auf Feedback der MS gewartet, das noch berĂŒcksichtigt werden könne. Dann werde KOM das angekĂŒndigte Working Document vorlegen. HierfĂŒr mĂŒssten intern noch andere Stellen innerhalb der KOM einbezogen werden. Das Dokument solle bis Sommer vorgelegt werden.
FRA, DEU und HUN dankten KOM fĂŒr die PrĂ€sentation. FRA unterstrich die Wichtigkeit der Empfehlungen, um gemeinsame EinsĂ€tze durchfĂŒhren zu können. Ein weiterer Aspekt sei Weiterbildung, es brauche eine gemeinsame europĂ€ische Kultur bei den SicherheitskrĂ€ften. Hier seien ggf. auch langfristige MaĂnahmen sinnvoll wie etwa ein Erasmus-Projekt. FRA fragte, ob die Workshops und die Roadmap weitergefĂŒhrt wĂŒrden. DEU dankte BEL Vors. fĂŒr geleistete Arbeit und sagte kommender HUN PrĂ€s- UnterstĂŒtzung bei Weiterarbeit zu. Es komme jetzt darauf an, das vielschichtige Bild auf einzelne Punkte herunterzubrechen, aus denen sich konkrete Vorhaben ergeben könnten. HUN kĂŒndigte an, dass die Umsetzung auch unter HUN PrĂ€s. als PrioritĂ€t behandelt werde.
Vors. verwies auf die vergangenen BemĂŒhungen zu Ratsschlussfolgerungen, was aber sehr kompliziert gewesen sei. Ggf. könne HUN daran weiterarbeiten.
Vors. bat um schriftliche Anmerkungen bis zum 14.6.
Es erfolgte eine PrĂ€sentation zum ĂŒberarbeiteten Handbuch. Inhalt sind Empfehlungen ĂŒber die polizeilichen MaĂnahmen im Zusammenhang mit FuĂballspielen auf internationaler BĂŒhne. Das MSE Network stellte kurz die wesentlichen Inhalte des Handbuches dar. Die zuletzt ĂŒbermittelten Kommentare der MS seien in die Ăberarbeitung eingeflossen. Vors. erinnerte daran, dass das Thema bereits in der LEWP behandelt worden sei. Falls es keine weiteren Fragen der MS gebe, solle nun der AStV befasst werden. Da sich kein MS zu Wort meldete, hielt Vors. allgemeine Zustimmung fest.
BEL PrĂ€s. hielt eine PrĂ€sentation zur ECPC. Die Veranstaltung habe im April 2024 zum dritten Mal stattgefunden. Es hĂ€tte ĂŒber 200 Teilnehmende aus 30 Staaten teilgenommen. Hauptthemen waren: OK, Strategien gegen die Rekrutierung Jugendlicher und der administrative Ansatz. Man habe den Eindruck, dass OKKriminalitĂ€t sich steigere, insbesondere die Rekrutierung von Jugendlichen durch OKGruppen. Es sei aber schwierig, konkrete Daten zu dieser Frage zu erheben. Die Daten seien oft SchĂ€tzungen. Auch die Einbindung von Frauen und deren Rolle in OK-Netzwerken seien oft zu wenig betrachtet. Hier brauche es auch inklusivere PrĂ€ventionsprogramme. OK sei zwar grenzĂŒberschreitend und international, treffe aber in ihren negativen Auswirkungen die lokale Ebene. Der administrative Ansatz im Kampf gegen OK werde noch nicht in allen MS voll ausgeschöpft. Forschung spiele eine wichtige Rolle. Die sozialen Medien erlangten im Bereich OK eine immer wichtigere Bedeutung, dies mĂŒsse bei der Polizeiarbeit und PrĂ€vention berĂŒcksichtigt werden.
KOM betonte die Wichtigkeit der PrÀvention und dankte dem EUCPN, BEL PrÀs. und dem Gastgeber der Konferenz (EST).
BEL PrĂ€s. hielt anschlieĂend eine PrĂ€sentation zu den Ratsschlussfolgerungen zur KriminalprĂ€vention vom Dezember 2023. Darin seien die MS eingeladen geworden, sich aktiv beim EUCPN einzubringen, Strategien zu entwickeln, evidenzbasierte AnsĂ€tze zu nutzen und verschiedene Akteure einzubinden. Das EUCPN habe eine Roadmap entworfen und hierzu das Feedback der MS eingeholt. Dabei habe sich gezeigt, dass es groĂe Unterschiede zwischen den MS gibt.
FRA dankte fĂŒr die geleistete Arbeit und sicherte dem EUCPN UnterstĂŒtzung zu, insbesondere mit Blick auf EMPACT und den administrativen Ansatz. FRA fragte zum administrativen Ansatz, ob das EUCPN ggf. Empfehlungen oder best practices erstellen könne. FRA fragte nach einem Finanzierungsplan fĂŒr die kommenden Jahre. BEL PrĂ€s. verwies darauf, dass das aktuelle Projekt noch bis Juni laufe. FĂŒr das Anschlussprojekt könne die Finanzierung erst sechs Monate spĂ€ter erfolgen, man habe aber eine Lösung zur ĂberbrĂŒckung der Finanzierung gefunden, es gebe insoweit noch ausreichende Mittel. Ob und wie die MS ggf. finanziell beim kĂŒnftigen Projekt einbezogen werden, mĂŒsse noch geklĂ€rt werden. Vors. kĂŒndigte an, in einer kĂŒnftigen Sitzung ggf. die BEL best practices vorzustellen. FRA bat um enge und transparente Einbindung der MS zu Finanzierungsfragen, und hielt fest, dass es zumindest aktuell die MS nicht zu einer finanziellen UnterstĂŒtzung angefragt sind.
FRA wiederholte UnterstĂŒtzung zeitnaher Kompromissfindung. Das
Zustimmungserfordernis der Nutzer zur DurchfĂŒhrung von Aufdeckungsanordnungen könne FRA grds. weiter unterstĂŒtzen. FRA mache sich aber fĂŒr eine tiefergehende juristische Analyse stark.
CZE, ITA, SWE, SVK, GRC, SVN, FIN und PRT legten einen â teils positiven â PrĂŒfvorbehalt ein. POL wiederholte Forderung (ârote Linieâ), Aufdeckungen auf verdĂ€chtige Nutzer zu begrenzen. Bzgl. des neuen Zustimmungserfordernis bestĂŒnden in POL weiterhin (rechtliche) Bedenken. An Zustimmung sollten keine ZugangsbeschrĂ€nkungen geknĂŒpft werden. POL bedauerte, dass Fragen der Altersverifikation nicht tiefergehender diskutiert worden seien. FĂŒr NLD gehen viele der neuen Safeguards in die richtige Richtung. NLD-Sorgen wĂŒrden durch Vorsitz grds. aufgegriffen. Es bestehe groĂer NLD-Wille, Balance zwischen technischen Rahmenbedingungen und politischer Bewertung zu wahren. Weiterhin könne NLD lediglich Aufdeckungen von neuem CSAM unterstĂŒtzen.
FĂŒr DEU trugen wir insgesamt entlang der abgestimmten Weisung vor. Wir betonten insbesondere, dass die Forderung, MaĂnahmen, die zu einem Scannen privater verschlĂŒsselter Kommunikation auf dem EndgerĂ€t von Nutzern fĂŒhren, aus dem Anwendungsbereich des VO-E auszunehmen, fĂŒr DEU unverĂ€ndert höchste PrioritĂ€t hat. Nach unserem VerstĂ€ndnis entspreche der jĂŒngste Vorschlag dieser Forderung nicht.
Artikel 1:
FRA wiederholte grds. UnterstĂŒtzung der vorgeschlagenen âupload moderationâ (Artikel 10a), fĂŒr Artikel 1 Absatz 5 wĂŒnsche sich FRA gleichwohl eine stĂ€rkere Formulierung zum Schutz von VerschlĂŒsselung. EST forderte RĂŒckkehr zur Textfassung von Artikel 1 vom 13. MĂ€rz 2024. Bzgl. Aufdeckungsanordnungen bestehe in EST PrĂŒfvorbehalt. Dieser umfasse auch die vorgeschlagene âupload moderationâ. SWE unterstĂŒtzte Ănderungen grundsĂ€tzlich.
Artikel 5:
Vorsitz erlĂ€uterte, dass Absatz 2a darauf ziele, hinreichend abstrakte Regelungen in der VO vorzusehen. Konkretere Werte könnten im Anhang geregelt werden. FRA begrĂŒĂte die Streichung konkreter ProzentsĂ€tze im VO-Text. Aus SWE-Sicht sollten AufwĂ€nde und Kosten fĂŒr Anbieter so gering wie möglich gehalten werden. Artikel 5 beachte dies in der jetzigen Fassung weitgehend.
Artikel 7 und 8:
SWE, NLD und FRA begrĂŒĂten, dass der Verweis auf die unabhĂ€ngige Verwaltungsbehörde wieder aufgenommen wurde. FĂŒr SWE seien die Anforderungen an die Verwaltungsbehörde in Artikel 8 mit Blick auf das Erfordernis âfrei von externen EinflĂŒssenâ zu streng gefasst. SWE setze sich fĂŒr eine angepasste Formulierung ein. PRT verwies mit Blick auf die Einbeziehung unabhĂ€ngiger Verwaltungsbehörden auf ânationale Schwierigkeitenâ.
Das hit-Verfahren werde durch FRA â und auch POL â weiterhin ausdrĂŒcklich unterstĂŒtzt. Es trage signifikant zur VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit bei. Hierbei sollte im Wesentlichen KI-gestĂŒtzte Verfahren eingesetzt werden. Bzgl. der menschlichen ĂberprĂŒfung stehe eine Festlegung auf einen Zeitraum aus. Es bleibe zu verhindern, dass andauernder Missbrauch nicht erkannt werde.
FĂŒr NLD sei das hit-Verfahren dagegen weiterhin nicht ĂŒberzeugend. Es verhindere, dass eindeutiges CSAM verfolgt werden könne. Auch ROM, ITA, MLT, IRL, ESP, CYP,
DNK, SVK, HRV und BGR kritisierten das hit-Verfahren. ROM wies daraufhin, dass ein Treffer mehrere Betroffene umfassen könne. Nicht die Menge könne ĂŒber Strafverfolgung entscheiden. FĂŒr SVK sei mit Blick auf den Schutz von betroffenen Kindern und Jugendlichen âoverreportingâ gegenĂŒber âunderreportingâ vorzuziehen.
Die vorgeschlagene Pseudonymisierung werde durch NLD grds. begrĂŒĂt. NLD-Position bzgl. des Umfangs von Aufdeckungen gelte aber fort. NLD begrĂŒĂte ausdrĂŒcklich, dass interpersonelle Kommunikation im Anwendungsbereich verbleibe. Andernfalls drohten âsichere HĂ€fenâ.
Auf DEU Nachfrage erlĂ€uterte BEL, dass die Streichung von Absatz 10 UAbs. 4 hohen technischen AufwĂ€nden geschuldet sei. Weiter erlĂ€uterte KOM auf DEU Nachfrage, dass Absatz 6a UAbsatz 2 klarstelle, dass der Anbieter im Rahmen der âupload moderationâ keine Kenntnis von Inhalten erlange und daher auch keinen Einfluss auf dessen Zustellung nehme. Es sei ein âdoppeltblindesâ System vorgesehen.
ESP erinnerte an den Zeitdruck der Verhandlungen. Die VO mĂŒsse hinreichend weit gefasst sein, damit sie lange Bestand habe und nicht bereits bei Inkrafttreten veraltet sei. Angesichts des deutlich reduzierten Anwendungsbereichs der VO stelle sich die Frage, ob der Name der CSA-VO, âVorschlag zur PrĂ€vention und BekĂ€mpfung von CSAâ, beibehalten werden könne.
EST sprach sich fĂŒr eine RĂŒckkehr zur vorherigen Fassung von Artikel 7 aus. Die EinschrĂ€nkung auf visuelles Material gehe fĂŒr POL in die richtige Richtung, reiche allerdings nicht, um POL Bedenken auszurĂ€umen. DNK, MLT und CYP sprachen sich dafĂŒr aus, Text im Anwendungsbereich der VO zu belassen. SWE setzte sich fĂŒr eine Unterscheidung zwischen Bild und Videomaterial ein.
KOM erlĂ€uterte, dass der vorliegende Entwurf eine Kombination mehrere, vielschichtige Safeguards enthalte. Auf BGR Nachfrage erlĂ€uterte KOM soweit es sich um âbulkâSendungen handele, sei offen, ob diese einen oder mehrere Treffer darstellten. Es entspreche aus KOM-Sicht der Logik solche groĂen Inhalte als mehrere Treffer zu werten. Andernfalls wĂŒrde die Aufdeckungswahrscheinlichkeit durch den Versand weniger Nachrichten mit mehr Inhalten reduziert werden können. Das zusĂ€tzliche Zustimmungserfordernis sei als weiterer Safeguard zu verstehen. Rechtsgrundlage fĂŒr Aufdeckungen bleibe die Anordnung durch die zustĂ€ndige nationale Behörde.
Vorsitz stellte eine Mehrheit gegen das vorgeschlagene hit-Verfahren fest und kĂŒndigte an, an einem Kompromiss zu arbeiten.
KOM wiederholte, es gebe grds. keine absolute Rechtssicherheit. Es sprĂ€chen aber gute Argumente und EuGH-Entscheidungen fĂŒr die VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit des Vorschlags. BEL habe weitere Schutzvorkehrungen ergĂ€nzt. Dazu zĂ€hlten u.a. EinschrĂ€nkung auf visuelles Material, Pseudonymisierung und user consent. Zu beachten sei auch EuGHRechtsprechung, die feststelle, dass automatisierte Datenverarbeitung, bei der Nutzer anonym blieben, als weniger eingriffsinvasiv einzustufen sei. Auch habe der EuGH Anforderungen an die Speicherung personenbezogener Daten gestellt.
Vorsitz stellte fest, dass Kommentare auf fachlicher Ebene eingegangen seien. Teilweise stehe eine politische Entscheidung noch aus. Auf fachlicher Ebene seien in der LEWP zum jetzigen Zeitpunkt alle MS zu Wort gekommen. Im JI-Rat werde ein Fortschrittsbericht vorgelegt.
Zum vorliegenden Kompromissvorschlag sei eine AStV-Befassung mit dem Ziel einer politischen Orientierung fĂŒr den 19. Juni geplant.
MS sind eingeladen schriftliche Kommentare bis zum 5. Juni einzureichen.
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|Protokoll der Sitzung vom 4. Juni im Volltext|
|weithin als EinfĂŒhrung einer neuen Form anlassloser MassenĂŒberwachung|
|Angriff auf verschlĂŒsselte Kommunikation|
|Verhandlungen fĂŒr die Chatkontrolle gestockt hatten|
|neue KompromissvorschlÀge gemacht|
|belgische PowerPoint-PrÀsentation|
|das Risiko, dass auf ihren Plattformen Straftaten begangen werden|
|AnonymitĂ€t und VerschlĂŒsselung|
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Wed, 12 Jun 2024 13:02:00 +0000
Martin Schwarzbeck
Bei der Hausdurchsuchung gegen den Journalisten Fabian Kienert hat die Polizei seinen Laptop, Handys und USB-Sticks mitgenommen und gespiegelt. Kienert wurde inzwischen freigesprochen. Was passiert jetzt mit den kopierten Daten?
Das digitale Leben von Fabian Kienert liegt bei der Freiburger Kriminalpolizei. Ein Laptop, zwei Handys, fĂŒnf USB-Sticks und eine SD-Karte â das haben Beamte am 17. Januar 2023 bei der |Durchsuchung seiner Wohnung| konfisziert. Die DatentrĂ€ger bekam Kienert zwar nach drei Tagen zurĂŒck. Doch die Daten darauf wurden zuvor gespiegelt. Darunter sehr viele sehr sensible Daten, wie er berichtet. Zehntausende vertrauliche E-Mails, Kontakte zu Informanten und Redaktionsinterna; ein GroĂteil davon verschlĂŒsselt.
Fabian Kienert ist freier Journalist und Redakteur beim Sender |Radio Dreyeckland (RDL)|. Die Informationen auf seinen sowohl privat als auch beruflich genutzten GerĂ€ten sind eigentlich durch den Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis, abgeleitet aus |Artikel 5 des Grundgesetzes|, den Blicken der Sicherheitsbehörden entzogen. Wenn nichts Wichtigeres fĂŒr eine Einsicht spricht.
In Kienerts Fall gab es da diesen Verdacht: Er soll eine verbotene Vereinigung unterstĂŒtzt haben, weil er in einem |Nachrichten-Artikel| auf das Archiv von |linksunten.indymedia.org| verlinkte. |Das Landgericht Karlsruhe hat ihn inzwischen freigesprochen|, die Staatsanwaltschaft Revision beantragt.
Mindestens bis das Verfahren letztinstanzlich abgeschlossen ist, bleiben die Daten gespeichert. Die Kriminalpolizei Freiburg hat bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht auf Fragen dazu geantwortet. Klar ist: Solange die Daten bei einer Sicherheitsbehörde liegen, sind sie eine potenzielle Bedrohung fĂŒr den Quellenschutz. Also fĂŒr alle Menschen, die Fabian Kienert und anderen Journalist*innen von Radio Dreyeckland sensible Informationen anvertraut haben.
Die DatentrĂ€ger wurden beschlagnahmt, um zu klĂ€ren, wer den Artikel mit dem Link auf linksunten.indymedia.org geschrieben hat. Kienert, dessen KĂŒrzel unter dem Text steht, hat sich noch wĂ€hrend der Durchsuchung dazu bekannt. Da die Frage damit geklĂ€rt war, hat das Landgericht Karlsruhe den Antrag auf Auswertung der Daten abgelehnt. SpĂ€ter hat die Staatsanwaltschaft noch einmal die Auswertung beantragt, diesmal auf der Suche nach Informationen darĂŒber, wer das heutige Archiv der 2017 per Vereinsverbot geschlossenen Open-Posting-Seite linksunten.indymedia.org betreibt. Auch das wurde abgelehnt. Es liegt also keine Erlaubnis vor, die Daten zu untersuchen.
Ein bisschen hineingelinst haben die Sicherheitsbehörden eventuell dennoch. Laut Kienert ist in den Ermittlungsakten von stichprobenartigen SuchvorgĂ€ngen die Rede. âMerkwĂŒrdigerweise sind davon aber keine Ergebnisse in den Akten zu findenâ, sagt Fabian Kienert.
Sollte die Staatsanwaltschaft das Revisionsbegehren aufrechterhalten und der Bundesgerichtshof ihm stattgeben, könnte es sein, dass die Staatsanwaltschaft erneut Zugriff auf Kienerts Daten fordert. âMöglicherweise werden die Ermittlungsbehörden sich auch darauf berufen, die Daten fĂŒr andere Zwecke zu benötigen. Aber dann streiten wir uns halt darumâ, sagt Kienerts AnwĂ€ltin Angela Furmaniak.
Fabian Kienert sagt: âSo lange nicht alle Daten gelöscht sind, bleibt eine Unsicherheit, was mit ihnen geschieht. VollstĂ€ndiges Vertrauen, dass sie nicht ausgewertet werden, ist bei mir nicht vorhanden. Die ganze Hausdurchsuchung war meiner Meinung nach von Anfang an rechtswidrig und wurde trotzdem durchgezogen.â Das Ergebnis seiner Verfassungsbeschwerde steht noch aus.
Rechtsanwalt David Werdermann von der |Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte (GFF)|, die Kienert juristisch unterstĂŒtzt, sagt: âSpĂ€testens als Fabian Kienert wĂ€hrend der Durchsuchung erklĂ€rte, dass er das geschrieben hat, war klar, dass man die DatentrĂ€ger nicht mehr hĂ€tte beschlagnahmen dĂŒrfen.â
Die Sticks und die SD-Karte, die bei Kienert sichergestellt wurden, waren unverschlĂŒsselt. Sie enthielten vom Redaktionsgeheimnis geschĂŒtzte, aber nur wenig sensible Informationen, so der Journalist. Seine Telefone sind, wie fast alle modernen Smartphones, vermutlich verschlĂŒsselt, lassen sich aber wohl knacken.
Viktor SchlĂŒter vom Digital Security Lab der Organisation |Reporter ohne Grenzen| sagt: âDie Sicherheitsbehörden kaufen sich dafĂŒr Forensiksoftware. Und wenn sie genug zahlen, kriegen sie vermutlich auch alles auf.â Dahinter stehe ein gröĂeres Problem, wie SchlĂŒter erklĂ€rt. Die Behörden wĂŒrden damit unterstĂŒtzen, dass SicherheitslĂŒcken nicht bekanntgemacht werden. Stattdessen werde das Wissen ĂŒber die LĂŒcken verkauft, wodurch auch andere Staaten deutsche StaatsbĂŒrger:innen ausspionieren können.
Die wirklich sensiblen Daten seien, so Fabian Kienert, auf seinem Laptop zu finden. Einem Linuxrechner mit verschlĂŒsselter Festplatte und ausreichend sicherem Passwort, wie er sagt. Die IT-Forensik des Landeskriminalamts habe mitgeteilt, dass ein Angriff auf die VerschlĂŒsselung zwar möglich, aber sehr zeitintensiv sei, so Kienert.
Viktor SchlĂŒter sagt: âEin Passwort aus 20 zufĂ€lligen Zeichen, das ist auf einem privaten Rechner und mit guten Parametern bei der Festplatten-VerschlĂŒsselung eine Sache in der GröĂenordnung von 10 hoch 20 Jahren, das zu erraten. In einem krassen Rechenzentrum mĂŒssten wir vielleicht 5 Nullen abziehen und sind immer noch bei 10 hoch 15, da hat sich am Grundsatz nichts geĂ€ndert: Das ist nicht realistisch, das aufzukriegen.â
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In der |ersten Episode unseres Doku-Podcasts âSystemeinstellungenâ| erzĂ€hlen wir die Geschichte hinter den Razzien bei Radio Dreyeckland.
|#01 Link-Extremismus|
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Es ist möglich, dass die Staatsanwaltschaft den Revisionsantrag zurĂŒckzieht, wenn das schriftliche Urteil veröffentlicht wird und sie keine ausreichend groĂe Chance sieht, es anzufechten. Wenn der Freispruch rechtskrĂ€ftig wird, will AnwĂ€ltin Angela Furmaniak die Löschung der gespiegelten Daten beantragen. Eine berechtigt geforderte Löschung wird meistens mit einem formlosen Schreiben bestĂ€tigt. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es aber nicht. âWenn die Polizei die Löschung mir gegenĂŒber dann bestĂ€tigt, gehe ich selbstverstĂ€ndlich davon aus, dass ich mich darauf verlassen kannâ, sagt Furmaniak. âIch hoffe, aber vertraue nicht daraufâ, sagt Fabian Kienert.
Im Zuge der Ermittlungen gegen Fabian Kienert wurde auch die Wohnung von einem der GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Radio Dreyeckland durchsucht. Die dort beschlagnahmten, unverschlĂŒsselten Daten wurden, nachdem die Rechtswidrigkeit dieser Durchsuchung festgestellt wurde, angeblich bereits vernichtet. Dazu gibt es bislang aber nur eine mĂŒndliche Zusicherung. Eine diesbezĂŒgliche Anfrage hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht beantwortet. Wir werden die Antwort ergĂ€nzen, wenn wir sie erhalten.
Update, 12.6.2024, 16.40 Uhr: Beim Absatz zur Stichwortsuche in Kienerts Daten ist uns ein Fehler unterlaufen, wir haben den Absatz ĂŒberarbeitet.
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|Das Landgericht Karlsruhe hat ihn inzwischen freigesprochen|
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Tue, 11 Jun 2024 15:45:37 +0000
Markus Reuter
In einem Bericht zum Thema VerschlĂŒsselung gibt sich Europol wissenschaftlich, hat aber eine klare Agenda: Die europĂ€ische Polizeibehörde möchte Zugang zu verschlĂŒsselten Informationen.
In der EuropĂ€ischen Union wird derzeit innenpolitisch aus allen Rohren gegen Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung geschossen. WĂ€hrend die PlĂ€ne fĂŒr eine verpflichtende |Chatkontrolle immer noch nicht vom Tisch| sind und |eine von Sicherheitsbehörden dominierte Expertengruppe im Auftrag der EU-Kommission HintertĂŒren gegen VerschlĂŒsselung fordert| und |das von den Mitgliedstaaten goutiert wird|, legt jetzt der EU Innovation Hub for Internal Security von Europol mit einem |Bericht zum Thema VerschlĂŒsselung (PDF)| nach.
âZiel ist es, eine konstruktive Diskussion ĂŒber VerschlĂŒsselung voranzutreiben und eine ausgewogene Lösung zum Schutz des Einzelnen und der Gesellschaft vor böswilligen Akteuren zu findenâ, |heiĂt es in der Zusammenfassung|. Gemeint ist damit nach Ansicht von Europol auch, dass der âZugang zu verschlĂŒsselter Kommunikation und deren ZulĂ€ssigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahrenâ gewĂ€hrleistet sein muss.
Der Bericht hebt hervor, dass âein Rahmen fĂŒr den Zugang zu verschlĂŒsselter Kommunikation in der EU immer mehr Gestaltâ annehme. Es bleibe eine stĂ€ndige Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen individueller PrivatsphĂ€re und kollektiver Sicherheit zu finden. Der SchlĂŒssel zum Erfolg liegt laut dem Europol-Bericht in der Förderung des Dialogs sowie der Zusammenarbeit und der Innovation.
Als Probleme benennt der Bericht die immer weitere Verbreitung von VerschlĂŒsselung und von Technologien, bei denen die Dienstleister die Daten ihrer Nutzer:innen gar nicht kennen wĂŒrden. Auch scheint Europol ein Dorn im Auge zu sein, dass Meta mittlerweile in seinem Messenger standardmĂ€Ăig VerschlĂŒsselung und Apple seinen Kund:innen mit Private Relay standardmĂ€Ăig eine Art VPN anbiete. Diese beiden Unternehmen werden im Bericht explizit genannt.
Auch die Standards bei der Telefonie wie 5G sieht Europol als Problem an, weil Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung das Abhören erschwere. Hier empfiehlt der Bericht, dass sich Sicherheitsbehörden bei der Setzung des 6G-Standards wieder stĂ€rker beteiligen, um Zugang zu erhalten. Die Beteiligung an Normierungsgremien, um Ăberwachung zu gewĂ€hrleisten, war jĂŒngst auch von der |Going-Dark-Expertengruppe empfohlen worden|. Hoffnung setzt Europol auch in das E-Evidence-Paket, weil es Zugang zu digitalen Informationen bei grenzĂŒberschreitenden strafrechtlichen Ermittlungen und Verfolgungen ermögliche, auch wenn VerschlĂŒsselung dort (noch) nicht Thema sei.
Die umkĂ€mpfte |Chatkontrolle| nennt der Bericht als ein Beispiel, wie VerschlĂŒsselung mittels |Client-Side-Scanning| quasi umgangen werden könnte. Hier wĂŒnscht sich Europol eine âbreitere Debatte ĂŒber die Verwendung oder EinfĂŒhrung alternativer Methoden zur Umgehung der VerschlĂŒsselungâ, dieser Bereich bedĂŒrfe âeiner kontinuierlichen PrĂŒfungâ.
Der Bericht macht ein weiteres Mal klar, dass europĂ€ische Ermittlungsbehörden und Innenpolitiker:innen zunehmend das Thema âSchwĂ€chung von VerschlĂŒsselungâ auf die Agenda bringen und dies mit einer Strategie, die nicht nur auf einzelne Gesetzesvorhaben wie die Chatkontrolle beschrĂ€nkt ist, sondern auf verschiedenen Feldern ansetzt und eine permanente Diskussion um die angeblichen Nachteile der VerschlĂŒsselung forciert.
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|Chatkontrolle immer noch nicht vom Tisch|
|das von den Mitgliedstaaten goutiert wird|
|Bericht zum Thema VerschlĂŒsselung (PDF)|
|heiĂt es in der Zusammenfassung|
|Going-Dark-Expertengruppe empfohlen worden|
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Mon, 10 Jun 2024 16:06:58 +0000
Markus Reuter
Die meisten Mitgliedstaaten der EU begrĂŒĂen die Forderungen einer Expertengruppe nach mehr Ăberwachung. Das Gremium war im Vorfeld als parteiisch und einseitig besetzt kritisiert worden. Dennoch gibt es kaum Widerspruch gegen die Empfehlungen des Gremiums, wie ein geheimes Protokoll zeigt, das wir veröffentlichen.
Die kĂŒrzlich bekannt gewordenen Empfehlungen einer |Expert:innengruppe zum Thema Going Dark| wurden auch im StĂ€ndigen Ausschusses fĂŒr die operative Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit (COSI) erörtert. Dabei sprachen sich am 29. Mai mehrere EU-Mitgliedsstaaten fĂŒr einen Zugriff auf verschlĂŒsselte Daten und Kommunikation sowie eine europaweite Vorratsdatenspeicherung aus. Wir veröffentlichen das |geheime Protokoll der Sitzung im Volltext|.
Die |von Sicherheitsbehörden dominierte Going-Dark-Expertengruppe| (âHigh-Level Group on access to data for effective law enforcementâ) hatte Ende Mai dieses Jahres in 42 Empfehlungen unter anderem |HintertĂŒren zu verschlĂŒsselten Daten und viele weitere Ăberwachungsmöglichkeiten gefordert|. Wir hatten |das eingestufte Dokument (PDF)| in der letzten Woche im Volltext veröffentlicht, auch aus einer |Informationsfreiheitsanfrage sind Forderungen der Expertengruppe| ableitbar.
Thema der Gruppe war der Umgang von Ermittlungsbehörden mit VerschlĂŒsselung. Die Behörden fĂŒrchten ein Szenario, in dem Kommunikation in groĂen Teilen verschlĂŒsselt stattfindet und sie deswegen nicht mehr ermitteln könnten. Polizeien und Geheimdienste nennen dieses PhĂ€nomen âGoing Darkâ. |Studien bezweifeln allerdings die negativen Auswirkungen,| unter anderem weil den Sicherheitsbehörden durch digitale Technologien eine FĂŒlle von Daten zur VerfĂŒgung stehen, die sie frĂŒher nicht hatten.
Laut des Protokolls, welches die deutsche StĂ€ndige Vertretung in BrĂŒssel angefertigt hat, haben EU-Mitgliedsstaaten schon einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung der Empfehlungen gefordert. Aus dem Dokument geht auch hervor, dass die Empfehlungen von verschiedenen Stellen der EuropĂ€ischen Union fĂŒr gut befunden werden. So hat der CATS-Ausschuss, der die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen koordiniert, die Empfehlungen des Gremiums unterstĂŒtzt und auch die EU-Kommission âbegrĂŒĂteâ die Ergebnisse, sie hĂ€tten âviel Potentialâ, heiĂt es weiter.
Dringenden Handlungsbedarf in Sachen VerschlĂŒsselung und Vorratsdatenspeicherung sehen gleich eine ganze Reihe von LĂ€ndern, unter ihnen Estland, Tschechien, Spanien, Schweden, Finnland, Italien, Niederlande und Irland. Ungarn nannte den Zugang zu Daten ein âSchlĂŒsselelement fĂŒr wirksame Strafverfolgungâ und befand das Ergebnis der Expertengruppe fĂŒr âbeeindruckend und zukunftsweisendâ. Die Polizeibehörde Europol unterstrich laut Protokoll die Gefahr des Missbrauchs von Ende-zu-Ende-VerschlĂŒsselung durch Kriminelle, dem schloss sich auch Griechenland an.
Einzig Luxemburg sprach sich gegen eine SchwĂ€chung von VerschlĂŒsselung aus. Deutschland hingegen begrĂŒĂte zwar nicht die SchwĂ€chung der VerschlĂŒsselung, sprach sich aber fĂŒr eine verbesserte Zusammenarbeit mit Industrie und Normierungsstellen aus. Letztere hatte die Expertengruppe als wichtig bezeichnet, weil man hier technische Standards setzen könne, die den Ermittlungsbehörden die Arbeit erleichtern könnten.
Deutschland unterstrich zudem, dass im Rahmen der nationalen Umsetzung des âEuropean Electronic Communication Codesâ (EECC) âzweifelsfrei und ausnahmslos eine Verpflichtung von Over-the-top-Services (OTTs) [..] als interpersonale Kommunikationsdiensteâ vorgesehen werden mĂŒsse. Damit sollen Messengern wie WhatsApp & Co Mitwirkungspflichten bei der Ăberwachung auferlegt werden. Deutschland sprach sich in diesem Zusammenhang dafĂŒr aus, dass âinsbesondere die groĂen Marktteilnehmer aufgefordert werden, die fĂŒr Datenausleitungen an Strafverfolgungsbehörden implementierten Standards auch anzuwenden.â
Gleichzeitig schien den Mitglieder des Ausschusses klar zu sein, dass angesichts der zahlreichen neuen Ăberwachungsbefugnisse und Grundrechtseingriffe aus dem Expertenkatalog politischer Gegenwind und damit schwierige Kommunikation auf die EU-Staaten zukommt. So sagte der Ausschuss-Vorsitzende laut Protokoll, dass es wichtig sei, âdas richtige Narrativ zu setzenâ und Schweden riet mit UnterstĂŒtzung mehrerer LĂ€nder âzu einer Kommunikationsstrategie, die unterstreiche, dass man mit den Empfehlungen Grundrechte schĂŒtzen wolleâ.
Wir dĂŒrfen gespannt sein, wie eine solche Kommunikationsstrategie angesichts der PlĂ€ne fĂŒr jede Menge zusĂ€tzlicher Ăberwachung und HintertĂŒren in verschlĂŒsselte Kommunikation aussehen wird.
Seit vergangenem Jahr hatte die Gruppe hochrangiger Expert:innen getagt, um dem sogenannten âGoing-Darkâ-Problem zu begegnen. Bei der von der EU eingerichteten âHigh-Level Groupâ fiel von Beginn an eine Schieflage auf: Besetzt ist das Gremium |in erster Linie mit Vertreter*innen von Sicherheitsbehörden|, es reprĂ€sentiert entsprechend deren Sicht auf das Thema.
Diese Schieflage |hatten DatenschĂŒtzer:innen kritisiert|, sie wurden daraufhin in den Prozess eingebunden, allerdings erst spĂ€t und nur inoffiziell. Auf die Empfehlungen des Gremiums haben sie offenbar kaum Einfluss gehabt. Der scheidende EU-Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer nannte die Empfehlungen des Gremiums die âgeheime Wunschliste der EU-Regierungenâ und warnte davor, dass diese VorschlĂ€ge nach der Europawahl umgesetzt wĂŒrden. Die Zustimmung im COSI-Auschuss zeigt, dass Breyers BefĂŒrchtungen durchaus Berechtigung haben.
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Hier das Dokument in Volltext
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Geheimhaltungsgrad: VS-NUR FĂR DEN DIENSTGEBRAUCH
Von: StĂ€ndige Vertretung EU BrĂŒssel
An: DKOR_E11, DKOR_Leitung
CC: DKOR_BMI_EXT, DKOR_BMJ_EXT, DKOR_BMWK_EXT, DKOR_BMF_EXT, DKOR_EUROBMWK_EXT
Betreff: Sitzung des StĂ€ndigen Ausschusses fĂŒr die operative Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit (COSI) am 29.5.24 â Gemeinsame Sitzung COSI/CLASI Senior Officials am 30.5.24 CM 2730/24 Zur Unterrichtung
Bezug: Pol350.80/8
Zweck: Zur Unterrichtung
Verf.:
GeschÀftszeichen:
Zusatzinformationen: AA: EU KOR BMI: St E, LStabE, E2, AL ĂS, UAL ĂS I, UAL ĂS II, UALân CI, ĂS I 4, ĂS II 1, ĂS II 2, CI 6 BMJ: UAL DC, DC 1, DC 2 BKAmt: 132, 133, 511
Anlagen: 1. DKOR_COSI_COSI CLASI_Im Einzelnen
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Der Schwerpunkt der COSI-Sitzung am 29.5. war die Diskussion zu TOP 3 â Empfehlungen High Level Group âZugang zu Datenâ, um die Befassung des JI-Rates am 13./14. Juni 2024 vorzubereiten. Als PrioritĂ€ten wurden herbei von vielen der wortnehmenden MS der Zugriff auf verschlĂŒsselte Daten sowie eine EU-weite Regelung zur Vorratsdatenspeicherung genannt. Fragen des Trainings, der Standardisierung und der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft wurden als Bereiche identifiziert, fĂŒr die zeitnahe MaĂnahmen gestartet werden könnten bzw. fĂŒr die es schon LösungsansĂ€tze gebe. Ein fester Fahrplan, möglichst mit Zeitrahmen und Aussagen zur Finanzierung, erschien den meisten MS als notwendig. Als mögliches Koordinierungs- und Monitoringgremium wurde ĂŒberwiegend der COSI genannt. Vors. kĂŒndigte an, auf Basis der heutigen Anmerkungen ein strategisches Diskussionspapier fĂŒr den JI-Rat am 13./14. Juni vorzubereiten (mittlerweile veröffentlicht).
Bei der ersten Senior Officials Sitzung COSI/CLASI am 30.5. wurde der Willen nach einer stĂ€rkeren Zusammenarbeit insbesondere zur BekĂ€mpfung des Drogenschmuggels bekrĂ€ftigt. Die gemeinsamen Arbeitsmethoden und damit die Festlegung weitere Treffen wurden gebilligt. Alle Delegationen plĂ€dierten fĂŒr eine VerstĂ€rkung des Informationsaustauschs sowie eine stĂ€rkere operative Zusammenarbeit. Dies solle auch durch die Synchronisierung von EMPACT und SOCTA mit den entsprechenden CLASI Instrumenten erreicht werden. Mehrfach wurde die Notwendigkeit angesprochen, prĂ€ventive MaĂnahmen aufzulegen, um z.B. die Rekrutierung von Jugendlichen durch kriminelle Gruppen zu bekĂ€mpfen. Zudem solle der Grundsatz âfollow the moneyâ stĂ€rker beachtet werden.
06.06.2024
Anlage
gez.
06.06.2024
Registratur
.BRUE *ZREGÂ
Die Tagesordnung wurde mit einem von SWE unter AOB angemeldeten Informationspunkt angenommen.
Vors. informierte ĂŒber den Stand verschiedener Rechtssetzungsakte. Die LEWP werde am 3. Juni ĂŒber u.a. ĂŒber einen modifizierten Vorschlag fĂŒr eine Ănderung der Europol-VO i.S. SchleuserkriminalitĂ€t verhandeln. Auch zur CSA-VO liefen weiterhin intensive Verhandlungen in der LEWP. Hier habe Vors. einen neuen Ansatz gewĂ€hlt und u.a. zahlreiche weitere Safeguards in den Vorschlag aufgenommen. In der RAG Unternehmensrecht wolle man beim Vorschlag zu grenzĂŒberschreitend tĂ€tigen Vereinigungen ebenfalls Fortschritte erzielen. Vors. bitte hier insbesondere um Koordinierung auf nationaler Ebene, um Fragen der Sicherheit angemessen in die Verhandlungen einzubringen. Die nĂ€chste Sitzung der RAG sei am 20.6. geplant.
Vors. informierte zudem ĂŒber das Treffen EU-Interpol am 6. Juni. U.a. werde man ĂŒber sichere KanĂ€le fĂŒr den Informationsaustausch, die EU/CLASI Zusammenarbeit und die Umsetzung der Roadmap zur BekĂ€mpfung des Drogenhandels sprechen. Beim hochrangigen EU/USA Treffen werde es u.a. um BekĂ€mpfung OK und DrogenkriminalitĂ€t, um e-evidence, auslĂ€ndische Beeinflussung von Wahlen, legale Migration und Visa Waiver gehen. Die Vorbereitung erfolge in den relevanten Arbeitsgruppen.
FĂŒr den JI-Rat plane Vors. folgende fĂŒr den COSI relevante Punkte:
Fortschrittsbericht ĂŒber die Umsetzung des Drogenaktionsplans
Verabschiedung der RSF zu besonders gefÀhrlichen kriminellen Netzen incl. Video zu EMPACT Erfolgen
Meinungsaustausch der Minister*innen zum Thema âlawful access to data for law enforcementâ
Sachstand CSA-VO
Auswirkungen der RUS Aggression gegen die UKR auf die innere Sicherheit
TE-BekÀmpfung
Krisenreaktionsbereitschaft (Mittagessen)
Vors. fĂŒhrte kurz in das Thema ein und wies darauf hin, dass die Empfehlungen der Expertengruppe bei der letzten Sitzung des CATS UnterstĂŒtzung erfahren hĂ€tten. Strafverfolgungsbehörden mĂŒssten alle technologischen Möglichkeiten nutzen können, ansonsten werde deren Arbeit und damit der Schutz der Rechtsstaatlichkeit ĂŒber kurz oder lang praktisch unmöglich gemacht. Die 42 Empfehlungen der Experten seien in die Blöcke KapazitĂ€tsaufbau, Zusammenarbeit mit der Industrie und Rechtssetzung unterteilt und hĂ€tten das Ziel, politische MaĂnahmen anzustoĂen. Eine formelle Annahme sei nicht vorgesehen. HUN werde die Arbeiten fortfĂŒhren und die KOM einen Abschlussbericht mit Fahrplan herausgeben. Die dahingehende Diskussion im JI-Rat sei auf eine Stunde angesetzt und Vors. hoffe auf politische Leitlinien als Ergebnis.
KOM begrĂŒĂte die Ergebnisse der HLG. Es habe viele konstruktive GesprĂ€che mit den verschiedenen InteressentrĂ€gern gegeben. Auch die UnterstĂŒtzung durch den CATS sei sehr erfreulich. Die Empfehlungen gingen jedoch in Teilen mit erheblichen Anforderungen einher. Zu einigen gĂ€be es auch schon Initiativen und Abkommen. Auch TrainingsmaĂnahmen und die Europol Plattform zu EntschlĂŒsselung seien schon vorhanden. Trotzdem hĂ€tten die Empfehlungen viel Potential, sie seien fĂŒr die KOM nicht bindend, wĂŒrden in die Meinungsbildung der KOM einflieĂen.
DEU begrĂŒĂte insbesondere die Empfehlungen zum KapazitĂ€tsaufbau sowie zur Zusammenarbeit mit der Industrie und Normungsstellen. Wir votierten zudem dafĂŒr, dass die verbleibenden oder neu entstehenden Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Daten kontinuierlich und in koordinierter Weise weiter bewertet wĂŒrden.
FRA machte deutlich, dass sich die Empfehlungen nur auf kommerzielle Werkzeuge beziehen dĂŒrften und nicht auf speziell zur Wahrung der nationalen Sicherheit entwickelten Instrumente. Daher sei auch eine grĂŒndliche SubsidiaritĂ€tsprĂŒfung beim möglichen Rechtsakten unerlĂ€sslich. Diese Rechtsakten sollen dann aber auch in den JI-Gremien diskutiert werden und nicht âirgendwo sonstâ. FĂŒr die Diskussion im JI-Rat mĂŒsse zunĂ€chst ein strategisches Papier der KOM vorgelegt werden.
SWE brachte die Hoffnung auf eine starke UnterstĂŒtzung durch die Minister*innen zum Ausdruck. Man mĂŒsse dringend âgleiche Wettbewerbsbedingungenâ mit den Kriminellen erreichen. Derzeit werde einem das Leben selbst bei akuten Bedrohungslagen durch die restriktive Auslegung des EuGH schwer gemacht. ESP ergĂ€nzte, dass oft nicht die Regeln fĂŒr den Zugriff auf Daten das Problem seien, sondern dass keine Daten gespeichert seien, auf die man zugreifen könne.
HUN nannte den Zugang zu Daten ein SchlĂŒsselelement fĂŒr wirksame Strafverfolgung. Das Ergebnis der HLG sei beeindruckend und zukunftsweisend. HUN werde daher die Arbeiten in enger und transparenter Zusammenarbeit mit der KOM fortfĂŒhren.
Die durch drei Frage des Vors. geleitete Diskussion fĂŒhrte zu folgenden Ergebnissen:
Frage 1: What are the most pressing issues identified by the HLG that should be subject to particular political attention at the exchange of views by the JHA Council on 13 and 14 June 2024?
Dringender Handlungsbedarf wurde ĂŒberwiegend hinsichtlich des Themas VerschlĂŒsselung sowie der Vorratsdatenspeicherung gesehen (explizit EST, CZE, ESP, SWE, FIN, ITA, NLD, AUT, BGR, PRT, HRV, SVN, ROU, LVA, IRL). CTC unterstĂŒtzte diese Auffassung und belegte die Notwendigkeit mit einem Praxisbeispiel. CZE unterstrich, dass man nicht lĂ€nger in einem Graubereich arbeiten dĂŒrfe.
Europol unterstrich die Gefahr des Missbrauchs von end-to-end VerschlĂŒsselung durch Kriminelle (Ă€hnlich GRC). Der Zugang zu solchen Daten sei deutlich erschwert. Amtshilfeersuchen wĂŒrden regelmĂ€Ăig dadurch unterlaufen, dass nur geringe Mengen von Daten gespeichert wĂŒrden.
FRA (mit Hinweis auf die Notwendigkeit eines Impact Assessments, ebenso SVK) und LTU sahen zumindest die Notwendigkeit eines festen EU-Rechtsrahmens fĂŒr den Zugriff auf Daten.
LUX sprach sich gegen eine SchwĂ€chung von VerschlĂŒsselung aus.
Mehrfach wurde betont, dass man bei einer möglichen rechtlichen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung die aktuelle EuGH Rechtsprechung berĂŒcksichtigen, sorgfĂ€ltig und mit AugenmaĂ agieren mĂŒsse (LVA, SVN, BGR, SWE, POL, FRA, EST). Eine Ausgewogenheit zwischen den Interessen der Strafverfolgung und dem Datenschutz sei jedoch ebenso notwendig (PRT, ESP; EST).
SWE und HRV unterstrichen, dass eine EU-weite Mindeststandards nicht dazu fĂŒhren dĂŒrften, funktionierende nationale Regeln abzuschwĂ€chen.
DEU unterstrich die Notwendigkeit der Umsetzungen des âEuropean Electronic Communication Codesâ (EECC) in nationales Recht in den EU-Mitgliedstaaten. Diese mĂŒsse zweifelsfrei und ausnahmslos eine Verpflichtung von sog. Over-the-top-Services (OTTs), wie Google, Microsoft, Apple, Meta etc. als interpersonale Kommunikationsdienste vorsehen (auch CTC). Es gelte damit einen möglichen RĂŒckschritt zu vermeiden. Zudem sollten insbesondere die groĂen Marktteilnehmer aufgefordert werden, die fĂŒr Datenausleitungen an Strafverfolgungsbehörden implementierten Standards auch anzuwenden.
ROU sah dringenden Handlungsbedarf beim gemeinsamen Einkauf von Software Produkten (Ă€hnlich FRA) und einer besseren Finanzierung der Sicherheitsforschung (letzteres auch CZE).
PRT sah es als wichtig an, das Problem der Ăbertragung von groĂen Datenmengen anzugehen und sichere Ăbertragungswege einzurichten (letzteres auch POL).
AUT sprach auch die Notwendigkeit einheitlicher technischer Standards fĂŒr EndgerĂ€te an. Ggf. könne man die Empfehlungen nicht nur priorisieren, sondern auch in rechtliche und technische LösungsansĂ€tze aufteilen.
Frage 2: Do you see recommendations identified by the HLG (âlow-hanging fruitsâ) that should be followed up or initiated immediately?
Einige MS (CZE, GRC, SVN, ROU, LVA, FRA, POL, FIN), sahen die Möglichkeit, Aus- und Fortbildung zeitnah anzugehen. CEPOL erklĂ€rte hierzu, dass Fortbildung wichtig sei, bei politischen Debatten und insbesondere auch bei Finanzierungsfragen oft ĂŒbersehen werde.
Neben Fortbildung wurde Standardisierung und Zusammenarbeit mit der Industrie mehrmals als âlow hanging fruitsâ genannt (FRA, ESP, IRL).
FĂŒr DEU erschien Empfehlung Nr. 15 als relativ zĂŒgig weiter verfolgbar, da in der Anwendung befindliche âLawful Interceptionâ (LI)-Standards von ETSI bzw. von 3GPP auf ihre Implementierung durch OTTs warteten (auch FIN). Auch die Empfehlung Nr. 20, Standardisierungsinstrumente konsequenter und vor allem gemeinschaftlicher zu bearbeiten, u.a. um EU-Mitgliedstaaten, die ĂŒber nicht ausreichende Ressourcen verfĂŒgen, zu unterstĂŒtzen, könne in bereits bestehenden AktivitĂ€ten problemlos aufgehen.
Frage 3: Do you have guidance for the further work on access to data for effective law enforcement with regard to the operationalisation and the implementation of the recommendations identified by the HLG?
Neben DEU sprachen sich auch SWE, GRC, FRA, ESP, SWE, NLD, AUT, BGR, PRT, SVN, SVK, LVA, IRL sowie der CTC fĂŒr einen klaren Fahrplan fĂŒr die Umsetzung aus. DEU plĂ€dierte zudem dafĂŒr, dass KOM ein Monitoringinstrument vorlege, damit die regelmĂ€Ăige und fortgesetzte Nachverfolgung der Schlussfolgerungen auf Expertenebene gewĂ€hrleistet werden könne.
CZE, FRA, ESP, NLD, PRT, LUX und LVA nannten COSI, teilweise auch CATS als richtiges Koordinierungsgremium fĂŒr die weiteren Arbeiten. NLD sah die rechtlichen Fragen bei den RAGen COPEN und LEWP.
Den AusfĂŒhrungen von SWE zu einer Kommunikationsstrategie, die unterstreiche, dass man mit den Empfehlungen Grundrechte schĂŒtzen wolle, schlossen sich AUT, IRL, LTU sowie der CTC an.
POL plĂ€dierte fĂŒr einen stetigen Dialog zwischen Polizei/Justiz und anderen InteressentrĂ€gern wie z.B. DatenschĂŒtzern (Ă€hnlich DNK).
PRT sprach sich fĂŒr ebenso wie BGR; HRV, ESP, ROU und SVK fĂŒr eine zeitnahe Kartierung bzw. Bestandserhebung von bestehenden Regeln und Instrumenten bzw. digitalen Diensten und deren Speicherung von Daten fĂŒr kommerzielle Zwecke aus.
Nach Auffassung von FRA, POL, ESP, PRT und IRL sollten Finanzierungsfragen zeitnah geklÀrt werden.
DNK mahnte zur Vorsicht hinsichtlich der Empfehlungen zu Sanktionen gegenĂŒber nichtkooperativen Unternehmen. FRA sah hierzu die Notwendigkeit von Abkommen mit Drittstaaten. FRA machte zudem Vorbehalte geltend gegen die Empfehlungen zum Abfangen von Daten im Transit, da diese nicht in das nationale Recht passten.
CTC sah es als wichtig an, die stĂ€rkere Nutzung der Agenturen anzusprechen. Gerade der Innovation Hub sei eine wichtige Stelle. âGoing darkâ zeige sich oft bei TE-FĂ€llen, da die Strafverfolgungsbehörden oft nur kurzfristig handeln könnten und die TelekomUnternehmen nur wenig Daten zur VerfĂŒgung stellten.
Europol teilte mit, dass man bei einigen der Empfehlungen bereits jetzt helfen könne und verwies u.a. auf die Arbeit des Cybercrime-Zentrums und die EntschlĂŒsselungsplattform. Auch könne man ĂŒberlegen, das SIRIUS-Projekt anzupassen und zu erweitern. Allerdings mĂŒsste immer auch das Europol Mandat und die zur VerfĂŒgung stehenden Ressourcen beachtet werden.
FRA (Grundrechteagentur) sah die Notwendigkeit, den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Instrumente zur VerfĂŒgung zu stellen. Allerdings mĂŒsse immer die VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit gewahrt bleiben. Es wĂ€re gut zu erheben, welche Ermittlungen tatsĂ€chlich aufgrund mangelnden Zugriffes auf Daten behindert worden seien. Nur so könne das allgemeine Interesse deutlich gemacht werden. Wichtig sei auch, die derzeitige Rechtslage und einschlĂ€gige Urteile zu analysieren. FRA werde sich gerne weiter in die Arbeiten der HLG einbringen.
Eurojust kĂŒndigte einen Bericht ĂŒber die Rechtslandschaft der Vorratsdatenspeicherung in der EU an. Vorratsdatenspeicherung sei nicht nur bei den Polizeibehörden ein vordringliches Thema, sondern auch bei StaatsanwĂ€lt*innen.
CEPOL sagt UnterstĂŒtzung bei allen Fragen des KapazitĂ€tsaufbaus zu. Man biete bereits jetzt relevante Kurse an und arbeite an einer Zertifizierung. Zudem könnten Ressourcen fĂŒr peerto-peer MaĂnahmen sowie analytische Prozesse zur Bewertung von AusbildungsmaĂnahmen und -bedarfen zur VerfĂŒgung gestellt werden.
Vors. schlussfolgerte, dass COSI die Arbeiten der HLG begrĂŒĂe. FĂŒr die weitere Diskussion im JI-Rat habe man die Bereiche Vorratsdatenspeicherung und VerschlĂŒsselung als PrioritĂ€t identifiziert. Vors. werde hierzu ein strategische Diskussionspapier vorlegen. In den Empfehlungen fĂ€nde sich einiges, das zĂŒgig umgesetzt werden könne und keine neuen rechtlichen Grundlagen benötige. Wichtig sei es, das richtige Narrativ zu setzen. NĂ€chste Schritte wie z.B. der Bericht der KOM und ein konkreter Fahrplan seien ja bereits vorgesehen. Nach der Ratstagung werde es Schlussfolgerungen des Vors. geben.
Die Ratsschlussfolgerungen wurden vom COSI gebilligt und werden an den JI-Rat zur Verabschiedung weitergeleitet.
KOM zeigte sich erfreut und unterstrich die operative Bedeutung des Berichts. Zudem sei es wichtig, dass die Rolle von EMPACT hervorgehoben werde. Wichtig sei auch der Aufruf zum RĂŒckgriff auf bestehende Instrumente. In diesem Zusammenhang wies KOM auf die kĂŒrzlich
erzielte Einigung zu Einziehung und Sicherstellung hin. Die MS hĂ€tten zwar eine Umsetzungsfrist von 30 Monaten, es bestĂŒnde aber keine Notwendigkeit, diese auch tatsĂ€chlich auszureizen.
CTC stellte kurz seinen Arbeitsansatz und seine PrioritĂ€ten vor. Man mĂŒsse sich klar darĂŒber sein, dass die meisten Sicherheitsbedrohungen fĂŒr die EU von auĂen kĂ€men oder durch Ă€uĂere Ereignisse verstĂ€rkt wĂŒrden. Die TE-Bedrohung sei weiterhin hoch, sei allerdings in jĂŒngerer Vergangenheit durch andere politische Ereignisse in der öffentlichen Wahrnehmung etwas nach hinten gerĂŒckt. TE versuche Schwachstellen zu nutzen. Dem könne man nur die die Aktivierung aller Akteure und durch einen umfassenden Ansatz begegnen. PrĂ€vention und Resilienz seien notwendig. Der Dialog auch mit komplizierten DrittlĂ€ndern sei wichtig und mĂŒsse pragmatisch gehandhabt werden. CTC wolle mit den MS eng zusammenarbeiten. COSI sei hierbei ein zentraler Partner und Leitliniengeber. Gerne sei CTC bereit, mit den HauptstĂ€dten direkte Kontakte zu etablieren. Seine PrioritĂ€ten lĂ€gen im Bereich des Internets und relevanter neuer Rechtsvorschriften. Man mĂŒsse den Internetunternehmen klar machen, dass sie nicht nur Einnahmen generieren dĂŒrften, sondern auch Verantwortung fĂŒr die Sicherheit ihrer Nutzer ĂŒbernehmen mĂŒssten. Weitere PrioritĂ€t sei der unter TOP 3 diskutierte Zugang zu Kommunikationsdaten und damit ein wirksameres Vorgehen gegen TE. Der Sicherheitsdialog mit UKR werde mit einem Schwerpunkt auf den illegalen Waffenhandel fortgefĂŒhrt. CTC wolle auch weiter die externe Dimension betrachten. Diplomatische BemĂŒhungen seien manchmal notwendig, um Beweismittel gegen auslĂ€ndische KĂ€mpfer zu bekommen. AbschlieĂen unterstĂŒtzte CTC auch noch die Einrichtung des IPCR betreffend auslĂ€ndische Einflussnahme.
COSI nahm die AusfĂŒhrungen zur Kenntnis.
Der Bericht wurde vom COSI gebilligt.
Vors. wies darauf hin, dass das Dokument keine rechtsverbindlichen Kriterien enthalte. Sie sollten vielmehr den Informationsaustausch fördern und in die Datenbanken und Informationssysteme ĂŒbernommen werden.
DEU dankte ausdrĂŒcklich dafĂŒr, dass der (unter DEU Vors. angestoĂene)Â Prozess nun erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Das Dokument wurde vom COSI gebilligt.
Vors. erlĂ€uterte, dass es sich bei dem vorgelegten Dok. um ein Follow-up zum informellen COSI handele. Man habe erkannt, dass es InformationslĂŒcken bei Verbrechen mit nicht registrierten Waffen gĂ€be und eine integrierte Datenbank notwendig sei. Im April habe es ein Treffen der Focal Points gegeben. Hierbei habe man Mindestanforderungen fĂŒr DatensĂ€tze erarbeitet, die in die nationalen Datenbanken ĂŒbernommen werden sollten. Vors. unterstĂŒtze ausdrĂŒcklich die Schaffung eines zentralen Registers, wie von der KOM vorgesehen.
KOM zeigte sich erfreut ĂŒber die bisherige gute Zusammenarbeit mit den MS. Man habe sich auf den im Bezugsdokument aufgefĂŒhrten Fahrplan geeinigt. KOM unterstĂŒtze das Vorhaben eines gemeinsamen Registers beim Europol Schusswaffen Hub. Die im April durchgefĂŒhrte Bestandsaufnahme bzgl. Focal Points sei positiv zu bewerten; man habe hierzu ein Scoreboard erstellt. Erste Schritte zum Aufbau einer SachverstĂ€ndigengruppe, welche die Umsetzung des Aktionsplans Handel mit Schusswaffen ĂŒberwachen solle, seien eingeleitet. Zudem sei ein Bericht zu VorfĂ€llen mit Schusswaffen in Arbeit.
ESP berichtete von einer steigenden Bedrohung durch die Nutzung von Schusswaffen durch kriminelle Gruppen.
SWE schloss sich den AusfĂŒhrungen an und rief dazu auf, die Arbeiten zĂŒgig voranzutreiben. Die Einrichtung eines Focal Point sei in SWE ein wichtiger Schritt gewesen.
Vors. sah die Focal Points ebenfalls als wichtigen Faktor und sagte zu, den COSI auf dem Laufenden zu halten.
Vors. verwies auf das Bezugsdokument. Es sei wichtig, dass bei allen digitalen Dossiers auch immer die Interessen der Sicherheitsbehörden eingebracht wĂŒrden. Zudem solle im Zusammenhang mit solchen Regelungen auch immer die permanente Botschaft an EP und Bevölkerung vermittelt werden, dass die BerĂŒcksichtigung von Sicherheitsinteressen auch dem Schutz der Grundrechte diene.
KOM wies im Zusammenhang mit dem KI-Akt darauf hin, dass der Sicherheitsbereich sich auch weiterhin an der Diskussion beteiligen solle, dass man nach Annahme des BasisRechtsaktes nun beginne, an DurchfĂŒhrungsrechtsakten, Leitlinien und Standards zu arbeiten.
Items concluded by the COSI Support Group (Dok. 9991/24)
Das Bezugsdokument wurde vom COSI zur Kenntnis genommen.
Der kĂŒnftige Vors. informierte ĂŒber zunĂ€chst ĂŒber die Themen der am 4./5. Juli in Budapest geplanten informellen Sitzung des COSI:
Zukunft der Inneren Sicherheit der EU â Defizite und Erwartungen â Diskussion zur Vorbereitung des informellen JI-Rates unter HUN Vors.,
Auswirkungen der RUS Aggression gegen die UKR auf die innere Sicherheit der EU â unter Teilnahme der Agenturen, des CTC und des EAD,
Kampf gegen UmweltkriminalitĂ€t â auf Basis der kĂŒrzlich angenommen Richtlinie und im Hinblick auf fĂŒr die Strafverfolgungsbehörden relevante Aspekte.
Sicherheitsherausforderungen und europĂ€ische Polizeikooperation bei SportgroĂereignissen
Die formellen Sitzungen des COSI sind fĂŒr den 18. September und 27. November mit folgenden Themen vorgesehen:
Kampf gegen SchleuserkriminalitÀt,
Roadmap Drogenschmuggel,
Zukunft der Aus- und Fortbildung von Polizeiangehörigen,
Follow-up HLG Empfehlungen,
Kampf gegen Terrorismus,
Innovation Hub,
EMPACT Evaluierung,
BekĂ€mpfung des KulturgĂŒterschmuggels.
SWE wies auf das zirkulierte non-paper âThe New SecEUrity Packageâ hin. Man habe versucht, die eigenen PrioritĂ€ten fĂŒr die innere Sicherheit zu formulieren. Bei digitalen Dossiers brauche es neue Arbeitmethoden â quasi einen âwhole-of-government approachâ.
Es mĂŒsse klar sein, welche Auswirkungen diese Dossiers auf die Sicherheitsbehörden hĂ€tten.
Weitere Schwerpunkte seien die Devise âfollow-the-moneyâ sowie das Follow-up zu den Empfehlungen der HLG. Und schlieĂlich plĂ€diere SWE fĂŒr eine operationelle UnterstĂŒtzung der Agenturen, ohne deren Ressourcen zu ĂŒberlasten. MS mĂŒssten sich auch ĂŒberlegen, mal âetwas an die Agenturen zurĂŒck zu gebenâ.  Wichtig sei insgesamt, dass man seine Ăberlegungen zur inneren Sicherheit klar ggĂŒ. der neuen KOM kommuniziere.
Gemeinsame Sitzung Senior Officials COSI/CLASI
Eingangs der Sitzung betonten sowohl der BEL Vors. als auch der CLASI Vors. (ECU) die gemeinsamen Bedrohungen und Herausforderungen und damit auch die gemeinsamen Interessen bei der VerbrechensbekĂ€mpfung. CLASI Vors. unterstrich die Notwendigkeit eines offenen uns konsensualen Vorgehens bei der Zusammenarbeit mit der EU. Vors. CLASI schlug zudem die Einrichtung eines technischen Sekretariats in ECU vor, um die Zusammenarbeit u.a. zwischen Europol und Ameripol zu koordinieren. CLASI kenne die Problematik der Ăbermittlung sensibler Daten, wolle aber einen dauerhaften Informationsfluss sicherstellen.
Hierzu werde man eine Roadmap mit unterschiedlichen Aktionen ausarbeiten. Man wolle die Systeme fĂŒr die Identifizierung und Ăberwachung von GeldwĂ€sche konsolidieren und Menschenhandel stĂ€rker bekĂ€mpfen. FĂŒr ECU sei zudem wichtig, die Anwerbung von MinderjĂ€hrigen durch kriminelle Gruppen zu bekĂ€mpfen. Es dĂŒrfe nicht sein, dass Kinder und Jugendliche sich OK als Vorbild nĂ€hmen bzw. sich mit diesen Gruppen identifizierten.
KOM erlĂ€uterte ihren Fahrplan zur BekĂ€mpfung des Drogenschmuggels. Man habe eine Paradigmenwechsel vorgenommen und konzentriere sich stĂ€rker auf die Zerschlagung krimineller Gruppen. Daher sei es wichtig, den operationellen und strategischen Austausch zu stĂ€rken sowie die Zusammenarbeit zu intensivieren. Derzeit wĂŒrde ĂŒber Abkommen zum Austausch personenbezogener Daten mit einigen der lateinamerikanischen Staaten (LAC) verhandelt. Man brauche aber auch nachrichtendienstliche Informationen. Die Sicherheit von logistischen Drehkreuzen sei wichtig fĂŒr das wirtschaftliche Wohlbefinden eines Landes. Infiltration durch kriminelle Gruppen laufe dem zuwider. Die kĂŒrzlich ins Leben gerufene Hafenallianz bringe daher alle InteressentrĂ€ger an einen Tisch. Das Mandat der neuen Drogenagentur, welche am 3. Juli in Lissabon eingeweiht werde, ermögliche die Bewertung von Bedrohungslagen und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Wichtig sei sein gesamtgesellschaftlicher Ansatz, insbesondere auch bei PrĂ€ventionsmaĂnahmen und der Verhinderung der Rekrutierung von Jugendlichen durch kriminelle Gruppen. Der EU-Fahrplan sehe auch vor, mit nicht-kooperativen Drittstaaten/safe havens, nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen. Ziel sei ebenso, die LAC stĂ€rker in EMPACT einzubinden und SOCTA mit dem LAC Pendant IDEAL zu synchronisieren. KOM sei sich sicher, dass man konkrete Ergebnisse erreichen könne.
AnschlieĂend stellte der BEL NEC EMPACT vor. Zudem prĂ€sentieren Driver der OAP Drogen und Synthetische Drogen Struktur und PrioritĂ€ten ihrer OAP und gaben Praxisbeispiele. Es gebe hierbei bereits eine Einbindung der LAC in einigen der Aktionen. Auch beim ISFfinanzierten Projekt White Snow habe es eine enge Zusammenarbeit gegeben.
CLASI Vors. nannte die Sitzung einen historischen Moment und Meilenstein in der Zusammenarbeit. CLASI wolle die Sicherheitspolitik fĂŒr LAC sicherstellen. Neben dem Drogenhandel mĂŒsse man sich auch mit Menschenhandel, SchleuserkriminalitĂ€t,
Waffenschmuggel, UmweltkriminalitĂ€t einschlieĂlich Schmuggel von teilhalogenierten Kohlenwasserstoffen (HFKW), sexueller Ausbeutung von Kindern/Jugendlichen und vermissten Personen befassen. Auch Terrorismus sei ein wichtiges Thema, da es in der Bevölkerung Panik auslöse und die Grundfesten der Demokratie untergrabe.
CyberkriminalitĂ€t und FinanzkriminalitĂ€t mĂŒssten als Querschnittsthemen beachtet werden.
Das geplante CLASI Sekretariat sei ebenso wie AktionsplĂ€ne wichtig zur Zielerreichung. Der CLASI Policy Cycle orientiere sich an EMPACT, habe aber weniger PrioritĂ€ten. Man tausche sich bereits jetzt zu den PrioritĂ€ten mit Europol aus. Hinsichtlich der Problematik der vermissen Personen gĂ€be es eine verstĂ€rkte regionale Zusammenarbeit. Die âlatin american coalition agains OCâ habe spezielle Ziele wie z.B. die Kartierung krimineller Netzwerke. Man sei sich zudem mit der EU einig, dass man die Resilienz der HĂ€fen und Logistikzentren stĂ€rken mĂŒsse. Zudem mĂŒsse man GeldflĂŒsse besser identifizieren, um die kriminelle Wirtschaft zu erkennen und zu unterbinden. Last but not least habe man angefangen, sogenannte BĂŒrgerzentren fĂŒr Leben und Frieden einzurichten, um auch auf sozialer Ebene gegen KriminalitĂ€t vorzugehen.
HRV unterstĂŒtzte die strategische und operative Partnerschaft und sah die Notwendigkeit einer lĂ€ngerfristigen und weitergehenden Finanzierung auch fĂŒr Untersuchungseinheiten in Drittstaaten. Zudem schlage HRV vor, ein BĂŒro der EU in den LAC einzurichten. Das Netz der Europol VB solle verstĂ€rkt werden. Zur BekĂ€mpfung des Drogenhandels sollten spezielle operative Teams (auch FRA, PRT) in entsprechenden BekĂ€mpfungszentren in den LAC eingerichtet werden. Dies sei aber eher lĂ€ngerfristig zu sehne. Kurzfristig könne man LAC bei der Teilnahme an EMPACT unterstĂŒtzen (Ă€hnlich NLD, ESP).
KOL sah HandelsbeschrĂ€nkungen der EU als eine der begĂŒnstigenden Faktoren fĂŒr den Drogenanbau. Legale Alternativen (âmore cacao, less cocaâ) seien fĂŒr die Bauern nicht attraktiv, wenn ihnen der europĂ€ische Markt nicht offenstehe. KOL habe gute Erfahrung mit PrĂ€ventionsmaĂnahmen gemacht. Das Drogenproblem sei nicht nur eine Sicherheitsfrage, es gehe auch darum, die sozialen Rechte der anfĂ€lligsten Bevölkerungsteile zu stĂ€rken (Ă€hnlich BRA). KOL sei auch an einer engeren Zusammenarbeit im Bereich GeldwĂ€sche interessiert.
AUT sprach die Zusammenarbeit mit BRA in der OTF Balkankartell an (auch GRC). Abkommen fĂŒr den Austausch personenbezogener Daten seien wichtig (auch SVN, FRA, PRT). DarĂŒber hinaus mĂŒssten Auslieferungsabkommen abgeschlossen werden. Allerdings sei die Vielzahl der Initiativen verwirrend. Schon aus GrĂŒnden des Ressourceneinsatzes mĂŒsste hier eine BĂŒndelung erfolgen. Sprachbarrieren seien allerdings auch problematisch, ggf. gĂ€be es hier eine Rolle fĂŒr CEPOL.  Die Roadmap werde von AUT ausdrĂŒcklich unterstĂŒtzt. Es mĂŒsse auch möglich sein, Daten auĂerhalb von Rechtshilfeersuchen auszutauschen.
SVN sprach sich fĂŒr regelmĂ€Ăige operative Treffen (auch GRC, CRI, ARG), gemeinsame Trainings und Austausch von bewĂ€hrten Praktiken aus.
GRC sah die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes. Zudem sei die Einbindung in EMPACT ein guter Schritt. Nun brauche es auch noch eine Plattform fĂŒr Rechtshilfe.
CRI erklĂ€rte Bereitschaft zur Beteiligung an EMPACT und zur weiteren Zusammenarbeit. CRI habe bereits viel investiert, u.a. in die Beschaffung von Containerscannern und die oft unterschĂ€tzte soziale PrĂ€vention. Als Logistik-Hub sei man fĂŒr die kriminellen Netzwerke von Bedeutung.
DEU unterlegte die Notwendigkeit des Austausches bei der BekĂ€mpfung der DrogenkriminalitĂ€t mit den aktuellen Zahlen der Drogentoten in DEU. Hier habe man ein Allzeithoch erreicht. DEU habe drei wichtige Punkte fĂŒr die Zusammenarbeit identifiziert. Wichtig seien interdisziplinĂ€re Partnerschaften wie die Hafenallianz (auch FRA, PRT, ESP, LTU mit dem Wunsch der Teilnahme, ITA, CYP). Der Informationsaustausch mit LAC mĂŒsse gestĂ€rkt werden. Und letztlich brauche man auch schnell abrufbare Gelder der KOM fĂŒr operative MaĂnahmen. El Pacto sei ein gutes Programm, reiche aber bei weitem nicht aus.
FRA plĂ€dierte fĂŒr eine intensivere Zusammenarbeit und eine Ausweitung auf die Karibikstaaten. Die UnterstĂŒtzung der AusgangshĂ€fen sei wichtig, um Daten ĂŒber verdĂ€chtige Schiffe zu erhalten. KOM arbeite derzeit an einem Bericht ĂŒber den Hafen Guayaquil. Die EU mĂŒsse Gelder fĂŒr Containerscanner zur VerfĂŒgung stellen. Finanzermittlungen seien wichtig, hier mĂŒsste ggf. eine rechtliche Angleichung erfolgen. Es ginge auch darum, die europĂ€ischen Gebiete in der Karibik zu schĂŒtzen.
PRT sah die Notwendigkeit eines Informationsaustausches in Echtzeit. Durch die Synchronisierung der EU und LAC Instrumente könne man einen 360 Grad Ăberblick erhalten (Ă€hnlich ESP). ITA ergĂ€nzte diese AusfĂŒhrung mit dem Vorschlag fĂŒr gemeinsame Workshops und Trainings.
BRA bezeichnete die DrogenbekĂ€mpfung angesichts der eigenen geografischen Lage als groĂe Herausforderung. Derzeit arbeite die Bundespolizei an einem Projekt zur Grenzsicherung. Man brauche strukturelle UnterstĂŒtzung auch bei notwendigen Investitionen. Erschreckend sei auch die hohe Gewaltbereitschaft krimineller Gruppen (auch NLD) NLD unterstrich, dass auch die PrĂ€vention vor Drogenkonsum wichtig sei (auch ESP, LTU). Zudem dĂŒrfe man nicht nur den strafrechtlichen Ansatz verfolge, sondern auch wirtschaftliche und soziale Sicherheit gewĂ€hrleisten.
ESP brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass AMERIPOL konkretisiert und nutzbar gemacht werde. GrundsĂ€tzlich mĂŒssten alle Instrumente der Zusammenarbeit genutzt werden. Wichtig sei auch der Grundsatz âfollow the moneyâ.
DOM informierte darĂŒber, als Transitland unter dem Drogenschmuggel zu leiden, aber auch unter Ausbeutung von Jugendlichen, Menschenhandel, Waffenschmuggel und illegalem KulturgĂŒterhandel.  Leider gehe in LAC alles sehr langsam. Hier sĂ€he DOM gerne mehr Impulse, da die KriminalitĂ€t ja auch keine Protokolle oder Verfahren kenne. Mehr FlexibilitĂ€t sei wĂŒnschenswert und die spezifischen Besonderheiten der LĂ€nder mĂŒssten berĂŒcksichtig werden.
CYP plĂ€dierte fĂŒr Kontaktstellen zwischen groĂen und kleineren HĂ€fen sowie fĂŒr eine Ăberwachung der Logistikketten.
ARG sah eine Verbindung zwischen OK und Terrorismus, insbesondere auch im Bereich der Finanzierung. Dies mĂŒsse stĂ€rker beleuchtet werden, da hierdurch die Gesellschaft destabilisiert werden könne. ARG sah die Notwendigkeit einer amerikanischen Hafeninitiative. Leider seien Kontrollstellen sehr schlecht ausgestattet und es kĂ€me zur Unterwanderung durch die OK. Entsprechendes Investment mĂŒsse PrioritĂ€t sein.
BEL Vors. dankte fĂŒr den fruchtbaren Meinungsaustausch. Es gĂ€be eine eindeutige Bereitschaft zusammenzuarbeiten. Auch die Angleichung der Politikzyklen sei zielfĂŒhrend.
Man könne sich zu diesem Thema auch eine zusĂ€tzliche Konferenz vorstellen. Eine stĂ€rkere Einbindung der LAC in EMPACT werde durchgĂ€ngig begrĂŒĂt. Da Informationsaustausch essentiell sei, mĂŒssten die Abkommen mit Europol sowie die Zusammenarbeit zwischen Europol und Ameripol vorangetrieben werden. Es sei klar geworden, dass auch soziale Aspekte adressiert werden mĂŒssten. Gemeinsames Vertrauen und VerstĂ€ndnis könne durch gemeinsame AusbildungsmaĂnahmen z.B. durch CEPOL gefördert werden. Und schlussendlich brauche es auch eine ausreichende Finanzierung fĂŒr konkrete operative MaĂnahmen.
CLASI Vors. ergĂ€nzte die bereits unter TOP 11 gemachten AusfĂŒhrungen mit dem Aufruf zum Ansatz âfollow the moneyâ (auch GTM, SWE) und dass die strafrechtliche Verfolgung ungeachtet der Gerichtsbarkeit grenzĂŒberschreitend möglich sein mĂŒsse. Wegen der Globalisierung des Verbrechens habe man auch mit Interpol Abkommen geschlossen.
ECU ergĂ€nzte, dass die Polizei oft nicht auf kriminelle Gruppen angemessen reagieren könne. Kriminelle Gruppen wĂŒrden in allen Feldern agieren, mit den Gewinne zu erzielen seien, u.a. illegaler Rohstoffabbau und EntfĂŒhrung. Die Zahl der gewalttĂ€tigen TodesfĂ€lle sei deutlich gestiegen. Zudem sei festzustellen, dass die OK auch aus GefĂ€ngnissen operiere bzw. die GefĂ€ngnisse komplett in der Hand habe. Es gĂ€be Dekrete, diese mĂŒssten aber auch umgesetzt werden. Wenn man OK als Terrorismus einstufe, könne man auch militĂ€risch gegen die Gruppen vorgehen. Bei der BekĂ€mpfung des Drogenhandels tue ECU viel, brauche aber zudem die UnterstĂŒtzung der internationalen Gemeinschaft.
PER sah sich als Ausgangspunkt von OK aufgrund des eigenen Koka-Anbaus. Dieses werde in 23 ZiellĂ€nder direkt exportiert. Wichtigste ZielhĂ€fen seien Antwerpen und Hamburg. Daher sei ein gemeinsames Vorgehen essentiell. PER rege deswegen auch ein PrĂ€ventionstreffen der wichtigsten AnbaulĂ€nder an. Man dĂŒrfe sich nicht nur auf den Vertrieb beschrĂ€nken, auch die Produktion mĂŒsse bekĂ€mpft werden.
GTM sah national ein Hauptproblem bei EntfĂŒhrungen und Erpressungen durch kriminelle Netzwerke. Zudem gĂ€be es viel Gewalt und insgesamt eine hohe Verbrechensrate. In den letzten vier Monaten habe GTM deutlich mehr Drogen als in den Vorjahren beschlagnahmt. GTM sei generell fĂŒr eine operative Zusammenarbeit und den Informationsaustausch offen, u.a. auch zu CyberkriminalitĂ€t und Waffenschmuggel.
PRY prÀsentierte eine konkrete Operation (operation DAKOVO) gegen Waffenschmuggel und erklÀrte Bereitschaft, sich in EMPACT einzubringen.
Europol ging kurz auf den kĂŒrzlich veröffentlichen Bericht zu den âmost threatening criminal networksâ und die dortigen Feststellungen im Bezug auf LAC ein. Eine Synchronisierung von SOCTA und EMPACT mit den entsprechenden CLASI Instrumenten sei ein Schritt in die richtige Richtung. Es wĂ€re auch wichtig, dass Ameripol wirklich operativ werde.
CRI plĂ€diert dafĂŒr, nicht nur âin Sicherstellungsmengenâ zu denken, sondern in das Humankapital der LĂ€nder zu investieren und bei den Menschen anzusetzen. Zudem mĂŒsse man bei kĂŒnftigen Strategien berĂŒcksichtigen, dass synthetische Drogen zunehmend an Bedeutung gewĂ€nnen und dadurch neue Drogenrouten entstĂŒnden.
NLD sah die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den JI-Agenturen (auch ITA) aber auch der PrĂ€vention in GefĂ€ngnissen. NLD baue derzeit eine âdetention intelligence unitâ auf und könne sich hierĂŒber gerne auch mit CLASI austauschen.
DOM erinnerte daran, dass man zwar kein Produktionsland sei, aber von kriminellen Netzwerken als Knotenpunkt nach USA und Europa genutzt werde. Wichtig sei, die KapazitĂ€ten in den LAC zu stĂ€rken. Zudem mĂŒsse man an der Nachfragereduktion fĂŒr Drogen arbeiten.
Vors. schlussfolgerte, dass es Verbindungen krimineller Organisationen in der EU und den LAC gÀbe. Hierbei seien auch Verbindungen zum Terrorismus festgestellt worden. Zu
Letzterem werde demnÀchst von Europol ein Bericht vorgelegt. Es gÀbe also zahlreiche Herausforderungen, die eine ganzheitlichen Ansatz erforderten. Wichtig seien auch gemeinsame Anstrengungen beim KapazitÀtsaufbau.
Die Arbeitsmethoden wurden in einer in der Sitzung vorgelegten REV Version gebilligt.
Entfallen.
CLASI Vors. schlug eine Ausweitung der Hafenallianz auf FlughĂ€fen und andere Logistikstrukturen vor und forderte eine Intensivierung der MaĂnahmen des Zolls.
ARG votierte fĂŒr einen Fokus auf operative Zusammenarbeit (âmore measures than more meetingsâ).
ESP nannte illegalen Waffenhandel und Cybercrime als Kooperationsfelder fĂŒr COSI/CLASI.
CHL (nĂ€chstes CLASI-Vorsitzland) bezeichnete sich als Transitland fĂŒr Drogen.
POL kĂŒndigte an, als Rats-Vorsitz in 2025 das COSI/CLASI-Minstertreffen ausrichten zu wollen.
POR betonte den âfollow the moneyâ-Ansatz, man mĂŒsse gemeinsam WirtschaftskriminalitĂ€t, GeldwĂ€sche, Korruption (auch in staatl. Einrichtungen) stĂ€rker in Blick nehmen.
ECU berichtete von deutlichem RĂŒckgang der KriminalitĂ€t in seinem Land.
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|Expert:innengruppe zum Thema Going Dark|
|geheime Protokoll der Sitzung im Volltext|
|von Sicherheitsbehörden dominierte Going-Dark-Expertengruppe|
|HintertĂŒren zu verschlĂŒsselten Daten und viele weitere Ăberwachungsmöglichkeiten gefordert|
|das eingestufte Dokument (PDF)|
|Informationsfreiheitsanfrage sind Forderungen der Expertengruppe|
|Studien bezweifeln allerdings die negativen Auswirkungen,|
|in erster Linie mit Vertreter*innen von Sicherheitsbehörden|
|hatten DatenschĂŒtzer:innen kritisiert|
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Mon, 10 Jun 2024 14:16:57 +0000
Matthias Monroy
In verschiedenen BundeslĂ€ndern stellt die sĂ€chsische Polizei eine verdeckte Kamera am StraĂenrand auf, um vorbeifahrende verdĂ€chtige Personen zu ermitteln. Nun gibt es Details zu der Technik, deren Einsatz zuerst in Berlin bekannt wurde.
Auch Ermittler:innen in Niedersachsen nutzen zur verdeckten Observation ein mobiles System zur Gesichtserkennung. Das bestĂ€tigte ein Sprecher der Polizeidirektion (PD) Hannover. Die Technik stammt demnach aus Sachsen und wurde in einem Verfahren wegen bandenmĂ€Ăiger EigentumskriminalitĂ€t eingesetzt. Der Einsatz in Niedersachsen habe âHinweise auf die von den der Bande zugeordneten Personen benutzten Fahrzeugeâ geliefert, sagte ein Polizeisprecher |auf Anfrage des ândâ|. Diese hĂ€tten sich als âhilfreich fĂŒr die parallel laufenden konventionellen ObservationsmaĂnahmenâ erwiesen.
Die Verwendung einer solchen mobilen Observationstechnik war vor einigen Wochen |erstmals in Berlin bekannt geworden|. Die sĂ€chsische Staatsregierung hatte daraufhin auf eine parlamentarische Anfrage |erklĂ€rt|, das System in Amtshilfe neben Niedersachsen auch in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-WĂŒrttemberg eingesetzt zu haben.
Die in Niedersachsen heimlich aufgenommenen Fotos wurden den Angaben zufolge mit Polizeidatenbanken abgeglichen, die Bilder aus erkennungsdienstlichen MaĂnahmen (ED-MaĂnahmen) enthalten. Um welche Datenbanken es sich handelt, erklĂ€rte der Sprecher nicht. Möglicherweise handele es sich um Referenzdateien, in denen nur die TatverdĂ€chtigen des jeweiligen Verfahrens gespeichert sind. Die niedersĂ€chsische Landespolizei hat aber auch Zugriff auf das bundesweite INPOL-System, in dem rund sechs Millionen Gesichtsbilder von etwa vier Millionen Personen hinterlegt sind. Diese stammen zu etwa gleichen Teilen aus der ED-Behandlung oder AsylantrĂ€gen.
Als Rechtsgrundlage fĂŒr den Einsatz in Niedersachsen nennt die Polizei in Hannover den Paragrafen 98c der Strafprozessordnung (StPO). Er regelt den âmaschinellen Abgleich mit vorhandenen Datenâ zur AufklĂ€rung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der in einem Strafverfahren gefahndet wird.
Mit der Auskunft aus Hannover werden erstmals auch Details zu der heimlichen Observationstechnik aus Sachsen bekannt. Wie vermutet, handelt es sich dabei um eine mobile Variante des |âPersonen-Identifikations-Systems|â (PerIS), das die PD Görlitz zusammen mit der Firma OptoPrecision aus Bremen entwickelt hat.
Das PerIS arbeitet derzeit stationĂ€r in fĂŒnf fest installierten KamerasĂ€ulen in Görlitz und Zittau. Dort nimmt es an der Grenze zu Polen Gesichtsbilder und Kennzeichen auf, wenn Personen in Fahrzeugen vorbeifahren. Die Polizei der Oberlausitz stellte die bewegungsgesteuerte Anlage auch |bei einer Konferenz der EU-Grenzagentur Frontex vor| und bezeichnete sie dort als âeuropaweit einzigartigâ.
Seit Ende Februar 2021 verfĂŒgt auch die Polizei in Görlitz ĂŒber ein mobiles GerĂ€t mit der Bezeichnung PerIS-Mobilâ, dessen Bestand |nach Angaben der sĂ€chsischen Landesregierung| inzwischen auf zwei Fahrzeuge angewachsen ist. |Eines ist weiĂ, das andere ist orange|.
|Auf der Webseite des Herstellers| ist auch zu sehen, wie die Anlage in dem Lieferwagen verbaut ist. Nach Angaben der Polizei in Hannover fallen tĂ€glich rund sechs Terabyte Daten von Gesichtern und Autokennzeichen an, die durch eine âeigens entwickelte komplexe Softwareâ ausgewertet wĂŒrden. Eine âmĂŒhsame Sichtung einzelner Videoclips nach relevanten Datenâ durch Beamt:innen könne demnach âzumeist entfallenâ. Alle danach nicht mehr benötigten Daten wĂŒrden nach 96 Stunden âautomatisch und unwiderruflich gelöschtâ.
Bei der Fahndung nach Fahrzeugen, Kennzeichen und Personen sei auch die Eingabe âeinzelner Zahlen- oder Buchstabenfragmente möglichâ, heiĂt es aus Hannover. Dort werde die Technik nur retrograd, also nicht in Echtzeit genutzt. Vorbehaltlich der rechtlichen Ausgangslage sei aber die âautomatisierte Detektionâ von Gesichtern und Kfz-Kennzeichen auch in einem âLive-Modusâ möglich. Dies hatte Sachsens Polizei auch in der PrĂ€sentation bei Frontex erklĂ€rt. Im eigenen Bundesland wird die Funktion |laut einer weiteren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage| aber nicht genutzt. Demnach gab es in der Oberlausitz ausschlieĂlich âhĂ€ndische retrograde Datenabgleicheâ.
Nach Auskunft der dortigen Staatsanwaltschaft fand ein solcher Echtzeit-Einsatz jedoch in Berlin statt. Grundlage des Einsatzes war demnach der Rasterfahndungsparagraf 98a der Strafprozessordnung (StPO). Er erlaubt bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung, dass Daten ĂŒberwachter Personen âmit anderen Daten maschinell abgeglichen werdenâ. Weil die sĂ€chsische Datenschutzbeauftragte darĂŒber nicht informiert wurde, hat sie nun |Beschwerde eingereicht|.
Auch aus Berlin ist nicht genau bekannt, mit welchen Referenzbilddaten die heimlichen Aufnahmen abgeglichen wurden. Neben Fotos aus ED-MaĂnahmen kann hierzu nach Auskunft der PD Hannover auch ein âaussagekrĂ€ftiges und qualitativ hochwertiges Foto aus den sozialen Medienâ genutzt werden.
âââââââââââââââââââââââââ
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|erstmals in Berlin bekannt geworden|
|âPersonen-Identifikations-Systems|
|bei einer Konferenz der EU-Grenzagentur Frontex vor|
|nach Angaben der sÀchsischen Landesregierung|
|Eines ist weiĂ, das andere ist orange|
|Auf der Webseite des Herstellers|
|laut einer weiteren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage|
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Mon, 10 Jun 2024 10:35:12 +0000
Maximilian Henning
The right wing dominates the polls, Volt makes gains. The clear losers are the Greens â and the Pirates. Anja Hirschel, heir to Patrick Breyer, misses her entry into Parliament. The Czech Pirates also drop to a single seat.
Europe |has voted|. The winners are conservatives, right-wing populists, and extremists. All factions left of the Christian Democrat European Peopleâs Party lose seats.
The biggest losers among them are the Greens. The German Pirates even miss their re-entry, marking the end of an important part of digital civil society in the Parliament. Itâs the end of a ten-year era.
In 2014, Felix Reda entered the Parliament as the first German Pirate delegate after Sweden had already elected a Pirate delegate five years earlier. In the next election, Patrick Breyer became Redaâs successor, joined by three Czech Pirates. Breyerâs heir, Anja Hirschel, has now narrowly missed her entry into Parliament |with 0,5 percent of German votes|. This was the last European election without a minimum threshold in Germany, meaning the German Pirates could have re-entered even with a single seat.
The satire party Die Partei achieved 1.9 percent of the votes, nearly four times as much as the Pirates.
âFor us #Pirates, the progressive parties as a whole and for digital civil rights the bitter election result (of course also self-inflicted) is a disaster which will come back to haunt usâ, Patrick Breyer |has stated on Mastodon|. âCDU and AfD triumph, that will mean less transparency and less freedom.â
The Czech Pirates also lost two of their three seats. After the Swedes already lost their delegates in 2014, this means the Pirates once again only have a single delegate. But this one delegate might soon change into a much more powerful position â in the EU Commission. When the Czech Pirates joined their current national government, they did so on the condition that they would be allowed to select the next Czech Commissioner. That would be a novelty: There has never been a Pirate Commissioner so far.
But not only the Pirates do digital politics. The EU Parliament is much more driven by personalities than many national assemblies. A single delegate can wield a lot of power if they manage important legislative files.
Take Kim van Sparrentak, for example. She joined the Dutch Greens in 2019, originally as a climate activist. But her national party only had three delegates in the EU Parliament, with one of them â Bas Eickhout â already being a climate specialist. So Sparrentak switched to digital topics. She worked on the AI Act, the Platform Work Directive, and the so-called Airbnb bill. On top of that, she authored |a series of reports| calling for more rights for internet users and workers. Van Sparrentak will also be a member of the next Parliament.
The Liberals had to take blows all over Europe. But the FDP managed themselves quite well, depending on your perspective: With 5.2 percent, their result is quite similar to the one in the last European election in 2019, but around six percent lower than in the last national German elections in 2021. Their two digital experts |Svenja Hahn| and |Moritz Körner| will both rejoin Parliament.
Alexandra Geese negotiated the Digital Services Act for the German Greens. She will also re-enter Parliament, together with her fellow party members Sergey Lagodinsky and Hannah Neumann. Lagodinsky worked on the AI Act as well as the procedural reform of the General Data Protection Regulation, which is currently still being negotiated. Neumann was a member of the Committee of Inquiry into the Pegasus spyware.
Another delegate |that was very active in that committee| was Sophie in ât Veld from the Netherlands. She has been a member of the Parliament since 2004 and worked on a series of digital topics since then. Shortly before the election, she switched from the social liberal D66 to the Volt EU Federalists â and from the Netherlands to Belgium, where she did not get enough votes for a seat yesterday.
Even without her, Volt managed to win two seats in the Netherlands while winning two additional ones in Germany. The so-far only Volt delegate, Damian Boeselager, |who worked on the Data Act|, will keep his seat.
Also rejoining Parliament are the digital experts of the Christian Democrats, who could slightly bolster their numbers. Christian Ehler, Andreas Schwab, |Axel Voss| â they all will also sit in the new Parliament. While the SPD achieved its worst-ever showing on the European level, the Social Democrats |Birgit Sippel|, RenĂ© Repasi, and |Tiemo Wölken| will keep their posts for five more years.
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|with 0,5 percent of German votes|
|that was very active in that committee|
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Mon, 10 Jun 2024 09:30:08 +0000
Maximilian Henning
Bei den Europawahlen haben rechte und rechtsextreme Parteien triumphiert. Auch Volt legt zu. Klarer Verlierer sind die GrĂŒnen â und die Piraten. Anja Hirschel, Nachfolgerin von Patrick Breyer, verpasste den Einzug ins EU-Parlament. Und auch die tschechischen Piraten schrumpfen auf einen Sitz.
Europa |hat gewĂ€hlt|. Die Gewinner sind Konservative, Rechtspopulisten und Rechtsextreme. Das Parlament rĂŒckt damit deutlich nach rechts. Alle Fraktionen links der christdemokratischen EuropĂ€ischen Volkspartei haben Sitze verloren.
Die gröĂten Verlierer sind die GrĂŒnen. Und die deutschen Piraten verpassen sogar den Einzug. Mit ihnen verschwindet ein wichtiger Teil der digitalen Zivilgesellschaft aus dem Parlament. Damit geht auch eine zehnjĂ€hrige Ăra zu Ende.
Im Jahr 2014 zog Felix Reda als erster deutscher Pirat ins Europaparlament ein. Davor hatten nur die schwedischen Piraten einen Sitz. Ihm folgte fĂŒnf Jahre spĂ€ter Patrick Breyer, zusammen mit drei tschechische Abgeordneten aus Tschechien. Breyers Nachfolgerin Anja Hirschel verpasste den Einzug ins Parlament knapp. Sie erhielt |nur 0,5 Prozent der deutschen Stimmen|. Die gestrige Europawahl war die letzte in Deutschland ohne Sperrklausel, die deutschen Piraten hĂ€tten also auch mit einer einzigen Abgeordneten ins Parlament einziehen können. Die Satirepartei Die Partei erhielt mit 1,9 Prozent fast viermal so viele Stimmen wie die Piraten.
âDas bittere Wahlergebnis (natĂŒrlich auch selbstverschuldet) ist fĂŒr uns Piraten, die progressiven Parteien insgesamt und fĂŒr die digitalen BĂŒrgerrechte ein Desaster, das sich noch rĂ€chen wirdâ, |postete Breyer auf Mastodon|.
Auch die tschechischen Piraten verloren zwei ihrer drei Sitze, die Schweden waren schon 2014 wieder aus dem Parlament verschwunden. Insgesamt sind die Piraten damit wieder nur mit einem einzigen Abgeordneten im Parlament vertreten. Dieser eine Abgeordnete könnte aber schon bald in eine wesentlich mĂ€chtigere Position wechseln â und zwar in die EU-Kommission. Die tschechischen Piraten haben als Bedingung fĂŒr ihre dortige Regierungsbeteiligung ausgehandelt, dass sie den nĂ€chsten tschechischen EU-Kommissar ernennen dĂŒrfen. Das wĂ€re ein Novum: Einen Piratenkommissar hat es noch nie gegeben.
Netzpolitik findet aber auch jenseits der Piraten statt. Denn das EU-Parlament ist vergleichsweise personengetrieben. Eine einzelne Abgeordnete kann viel Einfluss ausĂŒben, wenn sie fĂŒr wichtige Gesetzesvorhaben zustĂ€ndig ist.
Da ist zum Beispiel Kim van Sparrentak. Sie zog 2019 als Klimaaktivistin fĂŒr die niederlĂ€ndischen GrĂŒnen ins Parlament ein. Die hatten aber nur drei Abgeordnete und mit Bas Eickhout schon einen Klimaexperten. Also widmete sich van Sparrentak der Netzpolitik. Sie arbeitete bei der KI-Verordnung, der Plattformarbeitsrichtlinie und dem sogenannten Airbnb-Gesetz mit. Hinzu kam eine |Reihe von Berichten|, in denen van Sparrentak mehr Rechte fĂŒr Internetnutzer:innen und Arbeiter:innen einforderte. Sie wird auch dem neuen EU-Parlament angehören.
Die Liberalen mussten europaweit Federn lassen. Die FDP blieb davon je nach Lesart verschont: Sie erreicht mit 5,2 Prozent etwa das gleiche Ergebnis wie bei der Europawahl 2019, verliert aber rund sechs Prozent gegenĂŒber der Bundestagswahl 2021. Ihre beiden Digitalpolitiker:innen |Svenja Hahn| und |Moritz Körner| werden beide wieder im Parlament sitzen.
Alexandra Geese hat fĂŒr die deutschen GrĂŒnen das Gesetz zu digitalen Diensten mitverhandelt. Auch sie ist ins nĂ€chste Parlament eingezogen, zusammen mit ihren Parteikolleg:innen Sergey Lagodinsky und Hannah Neumann. Lagodinsky saĂ bei der KI-Verordnung mit am Verhandlungstisch, und hat vor wenigen Monaten einen Entwurf fĂŒr eine Verfahrensreform der DSGVO vorgelegt. Neumann arbeitete im Pegasus-Untersuchungsausschuss mit.
Auch die NiederlĂ€nderin Sophie in ât Veld war |in diesem Ausschuss sehr aktiv|. In ât Veld wurde 2004 erstmals ins Europaparlament gewĂ€hlt und engagiert sich seitdem zu vielen netzpolitischen Themen. Kurz vor der Wahl wechselte sie von der sozialliberalen D66 zu den EU-Föderalisten von Volt â und von den Niederlanden nach Belgien. Dort reichte es fĂŒr sie nicht fĂŒr den Wiedereinzug. In den Niederlanden konnte Volt â auch ohne In ât Veld â zwei Sitze erringen, in Deutschland gewannen sie zwei weitere hinzu. Der bisher einzige Volt-Abgeordnete Damian Boeselager, der unter anderem |am Data Act mitgearbeitet| hat, behĂ€lt seinen Sitz.
Ebenfalls zurĂŒckkehren werden die Digitalpolitiker:innen der Christdemokraten. Sie konnten die Zahl ihrer Sitze leicht erhöhen. Christian Ehler, Andreas Schwab, |Axel Voss| â sie alle werden auch dem neuen Parlament angehören. Die SPD hat zwar ihr bisher schlechteste Ergebnis auf europĂ€ischer Ebene eingefahren. Ihre Digitalpolitiker:innen |Birgit Sippel|, RenĂ© Repasi und |Tiemo Wölken| verbleiben aber im Parlament.
Wir haben den Artikel mit einem Statement von Patrick Breyer ergÀnzt.
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|nur 0,5 Prozent der deutschen Stimmen|
|in diesem Ausschuss sehr aktiv|
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Sun, 09 Jun 2024 07:16:27 +0000
Bianca Kastl
Geht es um Sicherheit, passiert da psychologisch gesehen oft WidersprĂŒchliches. Und damit sind wir mitten in der digitalen Welt voller digitaler Fahrradhelme, die risikoreiches Verhalten begĂŒnstigen oder reale Gefahren ĂŒberdecken. In der Konsequenz nicht immer zum Besseren.
Die heutige Folge von Degitalisierung beginnt mit Fahrradhelmen. Oder der digitalen Entsprechung, die als âdas ist sicher, das bleibt ja alles auf dem Deviceâ bezeichnet werden könnte. Aber bleiben wir bei Fahrradhelmen.
Fahrradhelme sind grundsĂ€tzlich sinnvoll, um im Falle eines Falles den SchĂ€del zu schĂŒtzen. Das gilt besonders in einer Verkehrsumgebung, die wie in Deutschland oftmals nur auf Autos ausgerichtet ist. Wenn es zum Sturz auf dem Kopf kommt, kann der Helm SchĂ€den reduzieren, sinnvoll also auf jeden Fall.
Psychologisch gesehen passiert bei der Nutzung von Fahrradhelmen oftmals aber etwas WidersprĂŒchliches: TrĂ€ger*innen von Fahrradhelmen verhalten sich meist risikofreudiger, weil die gefĂŒhlte Sicherheit steigt, selbst wenn sie gar nicht auf einem Sattel sitzen. Das PhĂ€nomen ist ausfĂŒhrlich untersucht, wie etwa zuletzt 2019 in |Experimenten| an der UniversitĂ€t Jena.
Das PhĂ€nomen der höheren Risikobereitschaft hat bei Fahrradhelmen auch einen riskant auszusprechenden Namen: |Risikohomöostase|. Bestimmte Hilfsmittel oder technische Entwicklungen fĂŒhren zu einem |falschen GefĂŒhl von Sicherheit|, das dann wiederum zu riskanterem Verhalten fĂŒhrt. Vielleicht nicht immer im direkten Bezug zum Ausgangsproblem; manchmal fĂŒhren diese Schutzmechanismen an der ein oder anderen Stelle zu ganz anderen Seiteneffekten.
Und damit sind wir mitten in der digitalen Welt voller digitaler Fahrradhelme, die risikoreiches Verhalten begĂŒnstigen oder reale Gefahren ĂŒberdecken, in der Konsequenz nicht immer zum Besseren.
Ein technologischer Aufreger in der Security- und Privacy-Bubble der vergangenen Tage ist Microsofts neue |Recall|-Funktion fĂŒr Windows gewesen. Recall ist eine Art visueller Verlauf fĂŒr die gesamte Arbeit am Rechnerâ Ă€hnlich dem Browserverlauf, nur eben um einiges mĂ€chtiger.
Mit sogenannter KĂŒnstlicher Intelligenz, die auch herausfinden kann, ob in den zurĂŒckliegenden Tagen auf einer Webseite oder in einer Anwendung ein bestimmter Text oder bestimmte Bildinhalte enthalten waren. Alles an Texten zum Thema gefĂŒhlter Sicherheit oder Bildern von Fahrradhelmen, was ich in den letzten Tagen auf dem Rechner in meinem 205 Tabs (ja, dieser Kolumne ging auch viel Recherche voraus) angesehen habe? Kein Problem.
Das klingt alles erst einmal furchtbar bequem und praktisch, hat aber ein paar massive Seiteneffekte. Aber keine Sorge, Microsoft hat den Bedenken vorgegriffen und bewirbt die Funktion als sicher, weil alle Daten dazu ja âlokal gespeichert und lokal auf Ihrem PC analysiertâ werden.
Das klingt wie ein digitaler Fahrradhelm, der da automatisch mitgeliefert wird. Wenn mal was passiert, keine Sorge: Da ist ein Schutzmechanismus eingebaut. Kann also nicht so schlimm sein, die Funktion. Ohne das Sicherheitsversprechen wĂŒrden wir uns sicher nicht von Windows alle fĂŒnf Sekunden automatisch screenshotten lassen, aber so ist das ja sicher umgesetzt. Das gibt doch gleich noch ein angenehmes GefĂŒhl von Sicherheit bei gleichzeitiger Bequemlichkeit.
Nun ist eine Funktion, die alle fĂŒnf Sekunden einen vollstĂ€ndigen Screenshot des Bildschirms macht, diesen in einem unverschlĂŒsselten Ordner ablegt, Textinhalte extrahiert und damit eine Datenbank aufbaut, eine digitale Dual-Use-Technik. Kann friedlich von der Anwender*in genutzt werden, um Inhalte im eigenen Computerverlauf wiederzufinden.
Kann aber auch kriegerisch allerhand anderen Akteur*innen helfen: Dem Ehepartner zum Beispiel, der |digitale Gewalt| ausĂŒben wollen. Hacker-Gruppen, die vertrauliche Inhalte abgreifen möchten und dafĂŒr frĂŒher aufwĂ€ndig eigene Tools schreiben hĂ€tten mĂŒssen. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden vollumfĂ€nglich ĂŒberwachen wollen.
Die ersten |Reaktionen| auf Recall waren deswegen mehr als kritisch, zu Recht. Es folgten technische Demonstrationen, wie sicher das doch sei.
Wenig spĂ€ter kam es schon vor offiziellem Release der Funktion zum Unvermeidlichen: Kevin Beaumont, Security Experte, der frĂŒher selbst bei Microsoft war, brauchte nur |zwei Zeilen Code|, um an die Daten der Recall Funktion zu kommen. Es gibt nun ein praktisches Hacker-Tool, um die Recall-Rohdaten zu durchsuchen: |TotalRecall|.
Am Ende ist Microsoft etwas zurĂŒckgerudert und hat zumindest technische Verbesserungen |versprochen|: VerschlĂŒsselung der Daten auf dem Device, mehr Zugriffsschutz, Recall nun als Funktion, in die aktiv eingewilligt werden muss. Technisch alles gelöst, Happy End?
Nein, denn die technischen Verbesserungen an Recall lassen die systemischen Risiken einer solchen Funktion fĂŒr vertrauliche digitale Kommunikation auĂer Acht. Kommunikation von Journalist*innen mit Whistleblowern oder anderen Gruppen, die vertrauliche, aber gleichzeitig abstreitbare Kommunikation fĂŒhren mĂŒssen, sind hier nach wie vor systemisch nicht berĂŒcksichtigt.
Wie soll vertraulich miteinander digital kommuniziert werden, wenn möglicherweise Windows an einem der beiden Enden alle fĂŒnf Sekunden Screenshots macht? FĂŒr bestimmte Gruppen greifen die Implikationen einer solchen inzwischen vermeintlich sicheren, lokal ausgefĂŒhrten und verschlĂŒsselten Funktion eben weitaus tiefer.
Recall ist aber erst einmal nur ein technisches Detail mit gewissen Auswirkungen auf Teile der Gesellschaft, aber wie sieht es denn mit Àhnlicher Technologie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene aus?
Wir erleben diese seltsame Mischung aus Bequemlichkeit einer technischen Lösung, gefĂŒhlter Sicherheit und viel tiefergehenden, aber ignorierten gesellschaftlichen Risiken immer wieder: |Chatkontrolle|, |Going Dark| und |VideoĂŒberwachung|, um nur einige Themen der vergangenen Tage zu nennen.
Einmal eingerichtete digitale Möglichkeiten und Infrastrukturen zur UnterstĂŒtzung der inneren Sicherheit werden aber nicht zwangslĂ€ufig zurĂŒckgebaut, wenn sie sich als unnĂŒtz oder nicht klar wirksam erweisen. Beispiel VideoĂŒberwachung: Eine âEvaluation der polizeilichen Videobeobachtungâ aus Nordrhein-Westfalen kommt |2019| zum Fazit, dass âder wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitĂ€tsreduzierenden Effekts der VideoĂŒberwachung ⊠bisher allerdings nicht ĂŒberzeugend gefĂŒhrt werdenâ konnte. Auch bei Betrachtungen in Bayern muss die Polizei |vergangenes Jahr| anerkennen, dass man nicht wirklich Bilanz ziehen könne, ob âdie Zahl der Straftaten durch die VideoĂŒberwachung zurĂŒckgegangenâ sei.
MaĂnahmen wie diese versuchen sich aber oftmals selbst ins Gleichgewicht zu bringen, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Eine andere Art von Homöostase quasi, mit manchmal interessanten Ergebnissen. Dazu ein Beispiel aus den 1980er Jahren.
Der Landkreis LĂŒchow-Danneberg in Niedersachsen ist mit weniger als 50.000 Einwohnern der an Bevölkerung kleinste Landkreis Deutschlands. Wenn es um ein verzerrtes GefĂŒhl von Sicherheit geht, ist LĂŒchöw-Danneberg aber ein ganz groĂes Beispiel.
1981 wurde im Landkreis wegen der AtommĂŒlltransporte nach Gorleben das Polizeipersonal massiv aufgestockt. Diese aufgestockten KrĂ€fte mussten auch in eher ruhigen Zeiten ohne Transporte beschĂ€ftigt werden. Mehr Polizeibeamte unterstĂŒtzten also den normalen Polizeialltag. Die Zahl der statisch erfassten Vergehen und Verbrechen stieg in Folge an. Mehr KriminalitĂ€t also? Nein, das Dunkelfeld wurde kleiner, es wurden also mehr Straftaten bekannt, aber nicht mehr begangen. Der Effekt ist als |LĂŒchow-Dannenberg-Syndrom| bekannt. Vereinfacht gesagt, erzeugte mehr Polizei mehr KriminalitĂ€t, obwohl sich eigentlich nichts an der Gesamtsituation verĂ€nderte.
Ăbertragen auf die heutige Zeit werden wir im Bereich digitaler Ăberwachungstechnologien einen Ă€hnlichen Effekt erleben. Staatliche ĂberwachungsmaĂnahmen wie eine anlasslose |Vorratsdatenspeicherung|, Chatkontrolle oder VideoĂŒberwachung werden neben einem politisch versprochenen GefĂŒhl von Sicherheit auch daran gemessen werden, inwieweit sie sich selbst rechtfertigen.
Digitale Ăberwachungstechnologien haben dabei gegenĂŒber MaĂnahmen in der analogen Welt den Vorteil, dass sie sich datenbasiert relativ einfach selbst eine Wirksamkeit attestieren können. Nur lassen wir dabei Ă€hnlich wie in LĂŒchow-Danneberg auĂer Acht, dass diese selbst attestierte Wirksamkeit nur deshalb möglich ist, weil es vorher keine solchen MaĂnahmen gab, die vergleichbare Werte hĂ€tten liefern können.
Am Ende steigt das GefĂŒhl der Unsicherheit, weil jetzt plötzlich so viele neue, vorher unbekannte Straftaten und Vergehen mittels digitaler Technik aufgedeckt werden. Drastischer Anstieg in einem bestimmten Feld heiĂt es dann in der Berichterstattung zur Kriminalstatistik. Nur taugt schon die |Auswertung der Kriminalstatistik| in Deutschland wenig, um genau sagen zu können, ob die KriminalitĂ€t wirklich gestiegen ist.
Diesem fatalen Kreislauf aus statistischen Entwicklungen und deren verzerrter Interpretation, die mehr Ăberwachungstechnologien scheinbar rechtfertigen, gilt es vor allem durch differenzierte und kluge Politik entgegenzuwirken, auch im Digitalen. Ein GroĂteil dieser Politik, die MassenĂŒberwachung gegen ein falsches GefĂŒhl von Sicherheit eintauscht, wird dabei von europĂ€ischer Ebene kommen. |Chatkontrolle|, |Going Dark|, |VideoĂŒberwachung durch KI| â alles Regelungen der gefĂŒhlten Sicherheit, die auf EU-Ebene verhandelt werden oder wurden.
Wenn ihr diese Kolumne also am Erscheinungstag lest: An diesem 9. Juni gilt also auch in Hinblick auf die Netzpolitik: Geht wÀhlen!
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|falschen GefĂŒhl von Sicherheit|
|Auswertung der Kriminalstatistik|
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Fri, 07 Jun 2024 16:29:26 +0000
Maximilian Henning
Die 23. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 13 neue Texte mit insgesamt 126.570 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen WochenrĂŒckblick.
Liebe Leser:innen,
BrĂŒssel ist berĂŒchtigt fĂŒr sein schlechtes Wetter. Als ich im August vergangenen Jahres hierher gezogen bin, war es sommerlich warm. Die Leute haben mir gesagt: GenieĂ das schöne Wetter, das wird nicht lange halten. TatsĂ€chlich hat sich der Sommer dann bis in den Oktober hineingezogen. Perfekt fĂŒr Bier und Fritten vor einer Bar auf irgendeinem Platz. Von den Bars gibt es hier sehr viele.
Dieses Jahr hat sich der BrĂŒsseler Sommer verspĂ€tet. Ein bisschen Sonne im FrĂŒhjahr, aber wirklich erst diese Woche. WĂ€hrend ich diesen Text schreibe, ist der Himmel blau und die BlĂ€tter der BĂ€ume schimmern im Sonnenlicht.
Es war also eine gute Woche, um mal eine Pause einzulegen und Bars zu besuchen. Denn auch der Politikbetrieb in BrĂŒssel ist eingeschlafen. Das Parlament ist verwaist, alle Abgeordneten sind beim Wahlkampf in ihren Mitgliedstaaten. Die Kommission bereitet sich auf das neue Mandat vor. Vielleicht wird es eine zweite Amtszeit fĂŒr Ursula von der Leyen geben, vielleicht setzen sich die Regierungschefs auch mal wieder ĂŒber die Wahl hinweg und |benennen jemand anderen|. Das hier ist schlieĂlich BrĂŒssel, das kriegt auĂerhalb davon sowieso niemand mit, könnte man meinen.
Wobei Europa derzeit ein bisschen mehr ĂŒber die EU zu reden scheint als sonst. Das ist fĂŒr mich immer schwer zu beurteilen. In BrĂŒssel reden alle immer ĂŒber die EU. Zumindest in der Blase, in der ich hier unterwegs bin. Da geht man auf eine Geburtstagsparty â und zack, die HĂ€lfte der Leute arbeitet bei der Kommission und es geht den ganzen Abend um Kommissarin X und Strategie Z.
Aber auch in diesen Unterhaltungen herrscht inzwischen weitgehend RĂ€tselraten. Wie geht die Wahl aus? Und vor allem: Wer kriegt danach welche Posten? Die Verhandlungen beginnen direkt am Montagmorgen und werden sich wahrscheinlich durch den gesamten Sommer ziehen. Politico hat |eine ĂŒbersichtliche Timeline| dazu erstellt.
Wichtig ist zunÀchst, welche Abgeordneten wiedergewÀhlt werden oder neu ins Parlament einziehen. Das werden wir uns in der nÀchsten Woche genau anschauen, sobald die Wahlergebnisse vorliegen.
Dann gerĂ€t die Chefin des Ganzen in den Fokus, die KommissionsprĂ€sidentin. Gerade ist das Ursula von der Leyen. Ihre Partei, die EuropĂ€ische Volkspartei, wird die Wahl wahrscheinlich gewinnen. Damit ist sie aber wie gesagt noch nicht am Ziel. Denn vor ihrer Wahl mĂŒssen die Regierungschefs der Mitgliedstaaten sie noch nominieren, und dann muss das Parlament sie bestĂ€tigen. An beiden HĂŒrden könnte sie noch scheitern.
Sollte sich von der Leyen durchsetzen, muss sie ihre Kommissar:innen benennen. Die Mitgliedstaaten schlagen Kandidat:innen vor, aus denen von der Leyen dann auswĂ€hlen kann. In den vergangenen Monaten gab es auĂerdem viele Diskussionen um einen Kommissionsposten fĂŒr die Verteidigung, der erstmals besetzt werden könnte. SchlieĂlich muss dann noch das Parlament die Kandidat:innen bestĂ€tigen. DafĂŒr gibt es Marathon-Fragerunden. Und am Ende werden die Abgeordneten einige der Kandidat:innen vermutlich ablehnen.
Das Parlament muss ebenfalls seine Posten neu besetzen. Zentral sind die AusschĂŒsse: Wer wird wo Mitglied, wer ĂŒbernimmt den Vorsitz? Das entscheidet darĂŒber, wer in den kommenden Jahren zu welchen Themen arbeiten wird. Aus netzpolitischer Sicht sind etwa der Ausschuss fĂŒr Binnenmarkt und der Ausschuss fĂŒr bĂŒrgerliche Freiheiten wichtig. Dann mĂŒssen die Abgeordneten noch verhandeln, wer welche der |liegengebliebenen Themen| weiterbearbeitet.
Am Ende werden Kommission und Parlament ihre mehr oder weniger neuen Teams fĂŒr die nĂ€chsten fĂŒnf Jahre zusammengestellt haben. Dann erst geht die wirkliche Arbeit erst weiter.
Ich setz mich jetzt erst mal in die BrĂŒsseler Abendsonne. Euch auch ein schönes Wahlwochenende.
Max
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Die Ampel-Regierung will privaten Unternehmen erstmals Zugriff auf staatlich erhobene biometrische Daten geben. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hĂ€lt dies fĂŒr nicht erforderlich und fĂŒr âhöchst problematischâ. Er befĂŒrchtet, dass die Regierung einen PrĂ€zedenzfall schafft, der Begehrlichkeiten weckt. Von Markus Reuter â
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|eine ĂŒbersichtliche Timeline|
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Fri, 07 Jun 2024 12:00:40 +0000
Markus Reuter
Die Ampel-Regierung will privaten Unternehmen erstmals Zugriff auf staatlich erhobene biometrische Daten geben. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hĂ€lt dies fĂŒr nicht erforderlich und fĂŒr âhöchst problematischâ. Er befĂŒrchtet, dass die Regierung einen PrĂ€zedenzfall schafft, der Begehrlichkeiten weckt.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat das geplante |Vierte BĂŒrokratieentlastungsgesetz| scharf kritisiert, weil es den Zugriff auf Daten und biometrische Merkmale, die auf dem Chip des Reisepasses hinterlegt sind, massiv ausweiten wĂŒrde. Nach den PlĂ€nen der Ampel-Regierung sollen kĂŒnftig Luftfahrtunternehmen, Betreiber von FlughĂ€fen und Abfertigungsdienstleister Zugang zu den sensiblen Daten bekommen.
Nach geltender Rechtslage ist die Verarbeitung der auf dem Chip gespeicherten Daten ausschlieĂlich durch Polizeivollzugsbehörden, durch die Zollverwaltung sowie durch Pass-, Personalausweis- und Meldebehörden zulĂ€ssig â und das auch nur, wenn es zur PrĂŒfung der Echtheit des Passes und zur PrĂŒfung der IdentitĂ€t des Passinhabers erforderlich ist. Die kontrollierten Daten sind unverzĂŒglich nach der PrĂŒfung zu löschen.
Kelber kritisiert in seiner |Stellungnahme (PDF)|, dass mit dem geplanten Gesetz ânunmehr erstmalig auch nichtöffentliche Stellen Zugriff auf die im Chip des Passes gespeicherten Daten erhaltenâ wĂŒrden.
Die Bundesregierung erhofft sich von der Neuregelung, die Passagierabfertigung an FlughĂ€fen zu beschleunigen und das âReiseerlebnis des Fluggastesâ zu verbessern. Sie geht davon aus, dass jeder Fluggast mit dem neuen Verfahren eine Minute pro Flug einspart. Dem hĂ€lt der DatenschĂŒtzer entgegen:
Die zur ErfĂŒllung rein hoheitlicher Aufgaben erhobenen Daten sollen damit fĂŒr das Angebot optionaler Komfortleistungen nichtöffentlicher Stellen freigegeben werden. Dies wĂŒrde zu einer grundlegenden Verschiebung des Nutzungsregimes der im Chip der amtlichen Ausweisdokumente gespeicherten Daten fĂŒhren. Die Freigabe wĂŒrde einen gĂ€nzlich neuen Verarbeitungszweck bereits fĂŒr die Erhebung und Speicherung der Daten auf dem Chip fĂŒr kommerzielle Zwecke begrĂŒnden.
Die Bundesregierung möchte mit dem neuen Gesetz, dass die Passagiere schon beim Check-in am Schalter der Airline fotografiert, biometrisch erfasst und ĂŒber den Pass identifiziert werden. Die Daten sollen laut Gesetzentwurf nach dem Abflug wieder gelöscht werden. Bislang findet die Identifikation von FluggĂ€sten ĂŒber eine manuelle Sichtkontrolle statt. Diese reicht laut Kelber auch aus, da es sich nicht um eine hoheitliche Grenzkontrolle handele und somit keine Ăbertragung hoheitlicher Befugnisse an die Fluglinien nötig sei. Kelber kritisiert, dass das bisherige Verfahren â nĂ€mlich das Vorzeigen von Bordkarte und Pass â durch einen deutlich grundrechtssensibleren Prozess unter Verwendung biometrischer Daten ersetzt werden soll.
Laut Gesetz sollen die Passagiere selbst darĂŒber entscheiden können, ob sie an dem Verfahren teilnehmen. Dennoch befĂŒrchtet Kelber, dass datenschutzbewusste Menschen Nachteile wie lĂ€ngere Wartezeiten hinnehmen mĂŒssen. Dies widersprĂ€che einer freiwilligen Einwilligung, weil die Passagiere damit indirekt unter Druck gesetzt wĂŒrden.
Der scheidende Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor einem PrĂ€zedenzfall: Die Regelung könne âBegehrlichkeiten auch bei anderen nichtöffentlichen Stellenâ wecken, auf biometrische Daten zugreifen zu wollen, die staatliche Stellen erheben. Die Planungen der Bundesregierung seien âhöchst problematischâ.
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|Vierte BĂŒrokratieentlastungsgesetz|
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Fri, 07 Jun 2024 10:28:26 +0000
Daniel Leisegang
Die Bundesagentur fĂŒr Sprunginnovationen hat Unternehmen gekĂŒrt, die Prototypen fĂŒr die deutsche EUDI-Wallet entwickeln sollen. Darunter ist auch Google, was innerhalb der Fachjury offenbar fĂŒr Streit sorgt. Vor allem aber zeigt es, wie wenig die Bundesregierung von ihren selbstgesetzten AnsprĂŒchen hĂ€lt. Ein Kommentar.
Wenn die Bundesregierung ĂŒber Digitalisierung spricht, fĂŒhrt sie gerne das Schlagwort âDigitale SouverĂ€nitĂ€tâ im Munde. |Die soll| âunabhĂ€ngiger von einzelnen Anbietern und Produktenâ machen und so fĂŒr mehr IT-Sicherheit und Datenschutz sorgen.
Der Anspruch auf mehr Sicherheit und Datenschutz ist insbesondere |beim Thema digitale IdentitĂ€ten| elementar. Konkret bei digitalen Brieftaschen, mit denen sich kĂŒnftig Millionen Menschen online wie offline |gegenĂŒber Behörden und Unternehmen ausweisen sollen|.
Elf Unternehmen entwickeln derzeit |im Rahmen eines âInnovationswettbewerbsâ| Prototypen fĂŒr ein deutsches Wallet. Der Wettbewerb lĂ€uft insgesamt 13 Monate und ist in drei Phasen unterteilt. Der Gewinner wird voraussichtlich im Mai 2025 gekĂŒrt.
Wie gestern bekannt wurde, darf auch der Tech-Konzern Google an den Start gehen. Das sorgt offenbar fĂŒr Streit in der Jury. Und es widerspricht den selbstgesetzten AnsprĂŒchen der Bundesregierung.
Die ersten sechs teilnehmenden Unternehmen hatte die zustĂ€ndige Bundesagentur fĂŒr Sprunginnovationen (Sprind) im Mai aus insgesamt 58 Bewerbungen ausgewĂ€hlt |und bekanntgegeben|. Sie erhalten im besten Fall eine finanzielle Förderung von bis zu 950.000 Euro.
Gestern gab Sprind auch die Namen |der fĂŒnf weiteren Unternehmen| bekannt. Sie werden nicht finanziell gefördert, sollen aber vom Feedback der Jury und dem Netzwerk von Sprind profitieren. Darunter ist neben Samsung auch der Tech-Konzern Google.
Die Entscheidung, Google zum Wettbewerb zuzulassen, haben nicht alle Mitglieder der zehnköpfigen Jury mitgetragen. Ein entsprechender Hinweis findet sich auf der Sprind-Website:
Bei der Bewertung der Bewerbung des Google-Teams Ă€uĂerte die Jury Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Ein Jurymitglied sprach sich aufgrund von Datenschutz- und Wettbewerbsbedenken deutlich gegen Google aus. Da das Team alle Bewertungskriterien und Anforderungen (einschlieĂlich der Datenschutzanforderungen) erfĂŒllte, beschloss die Mehrheit der Jurymitglieder, das Team zur Teilnahme an Stufe 1 einzuladen und diesen Aspekt (neben anderen) zum Ende der Stufe 1 erneut zu bewerten.
Selbst wenn Google bereits nach der ersten Runde ausscheiden sollte, hat die Sprind-Jury dem Vorhaben schon jetzt einen BĂ€rendienst erwiesen â und zwar in doppelter Hinsicht.
Zum einen haben DatenschĂŒtzer:innen und BĂŒrgerrechtler:innen |die eIDAS-Reform| von |Beginn an kritisiert|. Sie bildet die rechtliche Grundlage fĂŒr die Wallet. Es gibt jedoch die BefĂŒrchtung, dass Unternehmen damit ihre Kund:innen umfassend ausspĂ€hen könnten.
Dass nun ausgerechnet |der ĂŒbermĂ€chtige Konzern Google| an der Entwicklung einer deutschen Wallet beteiligt ist, dĂŒrfte diese BefĂŒrchtungen noch verstĂ€rken. Google macht es den Nutzer:innen bekanntlich gern |schwer beim Datenschutz|.
Und erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission |eine Untersuchung gegen den Konzern eingeleitet| â wegen dessen Marktmacht und möglicher RechtsverstöĂe.
Zum anderen hat die Jury nun ausschlieĂlich Unternehmen ins Wettbewerbsrennen geschickt. Der Einfluss der Zivilgesellschaft beschrĂ€nkt sich damit mehr oder minder auf wenige PlĂ€tze in der Jury. Dabei war der Zivilgesellschaft zu Beginn des Verfahrens noch das genaue Gegenteil zugesagt worden.
Ein offener und partizipativer Wettbewerb unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft werde verhindern, so hatte es Bundes-CIO Markus Richter Mitte April versprochen, âdass sich am Ende ein Monopolist draufsetztâ und hierzulande eine fertige Wallet bereitstellt. Doch schon nach dem |Konsultationsprozess|, der dem Wettbewerb vorausgegangen war, hatten sich zivilgesellschaftliche Akteure enttĂ€uscht |von dem Verfahren abgewandt|.
Nun könnte es der Tech-Gigant Google sein, der sich als Monopolist auf das gesamte Verfahren âdraufsetztâ. Dass der Wettbewerb weder besonders offen noch partizipativ ist, war bereits vor der gestrigen Entscheidung deutlich geworden. Nun aber ist auch klar, dass fĂŒr die Bundesregierung digitale SouverĂ€nitĂ€t nicht mehr als ein Buzzword ist.
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|beim Thema digitale IdentitÀten|
|gegenĂŒber Behörden und Unternehmen ausweisen sollen|
|im Rahmen eines âInnovationswettbewerbsâ|
|der fĂŒnf weiteren Unternehmen|
|der ĂŒbermĂ€chtige Konzern Google|
|eine Untersuchung gegen den Konzern eingeleitet|
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Fri, 07 Jun 2024 10:15:47 +0000
Markus Reuter
In Sachsen hat die Polizei ein System zur automatisierten Nummernschild- und Gesichtserkennung eingesetzt. Die dortige Datenschutzbehörde weiĂ von nichts und hĂ€lt das System fĂŒr verfassungswidrig.
Die Landesdatenschutzbeauftragte hatte nach eigener Auskunft keine Kenntnis davon, dass die sĂ€chsische Polizei in der Vergangenheit VideoĂŒberwachung mit Echtzeit-Nummernschild- und Gesichtserkennung eingesetzt hat. Die Landesdatenschutzbeauftragte hĂ€lt den Einsatz der Technik fĂŒr verfassungswidrig â und will nun beim sĂ€chsischen Innenministerium nachforschen. Das geht aus der |Antwort auf eine Beschwerde (PDF)| hervor, die netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht.
In der Antwort der Behörde heiĂt es: âAngesichts der AusfĂŒhrungen des Bundesverfassungsgerichts zu prĂ€ventiven MaĂnahmen der automatisierten Kennzeichenerfassung dĂŒrfte es keinen Zweifel daran geben, dass die biometrische Echtzeit-Verarbeitung und ein Live-Abgleich der Gesichtsbilder von Personen, die eine Ăberwachungskamera im öffentlichen Raum passieren, gegen die Verfassung verstöĂt.â
Durch eine |kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin| und durch Recherchen des ândâ und |netzpolitik.org| war im Mai bekannt geworden, dass die sĂ€chsische Polizei ein heimliches Observationssystem mit hochauflösenden Kameras und Gesichtserkennung einsetzt. Die Kameras können in parkenden Fahrzeugen verbaut oder stationĂ€r montiert werden. Mit ihnen kann die Polizei ermitteln, ob sich eine verdĂ€chtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten hat.
Details zur Funktionsweise des Systems unterliegen in Sachsen der Geheimhaltung, sagte ein Polizeisprecher gegenĂŒber dem ândâ. Ob es sich bei dieser âObservationstechnik fĂŒr verdeckte MaĂnahmenâ um Elemente des schon frĂŒher in Görlitz eingesetzten âPersonen-Identifikations-Systemsâ (PerIS) handelt, ist unklar. Jedoch gibt es Hinweise darauf: Der erste bekanntgewordene Einsatz der verdeckten Observationstechnik aus Sachsen erfolgte in Berlin im Bereich der âgrenzĂŒberschreitenden BandenkriminalitĂ€tâ. Diese Ermittlungen fĂŒhrt die Polizeidirektion Görlitz, die das PerIS |als erste sĂ€chsische Behörde 2020 angeschafft hat|.
Nach Veröffentlichung des Berichtes hatte sich die sĂ€chsische Piratenpolitikerin Anne Herpertz |mit einer Beschwerde an die zustĂ€ndige Landesdatenschutzbehörde gewandt|. Herpertz nennt es âerschreckendâ, dass erst ihre Anfrage dazu gefĂŒhrt hat, dass die Praxis der Gesichtserkennung in Echtzeit ĂŒberhaupt thematisiert und untersucht wird.
Dass die Datenschutzbeauftragte davon ausgehe, dass die Technik nie eingesetzt wurde, hĂ€lt sie fĂŒr ânaivâ. Sie fordert nun AufklĂ€rung: Der Paragraf 59 des SĂ€chsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes (SĂ€chsPVDG), der die biometrische VideoĂŒberwachung zur VerhĂŒtung grenzĂŒberschreitender KriminalitĂ€t ermöglicht hĂ€tte, ist schon |Ende des Jahres 2023 ausgelaufen|.
Die sĂ€chsische Datenschutzbeauftragte will sich bei Herpertz wieder melden, sobald zweifelsfrei feststehe, welche MaĂnahmen mit welcher Eingriffstiefe die Polizeidirektion Görlitz mit dem âPersonen-Identifikations-Systemâ durchgefĂŒhrt hat und ob diese MaĂnahmen ausdrĂŒcklich richterlich angeordnet worden waren oder nicht.
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|Antwort auf eine Beschwerde (PDF)|
|kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin|
|als erste sÀchsische Behörde 2020 angeschafft hat|
|mit einer Beschwerde an die zustÀndige Landesdatenschutzbehörde gewandt|
|Ende des Jahres 2023 ausgelaufen|
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Fri, 07 Jun 2024 08:40:58 +0000
Chris Köver
Mit der Zentralstelle fĂŒr RĂŒckfĂŒhrungsfragen hat Rheinland-Pfalz eine eigene Abschiebe-Behörde geschaffen, die inzwischen sogar Handys von ausreisepflichtigen GeflĂŒchteten durchsucht. VertrĂ€ge dazu hĂ€lt das Land geheim, die Datenschutzbehörde wusste von nichts. Wir veröffentlichen Kommunikation zur Anschaffung des Software.
Rheinland-Pfalz zahlt jĂ€hrlich mehrere Zehntausend Euro, um die GerĂ€te von ausreisepflichtigen AuslĂ€nder:innen zu durchsuchen. Das geht aus Nachrichten hervor, die das zustĂ€ndige Integrationsministerium mit der Zentralstelle fĂŒr RĂŒckfĂŒhrungsfragen (ZRF) austauschte und die netzpolitik.org ĂŒber |eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz| erhalten hat.
Mit der Zentralstelle fĂŒr RĂŒckfĂŒhrungsfragen hat Rheinland-Pfalz eine eigene Behörde geschaffen, die landesweit bei der Abschiebung von Menschen ohne Bleiberecht helfen soll. Die Behörde bei der Stadtverwaltung in Trier organisiert etwa Sammelabschiebungen oder hilft bei der Beschaffung von PĂ€ssen.
Seit 2022 ĂŒbernimmt sie allerdings noch eine weitere Aufgabe: AuslĂ€nderbehörden aus dem Bundesland können die GerĂ€te von Menschen mit ungeklĂ€rter IdentitĂ€t dort einschicken und durchsuchen lassen. Diese sind seit 2015 |per Gesetz verpflichtet|, ihre GerĂ€te durchsuchen zu lassen, wenn sie keinen gĂŒltigen Pass vorlegen oder ihre IdentitĂ€t auf anderen Wegen nachweisen können.
Die Zentralstelle sucht auf den GerĂ€ten nach Hinweisen, die fĂŒr eine Abschiebung hilfreich sein könnten â und ĂŒbergibt die Ergebnisse der AuslĂ€nderbehörde. Das Ziel: mehr und effektivere Abschiebungen.
Bis ins Jahr 2021 hatte das Landeskriminalamt diese Durchsuchungen im Auftrag der AuslĂ€nderbehörden ĂŒbernommen, in âAmtshilfeâ. Anfangs waren es 10 AntrĂ€ge im Jahr, die dort eingingen, sagt ein Sprecher auf Anfrage, im Jahr 2021 schon fast 40.
Was danach geschah, |geht aus einem Schreiben hervor (PDF)|, das aus dem grĂŒnen Integrationsministerium an die Trierer Abschiebe-Behörde ging. Im Juni 2020 heiĂt es darin aus dem Ministerium: âDa das Landeskriminalamt nicht mehr in der Lage ist, im Wege der Amtshilfe die Auswertung von DatentrĂ€gern ⊠fĂŒr die AuslĂ€nderbehörden des Landes durchzufĂŒhren, muss eine anderweitige Lösung gefunden werdenâ. Es sei âsachgerecht, wenn zukĂŒnftig die DatentrĂ€gerauswertung landesweit von der ZRF wahrgenommen wirdâ. DafĂŒr seien auch âdie erforderlichen informationstechnischen Voraussetzungen zu schaffenâ.
Das Ministerium genehmigt in dem Schreiben, ein System fĂŒr das Auslesen der GerĂ€te anzuschaffen. Kosten: rund 10.000 Euro. AuĂerdem soll eine weitere Software fĂŒr 27.000 Euro gekauft werden, um die ausgelesenen Daten zu analysieren. Die Lizenzen, um die Software nach der Anschaffung weiter nutzen zu dĂŒrfen, sollen laut der Nachricht jĂ€hrlich verlĂ€ngert werden.
Zum Jahresende |meldet sich die Zentralstelle| (PDF) dann zurĂŒck, mit der Rechnung und der Bitte um die zĂŒgige Erstattung. Die Kosten fĂŒr die Anschaffung der Software liegen laut dem Schreiben bei 40.000 Euro.
Seit 2022 ĂŒbernimmt die Behörde die Handy-Durchsuchungen nun also selbst. Welche konkrete Software welches Anbieters dabei zum Einsatz kommt, will das Ministerium aber nicht mitteilen: Da es bei Abschiebungen auch um âGefahrenabwehrâ ginge, wĂŒrde das die öffentliche und innere Sicherheit gefĂ€hrden. Die staatlichen Interessen wĂŒrden in so einem Fall das Recht auf eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz ĂŒberwiegen, so das Ministerium.
Rheinland-Pfalz ist nicht das einzige Bundesland, das zuletzt technisch aufgerĂŒstet hat, um mit Ermittlungssoftware vermeintliche Beweise auf den GerĂ€ten von GeflĂŒchteten zu suchen. |Mindestens fĂŒnf weitere BundeslĂ€nder haben sich inzwischen eigene Software angeschafft|, darunter Bayern und Nordrhein-Westfalen. Der Anbieter ist in den allermeisten FĂ€llen Cellebrite, ein israelisches Unternehmen fĂŒr digitale Forensik.
Das Unternehmen vertreibt GerĂ€te und Software, mit denen man Smartphones durchsuchen kann und vermarktet seine Produkte vor allem an Ermittlungsbehörden, die damit auf beschlagnahmten GerĂ€ten nach Beweisen suchen. Das Versprechen: mit nur wenigen Klicks in ein Smartphone eindringen und die Daten darauf systematisch durchsuchen â selbst dann, wenn man keine Zugangsdaten hat.
Seit die damalige Bundesregierung 2015 das Aufenthaltsrecht verschĂ€rfte und auch die Handydurchsuchungen zur IdentitĂ€tsfestellung erlaubte, kann Cellebrite auch Abschiebe-Behörden zu seinem Kundenkreis zĂ€hlen. |Mehr als 100.000 Euro| flieĂen inzwischen jĂ€hrlich aus deutschen BundeslĂ€ndern an das Unternehmen.
Migrationsforscher:innen und Fachleute bezweifeln den Sinn dieser Investition und vor allem die VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit der Durchsuchungen. Denn auf einem Handy finden sich zahlreiche Informationen, die in den so genannten Kernbereich privater Lebensgestaltung fallen können. So heiĂt im deutschen Rechtsjargon der Teil des Privatlebens, der so privat ist, dass er vor dem Blick des Staates besonders geschĂŒtzt bleiben soll.
Nacktbilder, Nachrichten zu SchwangerschaftsabbrĂŒchen oder eine App, die etwas ĂŒber die sexuelle Orientierung aussagt: All das soll eigentlich nicht in den Auswertungsberichten landen. Dazu muss eine Person mit einem juristischen Staatsexamen die Daten und Berichte nochmal prĂŒfen, bevor sie an die AuslĂ€nderbehörden gehen. Doch zumindest vor deren Blick sind die Daten auf dem Handy nicht sicher.
Gleichzeitig brĂ€chten die Durchsuchungen keinerlei Vorteil fĂŒr das erklĂ€rte Ziel der IdentitĂ€tsfeststellung, kritisiert die AnwĂ€ltin Sarah Lincoln. Sie koordiniert bei der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte mehrere Klagen zu den Handydurchsuchungen. Der Verein hĂ€lt die Handydurchsuchungen fĂŒr nicht verfassungsgemÀà und hat zuletzt vor Gericht |gegen das Bundesamt fĂŒr Asyl und FlĂŒchtlinge (BAMF) gewonnen|: Die Behörde darf nicht mehr gleich zu Beginn pauschal das Handy verlangen, wenn jemand ohne Pass in Deutschland ankommt. Sie muss zunĂ€chst prĂŒfen, ob es mildere Mittel zur Feststellung von IdentitĂ€t und Herkunft gibt. Lincoln bezeichnet die Durchsuchungen als âreine Schikaneâ.
Die Bundesregierung will trotzdem unbedingt an der MaĂnahme festhalten. |In einer aktuellen VerschĂ€rfung| des Asyl- und Aufenthaltsrechts hat sie nicht nur klargestellt, dass die Durchsuchungen weiter stattfinden sollen, sondern die Befugnisse der Behörden noch erweitert: Beamt:innen dĂŒrfen nun auch in die PrivatrĂ€ume von Menschen eindringen, die abgeschoben werden sollen, um nach Dokumenten oder GerĂ€ten zu suchen.
In Rheinland-Pfalz kommen diese VerschĂ€rfungen gut an. MinisterprĂ€sidentin Malu Dreyer (SPD) |hatte die neuen Regeln begrĂŒĂt|. âWir begrenzen die irregulĂ€re Migration, um das Recht auf Asyl zu schĂŒtzenâ, sagte sie Ende 2023 vor der Presse. Schon in vergangenen Jahren |brĂŒstete Dreyer sich mit den hohen Abschiebezahlen| im Bundesland und nannte diese einen âBeweis der guten Arbeit der Zentralstelleâ.
Rheinland-Pfalz liegt bei den Abschiebezahlen im Vergleich der BundeslĂ€nder regelmĂ€Ăig weit oben. Das VerhĂ€ltnis von Aufnahmequote und Zahl der Abschiebungen ist hoch. Ende 2023 lebten| laut Daten aus dem AuslĂ€nderzentralregister| 2.232 ausreisepflichtige Menschen im Bundesland. Der gröĂte Teil von ihnen kommt aus Afghanistan, Syrien und dem Irak.
Der Landesbeauftragte fĂŒr den Datenschutz in Rheinland-Pfalz wusste von der Anschaffung der Forensik-Software und den Durchsuchungen bei der Zentralstelle bislang nichts. âWir haben davon durch Ihre Anfrage erstmals Kenntnis erlangtâ, schreibt eine Sprecherin. Die Behörde kĂŒndigt an, jetzt Kontakt mit der Stadtverwaltung Trier aufzunehmen. Sie will prĂŒfen, ob Regeln fĂŒr den Datenschutz eingehalten werden.
Laut der in Europa geltenden Datenschutzregeln mĂŒssen die Verantwortlichen bei tiefen Eingriffen in Datenschutzrechte erst die möglichen Folgen und Risiken abschĂ€tzen, bevor sie ein System einsetzen. Das nennt sich Datenschutz-FolgenabschĂ€tzung. Womöglich hĂ€tte sich die Zentralstelle auch mit der Datenschutzaufsicht beraten mĂŒssen.
âWir kennen die Datenschutz-FolgenabschĂ€tzung der Stadtverwaltung Trier bislang nicht und können den Sachverhalt daher nicht bewertenâ, schreibt die Sprecherin. âAngesichts des tiefen Eingriffs in die Grundrechte asylsuchender Menschen durch die geschilderten MaĂnahmen ist es aber mindestens denkbar, dass eine Pflicht zur Konsultation unserer Behörde bestand.â Der Einsatz solcher Software gehe mit einem hohen Risiko fĂŒr die Rechte und Freiheiten natĂŒrlicher Personen einher.
Der Landesbeauftragte fĂŒr den Datenschutz Rheinland-Pfalz Dieter Kugelmann hatte |schon vor Jahren gewarnt|, dass die Durchsuchung von GerĂ€ten tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Asylsuchenden eingreifen kann. Damals ging es um das Bundesamt fĂŒr Asyl und FlĂŒchtlinge (BAMF), das nach einer GesetzesĂ€nderung 2017 die Erlaubnis bekam, in den Handys von Schutzsuchenden nach Informationen zu suchen. Die inhaltliche Positionierung des Landesbeauftragten gelte bis heute, schreibt die Aufsichtsbehörde.
Irritiert ist auch der FlĂŒchtlingsrat Rheinland-Pfalz. Der Verein setzt sich fĂŒr die Rechte von GeflĂŒchteten im Land ein. âWir sind schockiert, dass das Integrationsministerium die AuslĂ€nderbehörden als âGefahrenabwehrbehördenâ bezeichnetâ, schreibt eine Sprecherin. Die Investitionen in digitale Forensik nennt sie unverhĂ€ltnismĂ€Ăig. âDas ist das Ergebnis einer Politik, die auf Stimmungsmache und scheinbarer HandlungsfĂ€higkeit basiert und sich nicht mit Fakten rechtfertigen lĂ€sst.â Das Geld könne an anderer Stelle sinnvoller investiert werden.
Der Rat plĂ€diert fĂŒr ein Stufenmodell bei der IdentitĂ€tsklĂ€rung, das den Menschen entgegen kommt. An letzter Stelle stehe dann die Möglichkeit einer eidesstattlichen ErklĂ€rung. In der öffentlichen Debatte sei der Eindruck entstanden, dass Menschen mit ungĂŒltigem Pass oder nicht nachgewiesener IdentitĂ€t dies absichtlich hervorrufen, um sich daraus Vorteile zu verschaffen. âWĂ€hrenddessen ist es in den aller meisten FĂ€llen so, dass vorhandene PĂ€sse hier nicht anerkannt werden können, oder das von den Behörden im Herkunftsland keine PĂ€sse ausgestellt werden können.â
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|eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz|
|geht aus einem Schreiben hervor (PDF)|
|meldet sich die Zentralstelle|
|Mindestens fĂŒnf weitere BundeslĂ€nder haben sich inzwischen eigene Software angeschafft|
|gegen das Bundesamt fĂŒr Asyl und FlĂŒchtlinge (BAMF) gewonnen|
|In einer aktuellen VerschÀrfung|
|hatte die neuen Regeln begrĂŒĂt|
|brĂŒstete Dreyer sich mit den hohen Abschiebezahlen|
| laut Daten aus dem AuslÀnderzentralregister|
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Fri, 07 Jun 2024 05:32:59 +0000
Serafin Dinges
Plötzlich steht die Polizei im Kinderzimmer, liest das Tagebuch einer Teenagerin, nimmt ihr Handy mit. Warum behandeln die Beamt:innen eine junge Klimaaktivistin wie eine gefĂ€hrliche Kriminelle? In Episode #5 unseres Doku-Podcasts geht es um den Beginn der Augsburger Klimabewegung â und ihrer Kriminalisierung.
|https://netzpolitik.org/wp-upload/2024/06/SE_05_KriminellesKlima_release.mp3|
Mit 14 Jahren geht Janika Pondorf auf ihre erste Klima-Demo. Es ist die Zeit, als Fridays For Future und Greta Thunberg berĂŒhmt werden, als SchĂŒler:innen auf der ganzen Welt fĂŒrs Klima streiken. Mit 15 Jahren wird Janika von der Polizei wach geklingelt. Die Beamt:innen drĂ€ngen in ihr Kinderzimmer, durchwĂŒhlen ihren Kleiderschrank, lesen ihr Tagebuch. Auf der Wache muss sich Janika bis auf die UnterwĂ€sche ausziehen. Alles wegen einer SprĂŒhkreide-Aktion von Greenpeace. Doch bei der war Janika, so sagt sie, nicht mal dabei.
Die Hausdurchsuchung und die Repressionen bleiben nicht ohne Folgen: Janika muss in eine Klinik. Doch sie ist nicht die einzige aus Augsburg, bei der nach der Kreide-Aktion die Polizei vor der TĂŒr steht. Die Geschichte der damaligen Teenagerin ist zugleich die Geschichte der ersten Jahre der Augsburger Klima-Bewegung. Es geht um junge Menschen, die eine globale Katastrophe verhindern wollen, und dabei zunehmend auf staatliche WiderstĂ€nde stoĂen.
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Die nĂ€chste Episode âPimmelgate SĂŒdâ erscheint am 14. Juni.
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Host und Produktion: Serafin Dinges.
Redaktion: Anna Biselli, Chris Köver, Ingo Dachwitz, Sebastian Meineck.
Cover-Design: Lea Binsfeld.
Titelmusik: Daniel Laufer.
Weitere Musik von Blue Dot Sessions.
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Informationen der Augsburger Klimabewegung |zu den Durchsuchungen|
Website des |Klimacamps Augsburg|
Augsburg.tv zur Sitzung des |Umweltausschusses im Jahr 2019|
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Leitfaden: |Hausdurchsuchung. Was tun? (PDF)|
Verhaltens-Tipps| von Digitalcourage e.V.|
Verhalten bei Hausdurchsuchungen: |Talk von RechtsanwÀltin Kristin Pietrzyk auf dem Chaos Communication Congress|
Sie haben das Recht zu Schweigen: |Talk von Rechtsanwalt Udo Vetter auf dem Chaos Communication Congress|
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Prolog
Janika Pondorf: Hallo. Ich bin Janika. Ich bin 19 Jahre alt. Ich bin seit 2019 klimaaktivistisch aktiv und mittlerweile aber gar nicht mehr in Deutschland.
Serafin Dinges: Wir erreichen Janika Pondorf in Frankreich. Sie arbeitet dort als Aupair, nachdem sie letztes Jahr ihr Abitur gemacht hat. Eigentlich kommt sie aus Augsburg, wo die heutige Geschichte passiert ist. Janika hat ein freundliches, rundes Gesicht und Locken und trĂ€gt eine Brille mit groĂen, runden GlĂ€sern. Kannst du dich ein bisschen selbst beschreiben? Was fĂŒr eine Art Mensch bist du?
Janika Pondorf: Ja, ich wĂŒrde sagen, ich bin ein ruhiger, aber sehr bestimmter Mensch. Und im Aktivismus war ich in der Szene eher bĂŒrgerlich und eher brav.
Serafin Dinges: Janika ist Klimaaktivistin. Mit 14 geht sie zum ersten Mal auf Demos von Fridays for Future. Und eigentlich fĂ€ngt alles ganz harmlos an. Aber dann, kaum ein Jahr spĂ€ter, durchsuchen plötzlich Polizistinnen das Haus, in dem Janika mit ihrer Familie wohnt. Sie durchsuchen ihr Handy und ihr Tagebuch. Ich bin Serafin Dinges und ihr hört Systemeinstellungen. Ein Podcast von netzpolitik.org. Heute die erste Folge einer zweiteiligen Geschichte. Teil eins: kriminelles Klima. Ende 2018 sagt die schwedische SchĂŒlerin Greta Thunberg zum ersten Mal auf groĂer BĂŒhne:
Greta Thunberg: We have run out of excuses and we are running of time. Change is coming whether you like it or not. The real power belongs to the people.
Serafin Dinges: Ihre Botschaft reiĂt junge Menschen auf der ganzen Welt mit. Ăberall gehen vor allem SchĂŒlerinnen auf die StraĂe, um fĂŒr mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Meistens freitags. Der Beginn der Fridays-for-Future-Demos.
Stimme: Sie werfen der deutschen Politik vor, zu wenig gegen den Klimawandel zu tun. Keine Partei habe ausreichend MaĂnahmen in ihrem Programm. Und das sind Leute, die sind im Durchschnitt wahrscheinlich 50, 55 und Ă€lter. Und die entscheiden gerade ĂŒber unsere Zukunft.
Stimme: Fordern SchĂŒler und Studierende eine nachhaltigere Klimaschutzpolitik auch in Köln⊠Hier sind es Tausende. Viele zum ersten MalâŠ
Stimme: Indaâs Capital is one of a thousand cities where school children planned protests againt grown-ups in action..
Stimme: Weltweit waren Veranstaltungen an 1500 Orten⊠The largest Climate Protests since the start of the pandemic is taking place around the world âŠ
Stimme: Deswegen: Jede Woche streiken wir weiter. Kommt vorbei. Ihr seid super⊠Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klautâŠ
Serafin Dinges: Mit dabei ist auch Janika.
Janika Pondorf: Aber es war im ersten Moment schon so, dass ich mich nicht wirklich getraut habe, weil ich dachte: Oh je, da mach ich aber ja was Verbotenes.
Serafin Dinges: Also Schule schwÀnzen quasi.
Janika Pondorf: Ja. Genau. Das war mir vorher auch nicht eingefallen.
Serafin Dinges: Und hast du vorher schon mal Schule geschwÀnzt?
Janika Pondorf: Nein, ich habe auch sonst nie die Schule geschwĂ€nzt. Also das wĂ€re mir nicht eingefallen und das hat schon wirklich viel Ăberwindung fĂŒr mich gekostet.
Serafin Dinges: Es ist Ihre erste Demo im Januar 2019 in Augsburg. Janika ist damals 14 Jahre alt.
Janika Pondorf: Und wir sind dann in der Pause gemeinsam losgelaufen. Wir hatten eine WhatsApp-Gruppe gegrĂŒndet, quasi von den Leuten aus unserer Schule, die auf die Demo gehen wollen. Da waren mehrere 100 Leute drin und das war super aufregend. Was passiert? Werden wir einen Verweis bekommen? Wenn wir einen Verweis bekommen, wie gehen wir damit um?
Serafin Dinges: 1500 Menschen kommen laut Polizei. Der Rathausplatz von Augsburg ist gut gefĂŒllt. Zum Vergleich: Die erste Demo in Berlin ist eine Woche spĂ€ter und dort kommen 5000 Leute. Dabei leben in Berlin ĂŒber zehnmal so viele Menschen. Die erste Klimademo mit SchĂŒlerinnen in Augsburg war also ordentlich besucht. Und das, obwohl viele Schulen in Schwaben damals mit Konsequenzen gedroht haben. Von da an streiken in Augsburg regelmĂ€Ăig SchĂŒlerinnen. Und Janika, die will nicht nur mitgehen, sondern auch mitgestalten. Sie hilft mit, die Demos zu organisieren, die Klimaforderungen zu entwickeln. Und sie findet SpaĂ daran, SprĂŒche zu skandieren.
Janika Pondorf: Vorher in der Schule war ich umso ruhiger, aber da hat man das nicht so wirklich mitbekommen. Da war ich ĂŒberhaupt nicht auffĂ€llig. Und dann da, in dem Moment, wo ich das Megafon in der Hand hatte, habe ich gemerkt: Das ist mein Ding, da geh ich auf und das macht SpaĂ und hilft auch gegen die Angst.
Serafin Dinges: Ein Video von damals zeigt Janika mit einem Megafon auf einer Demo. Es regnet und sie steht am Rand der Menschenmenge, die an ihr vorbeizieht, und ruft ihnen zu:
Janika Pondorf: Hopp, hopp, hopp, Kohlestopp!
Serafin Dinges: Als sie merkt, dass sie gefilmt wird, lĂ€chelt sie ein bisschen schĂŒchtern.
Janika Pondorf: Man hat gemeinsam irgendwie so eine Energie, die man da herausschreit und ruft. Und irgendwie hat sich da ganz viel Emotion zwischen den Demos angesammelt. Ganz viel Angst und ganz viel Empörung. Und auch irgendwie Hilflosigkeit. Und in dem Moment verbĂŒndet man sich und ruft das raus, was sich so lange angestaut hat.
Serafin Dinges: Was zum Beispiel? Sagt mal ein paar LieblingssprĂŒche. Gibt es einen, der immer geht?
Janika Pondorf: Ja, also es gibt so SprĂŒche, die sind zum Vor- und zum Nachrufen. Und was ich sehr gerne mag sind diese SprĂŒche: â1234â und dann rufen alle â1234 âund dann âfĂŒr das Klima sind wir hierâ. Oder: âfĂŒr euch alle sind wir hierâ. Und dannâ5678âł und dann âDie Kohlekraft wird platt gemachtâ und dann âneun und zehnâ
Stimme: âwir wollen eine Zukunft sehnâ
Beim Umweltausschuss
Serafin Dinges: Bis zum Herbst 2019 ist aus Fridays for Future eine internationale Bewegung geworden. Und nach Monaten der Proteste beginnt auch die Politik, die SchĂŒlerinnen wahrzunehmen. Im Oktober 2019 lĂ€dt der Augsburger Umweltausschuss drei SchĂŒlerinnen ein, eine Rede zu halten.
Stimme: Augsburg soll eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehmen. Diesen Appell richteten die Mitglieder der Fridays-for-Future-Bewegung an die StadtrÀte im Umweltausschuss der Stadt.
Serafin Dinges: Eine dieser drei SchĂŒlerinnen ist Janika. Sie sitzt also mit 14 Jahren an einer langen Tafel vor den versammelten Politikerinnen der Augsburger Stadtregierung.
Stimme: Die Stadtpolitiker zeigten groĂe Anerkennung fĂŒr die jungen Klimaaktivisten, forderten aber auch VerstĂ€ndnis, dass Entscheidungen in der Politik etwas lĂ€nger dauern.
Janika Pondorf: Und die Politikerinnen haben eben argumentiert als wenn wir nichts gesagt hÀtten. Und das fand ich in diesem Moment super frustrierend.
Serafin Dinges: FĂŒr Janika ist dieser Moment ein Bruch. Sie fĂŒhlt sich ĂŒberhaupt nicht ernst genommen, ist von den gekonnten rhetorischen Antworten der Politikerinnen enttĂ€uscht. Heute sagt sie: Sie war naiv. Sie hatte gedacht, sie mĂŒsste nur die Aufmerksamkeit der Politik auf dieses wichtige Thema lenken und dann wĂŒrden Taten schon folgen.
Janika Pondorf: Und danach hat sich schon bei mir so ein bisschen die erste Welle quasi an Hoffnungslosigkeit eingestellt. Die dann so ĂŒber mich gekommen ist. Und es war schon so, dass ich, dass ich mich dadurch jetzt nicht habe einschĂŒchtern lassen oder so oder runterziehen lassen, sondern dass ich dann eben umso mehr dem entgegenwirken wollte und umso mehr Demonstrationen organisieren und noch gröĂere Demonstrationen und dann noch mehr Leute ansprechen.
Serafin Dinges: Janika will einen Gang höher schalten, damit der Staat sie ernst nimmt. Dabei ahnt sie noch nicht, wie ernst der Staat sie bald noch nehmen wird. Es ist der 20. Mai 2020. Ein paar Wochen nach Beginn der Corona-Pandemie. Janika ist mittlerweile 15. Es ist ein halbes Jahr, nachdem sie sich im Umweltausschuss anhören musste, dass es in der Politik eben lÀnger dauert. In Deutschland schöpfen viele Hoffnung, dass die Pandemie vielleicht doch nur ein paar Wochen dauert. Die Friseursalons öffnen wieder unter strengen Auflagen und die Bundesliga startet, wenn auch vor leeren RÀngen.
Die Polizei im Haus
Janika Pondorf: Ich weiĂ gerade gar nicht mehr, welcher Wochentag es war, aber es war auf jeden Fall unter der Woche.
Serafin Dinges: Es ist ein Mittwoch, ganz frĂŒh am Morgen.
Janika Pondorf: Also lag ich noch im Bett und habe geschlafen. Und es hat dann geklingelt. Davon bin ich aufgewacht. Und ich dachte, es kommt vermutlich Post. Dann ist meine Mama aber sehr hektisch in mein Zimmer reingekommen und meinte, dass die Polizei da ist und dass die zu mir wollen.
Serafin Dinges: Was wusste deine Mutter, worum es geht?
Serafin Dinges: Wusstest du, worum es geht?
Janika Pondorf: Niemand von uns wusste, worum es geht. Wir waren einfach nur irgendwie in einer Schockstarre und hatten keine Ahnung, was passiert. Die Beamtinnen standen dann in meinem Zimmer und haben uns nicht gesagt, was Sache ist und haben einfach nur irgendwie gesagt, dass ich mit ihnen mitkommen soll. Ich war noch nicht angezogen, hatte noch nicht ZĂ€hne geputzt, war gerade erst vor wenigen Sekunden aufgewacht.
Serafin Dinges: Halb verschlafen und verwirrt geht sie mit der Polizei ins Wohnzimmer.
Janika Pondorf: Und dann hatten sie so einen Stapel Papiere in die Hand gedrĂŒckt und haben gesagt, dass sie eben ein Durchsuchungsbescheid haben. Und dass sie jetzt das Haus durchsuchen werden, haben aber in dem Moment auch noch nicht gesagt, worum es geht. Und dann haben wir es eben erfragt. Und dann haben sie geantwortet, dass es eben eine Aktion gab von Greenpeace, die gesprĂŒht haben sollen.
Serafin Dinges: Von der Graffiti-Aktion durch Greenpeace hatte Janika mitbekommen. Die war im November 2018, also sechs Monate vor der Razzia, in der FuĂgĂ€ngerzone von Augsburg. Da hatte Greenpeace zum Black Friday Konsum-kritische Botschaften vor ein paar GeschĂ€fte gesprĂŒht. So was wie; âBrauchst du das wirklich?â
Janika Pondorf: Ich wusste von dieser Aktion Bescheid. Ich war ja in der Klimagerechtigkeitsbewegung vernetzt, Aber ich war bei dieser Aktion nicht dabei. Und ich wusste noch, dass damals besprochen wurde, dass es eine Aktion ist fĂŒr Leute ĂŒber 18 und dass es keine SprĂŒhfarbe im klassischen Sinne sein wird, die permanent hĂ€lt, sondern dass es SprĂŒhkreide ist, die wieder abwaschbar ist.
Serafin Dinges: Vor Janika liegt jetzt also ein Durchsuchungsbeschluss, in dem steht, dass sie verdÀchtigt wird, bei dieser Aktion mitgemacht zu haben.
Stimme: Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt am 29.11.2019, zwischen 1:28 und 2:16 der Nacht vor dem Back Friday.. und gewollten Zusammenwirken mit mindestens fĂŒnf weiteren Personen an⊠Dabei entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 300 âŹâŠ Von etwa 250 âŹâŠ von etwa 412,19 âŹâŠ Sachschaden in Höhe von etwa 100 âŹ.
Serafin Dinges: FĂŒr ein grĂŒndliches Lesen fehlt Janika aber die Zeit, denn wĂ€hrenddessen wachen Janikas 3-jĂ€hriger Bruder und ihre 13-jĂ€hrige Schwester von dem ganzen Trubel auf und kommen in das ohnehin schon volle Wohnzimmer.
Janika Pondorf: Also irgendwie. Meine Mutter wollte gleichzeitig irgendwie mit mir gemeinsam klÀren, was da gerade passiert ist bzw. warum die Beamtinnen da sind. Gleichzeitig wollte sie aber auch bei meinen Geschwistern sein und die irgendwie beruhigen.
Serafin Dinges: Und wÀhrend Janika und ihre Mutter gleichzeitig auch noch versuchen, den Durchsuchungsbeschluss zu verstehen, holt die Polizei schon einen Grundriss des Hauses hervor.
Janika Pondorf: Um irgendwie festzustellen, ob alle RÀume an der richtigen Stelle sind oder ob noch zusÀtzliche RÀume eventuell da sind, die nicht im Grundriss vermerkt sind. Dann haben sie gleichzeitig angefangen, Fotos zu machen. Sprich in dem Moment war nicht arg viel Zeit, um wirklich zu verstehen, was Sache ist.
Serafin Dinges: Die richtige Durchsuchung beginnt dann in Janikas Kinderzimmer.
NĂ€hte und TagebĂŒcher
Janika Pondorf: Also zum Beispiel bei meinem Kleiderschrank haben sie alle Klamotten rausgenommen, die NĂ€hte ĂŒberprĂŒft und dann noch irgendwas sein könnte.
Serafin Dinges: In so einem Durchsuchungsbeschluss, da steht ganz genau drin, wonach die Polizei suchen soll und darf. Bei Janika sind da zwei Punkte aufgefĂŒhrt: Mobiltelefone, Smartphones und Schablonen, Farbdosen und andere Werkzeuge fĂŒr die Anbringung von Graffiti. Weder Smartphones noch Farbdosen lassen sich gut in den NĂ€hten von Kleidung verstecken. Warum also dort suchen?
Janika Pondorf: Ich nehme an, Sie haben es als Vorwand genommen. Also haben die Durchsuchung als Vorwand genommen, um nach weiteren eventuellen Straftaten oder Indizien fĂŒr Straftaten. Ich nehme an, Sie haben vermutlich irgendwie Drogen gesucht. Da sind Sie bei mir aber auch an der ganz falschen Adresse gewesen.
Serafin Dinges: Wenn das stimmt, dann wĂ€re das Verhalten der Polizei illegal gewesen. Es darf nur gesucht werden, was im Durchsuchungsbeschluss aufgelistet ist. In dem Moment hat Janika aber gar keine Zeit, darĂŒber nachzudenken. Sie steht im TĂŒrrahmen und laut ihrer Erinnerung stehen sieben Polizistinnen in ihrem Zimmer und stellen es auf den Kopf.
Janika Pondorf: Und ich weiĂ, dass meine Mama auch im TĂŒrrahmen stand und dass sie dann zu mir gesagt hat: Oh, jetzt lesen Sie gerade dein Tagebuch. Und dann habe ich, also bin ich ein Schritt ins Zimmer reingegangen und einmal geschaut, was sie da lesen und hab dann gesehen, dass es eben nicht akutelle EintrĂ€ge sind oder auch nicht die von vor einem halben Jahr, sondern die aus der fĂŒnften Klasse oder so. Ăhm. Und ja, das haben sie dann aber trotzdem gelesen. War schwierig in dem Moment. Also ich dachte mir, dass Sie vermutlich danach suchen, irgendwie einen Eintrag zu finden, dem ich sage, dass ich bei dieser Aktion teilgenommen habe. Den Eintrag gibt es nicht, weil ich bei der Aktion nicht teilgenommen habe und auch, weil ich in dem Moment kein Tagebuch geschrieben habe. Aber umso weniger habe ich dann verstanden, dass sie in den alten EintrĂ€gen gelesen haben.
Serafin Dinges: Schreibst du das Datum oben drauf? Auf die Seite?
Janika Pondorf: Ja. Da stand das Datum jeweils dabei.
Serafin Dinges: Janika ist 15 Jahre alt und schaut dabei zu, wie eine Polizistin in ihrem Tagebuch liest, weil sie verdÀchtigt wird, vor einem halben Jahr bei einer Aktion dabei gewesen zu sein, bei der ein Sachschaden von rund 1.000 ⏠entstanden sein soll. Eine Aktion, bei der sie, wie sie beteuert, nicht dabei war. Die Staatsanwaltschaft Augsburg sagt uns auf Anfrage, man könne nicht mehr nachvollziehen, ob das Tagebuch gelesen wurde. Wenn ja, dann hÀtte man darin aber nur nach Schablonen gesucht. Am Ende nimmt die Polizei Janikas Handy mit.
Janika Pondorf: Da wollten sie auch das Passwort wissen. Das habe ich ihnen dann auch gesagt, obwohl ich es nicht hĂ€tte sagen mĂŒssen. Aber das haben sie mir nicht gesagt, dass ich das nicht hĂ€tte sagen mĂŒssen. Zudem war ich so naiv, dass ich dachte, ich habe ja nichts zu verstecken. Habe ich auch nicht gehabt in dem Moment. Aber trotzdem ist es einfach immer eine super intime Sache, wenn alle Leute bei der Polizei einfach mal Nachrichten lesen können. Zudem habe ich Videotagebuch mit meiner besten Freundin gefĂŒhrt und habe also tĂ€glich mehrfach Videos hin- und hergeschickt, wo ich meine Gedanken und GefĂŒhle mit ihr geteilt habe. Also auch, dass solche Videos dann einfach von fremden Beamtinnen angeschaut werden können, ist schon irgendwie einfach ein sehr groĂer Eingriff in die IntimsphĂ€re.
Serafin Dinges: Die Polizei durchsucht fast das gesamte Haus, Janikas Zimmer und alle gemeinsam genutzten RĂ€ume, auch den Keller. Irgendwann erklĂ€rt die eine Beamtin, dass Janika auch mit aufs Revier muss. Sie soll in einem Polizeiauto mitfahren. Ihre Mutter muss getrennt zur Wache fahren. Aber bevor sich Annika ins Auto setzt, wird sie noch mal durchsucht. Auf der StraĂe neben dem wartenden Polizeiauto. Es ist mittlerweile 10:00 morgens.
Janika Pondorf: Was ich in dem Moment eigentlich noch mit am unangenehmsten fand, war, dass wirklich wĂ€hrend ich drauĂen- und zwar so ein dichtbewohntes Neubaugebiet, also das haben meine Nachbarn alle gesehen â also wĂ€hrenddessen sind auch noch Nachbarn nach Hause gekommen, also unsere direkten Nachbarn, und haben sich logischerweise gefragt, was da gerade passiert. Und in dem Moment hat eben der Polizeibeamte gesagt, dass er damit rechnet, dass ich ihn angreifen kann und dass er mich deswegen jetzt absucht. Und das war schon wirklich sehr, sehr unangenehm Und ich hatte in dem Moment gerne irgendwie meinen Nachbarn erklĂ€rt, was gerade passiert und dass das alles komplett unverhĂ€ltnismĂ€Ăig ist.
Wie eine Schwerverbrecherin
Serafin Dinges: Janika ist 15, eine brave SchĂŒlerin. Und dann wird sie gerade vor ihrer HaustĂŒr von einem Polizisten abgetastet. Auf unsere Nachfrage erklĂ€rt die Polizei: âDurchsuchungen können auch zum Zwecke der Eigensicherung der Polizeibeamten durchgefĂŒhrt werden, beispielsweise im Zuge von Kontrollen vor der Mitnahme in einem Dienstfahrzeug. Dies ist eine ĂŒbliche MaĂnahme und dient der Sicherheit der EinsatzkrĂ€fte.â Auf der Wache angekommen, wird bei Janika eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgefĂŒhrt. Die Polizei nimmt dann alle Merkmale einer Person auf, um sie leichter wiederzuerkennen, zum Beispiel bei Protesten in der Zukunft.
Janika Pondorf: Wie so Verbrecherfotos, wie man sich es eigentlich aus dem Krimi vorstellt oder wenn man so Fahndungsfotos sieht, muss man sich auf so einem Stern aufstellen und dann in alle Richtungen drehen. Und dann machen die Fotos aus verschiedenen Perspektiven.
Serafin Dinges: Dann wird Janika aufgefordert, sich bis auf die UnterwÀsche auszuziehen.
Janika Pondorf: Und sie haben meine Haut gescannt nach irgendwelchen AuffÀlligkeiten wie Leberflecke, Muttermale, Piercings, Tattoos, Narben. Das alles haben sie dann, also alle AuffÀlligkeiten, in Ihrem Computer erfasst.
Serafin Dinges: Janika erzĂ€hlt uns, wie hilflos sie sich in dem Moment fĂŒhlt. Kaum weiĂ, was mit ihr passiert. Bis vor ein paar Stunden war sie noch eine ganz normale SchĂŒlerin. Und jetzt wird sie plötzlich behandelt wie eine Schwerverbrecherin. Das ist ein riesiger Bruch in ihrer Einstellung zum System. FĂŒr sie, als â wie sie sich selbst beschreibt â braves MĂ€dchen ist die Polizei bisher nur Freund und Helfer gewesen. Sie kann sich nicht erklĂ€ren, was hier gerade passiert. Die Polizei kommt doch nicht ohne Grund.
Janika Pondorf: Also ich habe dann wirklich angefangen, an meiner RealitÀt zu zweifeln und mich gefragt: Aus welchem Grund sind sie jetzt da? Weil das, was sie vorgeben, das war ich nicht dabei. Und was wollen sie dann von mir?
Serafin Dinges: Sie hat das GefĂŒhl, dass da irgendwas nicht stimmt. Aber den Fehler, den sucht sie erst mal bei sich. Sie kann sich zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass es vielleicht die Polizei ist, die da gerade einen Fehler macht, wĂ€hrend die gerade das volle Programm abfĂ€hrt. Hausdurchsuchung. Fahrt aufs Revier. Abtasten. Ausziehen. Fotos. Selbst wenn Janika bei der Aktion mit abwaschbarer SprĂŒhkreide wirklich dabei gewesen wĂ€re: Ist das alles gerechtfertigt? Ich habe mal mit 15 was an die Wand meiner Schule gesprĂŒht. Nichts politisches. Ich dachte damals einfach, ich wĂ€re GraffitikĂŒnstler, wollte einfach mal was Verbotenes machen. Meine Bestrafung: ich musste das Graffiti von der Wand schrubben und mich beim Reinigungspersonal entschuldigen. Zu Recht. Sorry noch mal! Mein Tagebuch wollte deshalb aber niemand lesen.
Janika Pondorf: Und ja, ansonsten glaube ich, habe ich erst im Nachhinein wirklich realisiert, was fĂŒr ein tiefer Eingriff in die Privats- und IntimsphĂ€re das ist, dass dann einfach da Beamtinnen kommen und alles im kleinsten Detail anschauen und man nichts, was noch so privat ist, irgendwie dann geheim halten kann.
Serafin Dinges: In diesen Minuten auf der Wache, an diesem ganzen Tag, da passiert was mit Janika. Etwas zerbricht in ihr. Merken wird sie das erst viel spĂ€ter. Wir sprechen gleich darĂŒber, wie es mit Janika weitergeht. Aber vorher bleiben wir noch mal kurz in der Polizeiwache. Dort sitzt an diesem Tag nĂ€mlich nicht nur Janika, sondern da ist noch ein anderer Klimaaktivist. Er heiĂt Ingo Blechschmidt.
Topos-Theorien
Ingo Blechschmidt: Ich bin Ingo Blechschmidt. Ich bin 34 Jahre alt. Seit der vierten Klasse bin ich mit Ausnahme hier in Augsburg. Ich habe hier Mathe studiert, dann noch meine Doktorarbeit hier geschrieben.
Serafin Dinges: Ingo ist ein hagerer Typ. Brille, Wanderschuhe. Und ich glaube, er wird es mir nicht ĂŒbel nehmen, wenn ich sage: Er ist durch und durch Mathe-Nerd.
Ingo Blechschmidt: Mein Forschungsgebiet ist die Topos-Theorie. Da geht es um das Studium von mathematischen Alternativuniversen, in denen nicht die ĂŒblichen Gesetze der Logik gelten, sondern leicht andere.
Serafin Dinges: Schon sein ganzes Leben lang.
Ingo Blechschmidt: Ich muss auch ganz ehrlich zugeben, ob ich da jetzt irgendwelche Beweise hinbekomme oder nicht, hat sicherlich absolut gar keine Auswirkung auf die breite Gesellschaft.
Serafin Dinges: Er sagt, er war den GroĂteil seines bisherigen Lebens unpolitisch.
Ingo Blechschmidt: Habe nicht mal Zeitungen gelesen oder Nachrichten geschaut. Ich war so komplett in meinem Matheding drin.
Serafin Dinges: Heute sieht er das anders.
Ingo Blechschmidt: Und wenn aufgrund der zunehmenden Erderhitzung wir hier Probleme mit unseren menschlichen GrundbedĂŒrfnissen bekommen, bin ich mir ganz sicher, dass der Job des Topos-Theoretikers einer der ersten sein wird, der wegrationalisiert wird. Und zwar völlig zu Recht.
Serafin Dinges: Als Ingo um die 30 ist, hört er zum Ersten Mal von den Friday-for-Future-Demos.
Greta Thunberg: Change is coming.
Serafin Dinges: Wie Annika ist auch er bei der ersten Demo in Augsburg dabei und sofort mitgerissen. Engagiert sich in der Organisation und meldet auch öfter mal Demos an, weil er einer der wenigen aktiven VolljĂ€hrigen in der Bewegung ist. So wird er eine der öffentlich sichtbarsten Personen der Fridays-fot-Future-Bewegung in Augsburg. Und auch bei ihm steht am Morgen des 20. Mai 2020 die Polizei vor der TĂŒr. Bei Ingo ist die Razzia um einiges schneller vorbei als bei Janika. Vielleicht, weil er Ă€lter ist? Vielleicht, weil er ein Mann ist? Vielleicht hat er einfach GlĂŒck. Trotzdem ist es fĂŒr Ingo ein einschneidender Moment, der seine Sicht auf den Staat und die Polizei nachhaltig verĂ€ndert.
Ingo Blechschmidt: Also ich war erstens völlig fertig mit den Nerven, weil das war ja der erste Polizeikontakt in meinem Leben. Hier spricht natĂŒrlich wieder dieses Privilegierte raus. Wenn man ja mĂ€nnlich ist, weiĂ, ein akademisches Elternhaus hat und einfach nur sein Mathe Ding durchzieht und da Doktorarbeit schreibt, dann dann wird man nur ein tolles Bild von der Polizei haben. Weil man halt nur das Bild aus KinderbĂŒchern kennt und nicht im echten Leben anderweitig andere Erfahrungen machen muss.
Serafin Dinges: Die Augsburger Polizei steht an diesem Tag aber nicht nur bei Anika und Ingo vor der TĂŒr.
Kreide bei den Eltern?
Gotlind Blechschmidt: Ja. Hallo? Gotlind Blechschmidt hier.
Serafin Dinges: Bei Ingos Mutter wurde eine Hausdurchsuchung gemacht, weil Ingo noch bei ihr gemeldet ist. Sie ist promovierte Geographin, schreibt als Alpinjournalistin Texte ĂŒber Berge und Wanderungen.
Gotlind Blechschmidt: Ich bin viel in Bergen unterwegs, da sehe ich seit jeher das ZurĂŒckziehen der Gletscher. Und die Sache ist extrem wichtig. Und insofern stehe ich doch im GroĂen und Ganzen hinter allem.
Serafin Dinges: Polizeikontakt hatte sie in dieser Form aber noch nie. Als am Tag der Durchsuchungen dann plötzlich etliche Polizistinnen vor ihrer TĂŒr stehen, erkennt Gotlind sie zuerst gar nicht.
Gotlind Blechschmidt: Ja, ich hab hier einen Balkon, der zur StraĂenseite geht. Und das ist dann so, dass ich, wenn es, wenn ich noch oben bin, im ersten Stock, wo mein Schlafzimmer ist, dass ich dann zu dem Balkon gehe und runter schaue, wer da klingelt. Und so war das auch damals und ich gehe da zum Balkon, schaue runter und da stehen dann so circa acht dunkelblau gekleidete Personen und ich habe die zuerst verwechselt. Weil am Tag zuvor, da hatte ich Handwerker im Haus und die haben gesagt, sie kommen wahrscheinlich morgen wieder und die waren auch blau angezogen. Und da dachte ich zuerst: Mein Gott, was kommen die denn so frĂŒh? Also so war das. Und dann hat sich rausgestellt, es ist die Polizei und sie haben einen Hausdurchsuchungsbefehl.
Serafin Dinges: Die Beamtinnen erklĂ€ren ihr, es geht um die SprĂŒhkreide-Aktion von Greenpeace.
Gotlind Blechschmidt: Also bei dieser Kreideaktion, da wusste ich ĂŒberhaupt nicht, worum es geht. Die haben mir es aber schon irgendwie erklĂ€rt und sie mĂŒssten hier nach dieser Kreide suchen.
Serafin Dinges: Und dann ging das dann los.
Gotlind Blechschmidt: Also ich habe, dann haben sie mich gefragt, welche Zimmer denn von meinem Sohn bewohnt werden oder wo er Zutritt hat quasi. Und das waren ja dann nur ein oder zwei Zimmer. Ăhm, ja und da wurde ja dann auch nichts gefunden.
Spendenaufruf
Serafin Dinges: Hallo.
Ole: Hi. Jetzt. Ich musste hier kurz meine Ohrstöpsel reinstecken.
Serafin Dinges: Hallo, Ole.
Ole: Hi.
Ole: Wobei erwische dich gerade?
Ole: Ăh, tatsĂ€chlich gestalte ich mal wieder. Was in meinem Arbeitsalltag weniger vorkommt in letzter Zeit. Aber gerade ist es mal wieder so weit.
Serafin Dinges: Was ist denn eigentlich deine Rolle? Ich habe das GefĂŒhl, dass bei fast allen Sachen bei Netzpolitik irgendwo deine Finger im Spiel.
Ole: Ja, genau. Also eigentlich angefangen habe ich mal als Grafiker, als Gestalter, weil es hieĂ, man braucht einen Grafiker. Aber als ich hier ankam, habe ich festgestellt, dass es andere Baustellen noch gibt oder viel gröĂere Baustellen gibt. Und ich hab mir dann hier Aufgaben gesucht, wo ich der Meinung war, die sind zu doll liegengeblieben, nĂ€mlich zum Beispiel das Fundraising, was im Prinzip fast gar nicht stattgefunden hatte. Damals, als ich kam, und habe mich dann primĂ€r darauf konzentriert und es hat sich dann mittlerweile so verselbststĂ€ndigt und verstetigt. Jetzt bin ich eigentlich der Fundraiser.
Serafin Dinges: Perfekte Ăberleitung, weil jetzt weil ich ruft ich natĂŒrlich an, um dich zu fragen, warum Hörerinnen denn an netzpolitik.org spenden sollten.
Ole: Weil wir einfach gute Arbeit machen. Machen wir einfach. Die ganze Zeit wĂŒhlen wir durch Gesetze, gucken uns GesetzesantrĂ€ge an, schreiben Pressemitteilungen und gehen dem Staat und den Konzernen auf die Nerven, um aus diesem Meer an schlechten Nachrichten, die auf uns einpreschen, irgendwas Gutes raus zu kriegen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen und nicht zu verzagen. Das ist eigentlich der Grund.
Serafin Dinges: Warum ist dieser unabhÀngige Journalismus gerade so wichtig?
Ole: Also wir hatten jetzt gerade die ThĂŒringen, weil wir erleben einen gesellschaftlichen Rechtsruck und die Angriffe von autoritĂ€ren Regimen auf Pressefreiheit nehmen einfach zu. Deutschland ist von der Pressefreiheit und im Pressefreiheit-Ranking nach unten gerutscht. Wir sehen Russland, Ungarn ĂŒberall, nehmen die Angriffe auf Presse zu und umso wichtiger ist es, dass man ein Leuchtturmprojekt hat, das einfach unabhĂ€ngig von Staat und Konzernen oder irgendwas recherchieren und arbeiten kann. Das ist, glaube ich, enorm wichtig in den aktuellen Zeiten. Das geht nur durch Leserfinanzierung bei uns.
Serafin Dinges: Wenn ihr diesen unabhĂ€ngigen, werbefreien, einzigartigen â hab ich was vergessen? â Journalismus unterstĂŒtzen wollt, dann findet ihr alle Infos unter netzpolitik.org/spenden. Vielen Dank, Ole.
Ole: Gerne. Bis bald.
Gefahr im Verzug
Serafin Dinges: Weil Ingo damals nicht bei seiner Mutter war, musste kurzfristig noch die Wohnung von seiner Freundin durchsucht werden. Auf diesem Durchsuchungsprotokoll steht deshalb Gefahr im Verzug. Das heiĂt, es wurde angenommen es geht eine dringende Gefahr von Ingo aus. Und fĂŒr die sonst bei Durchsuchungen ĂŒbliche Kontrolle durch eine Ermittlungsrichter bleibt keine Zeit. Welche Gefahr? Auf unsere Nachfrage hin heiĂt es: Es bestand die Gefahr eines drohenden Beweismittelverlusts. Beweise fĂŒr eine Aktion, die ein halbes Jahr zuvor passiert ist. Eine Aktion, zu der sich Greenpeace Augsburg noch am selben Black Friday in einem Pressestatement bekannt hatte. Janika und Ingo waren dort nie Mitglieder.
Alexander Mai: Bei der BegrĂŒndung der Polizei hieĂ es, dass Janika und Ingo durchsucht wurden, weil das waren die zwei, die man auf den Kameraaufnahmen identifizieren konnte.
Serafin Dinges: Das ist Alexander Mai. Ein weiteres Mitglied der Fridays-for-Future-Gruppe in Augsburg, den wir zusammen mit Ingo getroffen haben. Alexander findet es lÀcherlich, dass die beiden beschuldigt wurden.
Alexander Mai: Ingo hat eine sehr einzigartige Statur, sehr, sehr groĂ, sehr dĂŒnn. Von der Haltung her auch erkennbar. Es ist kein Diss, aber man sieht schon, dass du es bist. Von weitem. Und auch sonst Brille, auch an den Haaren erkennbar. Sowas.
Serafin Dinges: Es gibt noch einen weiteren Grund, warum Ingo und Janika den Vorwurf lĂ€cherlich finden. Und zwar finden sie die konsumkritischen Botschaften dieser SprĂŒhkreide-Aktion gar nicht mal so gut. Die beiden sind nĂ€mlich â Achtung! â Konsumkritik-kritisch.
Janika Pondorf: Konsumkritik-Kritik heiĂt fĂŒr mich, dass wir ablehnen, alle einzelnen Personen dafĂŒr verantwortlich zu machen, wie sie sich verhalten. Also wir glauben nicht daran, dass die groĂe VerĂ€nderung dadurch kommt, dass wir uns alle an die eigene Nase fassen und unser eigenes Verhalten hinterfragen. Weil wir erstens nicht glauben, dass es funktionieren wird, dass wir so viele Leute erreichen werden. Zum Zweiten, weil wir es nicht fĂŒr sozial gerecht halten. Weil einfach verschiedene Leute verschiedene Möglichkeiten haben und oft einfach die klimafreundlicheren Möglichkeiten teurer sind.
Serafin Dinges: Janika und Ingo glauben also nicht, dass die SprĂŒhbotschaften der Greenpeace-Aktion die Richtigen treffen. Sie wollen nicht das Kaufverhalten einzelner Menschen kritisieren, sondern sie fordern gröĂere, systematische VerĂ€nderungen. Dass die Staatsanwaltschaft gegen Janika und Ingo ermittelt, hinterlĂ€sst also eine Menge Fragezeichen. WĂ€hrend des ganzen Prozesses durfte niemand auf der Seite der Beschuldigten jemals das belastende Videomaterial sehen. Greenpeace hatte Janika und Ingo solidarisch eine AnwĂ€ltin gestellt, aber auch die bekam auf Nachfragen beim Gericht keinen Einblick. Uns sagt die Staatsanwaltschaft, dass das bei Videomaterial manchmal kompliziert sei, aber dass die Beschuldigten jederzeit bei der Staatsanwaltschaft vorbeikommen hĂ€tten können, um sich die belastenden Videos anzuschauen. Das sei wohl nicht passiert. Ingo jedenfalls erzĂ€hlt uns, sie hĂ€tten die Videos nie gesehen. Ingo bezeichnet diesen Vorfall als den Beginn der Kriminalisierung der Klimabewegung in Augsburg.
Ingo Blechschmidt: Weil wir halt bis dato ĂŒberhaupt nicht reflektiert waren bezĂŒglich der Rolle der Polizei oder auch allgemeiner der Rolle des Staates in der Klimakrise. Wir dachten mehr oder weniger, es passt schon alles. In Deutschland lĂ€uft alles in Ordnung. Wir mĂŒssen jetzt irgendwie die Politiker darauf hinweisen, dass es die Klimakrise gibt. Sobald sie aber das dann verstanden haben, werden auch die sich ganz toll darum kĂŒmmern.
Der Beginn einer langen Entwicklung
Serafin Dinges: Er, Janika und andere in der Bewegung sehen die Hausdurchsuchung als einen klaren EinschĂŒchterungsversuch. Sie verstehen nicht, warum sie ĂŒberhaupt verdĂ€chtigt wurden. Und selbst wenn die VorwĂŒrfe zugetroffen hĂ€tten: So ein Riesenaufgebot wegen ein bisschen SprĂŒhkreide. Sie vermuten dahinter mehr. Und in Augsburg wurde damit eine Entwicklung losgetreten, die jetzt schon ĂŒber vier Jahre andauert.
Ingo Blechschmidt: Und die Hausdurchsuchung hat uns da dann halt wirklich wachgerĂŒttelt und verschiedene Reflexionsprozess in Gang gesetzt und so auch den NĂ€hrboden bereitet fĂŒr das Klimacamp und dann fĂŒr alle Aktionen, die daraus hervorgehen.
Serafin Dinges: Das Klimacamp, von dem Ingo hier spricht. Das ist der nÀchste Schritt in der Eskalation zwischen Stadt und Aktivistinnen.
Ingo Blechschmidt: WĂ€re die Hausdurchsuchung vorher nicht gewesen, weiĂ ich nicht, ob wir so ein Klimacamp gegrĂŒndet hĂ€tten. Also der die Hausdurchsuchung war schon der Beginn von ner langen Entwicklung.
Serafin Dinges: Das Klimacamp ist eine dauerhafte Versammlung vor dem Rathaus, wo Mitglieder von Fridays-for-Future Augsburg nun schon seit Jahren demonstrieren. DarĂŒber mehr in der nĂ€chsten Folge. Vorher aber zurĂŒck zu Janika.
Janika Pondorf: Dann dachte ich, ich habe damit abgeschlossen. Aber unterschwellig war es noch nicht weg.
Serafin Dinges: Auch Janika ist bei der GrĂŒndung des Klimacamps dabei. Die ersten Monate ist sie mitgerissen von der neuen Energie.
Nichts geht mehr
Janika Pondorf: Und dann gingâs irgendwie eine ganze Zeit lang, dass ich einfach weitergemacht habe, als wĂ€re nichts. Und dann hat es mich eingeholt. Und dann ging auf einmal gar nichts mehr.
Serafin Dinges: UngefĂ€hr ein Jahr nach der Hausdurchsuchung bekommt Janika plötzlich Flashbacks, wenn sie auf der StraĂe unterwegs ist und Polizeibeamtinnen sieht in Uniform. Dann beginnt sie zu dissoziieren.
Janika Pondorf: Dissoziiert heiĂt, dass ich mich quasi von der wirklichen Welt so emotional abgespalten habe, dass ich dann in der Situation erstarrt bin. Und das ist dann auch gefĂ€hrlich, wenn man so drauĂen unterwegs ist, weil man drauĂen ja immer wieder Polizeibeamtinnen begegnet und wenn man das nicht kontrolliert beenden kann. Eben diese Flashbacks und Dissoziationen, da kann man eigentlich nicht alleine rausgehen.
Serafin Dinges: Wie sieht so eine Szene aus, wenn du jetzt mit Freundinnen unterwegs bist? Was sehen die und was geht gleichzeitig bei dir vor?
Janika Pondorf: Also ich habe eine ganze Zeit lang vermieden, in solche Situationen zu kommen. Das heiĂt, ich bin gar nicht erst rausgegangen. Aber ab dem Moment, wo ich wieder rausgegangen bin, auch mit Freundinnen, habe ich denen dann meinen Ammoniak gegeben. So ne kleine Ampulle, die, wenn man sie durchbricht, sehr, sehr stark riecht. Und die konnten sie mir dann unter die Nase halten, um mich aus einer Dissoziation wieder rauszuholen. Sprich ich bin dann mit Freunden drauĂen gewesen, habe Polizei gesehen, bin in dem Moment erstarrt. Meine Freundinnen haben das gemerkt und haben dann schnell reagiert, weil ich ihnen vorher das Ammoniak gegeben habe, die Ampulle zerbrochen, mir unter die Nase gehalten und dann bin ich langsam wieder in die RealitĂ€t zurĂŒckgekehrt.
Serafin Dinges: So geht es einige Monate fĂŒr Annika. Dann, im November 2021, eineinhalb Jahre nach der Hausdurchsuchung, kommt die Einstellung des Verfahrens.
Ingo Blechschmidt: Das Verfahren gegen mich wurde dann auch anderthalb Jahre spÀter sang und klanglos eingestellt. Beweise wurden nie vorgelegt, Anklage wurde nie erhoben.
Serafin Dinges: Ingo und Janika bekommen einen maximal sachlichen Brief zugeschickt.
Stimme: Das Ermittlungsverfahren wird gemÀà Paragraf 170, Absatz zwei Strafprozessordnung eingestellt.
Serafin Dinges: Na, dann ist ja alles geklÀrt. Janika geht zu dieser Zeit wegen ihrer posttraumatischen Belastungsstörung ein halbes Jahr lang in stationÀre Behandlung. Sie ist zu dem Zeitpunkt 16 Jahre alt und entscheidet sich wegen der Behandlung, eine Jahrgangsstufe in der Schule zu wiederholen.
Janika Pondorf: Das war so dadurch, dass ich so lange stationĂ€r Therapie war und ich hĂ€tte dann, wenn ich wieder rausgekommen bin, hĂ€tte ich direkt mein Abitur gehabt. Das hat dann nicht funktioniert. Das heiĂt, ich bin dann freiwillig zurĂŒckgetreten und habe dann ja spĂ€ter Abitur gemacht.
Serafin Dinges: Heute mit 19 kann Janika gut darĂŒber sprechen. Sie hat keine Flashbacks mehr. Dank Jahren an Therapie.
Janika Pondorf: Ja, mittlerweile kann ich es einordnen. Mittlerweile kann ich darĂŒber sprechen, ohne dass ich wĂ€hrenddessen Flashbacks bekomme oder dissoziiere. Das war frĂŒher so nicht möglich. Und ich kann auch wieder alleine auf die StraĂe gehen. Ich habe nicht mal mehr immer Ammoniak dabei. Von daher: Also es geht mir sehr viel besser und ich kann da relativ distanziert drĂŒber reden. Ich merk aber schon auch, dass es mir trotzdem noch nahe geht, drĂŒber zu reden. Es ist nicht, dass es mich komplett emotional kalt lĂ€sst, aber ich kann damit umgehen.
Erst der Anfang
Serafin Dinges: In Augsburg, wÀhrend Janika in Therapie ist, geht das Klimacamp weiter. Ihre Mitstreiterinnen halten die Stellung vor dem Rathaus. Jeden Tag, jede Nacht. Vier Jahre lang. Und der Konflikt zwischen Staatsschutz und Aktivistinnen, der fÀngt gerade erst an. NÀchste Woche bei Systemeinstellungen:
Alexander Mai: Wir vertrauen der Stadt halt einfach ĂŒberhaupt gar nicht, mit der Klimakrise klarzukommen. Und deswegen sind wir auch da.
Stimme: Alexander Mai glaubt, die Hausdurchsuchung hatte den Zweck, an Daten der Klimaaktivisten zu kommen. Die Polizei widerspricht.
Alexander Mai: Aber die Stadt hat uns einfach wieder verarscht, muss man ganz offen sagen, wie sie es schon oft getan hat.
Serafin Dinges: Systemeinstellungen ist eine Produktion von netzpolitik.org, dem Medium fĂŒr digitale Freiheitsrechte. Host und Producer bin ich, Serafin Dinges. Redaktion: Anna Biselli, Chris Köver, Ingo Dachwitz und Sebastian Meineck. Titelmusik von Daniel Laufer. ZusĂ€tzliche Musik von Bluedot Sessions und mir. Coverdesign: lea Binsfeld. Besonderen Dank an Lara Seemann und Lena SchĂ€fer. Wenn euch der Podcast gefallen hat, dann freuen wir uns sehr ĂŒber eine gute Bewertung und wenn ihr ihn an Freundinnen weiterempfiehlt.
Serafin Dinges: Systemeinstellung ist ein Podcast von netzpolitik.org, dem Medium fĂŒr digitale Freiheitsrechte. Netzpolitik.org macht mit dieser Arbeit keinen Gewinn und ist spendenfinanziert. Schon ein paar Euro im Monat helfen beim Kampf gegen Ăberwachung, Netzsperren und digitale Gewalt. FĂŒr Transparenz, Datenschutz und digitale Rechte. Wenn du diese Arbeit unterstĂŒtzen willst, spende jetzt unter netzpolitik.org/spenden.
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|Talk von Rechtsanwalt Udo Vetter auf dem Chaos Communication Congress|
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Skriptlauf: 2024-06-16T18:02:03