2005-10-21 Grenzen

SuShee zitiert die deutsche Ausgabe des MondeDiplomatique zum Thema Reisepässe. ¹ Ich fand im gleichen Artikel auch eine spannende Passage:

SuShee

MondeDiplomatique

¹

Genau darauf zielten bereits die Passgesetze des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts ab. Sie dienten nicht der lückenlosen Überwachung und Erfassung, sondern dazu, den oder die Reisenden dem Zwang zur Kontrolle zu unterwerfen. Aus der Sicht der kontrollierenden Obrigkeit ist der perfekte Ausweis deshalb derjenige, der ein kleines Fehlverhalten seines Besitzers oder seiner Besitzerin dokumentiert. Ein fehlender Stempel, eine ungültige Gebührenmarke, eine versäumte Frist zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer - eine kleine, aber signifikante Verletzung der Regeln. Der Beamte kann entweder großzügig über sie hinwegsehen oder sie ernst nehmen und sanktionieren. Identifikation als Kontrolle heißt, den Kontrollierten in einen Zustand zu bringen, in dem er bereits einen Fehler gemacht hat und ihn daraufhin dauernd verdecken, verbergen und sich dafür entschuldigen muss. ²

²

Die bittere Wahrheit des Papierkrieges! Egal ob Steuern, Niederlassungsbewilligung, Einwohnerkontrolle, Visas – die Logik des Staates unterscheidet sich von der Logik der Datenschnüffler im Dienst von Kommerz und Versicherungen. Dort wird gesammelt und zusammengestellt (Zielgruppen) oder ausgeschlossen (Risiken). Beim Staat funktioniert es anders: Es werden tausend Regeln aufgestellt, damit die danach folgende Beamtenwillkür abgesegnet ist. Zum Glück bin ich bis jetzt noch nie so richtig unter die Räder gekommen.

Meinem Vater ist das aber schon passiert: Nach zwei Jahren Auslandaufenthalt in Thailand meldeten sich zwei Behörden. Die Steuerbehörde behauptete, dass der Mittelpunk des Lebens trotz Abwesenheit die Eigentumswohnung in der Schweiz sei; die Fremdenpolizei behauptete, dass die zweijährige Abwesenheit die zugestandene Frist für seine Niederlassungsbewilligung überschreite, und ihm diese deswegen aberkannt werde.

​#Grenzen

Comments

(Please contact me if you want to remove your comment.)

Dass du dich an dieses Detail so gut erinnerst das ueberrascht mich. Ich kann nur noch ergaenzen: die Steuerbehoerde hat gesagt, ich bin ins Ausland gegangen mit der “Absicht, des dauernden Verbleibens in der Schweiz” (also ich komme wieder zurueck in die Schweiz zu meinem staendigen Wonsitz, eine Eigentumswohnung) und deshalb muss ich in der Schweiz Steuern zahlen. Das war auch so und das habe ich verstanden. Was ich nicht verstanden habe, dass die Fremdenpolizei gesagt hat, ich bin ins Ausland abgereist und habe damit meine Aufenthaltsgenehmigung verloren. Und so war es auch, da half kein Reklamieren. Man erklaerte mir, das sind 2 Behoerden, die haben nichts miteinander zu tun. Man zahlt Steuer, weil man ja wieder zurueckkommt, trotzdem verliert man die Niederlassung (Genehmigung C)! Zum Glueck hat es die Firma wieder geschafft eine Bewilligung B fuer mich zu bekommen, sonst haette ich mit der Familie in ein anderes Land auswandern muessen. Auch wenn ich es vorgehabt haette, mit dieser Logik haette ich nie Schweizer werden koennen. Dazu musste man als Oesterreicher mindestens 10 Jahre gemeldet sein. Nach einem Auslandseinsatz fing ich wieder bei null an.

– Helmut Schroeder 2005-10-26 01:24 UTC

---

Bist du sicher, dass du danach ein B bekommen hast? Ich glaube, wir haben damals alle unser C behalten. Sonst hättest du mir doch nachher mit 18 nicht die Frage stellen können, ob ich Schweizer werden will.

– Alex Schroeder 2005-10-26 06:28 UTC

Alex Schroeder

---

Fuer Jugendliche war es viel leichter Schweizer zu werden. Da galten andere Bedingungen. Vielleicht hast du recht und ich habe die Genehmigung C behalten. In Thailand war es komplizierter, da habe ich die 2 Jahre um ein paar Wochen ueberzogen weil ich bei einem Folgeauftrag fuer die Firma noch mitgearbeitet habe. Dann hat sich noch die Firma in der Schweiz in Aarau fuer mich eingesetzt und so war die Wiedereinreise gesichert. Aber Steuer habe ich gezahlt.

– Helmut Schroeder 2005-10-26 23:16 UTC