Weil auf G+ jemand einen Kommentar von mir mit +1 markiert hat, bin ich wieder auf die Diskussion zu den Preisen in Rollenspielmarkt gekommen und wollte meine Kommentare noch auf den Blog retten.
die Diskussion zu den Preisen in Rollenspielmarkt
Diejenigen unter euch, die unglücklich mit der aktuellen Situation sind, leiden meiner Meinung nach einfach unter dem Kapitalismus unserer Zeit. Was nützt es jetzt, hier über die fehlende Grösse des Marktes, die unerbitterliche Preisbildung über Angebot und Nachfrage, die Selbstausbeutung, den Zwang zur Arbeit und zum Geldverdienen oder die ungerechte Verteilung von Erfolg in einem globalisierten Markt zu klagen? Das ist eine interessante, politische Diskussion, hat aber mit Rollenspiel im Besonderen nichts zu tun. Den Musikern geht es ja nicht besser. Eine Lotterie, wo ein paar wenige gewinnen, und die anderen an der Armutsgrenze oder Teilzeit oder halt eben als Amateure mitmachen – und genau so wie wir alle klagen. Aber ich für mich überlese all diese Kommentare und Diskussionen gerne, da ich davon ausgehe, dass es fruchtlos ist. Genau wie die Hobbymusiker, Hobbymaler, Hobbytänzer und Hobbyrollenspielschreiber, schreibe ich meine freie Software und verteile diese gratis an jeden, der sie möchte, auch wenn meine Frau es nicht fassen kann, wenn so viel Gratisarbeit hier geleistet wird. Was soll ich sagen? Was nützt es jetzt, über die fehlende Grösse des Marktes, die unerbitterliche Preisbildung über Angebot und Nachfrage, die Selbstausbeutung, den Zwang zur Arbeit und zum Geldverdienen oder die ungerechte Verteilung von Erfolg in einem globalisierten Markt zu klagen? Es wiederholt sich alles. Es ändert sich nichts. Mit dem Kapitalismus muss man sich arrangieren oder eine *politische* Diskussion führen.
Ich kann halt nur von mir auf andere schliessen. Wenn Kevin Crawford ein PDF macht, welches mir passt, zahle ich $10. Wenn es ein altes D&D PDF gibt, welches ich haben will, zahle ich $5. Wenn Blogger wie Courtney Campell oder Brendan S aber ihre PDFs für $10 verkaufen wollen, denke ich schon, ach was, eigentlich brauche ich das ja nicht wirklich. In den letzten Jahren ist meine Zahlungsbereitschaft ständig gesunken, weil meine Regal voller ungelesenem Material stehen, weil ich nichts mehr gedruckt haben will, und so weiter. Deswegen vermute ich, dass ich schon gar nicht mehr zur Zielgruppe der 70€ Verlage gehöre. Aber was für Schlussfolgerungen kann ich aus dieser Anekdote ziehen? Keine, vermutlich. Es gibt immer einige wenige, welche für ein schönes Buch viel zahlen, es gibt immer viele, welche ein Buch nicht kaufen, weil sie die Preise zu teuer finden, Monte Cook und John Wick können unglaubliche Beträge mobilisieren, andere nicht... Aber diese Leute haben halt auch schon vorher (bei mir) einen sehr viel höheren Bekanntheitsgrad gehabt. Irgendwie habe ich das Gefühl, aus diesen Beobachten könne man genau gleich keine Schlussfolgerungen ziehen, ausser vielleicht: “alles ist möglich” oder vielleicht auch: “das lässt sich alles nicht miteinander vergleichen”. Monte Cook ist da eher wie Michael Jackson: Glück gehabt! Alle anderen: Weiter mit der brotlosen Kunst. Ja, es wäre theoretisch möglich, dass jemand ein Rollenspielbuch auf Deutsch für 70€ herausbringen kann und keiner der Beteiligten sich selber ausbeuten musste. Die Chancen scheinen mir aber klein zu sein. Und hier meine ich eben, dass es sich nicht lohnt, auf die Details zu schauen: Was macht Kevin Crawford im Detail genau richtig? Was für Vorleistungen musste Monte Cook genau erbringen? Denn: Was genau haben alle anderen gemacht? Warum sind so viele alte Hasen in die Videospielindustrie abgewandert? Am Ende bleibt eben nur die Systemkritik. Ein globaler Markt, *winner takes all*, die Lotterie der ganzen Sache, die Bereitschaft zur Selbstausbeutung, weil es eben auch ein Hobby ist, nicht wie Strassenputzen und Kellnern und all die anderen schlecht bezahlten Jobs, die wenigstens nicht unter das Existenzminimum fallen (hoffe ich). Wenn jemand mir also sagt, 70€ Rollenspiele sind möglich, dann höre ich nur, es ist möglich, die Lotterie zu gewinnen. Wie viele Leute dabei aber auf der Strecke bleiben, weiss niemand. Wir, die normalen Leute, die Hobbyisten, diejenigen, welche dem Traum nachhängen, von einer Arbeit, die wir lieben, zu leben, wir werden nicht gezählt. Der amerikanische Traum, *from rags to riches*, ist eben nur ein Traum. Eine Lotterie. Da nützt weder Klage noch Aufruf. Um mich zu überzeugen, müsste man ein Argument aufführen, welches für alle anderen Künstler auch gilt – für Musiker, Maler, Tänzer, Schauspieler.
Ich bin immer skeptisch, wenn ich höre, dass irgendwelche Produkte für irgendwelche anderen Produkte den Markt kaputt machen. Gilt das Argument in der Musik auch? All die schlechten Bands machen den Markt für die super guten Bands kaputt? Überschwemmen uns mit Billigsongs? Ersticken die schlechten Bands die Liebhaber der guten Musik? Nein. Die Schwemme der Heartbreakers sind keine Erklärung für die finanzielle Misere, und der Unterschied zwischen Sammlern und Spielern ist auch keine Erklärung für die finanzielle Misere. Fakt ist nur, dass der Markt für Spieler klein ist (da die Sammler nicht dazu gehören), und das erklärt ja schon alles: geringe Umsätze, geringe Löhne.
Das Herumhacken auf den Sammlern bringt gar nichts. Wo betreffen die mich denn? Wenn die Sammler Briefmarken sammeln würden, wäre der Effekt genau gleich. Es gibt Produkte für Sammler, welche mich als Spieler nicht interessieren. Vielleicht entstehen so natürlich *Erwartungen* bei den Spielern. Wie beispielsweise, dass die Bücher etwa gleich teuer sein könnten. Aber der Blick auf andere Märkte bringt nichts und hat noch nie etwas gebracht. Warum ist Putzen schlecht bezahlt und CEO sein nicht? Da gibt es endlose Diskussionen aber für unsere Diskussion ist nur relevant, dass unsere Wirtschaftsordnung keinen Gerechtigkeitsanspruch hat. Wir haben einen Rechtstaat, keinen Gerechtstaat. Deswegen ist es müssig, die Preise von Videospielen und Rollenspielen zu vergleichen. Selbst wenn die Stunden aller Entwickler messen würde, bliebe die Welt ungerecht. Ausser wir wollen für eine gerechtere Welt kämpfen oder über Grundeinkommen oder Kultursteuer oder den Kommunismus reden.
Fakt ist einzig: das Markt ist so winzig, gemessen an der Zahl der Kunden bin ich ganz mit dir einig, wir haben eine absolute Überproduktion und entsprechend auch tiefe Preise (ausser für die wenigen Gewinner der Lotterie). Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen, denke ich. Das Schimpfen lohnt sich nicht. Will man den Hobbymusikern das Musizieren verbieten? Den Hobbyprogrammieren das veröffentlichen ihrer freien Software? Natürlich nicht. Den Rollenspielern will man also das veröffentlichen der Heartbreakers auch nicht verbieten.
Schlechte Qualität? Ist doch kein Problem, du musst ja nicht alles kaufen! Ich will auch nur den besten Wein trinken, und kaufe deswegen selten Wein. Ich will auch nur den besten Tee trinken, und kaufe deswegen selten Tee. Ich will auch nur gute Kinofilme sehen, und gehe deswegen selten ins Kino. Ist doch super? Rezensionen lesen, Schrott nicht konsumieren, dem ständigen Kaufen! Kaufen! Kaufen! einfach etwas Behäbigkeit entgegensetzen. Das machst du natürlich auch, und ich verstehe auch, dass man sich wünscht, dass Lipton Yellow Label oder Twinings Green Tea vom Markt genommen wird, dass man empört unter Freunden über den miserablen Dreck schimpft, der mit riesigen Budgets im Kino landet, und dann lachen wir alle ein wenig, aber so *wirklich* bringt die Diskussion natürlich nichts. Denn uns ist ja allen klar, wie die Welt funktioniert. Naja, manche träumen vielleicht davon, dass der Rollenspielmarkt anders sei, als es aussieht. Grösser, zum Beispiel. Oder von qualitätsbesessenen Lektoren bevölkert. Aber das ist natürlich nicht so, war nie so, und ist auch sonst nirgends so.
Rezensionen, Aufrufe, Diskussionen über die Qualität im Guten wie im Schlechten, absolut. Der Markt braucht natürlich gut informierte Kunden. Was auch legitim ist: einfach nicht konsumieren. Wenig kaufen. Oder: Bei der Frage nach *Haben oder Sein* die richtige Entscheidung fällen. Ich bin vor allem Rollenspieler, nicht Rollenspielbesitzer. Ich schreibe wenig Rezensionen, weil ich kaum etwas verwende. Die Lektionen der letzten zehn Jahre habe ich gelernt.
Klar, hoher Preis heisst nicht automatisch hohe Qualität. Aber wir drehen uns auch ein wenig im Kreis, hier. Der Markt ist verdammt klein. Vielleicht gibt es schlicht und einfach kein günstiges, schönes und nützliches Rollenspielbuch für den deutschen Markt. Wenn es das gäbe, würde es sich herumsprechen, da bin ich überzeugt. Deswegen: Es könnte ein solches Buch geben, das 70€ wert wäre. Es könnte ein paar Leute geben, die sich für ihr Buch nicht selber ausgebeutet haben. Aber aus den weiter oben dargelegten Gründen ist es verdammt unwahrscheinlich. Und weder mehr Kunden noch höhere Zahlungsbereitschaft lassen sich herbeireden, genau so wenig wie wir den Dschinn des *desktop publishing* und des *print on demand* wieder zurück in seine Lampe kriegen.
#RSP