Sophia Brandth hat auf Google+ was über Rezensionen geschrieben und sich gefragt, wie das mit der Kritik und dem Lob ist. Und dann stellt sich die Frage, warum es praktisch nur positive Kritik online gibt. Jennifer Fuss meinte zum Beispiel, dass negative Kritik potentiell zwei Probleme mit sich bringt: 1. man wird selber angegriffen, 2. die Autoren fühlen sich angegriffen oder geschädigt.
Und mir geht es genau so. Ja, wenn etwas wirklich grottenschlecht ist, dann schreibt man lieber nicht darüber, weil das ja auch Lebenszeit ist, die man dafür verwendet. Nicht nur hat man was schlechtes gelesen, jetzt schreibt man auch noch darüber.
Ein weiterer Punkt ist die amerikanische Faustregel: “If you can’t say something nice, don’t say nothin’ at all.” Das ist in vielen Bereichen des Lebens sicher nicht angebracht. Erziehung, Schule, Politik, überall ist man auch auf Kritik angewiesen. Bei Rezensionen denke ich immer an den Sinn und Zweck.
Wenn ich Philosophie betreiben will, à la New York Review of Books, dann verwende ich das Werk nur als Aufhänger und es darf gutes und schlechtes vorkommen, egal.
Wenn es eine Kaufempfehlung ist, dann will ich nur über Dinge schreiben, die ich auch wirklich empfehlen kann. Und wenn es da trotzdem vereinzelte Punkte gibt, die kritisch betrachtet werden müssen, damit ein potentieller Käufer sich fair informiert wird, dann schreibe ich das auch. Es wäre falsch, dies wegzulassen. Aber manchmal reicht auch einfach ein Satz. Beispielsweise: “Mir scheint, das Werk richtet sich an Teenager.” Oder: “Ich bin ja nicht Teil des Zielpublikums, den Spielern des klassischen D&D mit seinen *dungeon crawls*.” Und dann muss man sich nicht darüber auslassen, was das alles bedeutet. Warnung platziert und weiter geht’s mit den guten Dingen im Leben.
#RSP
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Die Wahrheit ist doch, dass “Rezensions-Huren” sich Berge von kostenlosen Rezensionsexemplaren von den Verlagen schicken lassen. Da kommt dann auch nie ein vernichtendes Urteil zustande.
Weniger ausschlaggebend, besonders für Deutschlnd, sind amerikanische Höflichkeitsideale. Die USA haben halt eine Smalltalk-Kultur anstelle einer Diskussionskultur. Ist dort ja auch wichtig für den nationalen Zusammenhalt (von Alaska bis Florida hören alle Rockmusik, essen Burger, unterstützen die Army, diskutieren über Trump), aber ich schweife ab ...
– ghoul 2016-05-13 06:46 UTC
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Solche unsympathischen Personen mag es geben, aber ich kenne niemanden, der so Rezensionen schreibt. Natürlich macht es Sinn, dass Verleger nur denjenigen Rezensionsexemplare schicken, mit denen sie eine gute Beziehung haben, schliesslich will man ja auch das richtige Zielpublikum ansprechen. Ich nehme an, deswegen hat mir James Raggi auch keine weiteren Rezensionsexemplare geschickt.
Da ich viele englische Produkte kaufe, ist die amerikanische Rezensionskultur für mich natürlich sehr wichtig. Und umgekehrt genauso: eine englische Rezension eines englischsprachigen Produktes wird natürlich von vielen Lesern aus Amerika gelesen und entsprechend rezipiert.
Auch auf persönlicher Ebene gibt es da Unterschiede: Die Diskussionskultur in der Schweiz unterscheidet sich schon von derjenigen in Deutschland...
Was mir nun wichtig ist, ist das Zustandekommen von einem Verriss. Selbst für Leute wie mich und andere, die ehrlich rezensieren wollen, ohne auf die weitere Zusendung von Rezensionsexemplaren zu hoffen, gelten die von mir genannten Punkte: Warum Zeit investieren, wenn es offensichtlich schlecht war, wenn man nicht zum Zielpublikum gehört? Das ist einfach Zeitverschwendung des Rezensenten. Wenn man das natürlich beruflich macht, als Journalist, als Blogger, der von der Werbung lebt, dann ist das nochmal etwas anderes. Aber für mich ist die Begründung ausreichend für das fehlende Zustandekommen eines Verisses, ohne dass ich mich der Käuflichkeit verdächtig machen muss.
Wenn ich mir die Rezensionen von Bryce Lynch anschaue, verstehe ich die Welt nicht mehr. Er kauft alle Produkte selber und fast alle werden verissen. Krass! Was für ein Masochist.
– Alex Schroeder 2016-05-13 07:24 UTC
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Nun, ich finde schon, dass man auch Rezension über Produkte schreiben sollte, die man nicht mochte. Denn eine rezension muss nicht automatisch eine Empfehlung sein, sondern kann ja auch die Empfehlung sein etwas nicht zu kaufen. Und wenn der Eindruck eher schlecht war, dann ist das halt so. Gerade im Hobby Rollenspiel (natürlich nicht nur) kann man sich ja schnell vergreifen, gerade wenn es ein Produkt aus einer Linie ist. DSA mit seinem überbordenden Angebot hat ja auch einige faule Äpfel in der Kiste.
Natürlich muss man letztlich selbst wissen, ob man seine Zeit mit so etwas verbringen will, aber das ist dann halt eine Frage des eigenen Anspruchs. Will man nur Empfehlungen aussprechen, was ok ist, oder will man darübergehend informiern, was eher zu meiden. Ich für meinen Teil bin ganz froh, wenn etwas so interessant klang, dass ich es mir gekauft hätte, ich dank einer guten Rezension aber herausfinden konnte, dass es doch nicht (für mich) ist.
Natürlich sollte es dann schon eine Rezension sein, nicht einfach ein Rant. Sowas mag ich auch nicht leiden. Ein positives Beispiel für eine Rezension die von etwas abrät ist die zu “Behind the Walls” von Teilzeitheld Marc Keil.
Mein persönliches Fazit: Negative Kritik (inkl. Nicht-Empfehlen) ist ok und für das Hobby auch wünschenwert, sie muss aber konstrutiv.
– John Doe 2016-05-13 12:14 UTC
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Hmmm ...
Für mich ist das Entscheidende an einer Rezension, dass ihr(e) Verfasser(in) unter Offenlegung der Bewertungskriterien die eigene, gut begründete Meinung über das Rezensionsobjekt zum Ausdruck bringt. Mit einer Rezension, die eher einer Produktbeschreibung gleich kommt, kann ich wenig anfangen. Und da hapert es dies- und jenseits des Atlantiks mMn am meisten, auch wenn es die letzten Jahre (gefühlt) etwas besser geworden ist.
Wenn das, was ich mir wünsche (s.o.), konsequent durchgezogen wird, dann führt das i.d.R. zu differenzierten Rezensionen, die zwar im Fazit, nicht aber im Haupttext, reine Verrisse oder Lobhudeleien sein können.
Dadurch verändern sich dann auch die potentiellen Probleme, die negative Kritik mit sich bringen kann: Wenn Fans und Autoren nachvollziehen können (müssten), warum ich etwas schlecht bewerte, dann haben sie viel weniger Grund sauer zu reagieren. (Und wenn sie es dennoch tun - und ich mir sicher bin, dass ich fair und mit einer grundlegenden Wertschätzung an die Rezension herangegangen bin, dann nehme ich mir das Recht heraus, das “Eingeschnappt-Sein” als Charkaterfehler zu werten.)
... noch zu der Motivation eine Rezension zu schreiben: Für mich ist der Anlass immer, dass mich irgendwas an dem Produkt berührt hat. Das kann eine tolle einzele Idee sein oder eine geweckte Erwartung, die erfüllt oder nicht erfüllt wurde, ...
Egal, wie das Verdikt am Ende ausfällt: Auf der Haben-Seite der rezensierten Sache bleibt immer das, was mich zur Rezension veranlasst hat.
Soweit mal. Ich hoffe meine Gedanken sind nachvollziehbar.
– Athair 2016-05-14 04:06 UTC
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Sind sie. 😄
– Alex Schroeder 2016-05-14 14:44 UTC