In den Kommentaren zu Jörg Theobalds Moralregeln für D&D 3.x, hatte ich die Gelegenheit meine Gedanken zum Designprinzip “Balance” zusammenzufassen:
Erstmal folgende Annahme: Balance heisst, dass kein Spieler am Tisch übermächtig oder nutzlos ist, sondern dass alle auf der spielmechanischen Ebene gleich beitragen können.
Meiner Meinung hängt “übermächtig oder nutzlos” von sehr vielen Dingen ab, die nicht von den Regeln bestimmt werden. Im D&D sind Schurken mit einem Partnern stark und können grossen Schaden anrichten, alleine aber sind sie schwach, und gegen Untote praktisch nutzlos. Wer Balance wichtig findet und Schurken im Spiel behalten will, hat hier schon ein Problem. Wer Schurken abschafft, verzichtet auf ein strategisches Element des Spieles: Die Wahl der Umstände und der Gegner sind Entscheidungen, die ich spannend finde.
Das führt mich zum zweiten Punkt: Selbst wo die Balance von den Regeln verhindert wird, kann dies zum Spass beitragen. Schon immer waren Magier auf tiefer Stufe oder ohne Sprüche ausgesprochen schwach, auf hoher Stufe oder mit vielen Sprüchen aber übermässig stark. Wer diese Unterschiede abschafft, entfernt wieder ein strategisches Element des Spieles: Das sorgfältige Einteilen der grossen Macht ist ein Aufgabe, die ich spannend finde. Und als Spielleiter hat man ja immer noch die Möglichkeit, das Gleichgewicht von Magiern und Kämpfern mittels Anzahl Herausforderungen pro Tag zu bestimmen.
Deswegen ist Balance für mich kein Bewertungskriterium für Regeln. Balance und die Bewertung der Balance hängt von zu vielen anderen Faktoren ab.
Zum Thema empfehle ich den Blog von Brian Gleichman und insbesondere den Artikel More on Paladins and Balance:
[It is an extremely common mistake] thinking that the rules instead of the GM is the primary enforcer of game balance. It’s a common mistake because rules can be viewed as ’balanced’ or ’imbalanced’ on their own. ¹
#RSP #Balance
(Please contact me if you want to remove your comment.)
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Tja, also wenn Gleichman keine anderen Hobbies hat, als als SL auch noch auf Spielbalance zu achten... Meinen Segen hat er. Mir wär dat zu anstregend.
Viel einfacher ist es die schnieke Attacke vom Schurken eben auch gegen Untote wirken zu lassen. Nicht nur spart das eine Regel, sondern erleichtert allen Beteiligten das Leben.
– 1of3 2009-04-06 17:22 UTC
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Ich glaube, jetzt verstehe ich worauf es hinausläuft. Dein Verständnis von Balance unterscheidet sich gravierend von meinem (und auch von dem von jenen, mit denen ich über Balance gesprochen habe). Dein Verständnis von Balance scheint zu meinen, dass jeder charakter in jeder Situation gleich “mächtig” (im weiteren Sinne) ist. Mein Verständnis heißt aber, dass Charaktere insgesamt gleich “mächtig” sein sollen.
Rogues finde ich prima ausbalanciert. Wenn sie mit jemanden in flankierender Position sind, machen sie übel Schaden. Alleine machen sie fast keinen ,gegen Untote eh nicht. Dafür haben sie viele wichtige Fertigkeiten auf verschidenen Gebieten und können je nach Ausrichtung bei vielen Gelegenheiten aktiv werden. Magier sind prima ausbalanciert, denn wenn sie frisch ausgeruht sind, können sie überihre Sprüche viel Schaden machen. Sind die Sprüche verbraucht, sind sie nur so wertwoll wie ihr Vorrat an Spruchrollen (noch extremer ist es bei Hexenmeistern). Jede Klasse darf und SOLL ihre Stärken haben. Gleichmacherei macht den Spielspaß wirklich zunichte. Aber jede Klasse MUSS auch Stärken haben, genauso wie sich daraus fast zwingend Schwächen ergeben. Das nenne ich Balancing. Und das jeder seine Stärken einsetzen kann, aber sich auch seiner Schwächen bewußt sein muss ist eine Aufgabe des Designs der Abenteuer (laso meist des SLs).
P.S.: Den Artikel von Gleichmann hatte ich gelesen undich fand ich nur verwirrend, sondern sogar verstörend (wie das eine oder andere von ihm). Nicht nur deshalb, möchte ich diesen Artikel nicht weiter kommentieren.
– TheClone 2009-04-07 05:46 UTC
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Ich denke, dass **Spiel**-Balance in erster Linie ein gutes Werkzeug ist, um es der SL zu erleichtern, eine Aufmerksamkeits- und Wirkungs-Balance zu schaffen.
Will heißen: Jeder *Spieler* sollte ähnlich oft die Hauptrolle spielen (es sollte also für jeden Spieler Szenen geben, in denen sein Charakter die wichtigste Person ist - am besten in den Szenen, die dem Spieler am meisten Spaß machen zu spielen), und die Entscheidungen jedes Spielers (also die Handlungen seines Chars) sollten ähnlich große Auswirkungen haben (wenn auch vielleicht in anderen Bereichen).
Wenn alle Charaktere ähnlich mächtig sind, hilft das dabei, ihren Einfluss auf das Abenteuer ähnlich groß zu halten. Und wenn jeder Charakter besondere Stärken hat, die auch gebraucht werden, hilft das dabei, jedem Spieler ähnlich viel Rampenlicht zu geben.
Und durch die Wahl des Chars kann der Spieler eine Vorauswahl an Szenen treffen, in denen ihm die Regeln helfen, im Rampenlicht zu stehen.
PS: GFDL! Cool!
PPS: Emacswiki! Yay!
– Arne Babenhauserheide 2009-04-07 07:20 UTC
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Oh, Balance, mein Lieblingsthema.
Es stimmt sicher, dass fehlerhaftes Balancing auch in den Rang klassischen Charmes erhoben werden kann. Hier das gute Beispiel mit dem Magier, der am Anfang nur schwer durch die Angriffe von Ratten und Katzen zu bringen ist, am Ende aber die Fähigkeiten der übrigen Gruppe nur noch braucht, wenn seine Sprüche grade mal aufgebraucht sind. Langfristig ödet das aber an und wird früher oder später durch Hausregeln weggepatcht (oder man wendet sich eben einem anderen System zu).
Dass der SL auch noch das Balancing übernehmen soll, kann ich hingegen so gar nicht nachvollziehen. Erstens hat er tatsächlich schon genug zu tun, zweitens berücksichtigt die Begründung (aus dem zitierten Artikel) eine wichtige Teilaufgabe des Balancings nicht.
Out of the box, that’s we may say that is mechanically ’balanced’. But such balance
can easily fail if the GM is running a Social Romance campaign when the Stealth
skill is never used. Or it can be under-costed if the GM is calling for multiple
Stealth rolls per session for each character.
Das Spiel ist gebalanced für jene Kampagnen, für die es vorgesehen ist. Und es gehört auch zum Spieldesign dazu, das in ausreichender Weise festzulegen. Klar ist man auf sich allein gestellt, wenn man das Spiel völlig seiner ursprünglichen Vorsehung entfremdet und beispielsweise eine Intrigen- und Romanzenkampagne mit D&D 4 versucht (ist ja alles denkbar).
Zum Schluss noch zur Rolle der Charaktere: Es ist natürlich kein schlechtes Balancing, wenn es unterschiedliche Rollen gibt (also z.B. Supportklassen im Kampf, die nicht primäre Schadensausteiler sind). Sofern die dadurch geschaffenen Optionen Sinn machen (man könnte auch sagen, Spaß machen). Ob der Rogue nun bei D&D genug zu tun hat, das ist eine andere Frage. Grundsätzlich aber macht seine Rolle als Option für die Spieler Sinn.
– Ionflux 2009-04-07 19:58 UTC