Irgendwann nach dem ersten Kaffee und vor dem ersten Frühstück. Heute um zwei Uhr sollte ich zum Friseur und das letzte mal habe ich ihn vergessen. Jetzt bin ich schon drei Stunden vorher nervös, so ein Mist.
In den Wilden Gestaden leiten mehrere Personen Spiele und die Spieler setzen sich immer neu zusammen. Ein offener Tisch, online. Funktioniert prächtig!
Wir verwenden die erste Ausgabe von AD&D als Regelwerk, und da hat es ein paar Dinge, welche ich anders lösen würde. Die stören mich nicht wirklich, auf keinen Fall würde ich deswegen aufhören – ich empfinde diese aber als ein wenig Sand im Getriebe. Gestern haben wir nach dem Spiel über eine Stunde über einige dieser Punkte geredet und ich will mal aufschreiben, was mir von unserer Diskussion so hängen geblieben ist. Die Diskussion hat mir sehr gefallen und so habe ich es sogar bis kurz nach Mitternacht ausgehalten, obwohl ich um elf Uhr schon sehr müde war. 😅
Was besonders mühsam ist: Wenn ein mächtiger, magischer Gegenstand verkauft wird, gibt es viel Geld, doch der Nutzen des Geldes ist nicht für alle gleich. Letzthin haben wir beispielsweise einen *Stecken der Unverrückbarkeit* gefunden, der gab so viel Geld, dass Personnagen mit zu tiefer Stufe Erfahrungspunkte verfallen lassen mussten, da sie nicht mehr als eine Stufe pro Abenteuer steigen können. Wenn gewisse Personnagen eine zu hohe Stufe haben, haben wir das umgekehrte Problem: Diese Leute wollen die magischen Gegenstände auf keinen Fall verkaufen, weil Stufe steigen nicht mehr so wichtig ist, und der Geldbetrag sehr wahrscheinlich zu klein ist, um einen grossen Unterschied zu machen.
Ein weiteres Problem ist Konstellation am offenen Tisch. Es ist nicht klar, ob die anderen Spieler je wieder dabei sein werden und wenn sie verschwinden, verschwindet ihre Spielfigur, und mit ihr alle magischen Gegenstände, die sie auf sich trägt. Somit haben wir hier eine andere Konstellation als in einer eigenen Heimrunde, wo man einer anderen Personnage vielleicht gerne einen magischen Gegenstand überlässt, weil man selber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch immer davon profitieren wird. Am offenen Tisch muss man einen langen Blick haben und darauf vertrauen, dass sich im Laufe der Zeit alles richtet wird. Oder vielleicht bevorzugt man dann auch die regelmässigen Spieler, weil dann die Chancen hoch sind, dass die magischen Gegenstände wieder im Spiel sind. Auch das macht die Verteilung nicht einfach.
Das Geld einfach weglassen geht irgendwie auch nicht. Sitzungsgelder verteilen verleitet zum vermehrten sitzen: Man bekommt Erfahrungspunkte, wenn wenn man absitzt, im schlimmsten Fall lohnt es sich sogar, Zeit zu verplempern, denn Erfahrungspunkte gibt es ja sowieso. Auch Meilensteine sind seltsam, denn dann muss die Spielleitung ja vorgeben, welche Meilensteine es gibt, oder die Spielleitung oder der Tisch entscheidet spontan, dass gerade jetzt ein Meilenstein erreicht wurde, was das Gefühl der verdienten Belohnt schmälert, da man ja nicht konkret darauf hin gearbeitet hat sondern die Belohnung wie Mana vom Himmel geregnet ist. So bleibt das Konzept “Erfahrungspunkre für Gold” die beste der schlechten Lösungen.
Was tun?
Gute Frage.
Was sicher gilt: Es handelt sich hier um emergente Eigenschaften der Regeln, die aber nicht zwingend sind. Der offene Tisch verschlimmert das Verteilungsproblem. Die limitierte Spielzeit der erwachsenen Spieler führt zum Bedürfnis, nicht alles restlos ausspielen zu wollen. Gleichzeitig ist es schwierig vorher zu sagen, wie sich Regeländerungen auswirken werden.
Deswegen kann ich an dieser Stelle nur beschreiben, wie ich das in Hellebarden & Helme für meine Spiele gelöst habe.
Magische Gegenstände können nicht verkauft werden. Da es sehr viele Gefolgsleute gibt, gibt es allerdings immer Abnehmer, welche magische Gegenstände mit Handkuss entgegen nehmen. Die daraus entstehenden Verbindlichkeiten sind zumindest nicht doof.
Als Spielleiter vermeide ich Rätsel. Ich mag Rätsel als Spieler nicht, vielleicht weil ich selber nie auf die Lösung komme. Auch Logistikaufgaben machen mir keine Freude. Klar, ein- oder zweimal kann das lustig sein. Und wer findet es nicht fantastisch, die Tomb of Annihilation komplett zu überspringen und nur die Mithriltüren zu klauen! Aber: Wie oft? Vielleicht ist einmal auch genug Logistikrätsel.
A pair of huge mithril doors stand at the top of the stairs described in Area 28. And I mean huge. The doors are fourteen feet wide, twenty-eight feet tall and three inches thick. No wonder we hear stories of adventurers trying to steal them. These doors are almost certainly the most valuable things in the Tomb! – WIR S1 Tomb of Horrors, E.N. World
WIR S1 Tomb of Horrors, E.N. World
Nach jedem Abenteuer schreibe ich in den Discord Kanal, wie viel Geld jeder bekommt.
Total Schätze: 7900 von den sieben Juwelen, 1400 vom Diadem, und 1000 für Johann, macht 2575 Gold pro Anteil für Rafael, Maeva, Dominique, und 1287 Gold pro halbem Anteil für Temuulen und Matteo; und Rafael muss je 1 Gold für Ahnaf und Barnabas zahlen.
Oder:
1500gp ÷ 5½ = 272gp pro Anteil (Klea, Naina, Peppina) und 136 pro halbem Anteil (Luanda, Sven, Signa, Karina, Sava); sowie -1 gp für alle Mietlinge (Abdi, Sury) und -½gp für alle Träger (Hiteschree, Dominic). Die Auslagen von 275gp übernimmt Team Klea.
Oder:
130 Gold geteilt durch 4½ Anteile sind 28 Gold für Peppino, Klea und Matay; 14 Gold für Luanda, Maximiliano und Sven; sowie Kosten von 1 Gold Chana und Hans Peter und ½ Gold für Maurus.
Und so weiter.
Bleibt die Frage nach der Ausgabe des Goldes und die Erfahrungspunkte. Hier mache ich es mir einfach. Eigentlich ist es mir egal, Gold wird zwischen den Abenteuern einfach zu Erfahrungspunkten konvertiert. Praktisch gibt zwei Dinge, welche es interessant machen.
Das Ausgeben des Goldes gibt Erfahrungspunkte. Ich erlaube es den Personnagen, sich gegenseitig Gold zu schenken, solange der Empfänger nicht eine höhere Stufe hat. Man darf also nur Leuten Gold schenken, die auf gleicher oder tieferer Stufe sind. So können hochstufige Leute den tiefstufigen Leuten Geld schenken, welches sie ausgeben, um Stufe zu steigen. De facto kann die Gruppe also selber steuern, wie gross der Abstand unter den Gruppenmitgliedern werden kann. Das ist ein positives Gruppenerlebnis. Die eine Seite fühlt sich grosszügig, die andere dankbar, alle fühlen sich schlau. Finde ich gut!
Ausserdem nehme ich mir ein Beispiel an den alten Griechen. Anscheinend haben die alle in kleinen Hütten gewohnt und die reichen und mächtigen unter ihnen haben ihr Geld verwendet, um öffentliche Bauten zu errichten. Zu Beginn des Spiels findet man im Spielerhandbuch folgende Liste:
+--------------------------------+-------------+ | Bauwerk | Preis | +--------------------------------+-------------+ | kleine Statue für einen | 50 Gold | | Brunnen | | | normale Statue für einen | 100 Gold | | Garten | | | kleiner Altar aus Stein | 250 Gold | | mit Geister Tor und kleinem | | | Brunnen | | | kleiner Laden aus Holz | 300 Gold | | mit Schlafgelegenheit im | | | Hinterzimmer | | | einstöckiges Geschäftshaus aus | 700 Gold | | Holz wie eine Taverne, eine | | | Galerie, eine Spielstube | | | grosse Bronzestatue für einen | 1000 Gold | | öffentlichen Platz | | | zweistöckiges Holzhaus in | 1500 Gold | | einem Dorf oder ein stolzer | | | Bauernhof auf dem Land | | | zweistöckiges Gebäude aus | 3000 Gold | | Stein in einem Dorf (100 m²) | | | zweistöckige Villa mit | 10 000 Gold | | Marmorsäulen und Statuen in | | | einer Stadt (200 m²) | | | kleine Burg auf dem Land mit | 75 000 Gold | | Wehrturm und einem ummauerten | | | Innenhof (200 m²) | | +--------------------------------+-------------+
Mit der Zeit kommt hier mehr dazu: Strassenbau, Reparaturen von Stadtmauern und Festungsanlagen, Palisadenzäune, Gräben, Türme, und so weiter. Mit den Anhaltspunkten auf der Liste haben die Spieler ein Ziel (hat man 75 000 Gold investiert, ist man auf Stufe 7 ausser man spielt einen Elfen, dann ist man auf Stufe 6). Ein gutes Ziel, ab der ersten Stufe! Und dann kann man ja vielleicht noch Wachen anheuern, einen Hundezwinger errichten, einen Ponyhof bauen, und so weiter.
So geben die Spieler ihr Geld wieder aus und transformieren gleichzeitig die Spielwelt ein wenig in ihrem Sinne. Auch das finde ich einen sehr positiven Aspekt; das gefällt mir auf alle Fälle viel mehr, als das Geld für Trainer ab zu streichen, deren Name ich nicht kenne und deren Freundschaft mir nichts bedeutet.
Müsste man mal ausprobieren.
Was die *Wilden Gestade* anbelangt, würde ich selber im Moment nichts ändern. Ja, das sind so Reibungsflächen, aber die sind nicht entscheidend. Ich werde versuchen, die Diskussionen kurz zu halten. Abstimmen statt diskutieren – und ich bin für “nicht verkaufen”. @hasran hat auch gemeint, dass es für ihn nicht zur Rolle der Spielleitung gehört, die Spieler hier in die eine oder andere Richtung zu lenken. Selber bin mir da nicht so sicher, ich schätze den *Referee* auch als *Master of Ceremony*. Mein Bild hierzu ist der Jahrmarktbesuch zu sechst oder siebt. Alle so unentschlossen, rücksichtsvoll, alles quälend langsam… Nun, ich werde mir auf alle Fälle mehr Mühe geben. Ob man das Gold in Trainer oder Bauwerke investiert ist ja eigentlich auch egal und theoretisch könnte man dies als Spieler sich ja auch einfach interessanter ausmalen, oder zwischen den Spielen im Chat etwas schreiben. Vielleicht zeigt sich ja dann auch, dass es wirklich keinen Unterschied gibt und die Trainer eine simple Rahmengeschichte bleiben können. Viel wichtiger ist ja sowieso, dass überhaupt mehr gespielt wird.
#RSP #ALRIK
(Please contact me if you want to remove your comment.)
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Ein möglicher “workaround” für offene Tische, über den ich jetzt schon länger grübel: klar kommunizierte Organisationen innerhalb der Spielwelt, denen die Figuren der Spielerinnen sich anschließen können. Gibt irgendwelche kleinen Perks, dafür klare Regeln bei Schatzverteilung und “Nutzungsrechte” für magische Gegenstände. Wenn du zu Madame Lees Bande gehören willst, werden X% Prozent der Schätze an Madame Lee abgetreten. Wenn die Figuren, einen magischen Gegenstand “behalten” möchten, geht der in Madame Lees Besitz, aber die Figuren können für weitere Aufträge sich bei Madame Lee ausrüsten. Braucht noch einiges an Feinschliff.
– hasran 2022-09-03 22:52 UTC
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Hm, ich bin mir nicht sicher, dass dies die Diskussion unter den Spielern am Tisch reduzieren würde. Meinst du, dass die Gruppe, jedesmal wenn sie aufbricht, die Gegenstände aus Madamse Lees Kiste neu verteilen darf und es deswegen bei der ersten Schatzverteilung zu weniger Diskussionen kommt, da die Verteilung weniger Permanent ist? Möglicherweise. Wenn genug Leute dem entsprechenden *magic item pool* beitreten.
– Alex 2022-09-04 09:27 UTC