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date: 2024-11-10T19:15 tags: [date/2024/11/10, gemnews]
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created: 2024-11-10T11:06:18 (UTC +01:00) tags: [] source:
https://emrawi.org/?Dieser-Account-wurde-geloscht-Unknown-User-3431
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## Excerpt
Für alle deren Aufmerksamsspanne für Videomaterial bei 7 Sekunden oder für Text bei 25 Zeichen besteht: Verwendet squat.radar.net oder (autonome) Kalender, flyert oder nutzt Fediverse-Instanzen. (...)
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Für alle deren Aufmerksamsspanne für Videomaterial bei 7 Sekunden oder für Text bei 25 Zeichen besteht: Verwendet squat.radar.net oder (autonome) Kalender, flyert oder nutzt Fediverse-Instanzen. Jetzt! Warum? Das erfahrt ihr unten.
Wir rufen hiermit dazu auf, die Kooperation mit Social Media Firmen wie Meta (Instagram, Facebook, etc.) oder Alphabet (Google) zu beenden, keine Posts mehr zu veröffentlichen, jeglichen kommerziellen Social-Media-Polit-Orga-Account aufzulösen und sich damit aus der Klammer der digitalen Monopole zu befreien! Das ist nicht der erste Text dieser Art, daher verweisen wir auf andere Beiträge bereits erschienener Texte zur Technologiekritik oder Überwachung und Herrschaft auf Emrawi (siehe ganz unten).
Wir konzentrieren uns dabei zunächst auf das Hauptargument, das aus der Szene heraus für die Verwendung von z.B. Instagram hervorgebracht wird. Im Text "Die Wiener Politszene bewirbt Überwachungskapitalismus" lesen wir dazu als Diagnose: "Mit Hashtagaktivismus und Selbstdarstellerei wird vergeblich versucht, linke, emanzipatorische Ansätze über soziale Netzwerke zu verbreiten. Als Vorwand von Gruppen wird oft angegeben, dass es notwendig sei, auf Überwachungstechnologie zu setzen, um Menschen zu erreichen." Auch wenn wir der weiteren holzschnittartigen Analyse des Textes nicht zur Gänze folgen, stimmen wir der hier getroffenen Aussage zu. Politarbeit, die im Netz ihre Inhalte über große kommerzielle Plattformen vermarktet, wird im Sinne des höheren politischen Ziels für notwendig erachtet und legitimiert. Kompromisse erscheinen unvermeidlich. Meredith Whittaker (CEO von Signal) spricht davon, wie beeindruckend es sei, dass Linke sich auf Staatsüberwachung fokussieren würden, jene durch Firmen jedoch mit ausgebreiteten Armen empfingen - hieran hat sich reichlich wenig geändert. Und auch die im Text nachfolgend gestellte Frage, ob "es ernst gemeinte antikapitalistische, emanzipatorische Politarbeit geben [kann], wenn diese im gleichen Atemzug eine kapitalistische Zukunft der totalen Kontrolle bewirbt?" halten wir für gefährlich aktuell.
Wir wollen an dieser Stelle drei Punkte ausmachen, die sich aus unserer Perspektive an einer technologie-unkritischen bzw. kompromissorientierten Haltung problematisieren lassen und sie nachfolgend entkräften: 1. Politische Praxis bedeutet hauptsächlich Mobilisation und Post-Produktion auf Sozialen Netzwerken, 2. Das höhere (politische) Ziel macht Kompromisse im Gebrauch von Technologien notwendig, 3. Kämpfe, die sich auf digitale Autonomie, Privacy/Anonymity und digitale Selbstverteidigung beziehen, seien abgekoppelt von einem allgemeinen ’politischen’ Kampf.
1.)
"Mobilisieren" oder das Aufbauen von "Reach"/ Reichweite hat die größtmögliche zielgruppenspezifische Verbreitung von Inhalten zum Zweck. Politische Aufklärungsarbeit soll mehr Menschen für den richtigen (antifaschistischen/antirassistischen/queerfeministischen/ usw.) Zweck sensibilisieren und gegebenfalls zum Besuch von Szene-Events bewegen.
Selbst wenn diese Form politischer Praxis unkritisch angenommen würde (für eine notwendige Kritik jener Politiken per se siehe: z.B. "Die Erstürmung des Horizonts" und weiter in Punkt 2), verfehlt sie in der Verwendung großer kommerzieller Plattformen jedoch ihren Zweck. Lydia Kollyri der Cyprus University erklärt in ihrer 2021 erschienenen Studie: "The findings of my audit studies indicate that Instagram users are relatively likely to encounter more mainstream and commercial content regardless of their interests. First and foremost, without use history, algorithms endorse and bring into attention posts created by business profiles with many followers and likes promoting their services and products." Hashtags wie "MeToo" bzw. die Popularität mancher ’kritischer’ Diskurse wurden/werden kapitalistisch verwertet und dienen der Sichtbarkeit einiger Unternehmen und deren Produkten. Es liegt in Instagrams Geschäftsmodell Nutzer*innen diejenigen Inhalte vorzuschlagen, die populär sind oder von anderen gefolgten Accounts ebenfalls gemocht werden. Instagram unterscheidet prinzipiell nicht zwischen privaten und kommerziell genutzen Accounts. Unabhängig jedoch davon, um welche konkreten Inhalte es sich handelt, werden algorithmisch die Beiträge von Unternehmen bzw. Produktplatzierungen verstärkt.
Kollyri bezeichnet die algorithmisch gelenkten Effekte der Plattform in Anlehnung an Guy Debord, "filter bubble(s) of the spectacle". Instagram fungiert als kapitalistisches Instrument/Akteur und lässt standardisierte, kaum permeable Blasen entstehen, in denen sich eine Logik des Konsums und der Pseudobedürfnisse propagieren. Letzlich finden wir uns wieder in einer "täglichen Passivität hergestellt und kontrolliert durch den Kapitalismus" (Debord, 1962). Ich kann mich in meinem Gefühl der eigenen Handlungsunfähigkeit behaglich einrichten, solange ich glaube zu sehen, wie auf Instagram noch politische Arbeit gemacht wird. Die Plattform selbst ist der Raum des Spektakels par excellence, in dem die Repräsentation mehr zählt, als das tatsächlich gelebte Leben.
Dieser Umstand lässt sich unseres Erachtens nicht auflösen oder relativieren über die Vorstellung auf Social-Media-Plattformen lasse sich mit der inhärenten Produktionslogik brechen ("die Algorithmen besser verstehen", "strategisches Content-Management"). Weder findet auf Plattformen wertschöpfende Arbeit durch die User*innen statt noch lässt sich von einem fortgeschritteneren Stadium der Produktion mit leichter zugänglichen Produktionsmitteln sprechen, in dem wir mehr Autonomie besitzen und in den Produktionsprozess entscheidender eingreifen könnten.
Nähme sich emanzipatorische Praxis ernst, ginge es jedoch gerade darum, sich dem Spektakel im Versuch zu entziehen, die eigenen Bedürfnisse zu fassen zu bekommen. Auszubrechen aus der Vermittlung der Bilder über Bilder heißt demnach, sich in Opposition zur (digitalen) kapitalistischen Maschine zu begeben.
2.)
Der zweite kritische Aspekt liegt im Glauben an die Notwendigkeit der Kompromissbereitschaft. Das bereitwillige Partizipieren im und am technologischen Angriff auf unser Leben richtet sich auf die Preisgabe und Aufgabe gerade jener Werte, die wir paradoxerweise dadurch glauben zu gewinnen.
Ein Kompromiss in diesem Zusammenhang bedeutet nicht Zugewinn auf der einen und (’verkraftbaren’) Verlust auf der anderen Seite, sondern die Korrumption unserer eigenen Fähigkeiten und Macht. Der Kompromiss per se ist nicht notwendig, weil Alternativen zu großen Plattformen bereits existieren. Nach der Twitter-Übernahme durch Elon Musk kündigte sich ein Exodus hin zu Mastodon-Instanzen im Fediverse an, der diesem Netzwerk einen Zustrom neuer User*innen bescherte. Gelöst von der Wahnvorstellung nach immer größerer digitaler Reichweite, bieten diese Instanzen einen großen Funktionsumfang und können zur Kommunikation, Aufklärungsarbeit oder News-Schleuder dienen. Außerdem bieten andere Tech-Kollektive Werkzeuge wie z.B. Open-Source Demoticker an.
Der Preis für die Nutzung kommerzieller Dienste und unsere Korrumption zeigt sich auch in der Abhängigkeit von eben jenen Plattformen. Sind die Server der Anbieter down, gehackt oder nicht mehr rentabel, sind auch die mühevoll aufgebauten Accounts oder gespeicherten Daten weg. Eventuell ist es der Staat, der Teile des Internets oder gewisse Dienste zensiert und unseren Zugriff sperrt. Abgesehen von der (willentlich erkauften) Hinnahme der horrenden ökologischen Kosten zum Betrieb dieser Server, werden damit die Kontrolle nicht nur über die Steuerung der Inhalte (1.), sondern auch über den Besitz und die Zustimmung der Preisgabe dieser Informationen aufgegeben. Überwachungs-kapitalistische Mechanismen zielen in besonderem Maße darauf ab, die Identifikation und das Mapping einzelner Profile zu betreiben. Wer glaubt sich davor mit einem Social-Media-Handy schützen zu können, irrt und sollte sich über die systematische Verfasstheit digitaler Kontrolle bewusst werden! Davon abgesehen ist es nicht das einzelne Handy/Computer/Account, das uns der Kontrolle preisgibt, es ist die kollektive Ignoranz und Willfährigkeit zur Datengabe, die uns daran hindert dem technologischen Angriff etwas entgegenzustellen, bzw. dazu führt mit internationalen Unternehmen zu kooperieren. Es liegt im Interesse privater Unternehmen und des Staates Konsument*innen und Bürger*innen zu disziplinieren, zu kontrollieren und jegliche Möglichkeit des Aufstands zu unterdrücken. Alles daran macht einen Kompromiss gefährlich.
3.)
Solange wir es nicht schaffen, unsere eigenen (online und offline) Netzwerke aufzubauen und Beziehungen zu etablieren, die es ermöglichen, sich einer kapitalistischen und staatlichen Logik der Kontrolle zu entziehen, erdrückt uns die Totalität des Spektakels. Wer die Allgegenwärtigkeit der staatlichen und kapitalistischen Kontrolle und die Möglichkeiten, sich ihr zu widersetzen, nicht wahrnimmt, verkennt sowohl die komplexen Mechanismen moderner Herrschaftslogiken als auch die Potenziale, die sich in ihrer Gegenbewegung finden lassen. Im technologischen Angriff handelt es sich nicht um eine abstrakte Gefahr ferner totalitärer Dystopien, sondern um konkrete, materielle und alltägliche Einschnitte in unsere Leben. Den Aufruf, sich zu entziehen, zu löschen, zu unterbrechen und zu kontern, in seiner Schwere zu erkennen, heißt beginnen, sich zu wehren und die spezifischen Punkte des Gegen-Angriffs auszumachen.
Wir laden alle herzlich dazu ein, die folgenden Alternativen (zu Social Media) zu nutzen und sich im Dezember mit uns ins Gespräch zu begeben:
"Alternative and radical events agenda", ein globaler Kalender, in dem Events angekündigt werden, ob Küfa, Demos, Diskussionsrunden oder Konzerte. In anderen Teilen der Welt stark genutzt, in Wien definitiv zu wenig. Nicht nur wertvoll für die lokale Szene, sondern auch wichtig für die Vernetzung mit Menschen aus anderen Städten.
"events.cudy.org ist der Versuch, eine Veranstaltungsplattform für Wien auf die Beine zu stellen, die abseits von Überwachungsplattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram funktioniert, aber dennoch in soziale Netzwerke eingebunden ist."
"Linker und radikaler Kalender für Wien", der Kalender des feministischen Server-Kollektivs diebin.at. Wird zwar genutzt, viele Sachen werden aber doch nicht eingetragen oder es werden lediglich Instagram-Posts verlinkt.
/ Fediverse
Das Fediverse beschreibt ein Open-Source Netzwerk, innerhalb dessen verschiedene Services kommunizieren und genutzt werden können. Mastodon z.B. ist ein Twitter-ähnlicher Dienst, der über verschiedene selbstverwaltete Server läuft und bspw. als Mikro-Blog verwendet werden kann.
E-Mail Newsletter
Einfach und weit verbreitet.
Poster & Flyer
Kein Algorithmus, kein Unternehmen, kein Strom notwendig, 1000 Möglichkeiten, schnell gemacht und effektiv. Baut euch eure eigenen Strukturen auf! "The freedom of the press is guaranteed only to those who operate one."
Warum ist es wichtig sich über Privacy, Überwachungs-Kapitalismus, (digitale) Kontrolle und Selbstverteidungsstrategien Gedanken zu machen? Das wollen wir auch mit euch am 12. Dezember 2024 im Politbeisl im EKH diskutieren. Kommt vorbei!
https://emrawi.org/?Die-Wiener-Politszene-bewirbt-Uberwachungskapitalismus-1953
https://emrawi.org/?Okcupid-Match-me-if-you-can-322
https://emrawi.org/?Brenn-Internet-brenn-1505
https://capulcu.blackblogs.org/
Zines:
https://emrawi.org/?Broschure-How-to-Digitale-Sicherheit-nun-online-2449
https://emrawi.org/?Es-ist-soweit-das-neue-Wiki-zu-digitaler-Sicherheit-ist-endlich-da-1695
"Dieser Account wurde gelöscht - Unknown User" - EMRAWI was published on 2024-11-10