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Montag, 22. Januar 2007 um 14:00 Uhr von fnord
Der Chaos Computer Club Dresden kritisiert die von Buttolo geforderte Videoüberwachung in der Dresdner Neustadt als Aktionismus ohne Argumente. Den vom Innenministerium aufgestellten Behauptungen, Videoüberwachung hätte Präventionswirkung und ermögliche eine bessere Strafverfolgung stehen sowohl Erfahrungswerte als auch wissenschaftliche Studien entgegen.
Glaubt man den Darstellungen der Befürworter von Videoüberwachung, so scheint diese geradezu ein Wundermittel für die Sicherheitslage und Gesellschaft zu sein. Angeblich ist sie eine Maßnahme zur Abschreckung und Prävention, zur verbesserten Strafverfolgung und erhöhe dabei sogar noch das Sicherheitsgefühl der Menschen.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Außer auf überwachten Parkplätzen, bei denen nach Installation von Videokameras ein Rückgang von Diebstählen feststellbar war, hat Videoüberwachung nicht die kriminalpräventive Wirkung, wie der Innenminister behauptet. So ist einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie von 2005 aus Großbritannien, die vom dortigen Innenministerium in Auftrag gegeben wurde, zu entnehmen, dass Videoüberwachung keine signifikanten Auswirkungen auf Affekt-Straftaten besitzt.
Und auch der Verweis auf "gute Erfahrungen" bei den Überwachungsanlagen in Leipzig entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Wunschdenken. So hat sich am Roßplatz und Martin-Luther-Ring in Leipzig die Zahl der Straftaten zwischen 1997 und 1999 von insgesamt 2767 auf 1113 mehr als halbiert - und zwar bevor dort Kameras aufgebaut wurden. Davon standen 1999 knapp 1000 im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen.
Diese Tatsachen werden auch durch die Studien aus Großbritannien bestätigt, wo sich die Anzahl der Straftaten in den videoüberwachten Gebieten und den untersuchten Kontrollgebieten ohne Videoüberwachung gleichermaßen entwickelt haben. "Das der Innenminister bei diesen Tatsachen von einem Erfolg durch Videoüberwachung spricht, ist eine handfeste Frechheit", so Dimitri Puzin, Sprecher des CCC Dresden.
Dass die Beweissicherung und Strafverfolgung durch Videoüberwachung erleichtert wird, ist bisher ebenfalls unklar. "Darüber gibt es schlicht noch keine Untersuchungen und Zahlen, daher kann sich niemand in seiner Argumentation darauf stützen. Gerade, wenn Menschen in großen Mengen auftreten und durch Kleidung und Erscheinung kaum auseinander zu halten sind, können Kamerabilder sogar zu falschen Verdächtigungen führen.", so Puzin. Bei der großen Anzahl von Videokameras im öffentlichen Raum ist es sogar verwunderlich, dass so selten Erfolgsmeldungen durch Videoaufzeichnungen auftauchen. Dazu Puzin weiter: "Hier stellt sich die Vermutung, dass das Wunschdenken von Überwachungsbefürwortern mit der Realität kollidiert. Auch können einzelne Erfolgsmeldungen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Verhältnismäßigkeit erheblich leidet - schließlich ist von der Überwachung jeder betroffen."
In Großbritannien stellt man mittlerweile sogar fest, dass das Sicherheitsgefühl der Menschen durch Videoüberwachung anscheinend ebenfalls nicht ansteigt. Das ist nicht verwunderlich, denn das staatliche Auge schützt nicht vor Straftaten und kann im Ernstfall nicht eingreifen.
Das gerade dann, wenn es um erhebliche Freiheitseinschränkungen geht, immer wieder die alte Binsenweisheit, dass wer nichts zu verbergen habe, auch nichts befürchten müsse, angebracht wird, ist skandalös. Spätestens nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts sollte feststehen, dass jeder etwas zu verbergen hat und zwar ohne, das er sich mit dieser Einstellung verdächtigt macht. Das Einzelne mit Videoüberwachung kein Problem haben, ist zwar traurig, aber sollte dennoch nicht über die Auswirkungen, die zunehmende Überwachung - gerade im sensiblen öffentlichen Raum, der für demokratische Strukturen und das Recht auf freie Entfaltung unerlässlich ist - hinwegtäuschen. Denn die Tendenz geht bereits heute in allen Bereichen zu mehr Überwachung und mehr Verarbeitung persönlicher Daten.
Das bereits jetzt anscheinend darüber nachgedacht wird, die Kamerabilder auch gleich bei weiteren Anlässen wie der Bunten Republik Neustadt zu benutzen, zeigt, dass die Verantwortlichen überhaupt nicht sensibilisiert für dieses Thema sind. Videoüberwachung ist in dem Fall Teil des Trends zum Generalverdacht und zur Untergrabung der Unschuldsvermutung. Wie bei Rasterfahndung und Vorratsdatenspeicherung steht nicht eine konkrete Straftat im Mittelpunkt polizeilicher Ermittlungen, sondern die Unterstellung, dass jeder, der sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhält, grundsätzlich verdächtig ist. Dazu Puzin: "Überwachung überführt nicht die Straftäter, sondern stellt Menschen, die sich nichts zu schulden kommen lassen, unter einen Generalverdacht."
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