Brunhilde Marzy

Die getippten und photokopierten Erinnerungen, etwas mehr als 150 Seiten: Mein Leben, von Brunhilde Marzy, der Schwester von meinem Grossvater, Günther Schröder.

Mein Leben

Mein Leben

wie es wirklich war

Diesen folgenden Bericht soll euch meine lieben Kinder – (eventuell auch später meinen geliebten Enkeln) – ein Bild vor Augen führen, wieviel Glück, wieviel Liebe und Freude – aber auch wieviel Sorge, Not und Leid ich in meinem langen Leben erfahren habe. Mein Leben mit all den herrlichen Tagen im Elternhaus, mit dem Heranwachsen zum “Backfisch” – zum “Teenager” – zum “Fräulein” und letztenendes zur “Frau”. Aber auch vom schweren und schwersten Lebenskampf, der manchmal unüberwindlich schien.

Trotz der harten Zeiten hatten die Menschen noch viel übrig für ein gutes Familienleben, ein schönes Daheim, einen Luxus wie heute kannte man nicht. Zu diesen Menschen gehöre wohl auch ich. Vielleicht habe ich deshalb zuviel Gefühl in mein Schreiben gelegt.

Wie es auch sei, versucht mich zu verstehen. Ich habe hier niedergeschrieben, wie ich eben alles empfunden.

Ich wünsche euch meine geliebten Kinder, das Euer Lebensweg bergauf geht und Euch Glück und Gesundheit begleiten. --

Allzeit in Liebe

Eure Mutti resp. Mama

An die ersten Jahre meiner Kindheit erinnere ich mich nicht mehr, nur das ich mit 2 Jahren ein Schwesterchen bekam‚die den Namen *Erika* erhielt. Da mein Papa auf einen größeren Gutshof, resp. größere Guts- Herrschaft versetzt wurde, übersiedelten wir nach *Hruschkovise*. Ich dürfte damals cc. 4 Jahre alt gewesen sein. Wir hatten dort ein sehr großes einstöckiges Haus, unten mit einer Art Halle und eine großen schönen Garten.

Eine recht unangenehme Angelegenheit blieb mir bis heute in Erinnerung. In unserem großen Garten standen an einigen Stellen Holzfässer in der Erde eingegraben, so tief, das der obere Rand der Fässer mit der Erdoberfläche gleich war. Das Wasser darin, meist Regenwasser diente zum Begießen der Pflanzen u. Gräser. Ob normalerweise ein Gitter darüber lag, ist mir nicht mehr bekannt, diesmal war jedenfalls keines vorhanden. Eines Tages lief ich im Garten an einem solchen Faß vorbei u. sah an der Oberfläche des Wassers irgend etwas schwimmen. Meine Neugierde wurde geweckt. Da das Wasser nicht randvoll war, mußte ich mich daher hinunter bücken, – das Resultat – ich bekam das Übergewicht und fiel kopfüber in das enge Faß. Von einem sich selbst befreien war keine Rede, da ich in dem engen Faß eingezwenckt war, die Hände unten drin. Mein Leben verdanke ich einen Gärtner‚ der in der Nähe arbeitete. Heute weiß ich es nicht mehr, – hörte er vielleicht den “Platsch” meines ins Wasser fallens oder sah er sich intensiv um, wo ich geblieben bin. Kurz, er sah plötzlich meine Füße aus dem Wasserfaß ragen‚ zog mich rasch heraus u. rettete somit wein Leben, das einige Sekunden später ausgelöscht gewesen wäre. – So hättest Du mein lieber Hermann heute eine andere Mutter‚ – so auch natürlich meine Tochter Ingrid u. Sohn Reinhard. –

Erwähnen möchte ich noch unsere Wohnung im ersten Stock. Vom großen Vorzimmer aus nach einer Seite das Eltern-Schlafzimmer und das Kinderzimmer, – nach der anderen Seite ein Wohnzimmer mit anschließendem Clo, ein sehr großer, sehr schöner Salon, dann Küche. Nennenswert ist, das die Wohnung zwei Eingänge hatte, einen für uns alle, Familie, Personal – für Gäste einen separat Eingang direkt in den Salon. Unten im Haus, ebenerdig hatte Papa noch eine Kanzlei, aber so eingerichtet , das im Falle auch Übernachten für Besuche möglich war.

In Hruschkovice bekam mein Bruder Günther die damals noch sehr gefürchtete Krankheit “Scharlach”. Wo das nächste Spital war, weiß ich nicht, er mußte zuhause bleiben u. meine Schwester Erika und ich wurden von ihm abgesondert u. zwar kamen wir hinunter in Papas Zimmer, das eigentlich ohnedies ziemlich wohnlich eingerichtet war. Das Essen wurde uns hinunter gebracht u. nur eine bestimmte Person, die nicht mit Günther in Berührung kam, durfte uns bedienen. Wir beide waren noch klein und war es daher für uns eine harte Zeit. –

Der Christbaum stand immer im Salon, da dort Platz genug für den großen schönen Baum war. An Eines erinnere ich mich Jahr für Jahr. An einem heilg. Abend stand beim Christbaum ein großer weißer Puppen-Kleiderkasten u. meine große Puppe Mirane schaute keck in den großen Türspiegel des Puppenkastens. Diese große Freude und Begeisterung damals blieb bis heute unvergessen in meinem Gedächtnis. Die Zeit der herrlichen, sorglosen Kindertage. Wie schön können sie sein, wenn man noch dazu so wunderbare Eltern hat wie ich u. meine Geschwister. Meine Mama, von uns meist Mamerle genannt hatte wohl ein goldenes Herz, mein Papa war zwar streng‚ aber sehr gutherzig.

Wenn ich nicht irre ‚ war es noch in Hruskovice , als meine Eltern ein Lehrer Ehepaar kennen lernten u. sich mit der Zeit auch befreundeten. Ich dürfte damals so etwas über 5, Günther über 6 Jahre alt gewesen sein. Er war also schulreif u. wurde zu diesem Oberlehrer zum Privat-Unterricht per Wagen (mit einer Kalesse, denn Auto gab es damals nur ganz selten u. die nur bei ganz reichen Leuten) hingebracht. Da ich zu dieser Zeit, wie man mir später einmal sagte, im Köpfle recht gut beisammen war, wurde ich gleich zum Unterricht mitgenommen.

Die Zeit verging und eines Tages wurde mein Papa infolge seiner beruflichen Tüchtigkeit von dem gleichen, großen Unternehmen auf einen größeren, verantwortlichen Posten, d.h. in diesem Fall auf einen großen Gutsbetrieb versetzt. So übersiedelten wir nach *Zadovice*, wieder einem Dorf, doch größer als Hruskovice oder Zeravice. Für Papa war es eine ziemliche Beförderung, aber auch eine viel größere Aufgabe, denn das Gut mit seinen großen Feldern hatte eine Ausdehnung bis weit in die nächste Ortschaft. Papa war daher sehr angehängt, von 5 Uhr früh im Sommer bis spät Abend, trotzdem hatte er immer noch etwas Zeit für uns drei Kinder. Das neue Zuhause in Zadovice, war ein großes einstöckiges Haus mit 4 Zimmern im 1. Stock und 2 Zimmern und diverses Zubehör im Parterre. Übrigens habt Ihr beide‚ Du Ingrid und Du Hermann dieses Haus bei einem kurzen Besuche in der C.S.R. flüchtig kennen gelernt. Ein für meine u. meiner Geschwister Begriffe war der dazugehörige Garten recht groß. Viel Obst, besonders aber sehr viele Trauben gab es da. Und denn etwas Besonderes, eine richtige große Kegelbahn u. eine ganz kleine Bassins. Letzteres war allerdings nicht fürs Schwimmen bestimmt, sondern nur für ein stehendes Baden. Uns genügte es, denn schließlich konnten wir ja noch nicht schwimmen u. freuten uns, sich in der Hitze wenigstens abkühlen zu können. Meinen Eltern gehörten noch eine lange Allee von Zwetschgenbäumen u. etlichen Birnbäumen außerhalb des Ortes Zadovice. Die Allee zog sich bis nach *Keltschan* hinüber, wo übrigens eine Zuckerfabrik war. Durch das viele Obst wurde bei uns viel eingekocht u. mein Mammerle‚ wie wir meist zu unsrer lieben Mama sagten, hatte da immer alle Hände voll zu tun. Sie war eine hervorragende verständnisvolle Mutter, den Menschen gegenüber eine sehr freundliche, gütige Frau und für meinen Papa die liebevollste Partnerin fürs Leben. Es tut mir immer wieder leid, das Ihr, meine Kinder sie nicht mehr kennen gelernt habt. Bei uns im Haus gab es oft viel Gäste, Sonntagsgäste fanden sich zu einer netten Kegelbahn-Partie ein, wo es oft sehr lustig zuging. Gutsverwalters aus der Umgebung, Beamte aus der Zuckerfabrik u.s.w., da ging es oft hoch her. Natürlich richtete Mama gute Imbisse u. Getränke her. Bei den Besuchern gab es auch Ehepaare mit Kindern u. so hatten wir Kinder auch unseren Spaß dabei. In den großen Ferien war unser Haus immer voll, denn da wurden unsre Verwandten mit den Kindern zu uns geladen, immer abwechselnd, einmal Onkel, Tante u. Kinder von der einen Seite, von Mamas, dann wieder von Papas Seite. Meist blieben die Erwachsenen nur kurze Zeit u. ließen die Kinder bei uns, die sie dann nach 2, 3 oder gar 4 Wochen wieder holten. Inzwischen kam die nächste Partie. Wir hatten eine sehr schöne Kinderzeit. Das kann man wohl sagen. Wir tollten im Haus, im Hof u. Garten herum, tummelten uns auf der Schaukel oder spielten auch im Hof mit den Arbeiterkindern Ball.

Eines Tages wurde es aber doch Ernst und es kam der erste Schultag. Das war nicht so einfach, denn eine Volksschule gab es nur 1 Stunde entfernt in *Gaya*, eine Stadt mit einer deutschen Volksschule und einer Cechischen. Volksschule u. Gymnasium. Natürlich kam für uns nur die deutsche Schule in Betracht, denn wir sind Österreicher mit deutscher Muttersprache. Freilich sprechen hier im Dorf nicht nur die Arbeiter cechisch, sondern auch Papa und und wir Kinder. Papa braucht die cechische Sprache für die Besprechungen und Anordnungen an die arbeitende Bevölkerung, wir Kinder wieder zur Verständigung beim Spielen (besonders Ball spielen mit den Arbeiterkinder. Aber Zuhause wurde und wird nur deutsch gesprochen.

Für den Schulbesuch benötigten wir einen Wagen, – (Autobusse oder zar Auros gab es damals nicht) der Platz für cca. 8 bis 10 Kinder hatte. Mit diesem Wagen fuhren wir um 7 Uhr früh von uns, also Zadovice ab und machten dann halt in **Keltschan** einem Ort mit einer Zuckerfabrik. Dort stiegen einige Kinder zu, Kinder vom Direktor, von der Buchhaltung etz. und dann gings weiter bis in die Stadt *Gayer*, der Endstation. – Um noch auf den Schulwagen zurückzukommen, Papa mußte natürlich erst einen solchen Wagen machen lassen‚ der nicht nur geräumig für soviel Kinder war, sondern auch gegen den Regen geschützt sein mußte. So ließ Papa einen solchen Wagen herstellen‚ innen mit 2 langen Bänken, der Ausstieg war rückwärts, so wie heutzutage bei einem Lastauto. Es konnte also losgehen.

Wir wurden um 6 Uhr in der Früh von unserem Dienstmädchen (die im Haus wohnte) geweckt u. zum Waschen etz. angetrieben. Damals kannte man keine Badezimmer, resp. eigentlich nur in ganz reichen Familien. Es gab da einen Marmorwaschtisch mit Lavoir und Krug aus Porzellan u. einen Kübel wegen des Zähneputzens. Das Mädchen‚ Roska hieß sie‚ brachte immer für jeden von uns einen Krug warmes Wasser aus der Küche vom großen alten Küchenherd, denn eine Wasserleitung kannten wir nicht. Wenn wir mit der Waschprozedur fertig waren‚ erschien schon unser Mamerle‚ um Erika und mich zu friesieren. Die Schulsachen mußten immer Abend bereit stehen. Das Dienstmädchen begleitete uns zum Schulwagen, der stets um punkt 7 Uhr früh vor unserem Haus bereit stand. Zur warmen Jahreszeit ging alles rasch, – hinein in den Wagen und los gings mit unseren braven 2 Pferdchen und den sogar ziemlich gut sprechenden Kutscher. Doch im Winter Oh Weh! Da wurden wir im Fußsäcke hineingepfercht, in Decken gehüllt u. konnten uns oft gar nicht rühren. Wie schon erwähnt, machten wir in Keltschan halt u. nach dem Einsteigen der Kinder und verpacken gings also nach Gayer. –

Noch so nebenbei möchte ich kurz erwähnen, daß ich schon damals als cca. 8 bis 10 jähriges Mädchen “Verehrer” hatte. Ja Ihr könnt lachen darüber‚ aber die mitfahrenden Buben, ob etwas Čechisch oder deutsch gesinnt, stritten sich um den Sitzplatz neben mir im Schulwagen. Schließlich hatte ich nur 2 Seiten – rechts oder links neben mir, es waren aber 4 oder 5 Buben, die im Wagen mitfuhren. Es war natürlich für mich recht lustig zu sehen, wie sie sich um den Platz stritten, und das als richtige Kinder.

In den ersten Volksschulklassen gab es nur Vormittags-Unterricht von 8-12 Uhr sodass wir um l Uhr wieder zuhause waren. Die Fahrdauer war 1 Stunde. Später gab es dann auch Nachmittags Unterricht. Das war allerdings eine Hetzjagd für die damalige Zeit, so wie es eigentlich heute täglich der Fall ist. 6 Uhr auf, 7 Uhr in den Wagen, 8 Uhr in Gaya Beginn des Unterrichtes, 11 Uhr aus, nach hause, von 12 bis 1 Uhr Mittagspause, 1 Uhr rasch in den Wagen, 2 Uhr in Gaya in der Schule bis 4 Uhr, manchmal bis 5 Uhr‚ je nachdem in welche Klasse wir gingen. Die bis 4 Uhr hatten, mußten eben bis 5 Uhr auf die anderen Kinder warten. Da diese stete Hetze von uns Kindern für die besorgten Eltern doch zuviel war, fuhr ich Mittags nicht mehr nachhause, sondern verbrachte meine Mittagszeit bei einer sehr gut bekannten Familie, beim Bergwerks.-Direktor in Gaya selbst, deren Tochter mit mir in die gleiche Klasse ging. Elli Grunt wurde oder war meine Freundin. Die Villa (auch der Bergwerks-Eingang) selbst lag am Rande von Gaya, allerdings für uns cc. 20 Min. von der Schule entfernt. Dies tat uns nicht weh, denn wir hatten genügend Mittagszeit von 11 Uhr bis 2 Uhr (abgerechnet die Gehzeit Hin u. Zurück cc. gute 3/4 Stunden) um nicht nur zu Essen, sondern auch im Garten u. Haus zu tollen zu spielen etz. Die Tochter, meine Freundin Elli hatte noch 2 Brüder, einen Klein und einen um einige Jahre älteren Bruder. Es ging immer lustig zu. In diesem Jahr, wo ich die Mittagszeit bei der Familie Grunt verbrachte, dürfte Erika, meine Schwester nur Vormittagsunterricht gehabt haben, denn sie war nicht mit mir bei Fam. Grunt. Mein Bruder Günther war damals schon in *Brünn*, wo er das Gymnasium besuchte, denn in Gaya gab es nicht einmal eine richtige Hauptschule, damals Bürgerschule genannt und schon gar nicht ein deutsches Gymnasium oder eine Realschule, so mußte Günther aus dem Haus.

Du lieber Hermann möchtest ja so gerne Vieles aus meinem Leben wissen. Da muß ich halt immer wieder etwas von meiner Schwester Erika und von meinen Bruder Günther erwähnen‚ denn denen ihr Leben greift immer wieder in Meines hinein, und Meines in ihres. Denn wir sind ja eine Familie und ich kann ruhig sagen, eine mit einem gesunden Kern einer guten Grundlage. Da greift ein Rad in das andere.

Nicht vergessen darf ich Dir zu sagen, resp. zu schreiben, das ich und Erika in, Gayer Klavierstunden nahmen, sodass die Wartezeiten zwischen dem verschiedenen Unterrichts-Ende ausgefüllt waren, u. der Schulwagen die Rückfahrt antreten konnte. Einige in dem Gefährt gingen ja in das **Cechische** Gymnasim, wo der Unterricht freilich länger dauerte. -

Zuhause gab es dann nicht nur für die Schule zu lernen, sondern für Erika u. mich fleißig Klavier zu üben. Darauf hat Mama sehr geschaut, da sie selbst sehr schön und gut Klavier spielen konnte. Wieoft saß sie dabei u. ihr Spiel erfreuten nicht nur uns, sondern im Hof draußen viele Leute, die horchend unter dem Fenster standen, was ja im Sommer offen war. Es war nicht nur das Klavierspiel sondern auch Mammerles Gesang, des wunderbar war. Obwohl mehr als 65 J. vergangen sind, erinnere ich mich noch heute an ihr Spiel und den wunderbaren Gesang. Wir beide, Erika und ich haben es leider nicht soweit gebracht. –

Erwähnen möchte ich noch die schönen Geburtstags-Kinderjausen, zu denen einige Kinder vom Direkter u. Verwalter der Umgebung eingeladen waren. Es ging da immer recht lustig zu. Es war reichlich für uns gesorgt, doch den Luxus von Heute kannte man freilich damals nicht.

Hie und da führte uns Papa nach Gaya ins Kino‚ (in einer Kalesse), dies natürlich nur an einen Sonntag zu einem Kinder-Stummfilm. So etwas wie heute gab es damals noch lange nicht .

Nachträglich muß ich noch erwähnen, das diese deutsche Volksschule um eine Klasse mehr hatte, – es war eine Unterteilung der letzten Volksschule. Da ich sehr gut lernte, wollten mich die Eltern gleich in die Hauptschule (damals Bürgerschule) geben. Ich habe daher im letzten Jahr in Gayer bei meinem Oberlehrer Privatunterricht genommen, um eben gleich in die 2.te oder gar 3.te Hauptschule aufgenommen zu werden. In diesem letzten Jahr war Günther schon in Brünn und besuchte dort die Realschule. Ein Junge mußte ja doch studieren. In der Nähe gab es nirgends eine solche Schule, wo man hätte täglich hin- und herfahren können und so kam er gleich ganz aus dem Haus, er wohnte privat bei einer sehr netten Witwe, wie schon geschrieben in der Hauptstadt von dem damaligen **Mähren**, in *Brünn*.

Ich muß in dieser Niederschrift immer wieder meine Geschwister erwähnen‚ da sie in mein Leben eingreifen, mit mir verbunden sind. –

Um wider auf mich zurückzukommen. Nach dieser Volksschule hätte ich eigentlich in die erste Klasse der Hauptschule kommen sollen, um aber gleich in eine höhere Klasse zu kommen, bekam ich eben den Privatunterricht. Und so kam es, das ich eines Tages zu einer großen Prüfung antreten mußte. Eine Prüfung über den Stoff der Volksschulklassen und zwei Bürgerschulklassen (Hauptschule), und zwar in Punkto “Rechnen, Deutsch, (Aufsatz) Geschichte und Geographie”. Zu diesem Zweck fuhr ich in Begleitung meiner Mama und meines Lehrers‚ bei dem ich den Privat-Unterricht nahm, mit dem Zug, wohin Papa uns brachte‚ nach … Und jetzt kommt es. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern‚ ob es “Mährisch-Ostrau”, oder “Ungarisch Hradisch” war. Diese beiden Orte resp. Städte schwirren mir immer vor und ich weiß nicht welcher es war. Da meine Eltern nicht mehr leben, kann ich die Wahrheit nie mehr erfahren. Jedenfalls war es ein riesig aufregender Tag. Mein Lehrer aus Gaja war bei all den Prüfungen dabei. Ich erinnere mich noch an einen kleinen Fehler, den ich bei einer längeren Rechen-Aufgabe auf der Tafel machte. Doch bevor die Prüfungs-Kommission dies nachprüfen konnte, meinte mein Lehrer: “Das kannst du schon auslöschen, das geht in Ordnung”. Er stand nämlich neben mir und zwinkerte mir zu, denn er bemerkte den Fehler und hat mir dadurch geholfen. Sonst ging alles glatt, ich habe alle Fragen in Geographie und Geschichte richtig beantwortet und mit meinem Aufsatz waren sie mehr als zufrieden. Ich habe die ganz Prüfung mit Vorzug absolviert, obwohl es eine ungeheure Leistung war, über soviel Jahrgänge Bescheid zu wissen. Sehr gut kann ich mich erinnern, das ich auf der Fahrt (im Wagen) zum Zug hin ununterbrochen mich in Geschichte prüfte, die diversen Herrscherjahre, Kriege etz., bis die Eltern mich baten, aufzuhören sonst bringe ich alles durcheinander. – Ich wurde dort in der Stadt gleich in eine feine Konditorei geführt und konnte mir aussuchen, was ich wollte. Damals war es etwas Besonderes, ein Luxus, heute etwas Selbstverständliches. Die Freude und das Lob meiner Eltern und auch des Lehrers über meine vorzügliche Leistung war sehr groß. Die Konditorei war nicht allein der Lohn für meine Leistung, das große Geschenk kam dann in Form eines “Goldenen Herzerls” als Anhänger für mein Halsketterl. Das Schöne ist, das ich bis heute dieses Anhängsel besitze und dieses später in den Besitz meiner einzigen Enke**lin** geht. Vieler Schmuck ist leider im Jahre 1945 verloren gegangen. – Übrigens habe ich zu dieser Prüfung noch zu sagen, das mein Privatlehrer ein **Ober**lehrer war, also über den Lehrern stand. –

Schön langsam kamen dann die Ferien und die schöne Zeit begann. Es kamen wieder die Kinder unserer Verwandten und ging es da recht lustig zu. Aber auch wenn sie nicht da waren, gab es Kinder genug u. tollten wir fröhlich herum. Für uns war es ja egal, ob es Kinder von Angestellten oder von Arbeitern waren. Sie selbst waren allerdings stolz, dass sie mit den Kindern vom Verwalter spielen durften. Damals gab es noch richtige Klassen-Unterschiede. –

So wurde es langsam September und der Schulanfang in Sicht. Nachdem es in Gaya keine deutsche Bürgerschule (heißt Hauptschule) gab und ich nun in die 3. Kl. gehen sollte, blieb den Eltern nichts anderes übrig, als mich, – so wie meinen Bruder Günther im Vorjahr – auch außer Haus, also nach **Brünn** zu der gleichen Kostfrau (so nannte man dies damals) zu geben. Für mich begann ein neues Leben. Zum ersten Mal so weit weg von zuhause, wo ich freilich nur zu den Ostern, Weihnachten oder zu mehrtägigen Ferientagen fahren konnte. Der Aufenthalt in Brünn wurde mir aber nicht allzuschwer, da ja Günther auch mit mir bei der gleichen Kostfrau wohnte, die nebenbei bemerkt sehr lieb und nett war, ich möchte sagen sogar herzlich war. Unser Wohnplatz lag in einem Außenbezirk und hatten wir Beide einen Schulweg von cca.25 Minuten zu bewältigen. Soweit ich mich erinnere, gab es damals bereits eine Straßenbahn in dieser Richtung, doch dies wäre für uns Zwei ja doch zu teuer gewesen u. so ging es eben auch zufuß. Günther ging in die Realschule u. ich in die 3.te Klasse Hauptschule. Da ich gut singen konnte, ging ich jede Woche am Freitag in den Chor-Unterricht‚ der in meiner Evangelischen Schule stattfand u. sang jeden Sonntag mit anderen Kindern am‚ resp. im Chor.